Die juristische Presseschau vom 26. Juli 2012: Grenzen für den Überhang – Dolmetscher für Gebärden – Spott für Facebook-Polizei

26.07.2012

Das Bundesverfassungsgericht hat die Überhangmandate erstmals kritisiert, blieb dabei aber recht milde. Außerdem in der heutigen Presseschau: der BGH zu Lebensversicherungen, Prozessbeginn gegen die Düsseldorfer Zelle, ein gehörloses Mädchen klagt einen Gebärdendolmetscher ein und wie die Hannoveraner Polizei sich auf Facebook blamierte.

BVerfG zum Wahlrecht: Das Bundesverfassungsgericht hat das Bundeswahlgesetz in drei Punkten für verfassungswidrig erklärt. 1. Für Überhangmandate ist künftig ab "etwa 15" Mandaten ein Ausgleich vorzusehen. 2. Um ein "negatives Stimmgewicht" zu verhindern, dürfen die Stimmkontingente von Bundesländern nicht mehr an der Wahlbeteiligung festgemacht werden. 3. Bei der Reststimmenverwertung müssen neben Abrundungsverlusten auch Abrundungsgewinne berücksichtigt werden. Ausführlich wird das Urteil dargestellt von dem Parteirechtler Sebastian Roßner auf lto.de und in der taz (Christian Rath).

spiegel.de (Dietmar Hipp) analysiert, wem das Urteil nutzt und wem es schadet. Außerdem stellt spiegel.de die Reaktionen auf das Urteil zusammen. Die FAZ (Reinhard Müller) portraitiert Michael Gerhardt, den für die Entscheidung federführenden Verfassungsrichter.

Christian Bommarius (FR) kommentiert, dass Deutschland als Staat ohne Wahlrecht nun doch zur "Komikernation" geworden sei. Reinhard Müller (FAZ) kritisiert, das Verfassungsgericht drohe "sich im Klein-Klein des ebenso komplizierten wie historisch gewachsenen deutschen Wahlrechts zu verheddern".

Weitere Themen – Rechtspolitik

EU – Ratingagenturen: Die Wissenschaftler Thomas M.J. Möllers und Christine Wecker stellen auf lto.de den Vorschlag der EU-Kommission zur Haftung von Ratingagenturen vor. Es gebe allerdings nur compliance-artige Verhaltenspflichten und keine Haftung für inhaltlich falsche Ratings.

Bundesregierung – Legal Highs: beck.blog.de (Jörn Patzak) berichtet, dass 28 neue psychoaktive Substanzen, ehemalige "Legal Highs", jetzt dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt wurden.

Weitere Themen – Justiz

BGH zu Lebensversicherungen: Der Bundesgerichtshof hat mehrere Klauseln in Lebensversicherungsverträgen des Deutschen Rings für unzulässig erklärt, unter anderem eine Stornogebühr, die beim Rückkauf der Lebensversicherung fällig wurde. Über das Urteil und dessen Folgen für den Versicherungsmarkt berichten unter anderen die SZ (Andreas Jalsovec/Uwe Schmidt-Kasparek) und die FTD (Anja Krüger).

OVG Bremen zu Privatschulen: lto.de stellt zwei neue Urteile des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bremen zur Genehmigung von Alternativschulen vor. In beiden Fällen wurden Anträge abgelehnt.

StGH Ba-Wü – EnBW-Deal: Eberhard Stilz, der Präsident des Stuttgarter Staatsgerichtshofs, hat den medial verbreiteten Eindruck zurückgewiesen, sein Gericht hätte bei einer Wiederwahl von Ministerpräsident Stephan Mappus über dessen am Landtag vorbeigefädelten EnBW-Aktienkauf milder geurteilt. Die FAZ (Rüdiger Soldt) verbindet die Meldung mit einem kleinen Portrait des Richters.

OLG Düsseldorf – Düsseldorfer Zelle: Am Oberlandesgericht Düsseldorf hat der Prozess gegen vier mutmaßliche Mitglieder der so genannten "Düsseldorfer Zelle" begonnen. Den Männern wird vor allem eine Al Qaida-Mitgliedschaft vorgeworfen. Die Verteidigung beantragte zunächst die Einstellung des Verfahrens, weil sie nicht genügend Akteneinsicht bekommen habe, was vom Gericht aber abgelehnt wurde. Es berichten die taz (Wolf Schmidt) und – ausführlicher – die SZ (Annette Ramelsberger).

Sozialgericht Augsburg – Inklusion: Ein siebenjähriges gehörloses Mädchen will weiter auf die Regelgrundschule gehen. Die zuständige Bezirksregierung will aber nicht den erforderlichen Gebärdendolmetscher bezahlen. Der Prozess am Sozialgericht Augsburg endete zunächst mit einem Vergleich, wie die taz (Elisabeth Gamperl) berichtet. Das Mädchen kann bis zur Vorlage eines neuen Gutachtens vorerst auf der Schule bleiben und das Land streckt weiter das Geld für den Dolmetscher vor.

Mord in Florida: Eine 73-jährige Deutsche steht in Florida vor Gericht, weil sie ihren Enkel in der Badewanne ertränkt haben soll. Ihr droht die Todesstrafe. Die US-Justiz habe eine Überstellung für einen Prozess in Deutschland abgelehnt, berichtet die SZ (Nicolas Richter) auf der Titelseite.

Philosophie im Gefängnis: Die SZ (Titus Arnu) berichtet über ein Experiment in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Dort treffen sich fünf Strafgefangene, die mit langen Haftstrafen einsitzen, regelmäßig mit vier Philosophen zu einem Gesprächskreis.

BVerfG und Politik: Die Politikwissenschaftlerin Christine Landfried beschäftigt sich in der FAZ auf der "Staat und Recht"-Seite mit dem Bundesverfassungsgericht. Sie warnt vor einer "Verrechtlichung der Politik durch einen übermäßigen Einfluss des Verfassungsgerichts".

Legal Success: Das Handelsblatt beschäftigt sich in seiner Beilage "Legal Success" mit Altergrenzen für Anwälte, Zugangshürden für internationale Kanzleien in Schwellenländern sowie englischen Kanzleien in Deutschland. Der Arbeitsrechtler Wolfgang Lipinski spricht über die Senkung von Lohnkosten. Außerdem wird der Wirtschaftsanwalt Neil Weiand portraitiert.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Garzón und Assange: Wikileaks-Gründer Julian Assange befindet sich immer noch in der Londoner Botschaft von Ecuador, um sich seiner Auslieferung nach Schweden zu entziehen. Sein Asylantrag an Ecuador betreut jetzt der ehemalige spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón, der nach einem Berufsverbot in seiner Heimat inzwischen als Anwalt arbeitet, so spiegel.de.

Das Letzte zum Schluss

Polizei und Facebook: Mit Spott wird die Polizei von Hannover überzogen, die auf ihrer Facebook-Seite nach Kinderpornographie fahndete und als Antwort auf entsprechende Nutzer-Hinweise eine gemeldete Seite verlinkte. "Schon klar, so funktioniert das Netz, Geben und Nehmen", schreibt Simon Book (FTD). Auch Udo Vetter (lawblog.de) befasst sich mit dem Vorfall.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. Juli 2012: Grenzen für den Überhang – Dolmetscher für Gebärden – Spott für Facebook-Polizei . In: Legal Tribune Online, 26.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6704/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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