Die juristische Presseschau vom 24. Oktober 2018: Teures Gly­phosat / Ver­wir­rung um Fahr­ver­bote / Examen am Rechner

24.10.2018

Die Monsanto-Übernahme kommt den Bayer-Konzern wegen Glyphosat teuer zu stehen. Außerdem in der Presseschau: Kann die Bundesregierung Fahrverbote wirklich verhindern und steht das Ende handgeschriebener Examensklausuren bevor?

Thema des Tages

USA – Bayer: Der Bayer-Konzern muss wegen der Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat aus der Produktion der Tochter Monsanto einen hohen Schadensersatz leisten. Wie die FAZ (Brigitte Koch/Roland Lindner) berichtet, hat ein US-amerikanisches Gericht in San Francisco das Urteil einer unteren Instanz, nach dem einem Krebskranken eine erhebliche Entschädigung zusteht, im Grundsatz bestätigt. Die von einer Geschworenenjury zugesprochene Summe wurde jedoch von 289 Millionen Dollar auf 78 Millionen reduziert. In den USA seien derzeit mehr als 8.700 Klagen anhängig, nicht zuletzt wegen der hiermit verbundenen Risiken habe Bayer Rechtsmittel angekündigt. Weitere Berichte bringen das Hbl (Siegfried Hofmann) in einem Titelthema, die SZ (Claus Hulverscheidt u.a.) und die taz (Kai Schöneberg).

Für Jörn Kabisch (taz) belegt der Kurseinbruch der Bayer-Aktie nach der Entscheidung, "welch faules Ei sich der Chemieriese mit Monsanto in den Konzern geholt hat". Anstelle einer Strategie setze man bei Bayer offenbar auf Zynismus, indem man ein Medikament vertreibe, "das eine Krebsart heilt, zu deren Auslöser sehr wahrscheinlich Glyphosat zählt". Vonseiten der Politik müsse nun endlich Ernst gemacht werden mit dem Versprechen, "die Glyphosat-Nutzung in Deutschland zu beenden".

Rechtspolitik

Fahrverbote: Der Doktorand Julian Senders (juwiss.de) prüft die Vereinbarkeit des vor einigen Wochen von der Bundesregierung erzielten, sogenannten Dieselkompromisses im Hinblick auf die Rechtsprechung zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge. Eine rechtliche Analyse dieser Fahrverbots-Urteile bietet tagesschau.de (Frank Bräutigam). Der Beitrag nimmt auch den jüngsten Regierungsvorstoß zur Änderung des Bundes-Immissionschutzgesetzes in den Blick. Einen Überblick zu Fahrverboten in Frage-und-Antwort-Form bringt Welt (Nikolaus Doll). Der Beitrag macht auch auf eine am heutigen Mittwoch anstehende Verhandlung am Verwaltungsgericht Mainz zum Thema aufmerksam.

EU-Steuerrecht: Um einem Stillstand bei der Umsetzung gemeinsamer Steuervorhaben zu begegnen, schlägt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seinem Arbeitsprogramm für 2019 vor, in der gemeinsamen Steuerpolitik "verstärkt zu einer Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit" zu kommen, schreibt das Hbl (Ruth Berschens). Bislang müssen Steuerregeln in der EU einstimmig beschlossen werden. Auch in der EU-Sozialpolitik halte Juncker Mehrheitsbeschlüsse für sinnvoll.

"Rasse": In der Diskussion über die Verwendung des "Rasse"-Begriffs in deutschen Gesetzen spricht sich im FAZ-Einspruch Thomas-Peter Gallon, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Senat, für die Streichung aus. Angesichts der Zuschreibungen, die mit dem Begriff erfolgten und der weitgehenden Wirkungslosigkeit, die er in Diskriminierungsschutzverfahren entfalte, sei eine "rassistische Zuschreibung" in Art. 3 Grundgesetz, vergleichbar mit einer Regelung im Asylgesetz, vorzugswürdig.

Künstliche Intelligenz: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Niklas Eder nennt in einem Gastbeitrag für den FAZ-Einspruch rechtliche Herausforderungen im Umgang mit künstlicher Intelligenz. Neben Zurechnungsfragen seien auch grundrechtliche Aspekte bei algorithmenbasierten Beurteilungen einschließlich des sogenannten "predictive policing" beachtlich.

Justiz

EuGH zu Familiennachzug: Auch die SZ (Bernd Kastner) berichtet nun über die vom Auswärtigen Amt gegenüber Antragstellern geäußerte Ansicht, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom April, nach dem minderjährige Flüchtlinge, die während ihres Asylverfahrens volljährig werden, einen Anspruch auf Familiennachzug geltend machen können, sei in Deutschland nicht anwendbar. Die bisherige Praxis der Visumserteilung für Familienangehörige halte daran fest, dass Flüchtlinge auch noch minderjährig sein müssen, wenn ihre Eltern einreisen.

BVerwG zu Klassenfahrt-Kosten: Bereits die Anfrage, ob Lehrer auf die Reisekostenerstattung für Klassenfahrten verzichten, verletzt den beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatz und ist daher unwirksam. Sie setze Lehrer dem Konflikt aus, entweder auf eine Kostenerstattung zu verzichten oder aber die Klassenfahrt ausfallen zu lassen. Dies entschied nach Meldung von spiegel.de das Bundesverwaltungsgericht.

OLG Karlsruhe zu Bausparverträgen: Ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. Juni, das eine Klausel für unwirksam erklärt hat, nach der eine Bausparkasse Verträge kündigen kann, wenn ein Bauspardarlehen nach 15 Jahren nicht in Anspruch genommen wurde, ist rechtskräftig. Die unterlegene Bausparkasse habe ihre Revision gegen das Urteil zurückgezogen, berichtet die FAZ (Christian Siedenbiedel).

LG Regensburg – OB: Im Korruptionsverfahren gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) waren sich alle Verfahrensbeteiligten am Landgericht Regensburg einig, dass die Verschriftlichung von Telefonmitschnitten des Angeklagten durch die Polizei unvollständig war. Gleichwohl halte die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe aufrecht, berichtet die SZ (Andreas Glas) in ihrem Bayern-Teil.

LG Dresden – Frauke Petry: Nach mehr als einem Jahr Prüfung hat das Landgericht Dresden eine Anklage wegen Meineids gegen die fraktionslose Bundestags- und Landtagsabgeordnete Frauke Petry zugelassen. Das Verfahren dürfte aber kaum mehr in diesem Jahr beginnen, meldet die FAZ (Stefan Locke).

VG Neustadt a.d.W. zu "Hitler-Glocke": Eine sogenannte "Hitler-Glocke" in einem Kirchturm im pfälzischen Herxheim bleibt vorerst in Betrieb. Ein entsprechender Beschluss des örtlichen Gemeinderates, nach dem die Glocke als "Anstoß für Versöhnung" dienen solle, ist nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße als zulässige Meinungsäußerung zu werten. Über den Fall berichtet lto.de.

VG Gelsenkirchen zu Demoaufnahmen: Polizeiliche Aufnahmen einer Demonstration zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit sind unzulässig. Dies entschied nach Meldung von lto.de das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.

AG Frankfurt/M.  Alexander Falk: Das Amtsgericht Frankfurt/M. hat eine Haftbeschwerde des Unternehmers Alexander Falk abgewiesen. Der Erbe des Stadtplan-Verlages gleichen Namens wird eines versuchten Mordes eines Anwalts verdächtigt, der zur Tatzeit 2010 an einer millionenschweren Zivilklage gegen Falk gearbeitet hatte. Das Hbl (Rene Bender) berichtet.

Social-Media-Ranking: Eine Berliner Marketingagentur erstellt ein Social-Media-Ranking der 20 umsatzstärksten inländischen Großkanzleien. Am gewinnbringendsten wussten CMS, Noerr und Rödl & Partner die verschiedenen Kanäle für ihre Zwecke einzusetzen, schreibt lto.de (Anja Hall). Auf den hinteren Plätzen bestehe jedoch noch Nachholbedarf bzw. Potential für neu gegründete Kanzleien.

Recht in der Welt

Frankreich – Vollverschleierung: Das in Frankreich vor einigen Jahren eingeführte Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit verstößt nach Einschätzung des UN-Menschenrechtsausschusses gegen die Religionsfreiheit. Frankreich habe nun 180 Tage Zeit für eine Reaktion, meldet zeit.de.

EU/Italien – Haushalt: Die EU-Kommission hat zum ersten Mal den Haushaltsentwurf eines Mitgliedstaates zurückgewiesen. Der italienische Entwurf verstoße gegen die Stabilitätsregeln, gibt die SZ (Thomas Kirchner) die Einschätzung des Kommissions-Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis wieder. Die italienische Regierung habe nun drei Wochen Zeit, die Beanstandungen zur Gesamtverschuldung zu überarbeiten. Unterbleibe dies, drohten Bußgelder.

Russland – Künstler: Aus Anlass des gegen ihn und andere Künstler geführten Verfahrens wegen des Vorwurfs der Veruntreuung von Fördergeldern widmet die taz (Klaus-Helge Donath) dem russischen Regisseur Kirill Serebrennikow ein ausführliches Porträt.

Juristische Ausbildung

Staatsexamen: Die Hamburgische Regierungskoalition will prüfen lassen, wie schnell und unter welchen Bedingungen IT-basierte Examensklausuren eingeführt werden könnten. Darüber berichtet lto.de (Maximilian Amos) ebenso wie über mögliche Probleme bei der Ablösung der bisherigen handschriftlichen Praxis und über bisher durchgeführte Projekte.

Beliebte Arbeitgeber: Einer repräsentativen Umfrage unter Jura-Absolventen zufolge sinkt die Beliebtheit von Großkanzleien als potentielle Arbeitgeber. Grund seien etwa "polarisierende Mandate", meldet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Das Auswärtige Amt belege weiterhin den ersten Platz der Liste.

Sonstiges

Grenzabweisungen: Nach Mitteilung des Bundesinnenministeriums wurden von Mitte Juni bis Mitte Oktober an der deutsch-österreichischen Grenze 89 Personen zurückgewiesen, gegen die ein Einreise- und Aufenthaltsverbot bestand. Die Zahl wird von der FAZ (Helene Bubrowski) gemeldet, die taz (Dinah Riese) macht darauf aufmerksam, dass nur drei der Betroffenen an der Grenze einen Asylantrag gestellt hätten. Bei den Übrigen wäre auch ohne die von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) initiierte Neuregelung eine Abweisung erfolgt.

Fall Oury Jalloh: Eine private Initiative hat eine unabhängige internationale Expertenkommission zur Aufklärung des Todes von Oury Jalloh ins Leben gerufen. Die Kommission nimmt bei ihrer Arbeit auch zwei weitere Todesfälle im Dessauer Polizeigewahrsam in den Blick, berichten taz (Christian Jakob) und spiegel.de (Peter Maxwill).

Waffenexporte: Auch die FAZ (Marlene Grunert) befasst sich nun mit den rechtlichen Voraussetzungen deutscher Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien und den Möglichkeiten, bereits erteilte Genehmigungen zu widerrufen.

G 20-Ausschreitungen: Rechtsprofessor Jürgen Schwabe bezeichnet die Arbeit des von der Hamburgischen Bürgerschaft eingesetzten Sonderausschusses zu den G 20-Ausschreitungen in einem Gastbeitrag für den FAZ-Einspruch als "nützlich, um notwendige Fakten zu erheben". Der Ausschuss habe bei der Fehleranalyse "jedoch überwiegend versagt". So sei kein Anstoß an den umfangreichen Vorbereitungen von Gegendemonstranten genommen worden. Dabei sei etwa der Aufzug "G 20 – down to hell" "eine Ansammlung von Störern zur Begehung von – meist strafbaren – Rechtsbrüchen", die mitnichten das Grundrecht der Versammlungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen könne. Es gebe schließlich kein Grundrecht, "Straßenschlachten zu führen".

Delisting: Rechtsanwalt Richard Mayer-Uellner beschreibt im FAZ-Einspruch am Beispiel des Pharmakonzerns Stada die rechtlichen Hürden beim sogenannten Delisting, der dauerhaften Einstellung der Börsennotierung einer Aktie.

Technik und Recht: Für den FAZ-Einspruch beschreibt der frühere Bundesjustiz- und -außenminister Klaus Kinkel (FDP) das Zusammenwirken technischer und juristischer Bereiche an Technischen Universitäten. Der Autor meint, sich "nicht ganz erfolglos" für die Etablierung des zum Karlsruher Institut für Technologie gehörenden "Zentrums für Angewandte Rechtswissenschaft / Institut für Informations- und Wirtschaftsrecht" eingesetzt zu haben.

Das Letzte zum Schluss

Motivierte Mitarbeiter: Vor dem Landgericht Düsseldorf haben drei Feuerwehrleute zugegeben, für eine Brandserie in Neuss verantwortlich zu sein. Nach Meldung der SZ gaben sie dabei an, aus "Lust am Löschen" tätig geworden zu sein.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mpi

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Sie können die tägliche lto-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.  

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. Oktober 2018: Teures Glyphosat / Verwirrung um Fahrverbote / Examen am Rechner . In: Legal Tribune Online, 24.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31669/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen