Die juristische Presseschau vom 24. bis 26. März 2012: Skeptischer Generalbundesanwalt – Psychiatrisierte Transsexuelle – Einflussreicher Chief Justice

26.03.2012

Der Generalbundesanwalt will gegen die NPD lieber politisch vorgehen, fordert aber mehr Kompetenzen. Gleichzeitig beschäftigt das sich ankündigende Parteiverbotsverfahren die Medien. Außerdem in der Presseschau: Einweisung einer minderjährigen Transsexuellen, unrundes Fußballrecht, US-Gesundheitsreform vor Gericht und die Frage, wann man einen Lehrer "dumm" nennen darf.

Rechtsextremismus: Im Interview mit der FAS (Eckart Lohse/Markus Webner) zeigt sich Generalbundesanwalt Harald Range "persönlich" skeptisch in Bezug auf ein Verbotsverfahren gegen die NPD. Als Lehre aus den NSU-Morden fordert er aber eine Ausweitung der Initiativrechte der Bundesanwaltschaft – diese müsse ihre Zuständigkeit leichter selbst prüfen und feststellen können. Auch äußert er sich zuversichtlich, Beate Zschäpe eine Tatbeteiligung an den Morden auch ohne Geständnis nachweisen zu können. Diesen Aspekt hebt auch zeit.de hervor.

Heribert Prantl (Samstags-SZ) sieht dagegen im Abzug der V-Männer aus der NPD den "Einstieg" in ein neues Verbotsverfahren, das aber "um zehn Jahre verspätet" sei. Die Samstags-FAZ (Peter Carstens) informiert über die Schwierigkeiten, die mit der Spitzel-Ausschaltung aufgrund der Für- und Nachsorgepflicht der Behörden verbunden sind. Die SPD fordert laut Montags-FAZ (Peter Carstens) in Bezug auf das Verfahren ein spezielles Register für Straftaten von NPD-Funktionären.

Währenddessen spekuliert der Focus (Alexander Wendt), dass das Verbotsverfahren die "marode Partei" möglicherweise retten könnte, weil es sie im radikalen Spektrum attraktiver mache.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Vorratsdatenspeicherung: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert gegenüber der FAS (Friederike Haupt) die "Brachialgewalt" der EU-Kommission bei der Durchsetzung des "Auslaufmodells" der Vorratsdatenspeicherung gegenüber Deutschland und fordert deren "überfällige Änderung".

Dieses Verhalten kritisiert Friederike Haupt (FAS) in einem Kommentar und fordert die Ministerin auf, die Richtlinie entweder konsequent umzusetzen oder wie Schweden abzulehnen – aber nicht auf Zeit zu spielen. Georg Paul Hefty (Samstags-FAZ) erkennt in der Auseinandersetzung den "unausweichlichen Grundkonflikt" zwischen innerstaatlicher Willensbildung und EU-Gesetzgebung.

Streikrecht: In der "Außenansicht" der Samstags-SZ plädiert der Konstanzer Zivilrechtler Bernd Rüthers für neue Regeln im Arbeitskampfrecht. Die "Macht der wenigen", also das unter Umständen gewaltige Streikpotential von Kleingewerkschaften, müsse begrenzt werden, weil kein "Verhandlungsgleichgewicht" mehr bestehe. Für den "Kernbereich der unverzichtbaren Daseinsvorsorge" seien paritätisch besetze Schlichtungsausschüsse denkbar.

Weitere Themen – Justiz

Transsexualität: Die Samstags-taz (Heide Oestreich) berichtet vom Fall der elfjährigen Transsexuellen "Alex", deren Einweisung in eine psychiatrische Klinik am Donnerstag vom Kammergericht bestätigt wurde. Das Berliner Jugendamt sei zu Recht von einer durch die Mutter "induzierten" Transsexualität ausgegangen. Ihr Anwalt habe eine Verfassungsbeschwerde angekündigt.

Auf blog.beck.de setzt sich der Strafrechtler Henning Ernst Müller mit dem Urteil auseinander.

Krailling-Morde: Die Montags-SZ (Annette Ramelsberger) widmet ihre Seite 3 einer Reportage über den Mordprozess gegen den Postboten Thomas S. vor dem Münchner Schwurgericht. Er soll vor einem Jahr im bayerischen Krailling die Töchter seiner Schwägerin umgebracht haben. Der Prozess, der die Reporterin ein ums andere mal "frösteln" ließ, habe an der Täterschaft keinen "wirklichen Zweifel" aufkommen lassen. Das Urteil wird für morgen erwartet.

Verfahrenes Verfahren: Mit den Belastungen, die allein die Einleitung eines Strafverfahrens bereits mit sich bringt, beschäftigt sich Fatina Keilani in der Tagesspiegel-Kolumne "Ein SPRUCH". So stimmten manche Beschuldigte und Angeklagte allein deshalb einer Einstellung gegen Geldauflage zu, weil die häufig langen Prozesse sie stark belasten. Immerhin gebe es inzwischen eine Entschädigungsregelung für überlange Verfahrensdauer.

Speichelprobe: Wie lawblog.de (Udo Vetter) berichtet, dürfen Speichelproben nach einem Urteil des Landgerichts Bonn nicht zwangsweise durchgesetzt werden. Stattdessen sei im Falle der Weigerung des Betroffenen zur DNA-Analyse eine Blutprobe zu entnehmen, die deutlich risikoärmer durchzusetzen sei.

Fußball-Rechtsprechung: Anlässlich der Aufrechterhaltung der Rot-Sperre gegen Lukas Podolski setzt sich der Sportrechtler Johannes Arnhold für lto.de mit der Sportgerichtsbarkeit auseinander. In der Verhandlung waren sich alle Beteiligten einig, dass die Rote Karte zu Unrecht ergangen war – trotzdem habe das Gericht an der daran anknüpfenden Sperre festgehalten. Die hinter solchen Verfahren stehende Frage sei, ob Schiedsrichterentscheidungen im Nachhinein überprüfbar sein sollen; "Tatsachenentscheidungen" des Schiedsrichters seien dies nach FIFA-Regeln aber nicht - es sei denn, sie stellten sich als "offensichtlich" falsch heraus.

kino.to: internet-law.de (Thomas Stadler) verlinkt das nun veröffentlichte kino.to-Urteil des Amtsgerichts Leipzig und hebt eine Passage hervor, in der das Gericht andeutet, dass sich auch die Nutzer des Portals strafbar gemacht haben könnten.

Böckenförde: Der Familienrechtler Dieter Schwab stellt in der Montags-SZ als "Das Politische Buch" die Aufsatzsammlung "Wissenschaft, Politik, Verfassungsrecht" des Ex-Verfassungsrichters und Rechtswissenschaftlers Ernst-Wolfgang Böckenförde vor. Die Sammlung umfasst auch ein biographisches Interview und sei ein "Zeitzeugnis ersten Ranges".

Nachkriegs-Justiz: Die Montags-FAZ (Michael Hollmann) stellt zwei Tagungsbände zu Motiven, Bewältigungs- und Verdrängungsstrategien von NS-Tätern einerseits und der Rolle von Wehrmachtsjuristen beim Wiederaufbau der deutschen Justiz andererseits vor. Letzteres und seine Konsequenzen für die Rechtsprechung sei "kein Ruhmesblatt für Bonn".

Weitere Themen – Recht in der Welt

US-Gesundheitsreform: US-Präsident Obamas Gesundheitsreform wird an den kommenden beiden Tagen vor dem Supreme Court auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung der Vereinigten Staaten geprüft. Auf verfassungsblog.de stellt Nora Markard die Eckpunkte der Reform und den angekündigten Ablauf der auf insgesamt fünfeinhalb Stunden angesetzten Verhandlung vor.

Die Montags-taz (Antje Passenheim) stellt die zentralen Argumente und den politischen Hintergrund des Prozesses dar, während sich Montags-SZ (Reymer Klüver) und FTD (Sabine Muscat) auf den Vorsitzenden Richter Chief Justice Roberts und seine Rolle in dem Verfahren konzentrieren.

Nach Einschätzung von Sabine Muscat (FTD) stehen trotz konservativer Richtermehrheit die Chancen für ein Passieren der Reform nicht schlecht – was dem Vorhaben das bislang fehlende "überparteiliche Gütesiegel" einbrächte.

Das Letzte zum Schluss

Dumm gelaufen: Ob ein Lehrer von einer Mutter als "dumme Person" bezeichnet werden darf, wenn dieser gegenüber ihrer noch nicht strafmündigen 13-jährigen Tochter mit einer Beleidigungsanzeige gedroht hat, darüber darf laut strafprozess.blogspot.de (Werner Siebers) demnächst ein Oberlandesgericht entscheiden.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. bis 26. März 2012: . In: Legal Tribune Online, 26.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5862 (abgerufen am: 04.12.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen