Die juristische Presseschau vom 27. bis 29. April 2013: Hoeneß und Oberschichtenkriminalität – Platzauslosung für NSU-Prozess – "Golden Ager" in Großkanzleien

29.04.2013

Geht es Uli Hoeneß mit seiner Selbstanzeige am Ende wie Peter Graf? Außerdem in der Presseschau: Die Bundesregierung sperrt sich gegen die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft, eine Historikerkommission untersucht die Geschichte des BMJ, Soldaten als Freizeitsöldner und wie ein Rechtsanwalt die "Golden Ager" der Großkanzleien vor Diskriminierung schützen will.

Fall Hoeneß: Wenn Uli Hoeneß seine Selbstanzeige "vermurkst" hat, ist er so nah am Gefängnis wie einst Peter Graf, so der Spiegel (J. Dahlkamp/C. Neumann/H. Knaup/B. Schmid/J. Schmitt) in einem umfassenden Beitrag zum Fall, der seine "wahre Schubkraft" erst für die Justiz entfalte. Er platze rein in deren "zarten, zähen" Wandel im Umgang mit Steuerhinterziehung und -hinterziehern. Im Jahr 2008 habe der BGH zwar eine neue Härte gefordert und entschieden, ab einer Millionen Euro hinterzogener Steuern sei die Regel Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Die Wirklichkeit bleibe aber das "krasse Gegenteil", die "Sozialstrukturen in den Gefängnissen" seien noch die Gleichen. Steuerrechtsanwälte meinten laut Spiegel, meist werde doch gedealt, Richter "bettelten" geradezu darum. Steuerermittler suchten wiederum "kreative Wege", die Hürde der Millionengrenze – auch mal augenzwinkernd - zu unterwandern.

Wie das Handelsblatt (Christoph Schlautmann) informiert, hat die Bochumer Staatsanwaltschaft Hoeneß mit Blick auf den Zeitpunkt seiner Selbstanzeige entlastet: Sein Name habe sich nicht auf einer bereits im Jahr 2012 angekauften Steuer-CD befunden, die an die Staatsanwaltschaft München weitergeleitet worden war.

Chronologisch fasst die Montags-SZ (Hans Leyendecker) die Ereignisse zum Fall Hoeneß vor dem Hintergrund der steuerpolitischen Entwicklungen der vergangenen zwölf Jahre zusammen.

Angemessene Strafjustiz?: In einem Gastbeitrag für den Focus befasst sich Winfried Hassemer, ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, mit der Bedeutung von Fällen wie dem von Hoeneß für die Betroffenen und die Strafjustiz. Im Angesicht der mächtigen Presse und einer einzigartigen Aufmerksamkeit der Bevölkerung müsse letztere die "Botschaft eines modernen Rechtsstaates vernehmlich machen". Es könne das "Vertrauen der Bevölkerung in Stetigkeit und Angemessenheit" ihres Handelns gestärkt werden.

"Oberschichtenkriminalität" und Klassenjustiz?: In seinem Leitartikel in der Welt am Sonntag fragt sich Olaf Gersemann angesichts des Umgangs mit Uli Hoeneß, Klaus Zumwinkel und Co., "ob die viel beschworene Klassenjustiz nicht immer häufiger auf links gedreht in Erscheinung tritt". Gersemann meint "vor dem Gesetz sind nicht mehr alle gleich, wenn der Volkssport Steuerhinterziehung als "Oberschichtenkriminalität" behandelt wird", wie es die SPD machen wolle.

Selbstanzeige für Steuersünder?: Im Wirtschaftsteil der FAS findet sich ein Pro  (Christian Siedenbiedel) und Contra (Dyrk Scherff) zur Frage: "Selbstanzeige für Steuersünder abschaffen?"

Weitere Themen – Rechtspolitik

Mehr Väterrechte: Wie die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) informiert, hat der Bundestag die Umgangsrechte leiblicher Väter gestärkt: Hat der Erzeuger ein "ernsthaftes Interesse" am Umgang gezeigt, könne er nun grundsätzlich ein Umgangsrecht durchsetzen. Auch wenn sein Kind in einer anderen "rechtlichen" Familie lebe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe die bisherige Rechtslage mehrfach kritisiert. Eingeführt worden seien außerdem Auskunftsrechte des biologischen Vaters sowie ein Recht auf Feststellung der Vaterschaft.

Bundesregierung "stellt sich dumm": Beim Thema steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe stelle sich die Bundesregierung "dumm", findet die Samstags-SZ (Guido Bohsem). Neben "dutzenden Finanzgerichten" habe auch das Bundesverfassungsgericht alles getan, um klarzustellen, dass sie die Regelung für falsch hielten – außer einer Rede ihres Präsidenten Andreas Voßkuhle auf dem Christopher Street Day. Auf eine Anfrage der Linken habe die Regierung erklärt, so die SZ weiter, sie befinde sich noch im Prozess der "Meinungsbildung" dazu, ob aus dem jüngsten Bundesverfassungsgerichtsurteil "Konsequenzen für steuerrechtliche Fragen zu ziehen seien".

Diskussion Netzneutralität: Thomas Lohninger stellt auf netzpolitik.org die Studie der österreichischen Kampagne usernetz.at zur Netzneutralität vor. Darin würden Gesetze zur Netzneutralität aus Chile, den Niederlanden und Slowenien verglichen. Deren gemeinsamer "Kern" sei die "Pflicht für Provider Datenpakete in ihrem Netz gleich zu behandeln". Es sei an der Zeit, in Deutschland und Österreich den Schutz der Netzneutralität gesetzlich zu sichern, so Lohninger.

Experten für Vorratsdatenspeicherung: Über die Einsetzung einer neuen Expertengruppe "für vorbildliche Verfahrensweisen bei der Vorratsspeicherung" durch die EU-Kommission zur Sicherung einer "effektiven, effizienten Umsetzung" der entsprechenden Richtlinie berichtet netzpolitik.org (Andre Meister). Die Gruppe solle mit 20 Sachverständigen besetzt werden, vor allem aus den Strafverfolgungsbehörden. Thomas Stadler (internet-law.de) kommentiert insbesondere mit Blick auf die Zusammensetzung der Gruppe: "Mein Eindruck, dass die Kommission mehrheitlich aus Technokraten und Antidemokraten besteht, verstärkt sich weiter."

Alternative für Deutschland?: Heribert Prantl (Samstags-SZ) findet, die drei Prozent Wählerzustimmung, auf welche die "Alternative für Deutschland" (AfD) bereits kurz nach der Gründung komme, gar nicht so "mickrig". "Misstrauen gegen Europa" ist für Prantl aber keine wirkliche Alternative.  Die EU müsse endlich Europa-Politik betreiben und den Menschen nicht die "nationale Heimat" nehmen, sondern eine zweite geben: Europa.

Frauenquote im Rechtsstaat?: In deutlichen Worten setzt sich Gerd Held (Welt am Sonntag) mit dem Thema Frauenquote auseinander. Mit einer Quote könne die "Grundannahme der Gleichheit vor dem Gesetz außer Kraft gesetzt", die Geltung des Rechts auf dem Arbeitsmarkt beschnitten, "ein Eckstein der demokratischen Rechtskultur" geopfert werden. Die "Person im Sinne der Grundrechte" würde zweitrangig und der Gleichheitssatz ausgehebelt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. bis 29. April 2013: Hoeneß und Oberschichtenkriminalität – Platzauslosung für NSU-Prozess – "Golden Ager" in Großkanzleien . In: Legal Tribune Online, 29.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8624/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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