Die juristische Presseschau vom 28. März 2012: Blutspritzer an der Wand – Airlines ohne Entschädigung – Europa als Innovationswunder

28.03.2012

"Ich habe meine Nichten nicht getötet", sagte der Angeklagte im Prozess um die Mädchenmorde von Krailling. Doch kaum ein Prozessbeobachter glaubt ihm. Außerdem in der Presseschau: Das Frankfurter Arbeitsgericht schützt streikende Gewerkschaften, Udo Di Fabio lobt Europa und Schwaben können sich nicht einmal über zehn Cent einigen.

Doppelmord von Krailling:  Vor dem Landgericht München hat gestern erstmals der Hauptangeklagte Thomas S. ausgesagt. Der selbstgerecht wirkende Postbote bestritt, seine beiden Nichten getötet zu haben. Die Blutspuren in der Wohnung erklärte er mit Nasenbluten bei einem früheren Besuch. Blutspuren an der Wand könnten auch von der Polizei manipuliert gewesen sein. Über die Aussagen berichten ausführlich spiegel.de (Gisela Friedrichsen), die FAZ (Katrin Truscheit) und focus.de (Nina Baumann).

Weitere Themen – Rechtspolitik

Kirche und Arbeitsrecht: Aus Anlass einer Anhörung im Bundestag gibt Die Welt (Matthias Kamann) einen ausführlichen Überblick über die Debatte um das fehlende Streikrecht für Kirchenmitarbeiter und erklärt, warum vor allem die evangelische Kirche am Pranger steht. 

Menschenhandel: Die Wissenschaftlerin Julia Schieber stellt auf lto.de das Europaratsabkommen zur Bekämpfung der modernen Sklaverei vor. Es solle nun in Deutschland ratifiziert werden. Die Bundesregierung sehe aber keinen Umsetzungsbedarf, weil das deutsche Recht dem Abkommen schon gerecht werde. Schieber fordert, die Rechte der Menschenhandels-Opfer dennoch zu verbessern. 

Kinder von Häftlingen: Die SZ (Heribert Prantl) referiert auf der Titelseite ein Schwerpunktheft der Zeitung "Forum Strafvollzug" zur Situation der Kinder von Strafgefangenen. Hingewiesen wird unter anderem auf ein Modellprojekt in Ulm, das versuche, den Inhaftierungsschock beim Kind zu mindern. 

Weitere Themen - Justiz

OLG Schleswig verurteilt Islamist: Der 20-jährige Harry M. soll zwei ausländische terroristische Vereinigungen (unter anderem Al Qaida) unterstützt haben und wurde dafür vom Oberlandesgericht Schleswig zu drei Jahren und drei Monaten Jugendstrafe verurteilt. Das berichtet die Welt (Martina Scheffler). Er soll unter anderem Videos von der Exekution irakischer Polizisten ins Internet gestellt und mit höhnischen Kommentaren versehen haben. 

KG Berlin hebt Voigt-Freispruch auf: Im März 2011 hatte das Berliner Landgericht den damaligen NPD-Chef Udo Voigt und zwei weitere NPDler vom Vorwurf der Volksverhetzung und Beleidigung freigesprochen. Der WM-Planer "Weiß – nicht nur eine Trikotfarbe" habe mehrdeutig ausgelegt werden können. Das Kammergericht hob den Freispruch nun wegen Fehlern in der Beweiswürdigung auf und fordert ein neues Urteil des Landgerichts, berichtet der Tagesspiegel (Frank Jansen).

ArbG Frankfurt zu Streikentschädigung: Die Gewerkschaft der Flugsicherung muss nach einem Unterstützerstreik von Fluglotsen den mittelbar betroffenen Airlines keinen Schadensersatz bezahlen. Das berichtet die taz (Christian Rath). Dies müsse selbst dann gelten, wenn der umstrittene Streik als rechtswidrig eingestuft worden wäre, so das Gericht. Eine Gewerkschaft müsse bei unklarer Rechtslage kein Haftungsrisiko tragen, sonst laufe das Streikrecht leer.

VG Koblenz zur Hautfarbenkontrolle:  Das Verwaltungsgericht Koblenz entschied, dass es rechtmäßig ist, wenn die Bundespolizei bei der Einwanderungskontrolle in Zügen gezielt Menschen mit dunkler Hautfarbe anspricht. Dies berichtet spiegel.de. Udo Vetter (lawblog) kommentiert: "Rassisten auf der Richterbank".

