In Karlsruhe ist man mal wieder über den EuGH verstimmt. Der nutzte die
EU-Grundrechte-Charta, um seine Zuständigkeit offensiv auszuweiten.
Außerdem in der heutigen Presseschau: die jüngsten Änderungen am
Leistungsschutzrecht, ein Recht auf Kinder in Lateinamerika und warum
ein Ferkelbiss kein Schmerzensgeld einbrachte.
EuGH zu Grundrechte-Charta: In einem Fall aus Schweden (Akerberg Fransson) hat der Europäische Gerichtshof die Anwendbarkeit der EU-Grundrechte-Charta offensiv weit ausgelegt, obwohl ihn mehrere Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und der Generalanwalt für unzuständig hielten. Konkret ging es um das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) bei der Ahndung von Mehrwertsteuerhinterziehung. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und der Verfassungsblog (Max Steinbeis).
lto.de (Claudia Kornmeier) verbindet die Berichterstattung über den Fall Akerberg Fransson mit einem anderen EuGH-Urteil des gleichen Tages, bei dem die Zuständigkeit des EuGH ebenfalls umstritten war. Dort ging es um die (zulässige) Auslieferung eines nach Spanien geflüchteten Straftäters, der in Italien in Abwesenheit verurteilt worden war.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Leistungsschutzrecht: Die Koalition hat den Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht, über den am Freitag der Bundestag abstimmen soll, in letzter Minute entschärft. Das neue Schutzrecht soll nun nicht mehr "einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte" erfassen, berichten Die Welt (Ulrich Clauss) und internet-law.de (Thomas Stadler).
Arbeitnehmer-Datenschutz: Die Koalition hat die eigentlich geplante Reform des Datenschutzes in Unternehmen nun endgültig auf die nächste Wahlperiode verschoben, meldet die SZ.
Aktienrecht: Die FAZ (Joachim Jahn) spricht mit Eberhardt Stilz, Ex-Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, über die Novelle des Aktienrechts, insbesondere die geplante Beschleunigung der Spruchverfahren. Stilz findet die Pläne, zum Beispiel die Streichung einer Tatsacheninstanz, überwiegend gut und macht zusätzlich eigene Vorschläge, insbesondere zum Recht der Beschlussmängel bei Hauptversammlungen.
Frauenquote: Rechtsprofessor Heribert Hirte kritisiert auf dem Handelsblatt-Rechtsboard Gesetzentwürfe der Opposition im Bundestag zur Einführung von Frauenquoten in Aufsichtsräten. Diese verstießen gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes und könnten das eigentliche Problem, die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nicht beheben.
Weitere Themen – Justiz
EuGH zu Fluggastrechten: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Fluggäste mit Anschlussflügen Entschädigung verlangen können, wenn sie insgesamt mehr als drei Stunden verspätet ihr Endziel erreichen. Es komme nicht darauf an, dass schon die erste Teilstrecke eine entsprechende Verspätung aufweise. Es berichten u.a. die SZ (Andreas Jalsovec) und die FAZ (Corinna Budras).
BVerfG zu Organtransplantation: Das Bundesverfassungsgericht hat einem Ausländer, dem wegen Sprachdefiziten die Chance auf ein Spenderherz verweigert wurde, Prozesskostenhilfe verschafft, damit er seinen Fall gerichtlich verfolgen kann, berichtet spiegel.de.
Richterin Sabine Grobecker: Die SZ (Caspar Dohmen) portraitiert die Vorsitzende Richterin am Kölner Landgericht, Sabine Grobecker. Sie leitet in den kommenden Monaten das Wirtschaftsstrafverfahren gegen ehemalige Manager der Bank Sal. Oppenheim.
LG Augsburg – Schreiber: Im Strafprozess vor dem Landgericht Augsburg hat erstmals der wegen Steuerhinterziehung angeklagte ehemalige Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber seine Sicht der CDU-Spendenaffäre und des damaligen Verkaufs von Panzern an Saudi-Arabien berichtet. Er habe niemanden bestochen, sondern nur saudische Geldgeschenke verteilt, fasst spiegel.de (Markus Dettmer) seine Aussage zusammen.
VG Schleswig zu Facebook: Der Wissenschaftler Carlo Piltz analysiert auf der FAZ-"Recht und Steuern"-Seite das vorige Woche ergangene Eil-Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig, wonach der schleswig-holsteinische Datenschützer Thilo Weichert nicht für die Kontrolle von Facebook zuständig sei. Dies könne im Hauptsacheverfahren auch anders gesehen werden, wenn die Datenverarbeitungsprozesse von Facebook näher untersucht werden.
GBA – Griesbaum verlängert: Der stellvertretende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum wird auch nach Erreichen der Pensionsgrenze im Mai im Amt bleiben, um den NSU-Prozess zu begleiten. Das Bundesjustizministerium genehmigte ihm eine Verlängerung seiner Amtszeit bis Jahresende, berichtet der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt).
BVerfG – "Schiedsrichterstaat": lto.de (Steffen Heidt) stellt das Buch "Der Schiedsrichterstaat" des Journalisten Christian Rath vor, das die Macht des Bundesverfassungsgerichts analysiert. Er berichtet auch über die Buch-Präsentation durch den Präsidenten des Gerichts Andreas Voßkuhle.
Weitere Themen – Recht in der Welt
IAGMR – Recht auf Kinder: Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat Costa Rica verurteilt, weil dort In Vitro-Befruchtung verboten ist, berichtet die taz (Cecibel Romero). Jedes Paar habe ein Recht, Kinder zu haben.
Ungarn – Kirchengesetz: Das ungarische Verfassungsgericht hat das 2011 beschlossene Kirchengesetz des Landes beanstandet, wonach die Anerkennung von Religionsgemeinschaften vom Parlament beschlossen werde. Da es keine Kriterien gebe, sei das Verfahren willkürlich, berichtet die FAZ.
Sonstiges
IT-Grundrecht: Die Bürgerrechtler Gerhard Baum, Constanze Kurz und Peter Schantz erinnern im FAZ-Feuilleton an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung, das heute vor fünf Jahren verkündet wurde. Sie analysieren eingehend das neue Grundrecht auf Integrität informationstechnischer Systeme, das heute nur "ein Schattendasein" führe.
Das Letzte zum Schluss
LG Detmold zu Ferkelbiss: Ein Achtjähriger hatte beim Schulausflug zum Freilichtmuseum Detmold versucht, ein Ferkel zu streicheln, das ihm dann aber in den Finger biss. Die Klage auf 3.000 Euro Schmerzensgeld scheiterte beim Landgericht Detmold, berichtet die SZ. Das Museum habe seine Verkehrssicherungspflicht erfüllt, indem es das bissige Ferkel eingezäunt habe. Der Junge hatte aber durch den Zaun hindurch gegriffen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
(Hinweis für Journalisten) Hinweis für Journalisten
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. Februar 2013: EuGH stärkt sich selbst – Leistungsschutzrecht entschärft – Recht auf Kinder gesichert . In: Legal Tribune Online, 27.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8228/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag