Bayern und Hessen machen ihre Drohung wahr und klagen gegen den Länderfinanzausgleich. Außerdem in der heutigen Presseschau: neue Richterinnen am BGH, Arbeitsgericht zur Haftung einer Gewerkschaft, Sitzverteilung beim NSU-Prozess, Eisengel vor Gericht und wann die Polizei nicht weiterhilft.
Länderfinanzausgleich vor Gericht: Am gestrigen Montag haben Bayern und Hessen gemeinsam Klage gegen den Länderfinanzausgleich beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Nach dem Bericht der taz (Marlene Halser) betrachten die Ministerpräsidenten Seehofer (CSU) und Bouffier (CDU) das gegenwärtige System als "unsolide, ungerecht und leistungsfeindlich," die Klage sei somit als "Akt politischer Notwehr" geboten. Insbesondere die derzeitige Stadtstaatenregelung sei verfassungswidrig, da sie den Finanzbedarf der Einwohner Berlins, Hamburgs und Bremens zu stark gewichte. Es sei schließlich nicht Aufgabe der Bundesländer, die Hauptstadtfunktion Berlins, des größten Zahlungsempfängers, zu finanzieren.
Marc Beise (SZ) erkennt derweil in seinem Kommentar die "grundsätzliche Bedeutung der Klage und des Themas." Zwar gebiete Artikel 107 GG einen "angemessenen" Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder. Das gegenwärtige System in all seiner Kompliziertheit ebne diese jedoch "praktisch komplett" ein und verstoße damit gegen ein Grundprinzip aller Ausgleichsmaßnahmen. Weil der politische Wille zu einer Reform fehle, bleibe am Ende nur der Gang nach Karlsruhe.
Martin Reeh (taz) gesteht dem bayerischen Finanzminister Söder (CSU) "Chuzpe" zu. Während Zypern wegen seines vermeintlichen Steuerdumpings kritisiert werde, schlage der Minister vor, dass die ausgleichsbefreiten Bundesländer zukünftig die Höhe von Einkommen- und Erbschaftsteuer selbst bestimmen sollten. Hier sei der Wille zur Schaffung einer "bayerischen Steueroase" sichtbar.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Hochfrequenzhandelsgesetz: Im Handelsblatt-Rechtsboard befasst sich Rechtsanwalt Bernd Geier mit dem bereits im Februar vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel, das nun vom Bundesrat gebilligt wurde. Ziel des Gesetzes sei eine "Verlangsamung" des Börsenhandels, etwa durch eine Reduktion des Orderaufkommens und eine verstärkte Aufsicht über Hochfrequenzhändler. Diese unterlägen nun einer Lizenzpflicht.
Rundfunkbeitrag: In ihrem Medienteil interviewt die SZ (Claudia Tieschky) Anna Terschüren, die NDR-Mitarbeiterin, die in ihrer Promotionsarbeit zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der neue Rundfunkbeitrag verfassungswidrig sei. Neben diesem Verdikt enthalte ihre Arbeit auch ein verfassungskonformes Modell zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, eine Steuerfinanzierung, die Staatsferne wahren und weder das Gleichheitsrecht noch die Finanzverfassung verletzen würde.
Weitere Themen - Justiz
BGH zu Mietverträgen mit GbR: Über ein Urteil des Bundesgerichtshofs zu den Formerfordernissen eines Mietvertrages mit einer BGB-Gesellschaft vom Januar informiert Fachanwalt Dominik Schüller auf lto.de. Im Gegensatz zur Vorinstanz entschied das Gericht, dass die Schriftform auch gewahrt sei, wenn den Vertrag nur ein Gesellschafter eigenhändig unterschreibt und neben der Unterschrift ein Firmenstempel gesetzt wird. Aus dieser könne der Rechtsverkehr schließen, dass der Unterzeichnende die übrigen Gesellschafter vertrete.
BGH zur Sittenwidrigkeit der Körperverletzung: Auch die Verabredung zu einer gemeinschaftlichen Prügelei steht einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung nicht im Wege. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem jetzt bekanntgegebenen Beschluss vom Februar, über den lto.de berichtet. Die Gefährlichkeit gruppendynamischer Prozesse und die Möglichkeit einer jederzeitigen Eskalation des Geschehens beseitige die Einwilligungsfähigkeit, so die Bundesrichter.