VG Berlin zu Goethe-Beihilfen: Die staatliche Finanzierung der Goethe-Institute ist keine Beihilfe, die von der EU-Kommission hätte genehmigt werden müssen. Das entschied laut lto.de jetzt das Verwaltungsgericht Berlin. Die Goethe-Institute nähmen staatliche Aufgaben der auswärtigen Kulturpolitik wahr.

Auslagenersatz Gauweiler: Nachdem Peter Gauweiler erfolglos gegen den Euro-Rettungsschirm klagte, sprach ihm das Bundesverfassungsgericht dennoch den Ersatz eines Drittels seiner Auslagen zu. Den Streitwert bezifferte sein Rechtsvertreter auf 48 Mrd. Euro. Christian Rath prüft auf lto.de, ob Gauweiler auf diesem Wege reich werden könnte.

Prozessbeginn gegen Folkert-Geliebte: Am Amtsgericht Wolfsburg begann der Prozess gegen die Geliebte des Ex-VW-Betriebsratsvorsitzenden Klaus Folkert. Ihr wird Beihilfe zur Untreue vorgeworfen, weil Folkert ihr VW-Gelder ohne Gegenleistung zugeschustert haben soll. Sie hat Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt und damit die Verhandlung erzwungen. Die SZ (Kristina Läsker) berichtet vom Prozessauftakt.

Klagen gegen Funkzellenabfrage: Das Landgericht Dresden hat jetzt Betroffene von der Funkzellenabfrage im Februar 2011 informiert. Einige wollen nun vor Gericht die Rechtswidrigkeit der Maßnahme feststellen lassen, informiert netzpolitik.org (André Meister).

Europäische Grundrechte im Arbeitsrecht: Der Wissenschaftler Adam Sagan beleuchtet in einem Beitrag für die FAZ die Rolle der europäischen Gerichte für das deutsche Arbeitsrecht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe inzwischen klargestellt, dass seine Mangold-Rechtsprechung nur für Diskriminierungs-Sachverhalte gelte. Inzwischen habe aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit zwei Urteilen zum kirchlichen Arbeitsrecht und zum Whistleblowing für Aufsehen gesorgt.

Wirtschaftsstrafprozesse: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet vom Insolvenzrechtstag. Dort habe BGH-Richter Thomas Fischer beklagt, dass die Weite der Normen des Wirtschaftsstrafrechts Druck für informelle Absprachen erzeuge. Der Verteidiger Sven Thomas habe außerdem die strenge BGH-Kontrolle von Bewährungsentscheidungen im Steuerstrafrecht als übergriffig kritisiert.

US–Kampf gegen Steuerhinterziehung: Das Handelsblatt (Frank M. Drost) berichtet über die Umsetzung des US-Gesetzes Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca). Deutsche Banken müssten nun doch keine Verträge mit US-Steuerbehörden schließen, vielmehr solle der Datenaustausch bilateral über deutsche Steuerbehörden laufen.

Weitere Themen – Recht in der Welt

USA – Tod eines Teenagers: zeit.de (Eva Schweitzer)  und die FAZ (Matthias Rüb) zeichnen den Konflikt um die Tötung eines schwarzen Jugendlichen durch einen weißen Bürgerwehr-Mann nach. Dabei geht es auch um ein weitgehendes Notwehrgesetz in Florida.

Sonstiges

Di Fabio-Interview: Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio spricht mit der FR (Michael Hesse) über konservative Werte, den Bundespräsidenten, Europa als Innovationswunder, soziale Gerechtigkeit, den Euro und die Ästhetik des Gesetzes.

Das Letzte zum Schluss

Kleinlichkeit: Bild (P. Schmid und M. Piechotta) stellt "Baden-Württembergs irrsten Justizprozess" vor. Weil ein Mieter 10 Cent mehr Zinsen für seine rückgezahlte Kaution verlangte, verklagte er seine Ex-Vermieterin und bekam am Ende beim Amtsgericht Maulbronn auch Recht. 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)   

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage. 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. März 2012: Blutspritzer an der Wand – Airlines ohne Entschädigung – Europa als Innovationswunder . In: Legal Tribune Online, 28.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5880/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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