Die juristische Presseschau vom 27. Juli 2012: Feilschen im Bundestag – Fesseln im Heim – Gassi gehen im Walde

27.07.2012

Deutschland hat kein Wahlrecht mehr, doch das soll nicht so bleiben. Jetzt beginnen die Verhandlungen der Parteien. Außerdem in der heutigen Presseschau: das Gutachten zum Schuldentilgungsfonds, der BGH zur Freiheitsbeschränkung im Heim, ein Richter unter Polizeischutz und warum Hunde in NRW-Wäldern die Freiheit genießen können.

Neues Wahlrecht: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben zumindest medial die Verhandlungen über die Neufassung des Bundeswahlgesetzes bereits begonnen. spiegel.de und die taz (Christian Rath) schildern die Verhandlungspositionen. Die SZ (Robert Rossmann) stellt die Reformdiskussion mit Fragen und Antworten dar. Ebenfalls die SZ (Silke Bigalke) schildert, wie die Bundesländer mit Überhangmandaten umgehen.

Nachträge zum BVerfG-Urteil: Max Steinbeis (Verfassungsblog) wirft Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und Klägern vor, sie hätten "ein Wahlrecht, das viele Jahrzehnte lang super funktioniert hat, nach Strich und Faden kaputt" gemacht. Wolfgang Janisch (SZ) nimmt das Urteil zum Anlass für die Frage, ob Karlsruhe zu politisch handele und kommt zum Schluss: "Manchmal 'regiert' das Gericht zu viel, manchmal zu wenig." Die SZ (Helmut Kerscher) portraitiert außerdem den Rechtsprofessor Hans Meyer, der SPD und Grüne in Karlsruhe vertreten hatte.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Schuldentilgungsfonds: Der Göttinger Rechtsprofessor Frank Schorkopf hat in einem Gutachten für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung dessen Vorschlag eines Schuldentilgungsfonds zur Lösung der Euro-Krise geprüft. Nach Darstellung der FAZ (Joachim Jahn) hält Schorkopf das Modell für verfassungskonform, solange Deutschland keine gesamtschuldnerische Haftung übernimmt.

Internethandel: Am 1. August tritt die so genannte Button-Lösung für Bestellungen bei Online-Shops in Kraft. Die Internetwirtschaft befürchtet dann eine Abmahnwelle gegen Händler, die sich nicht rechtzeitig umgestellt haben, berichtet das Handelsblatt (Heike Anger).

Weitere Themen – Justiz

BGH zu Bettgittern: Freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Pflegeheimen, etwa Bettgitter oder Gurte, bedürfen stets der richterlichen Genehmigung. Die Zustimmung des Betreuers genüge nicht, entschied der Bundesgerichtshof laut zeit.de.

BGH zu Branchenverzeichnissen: Wenn für den Eintrag in ein Branchenverzeichnis 650 Euro pro Jahr gefordert werden, dann muss dies im Eintragungsformular sehr deutlich herausgestellt werden. Das urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) nach Darstellung von lto.de.

BVerwG zu Telefondaten: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass die Weitergabe von Telefon-Teilnehmerdaten mit europäischem Recht vereinbar ist. Der Anwalt Markus Schröder stellt das Urteil für lto.de ausführlich dar. Telefonfirmen müssten Daten, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, an Konkurrenten weitergeben. Der Telefonkunde habe zwar das Recht zu entscheiden, ob und welche seiner Daten veröffentlicht werden. Er habe aber nicht die Möglichkeit, die Veröffentlichung auf einzelne Unternehmen zu beschränken.

OLG München zu Apple-Patent: Das Oberlandesgericht (OLG) München hat den Antrag von Apple auf Eilrechtsschutz gegen dessen Konkurrenten Samsung abgelehnt, so lto.de. Apple berief sich auf ein Patent zur Benutzung von Touchscreen-Bildschirmen, das Samsung für ungültig erklären lassen will.

VGH München zum Baumschutz: Ein Fürther Bürger wollte zwei Eichen fällen, weil darin Eichenprozessionsspinner nisteten und er gegen diese Raupen allergisch sei. Die Stadt Fürth verweigerte dies mit Blick auf die örtliche Baumschutzverordnung. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) gab der Stadt Recht. Ein Fällen der Eichen wäre nur aus grundstücksbezogenen Gründen möglich, etwa "wenn diese sonst auf die Straße fallen", berichtet die FAZ (Albert Schäffer).

Asyl für Homosexuelle: zeit.de (Anna Gauto) schildert den Fall einer lesbischen Frau aus dem Iran, die in Deutschland nur deshalb Asyl erhielt, weil sie Nachfluchtgründe geltend machen konnte.

Klage bei Staatsbankrott: Im Interview mit der FTD (Sebastian Grundke) befasst sich Rechtsprofessor Hans-Bernd Schäfer mit Klagen von Anlegern, die vom griechischen Schuldenschnitt betroffen sind. Er vergleicht sie mit einem Verfahren gegen einen "Haircut" in Argentinien, das schon seit Jahren vor einem Schiedsgericht in Washington verhandelt wird.

Sex mit Aids: Die FAZ (Peter-Philipp Schmitt) gibt einen Überblick über die strafrechtliche Behandlung von Sexualkontakten von HIV-Infizierten in Deutschland und einigen US-Bundesstaaten.

Polizei gegen Facebook-Partys: Udo Vetter (lawblog.de) kritisiert den Einsatz der Polizeidirektion Waiblingen im Vorfeld einer angekündigten öffentlichen Facebook-Party als unverhältnismäßig. Rund 130 Personen, die sich für die Teilnahme angemeldet hatten, wurden identifiziert und teilweise am Arbeitsplatz aufgesucht.

Richter unter Polizeischutz: Die FAZ (Robert von Lucius) berichtet über den Fall eines Hildesheimer Richters, der über einen Ehrenmord im Konflikt zweier syrisch-libanesischer Großfamilien zu entscheiden hatte. Nach Drohungen während der Urteilsverkündung wurde er unter Polizeischutz gestellt. Reinhard Müller (FAZ) warnt in einem Kommentar vor "Clans, die sich über dem Gesetz wähnen".

Weitere Themen – Recht in der Welt

Venezuela – Menschenrechtsgerichtshof: Nachdem Venezuela vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen unmenschlicher Behandlung eines Terrorverdächtigen verurteilt wurde, kündigte das Land an, aus diesem Menschenrechtssystem auszusteigen, meldet die taz (Jürgen Vogt). In einem separaten Kommentar lobt Bernd Pickert (taz) anhand von Beispielen, dass die Richter des Gerichtshofs "einen ziemlich guten Job machen".

USA – Meinungsfreiheit: Die FAZ (Patrick Bahners) berichtet in ihrem Feuilleton über ein Urteil des Bundesgerichts für den südlichen Bezirk des Staates New York. Dieses erlaubte der Islamkritikerin Pamela Geller, auf Werbeflächen von Bussen Muslime indirekt als "Wilde" zu bezeichnen. Geller setzt sich dabei für die Unterstützung Israels ein.

Das Letzte zum Schluss

OVG Münster zum Leinenzwang:  Hundebesitzer in Nordrhein-Westfalen können nicht verpflichtet werden, ihre Hunde auf Waldwegen an die Leine zu nehmen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Münster laut spiegel.de. Das Forstgesetz des Landes erlaube einen Leinenzwang nur abseits der Wege.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. Juli 2012: Feilschen im Bundestag – Fesseln im Heim – Gassi gehen im Walde . In: Legal Tribune Online, 27.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6715/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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