BGH zur fristlosen Kündigung eines DSL-Vertrages: Thomas Stadler referiert auf Internet-law eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit der fristlosen Kündigung eines Telefon- und DSL-Anschlussvertrages mit einer ursprünglichen Laufzeit von 24 Monaten. Der beklagte Verbraucher hatte seinen Vertrag gekündigt, nachdem wegen der Mitnahme seiner alten Nummer Probleme bei seiner Erreichbarkeit entstanden waren. Nach Ansicht des Gerichts stelle die Nichterreichbarkeit einen wichtigen Grund sowohl nach § 626 BGB als auch nach § 314 BGB dar. Ein etwaiges Versäumnis des früheren Anbieters falle in den Risikobereich des neuen, der die gesamte Abwicklung des Anbieterwechsels übernommen habe.
BGH-RichterInnen: Lto.de meldet die Wahl von acht neuen Richtern zum Bundesgerichtshof und stellt die vom Richterwahlausschuss Gewählten kurz vor. Während die Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes noch vor kurzem die geringe Frauenquote beim BGH kritisiert hatte, sind nun sechs der neuen Richterinnen Frauen.
LG Koblenz zu Kindesentführung: Wegen der Entführung eines Säuglings in einer tschechischen Stadt ist ein deutsches Paar vom Landgericht Koblenz zu jeweils viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Angeklagten müssen der Mutter des Kindes zudem 5.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Über das Urteil und die teils abenteuerlichen Einlassungen vor Gericht berichtet die FAZ (Lena von Schipper).
ArbG Frankfurt zu Streikhaftung: Das Arbeitsgericht Frankfurt hat eine gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung gerichtete Schadensersatzklage zweier Fluggesellschaften und eines Flughafenbetreibers abgewiesen. Es ging um die wirtschaftlichen Folgen eines Ausstands zu Beginn des letzten Jahres, berichtet das Handelsblatt (Jens Koenen) und verweist auf vergleichbare Entscheidungen anderer Arbeitsgerichte. Das Blatt zitiert den mit der Sache befassten Richter, nach dem der Streik weder unverhältnismäßig war noch die Arbeitskampfparität verletzt habe. Die Kläger kündigten derweil an, die Sache notfalls bis zum Bundesarbeitsgericht weiterverfolgen zu wollen. In einem separaten Kommentar verweist Jens Koenen (Handelsblatt) auf die "Sprengkraft" des Falls. Die beklagte Gewerkschaft sei eine "sehr kleine" Arbeitnehmervertretung, eine Schadensersatz gewährende Entscheidung würde sie sehr schnell in eine wirtschaftlich prekäre Situation bringen.
SS-Massaker: Bundespräsident Gauck nahm am Wochenende in Italien an einer Gedenkfeier für die mehr als 500 Opfer eines von Mitgliedern der Waffen-SS 1944 verübten Massakers teil. Über den Kampf eines Überlebenden um dessen strafrechtliche Sühne berichtet die SZ (Roman Deininger). Während in Italien 2005 zehn Angeklagte wegen ihrer Beteiligung in Abwesenheit zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden seien, habe die in Deutschland ermittelnde Staatsanwaltschaft Stuttgart im vergangenen Herbst das Verfahren gegen acht noch lebende Beschuldigte eingestellt, weil der notwendige Nachweis über eine konkrete Beteiligung nicht zu führen sei. Der Überlebende habe gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt und erwäge ein Klageerzwingungsverfahren.
Vier-Augen-Prinzip im Straßenverkehr: Udo Vetter kritisiert im lawblog eine oberlandesgerichtliche Rechtsprechung, nach der bei polizeilichen Lasermessungen im Straßenverkehr das sogenannte Vier-Augen-Prinzip nicht erforderlich sei. Sie bewirke, dass Betroffene, gegen die unter Umständen ein Fahrverbot verhängt werden könne, "fest daran glauben" müssten, dass Messbeamte immer fehlerfrei arbeiten. Gleichzeitig sehe eine Richtlinie in Baden-Württemberg das genannte Prinzip ausdrücklich vor.
Medienvertreter im NSU-Prozess: Nach einem Bericht der taz (Wolf Schmidt) hat das Oberlandesgericht München die Verteilung der auf 50 beschränkten Plätze für Medienvertreter für den am 17. April beginnenden Prozess gegen Beate Zschäpe bekanntgegeben. Das Gericht sei nach eigenen Angaben nach der Reihenfolge eingegangener Antworten auf eine Aufforderungsmail verfahren. Dies habe dazu geführt, dass nun kein einziges türkisches Medium einen sicheren Platz besitze. Hans Holzhaider (SZ) bezeichnet dieses Ergebnis in seinem Kommentar als "Armutszeugnis für die Justiz." Dem Gericht sei es weiterhin möglich, eine Simultan-Übertragung in einen zweiten Saal zu organisieren.
Europäisches Patentgericht: Das Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) stellt das Europäische Patentgericht vor, das im kommenden Jahr mit der Einführung des einheitlichen EU-Patents seine Arbeit aufnehmen wird. Hauptsitz der zentralen Kammer werde Paris sein. Das Gericht sei der erste multinationale Spruchkörper, der verbindlich über zivilrechtliche Ansprüche von Privatpersonen entscheiden wird. Während einer Übergangszeit von sieben Jahren könnten Inhaber von Patenten, die nach dem alten Recht beantragt wurden, einen Opt-out und damit die Unterstellung unter die nationale Gerichtsbarkeit erklären.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Italien – Amanda Knox: Der spektakuläre Prozess um die Ermordung der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher im Jahre 2007 steht vor seinem letztinstanzlichen Abschluss. Vor dem römischen Kassationshof wird nach dem Bericht der SZ (Andrea Bachstein) über den Freispruch für die US-Amerikanerin Amanda Knox – weltweit berühmt geworden als der "Engel mit den Eisaugen" - und ihren italienischen Mitangeklagten verhandelt. Der dritte Angeklagte, ein aus der Elfenbeinküste stammender Mann, verbüße derweil seine Haftstrafe.
Hongkong – Diskriminierung von Hausangestellten: Das Oberste Gericht Hongkongs hat entschieden, dass Hausangestellte in der autonomen chinesischen Metropole auch weiterhin kein unbefristetes Aufenthaltsrecht erwerben können, schreibt die taz (Felix Lee). Während Ausländer üblicherweise nach sieben Jahren Aufenthalt das Wahlrecht erwerben könnten und dann auch nicht mehr jährlich ein Arbeitsvisum beantragen müssten, gelte diese Regelung für Hausangestellte nicht. Ihnen werde von Anfang an klar gemacht, dass sie nur zur Arbeit in der Stadt seien und nicht, um sich niederzulassen oder Familienangehörige nachzuholen. Nach Schätzungen befänden sich 300.000 Hausangestellte unter den sieben Millionen Einwohnern Hongkongs.
Sonstiges
Bestrafung von Steuerhinterziehung: Im Jahr 2008 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei Hinterziehung von mehr als einer Millionen Euro Steuern eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe regelmäßig nicht mehr in Betracht kommt. Rechtsanwalt Karsten Randt setzt sich im Geldanlagen-Teil der FAZ mit den Folgen der Entscheidung auseinander. So sei beachtlich, dass sich die Millionengrenze auf die Addition sämtlicher steuerstrafrechtlicher unverjährter Taten beziehe. Die Verjährungsfrist verlängere sich auf zehn Jahre, wenn ein besonders schwerer Fall, etwa wegen einer hohen Schadenssumme, vorliege. Diese liege zwischen 50.000 und 100.000 Euro, ob der Täter diese Summe nachträglich zurückzahle, sei für die Verwirklichung des Tatbestandes unerheblich. Auch Erben oder Dritte wie etwa Betreuer könnten steuerstrafrechtlich belangt werden, wenn sie es unterließen, für eine Nachversteuerung undeklarierten Vermögens zu sorgen.
"Geplante Defekte": Ein von der Bundestagsfraktion der Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass Hersteller Produkte bewusst so konstruierten, dass diese nicht lange halten. Lto.de (Ludwig Hogrebe) befragt den Rechtsprofessor Stephan Lorenz zu diesen sogenannten geplanten Defekten. Käufer könnten nach Lorenz Gewährleistungsansprüche gegenüber Verkäufern auch nach Ablauf der eigentlichen Verjährungsfrist geltend machen, wenn Letztere vom Defekt wussten und also ein Fall von Arglist vorliege. I.Ü. bestehe aber auch ein Marktbedürfnis nach günstigen Produkten, auch wenn bei diesen minderwertige Bauteile verwendet würden. Die Einführung gesetzlicher Qualitätsstandards schlage "unweigerlich" auf den Preis durch, wie die Erfahrungen mit § 475 BGB n.F. zeigten.
Das Letzte zum Schluss
Beim Drogenkauf betrogen: Ein 27-jähriger Hildesheimer wollte von seinem Dealer Kokain erwerben, bekam stattdessen jedoch Amphetamine. Nach Entdeckung dieses Fehlers führte ihn sein Ärger geradewegs zur Polizei – um sich zu beschweren. Die ermittelt nun gegen beide. Über diesen und ähnliche skurille Fälle berichtet die SZ unter dem Titel "Stuss mit lustig."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. März 2013: Finanzausgleich vor Gericht - Schadensersatz wegen Streik - Sitzverteilung beim NSU-Prozess . In: Legal Tribune Online, 26.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8409/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag