Die juristische Presseschau vom 24. September 2019: Ima­gepf­lege für Rechts­staat / Kater = Krank­heit / Fehl­ur­teil zu Künast?

24.09.2019

Der Rechtsstaat hat eine Imagepflege nötig, findet das Justizministerium. Außerdem in der heutigen Presseschau: OLG Frankfurt zur Krankheit Kater und auch in dieser Woche reißt die Kritik an der Künast-Entscheidung des LG Berlin nicht ab.

Thema des Tages

"Wir sind Rechtsstaat": Neben Personalaufbau und Digitalisierung widmet sich der zu Beginn dieses Jahres beschlossene "Pakt für den Rechtsstaat" auch einer Informationskampagne. Unter dem Claim "Wir sind Rechtsstaat" bemüht sich das Bundesjustizministerium Bürgern den "Rechtsstaat sichtbarer und verständlicher" zu machen, berichtet lto.de. Durch einen Kinospot und Social-Media-Maßnahmen sollten "Vorteile und Errungenschaften des Rechtsstaats" anschaulich vermittelt werden, bei Bedarf kann sich auch unter wir-sind-rechtsstaat.de zusätzlich informiert werden.

Rechtspolitik

Mietrecht: Die SPD-Bundestagsfraktion will am heutigen Dienstag ein weitreichendes Maßnahmenpaket zu verstärktem Mieterschutz beschließen, schreibt die Welt (Michael Fabricius). So sollten z.B. über die Dauer von fünf Jahren Mieterhöhungen bundesweit nur noch in Höhe der allgemeinen Inflationsrate zulässig sein. Für Dorothea Siems (Welt) ist damit klar, "dass die Sozialdemokraten ebenso wie die Linkspartei ihr Heil in rigider Regulierung" suchen. Das "Grundproblem" Wohnungsnot werde hierdurch "sogar noch vergrößert", weil man schließlich Investoren abschrecke.

Unternehmenssanktionen/interne Ermittlungen: Ein Teil des geplanten "Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität" befasst sich auch mit unternehmensinternen Ermittlungen. Diese würden, schreibt das Hbl (Heike Anger), künftig als "Aufklärungsleistung" des Unternehmens gewürdigt und mildernd bei Festsetzung eines etwaigen Bußgeldes berücksichtigt. Voraussetzung sei allerdings, dass die Ermittlungen "wesentlich" zur Aufklärung einer Straftat beitragen.

"Clan-Kriminalität": Eine unter Leitung des früheren Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach (CDU) arbeitende Kommission hat einen 21-Punkte-Plan mit Empfehlungen im Kampf gegen die sogenannte Clan-Kriminalität vorgelegt. Hierbei sei auf Gemeinsamkeiten beim Vorgehen gegen die "klassische Organisierte Kriminalität" verwiesen worden, berichtet lto.de. Darüber hinaus sollten aber nach Vorstellung der Kommission auch "ganzheitliche Ansätze" unter Vernetzung zahlreicher Behörden, einschließlich der Ausländerbehörden verfolgt werden.

Rechtsextreme Gewalt: Die SZ (Martin Kaul/Georg Mascolo) berichtet exklusiv zu einem im Auftrag der finnischen Ratspräsidentschaft erstellten Lagebericht der europäischen Polizeibehörde Europol zu rechtsextremer Gewalt. Diese sei durch eine "beachtliche Anzahl gewalttätiger Zwischenfälle" gekennzeichnet. Die Forderung nach einer stärkeren Vernetzung bei der Bekämpfung wird von Ronen Steinke (SZ) in einem Kommentar begrüßt. "Zu viele Polizeien" täten immer noch so, als seien rechtsextreme Übergriffe "rein lokale Phänomene". Hierdurch bewiesen sie, dass sie "das Problem noch nicht verstanden" haben.

Waffenrecht: Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat eine Verschärfung des Waffenrechts gefordert, schreibt die taz (Simon Schramm) und erläutert mehrere hierzu diskutierte Vorschläge. Das Thema ist besonders aktuell, seit bekannt wurde, dass der mutmaßliche Komplize beim Lübcke-Mord sich im Jahr 2015 vor dem Verwaltungsgericht Kassel eine Waffenbesitzkarte erstritt.

Zollfahndung: netzpolitik.org (Marie Bröckling) berichtet zu aktuellen Beratungen über eine Neufassung des Zollfahndungsdienstgesetzes. In Übereinstimmung mit zahlreichen neuen Polizeigesetzen seien Formulierungen wie "drohende Gefahr" übernommen und die Befugnisse des Zolls jenen der Polizei angepasst worden.

Justiz

BGH – Haftung für Offenen Vollzug: Über die am morgigen Mittwoch am Bundesgerichtshof stattfindende Verhandlung zu einer möglichen Strafbarkeit von Vollzugsbeamten wegen Gewährung eines offenen Vollzuges berichtet nun auch lto.de. Bereits die nicht rechtskräftige Verurteilung habe den Haftalltag in Rheinland-Pfalz nachhaltig verändert, Entscheidungen für Vollzugslockerungen würden nur noch "sehr, sehr vorsichtig" getroffen, so ein im Text zitierter Verbandsvertreter.

BVerwG zu Hintergrundgesprächen: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) macht darauf aufmerksam, dass der Bundesnachrichtendienst seine aus dem in der vergangenen Woche ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu folgernde Offenlegungspflicht zu Hintergrundtreffen mit Journalisten vorerst nicht zu erfüllen gedenke. Zunächst wolle man in der Behörde die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.

OLG Frankfurt/M. zu "Anti-Hangover-Drink": Alkoholbedingtes Unwohlsein, im Volksmund "Kater" genannt, stellt nach einem nun veröffentlichten Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. von vor zwei Wochen eine Krankheit dar. Weil Lebensmitteln gemäß der Lebensmittelinformationsverordnung keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Krankheit zugeschrieben werden dürfen, ist es dementsprechend einem Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln untersagt, ein vom ihm angebotenes Produkt mit dem Hinweis zu bewerben, es beuge einem Kater vor. lto.de berichtet.

LG Berlin zu Renate Künast: Die jüngste Entscheidung des Landgerichts Berlin zu Beschimpfungen der Politikerin Renate Künast (Grüne) ist nun auch Thema eines ausführlichen Gastbeitrages von Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler auf zeit.de. Das "krasse Fehlurteil" missachte die Verfassung "grob" und schade, indem es Schutz vor "verbaler Barbarei" im Internet verweigere, letztlich der Demokratie. Seine Botschaft laute "Hatespeech ist erlaubt". Die Kritik teilt Rechtsprofessorin Elisa Hoven im Gespräch mit der FAZ (Constantin van Lijnden). Das LG habe zumindest hinsichtlich der aus der Fäkalsprache entlehnten Beschimpfungen eine Schmähkritik vorschnell verworfen und darüber hinaus auch die in jedem Fall durchzuführende Abwägung zwischen Ehrschutz und Meinungsfreiheit unterlassen.

LG Bremen – BAMF-Affäre: Über den von der Bremer Staatsanwaltschaft beim örtlichen Landgericht eingereichten Antrag, zwei mutmaßlich an der Affäre um Manipulationen bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beteiligten Rechtsanwälten vorläufig die Ausübung ihres Berufes zu untersagen, berichtet nun lto.de (Tanja Podolski) vertieft. Angesichts des Umfangs der anhängig gemachten Anklageschrift sei mit einer Entscheidung noch in diesem Jahr eher nicht mehr zu rechnen. Wegen der Grundrechtsrelevanz des Verbots sei die Maßnahme "in der Praxis sehr schwierig und selten", wird im Beitrag ein Experte zitiert.

LG Freiburg – Gruppenvergewaltigung: Nach Meldung der FAZ steht einem der elf vor dem Landgericht Freiburg wegen Beteiligung an einer sogenannten Gruppenvergewaltigung Angeklagten die Entlassung aus der Untersuchungshaft bevor. Gegen den Angeklagten könne der Vorwurf der Vergewaltigung nicht aufrechterhalten werden, so der Staatsanwalt.

AG Böblingen - Fall "Hannibal": Nach einem Einspruch gegen einen Strafbefehl muss sich ein ehemaliger Soldat des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr demnächst vor dem Amtsgericht Böblingen wegen Verstößen gegen waffen- und sprengstoffrechtliche Bestimmungen verantworten. Über die Hintergründe des sogenannten Falls "Hannibal" - unter dieser Bezeichnung soll der Täter im Internet Verbindungen zur sogenannten Prepper-Szene gepflegt haben - schreibt die taz (Sebastian Erb/Christina Schmidt)Dass sich der Strafbefehl auf gerade einmal 120 Tagessätze belaufen habe, ist für Daniel Schulz (taz) "ein Signal an Soldaten, bei denen es als Kavaliersdelikt gilt, Munition zu klauen". Unabhängig hiervor hätten es die Ermittler versäumt, das von "Hannibal" wohl maßgeblich betriebene Netzwerk auszuleuchten. So gebe es "immer nur eine Reihe kleinerer Verfehlungen" und "überall Einzeltäter".

AG Lübeck – Weißer-Ring-Funktionär: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit plädierten am Amtsgericht Lübeck die Beteiligten des Strafverfahrens gegen den früheren Chef der örtlichen Opferorganisation Weißer Ring. Während die Anklage den Vorwurf exhibitionistischer Handlungen für erwiesen hielt und deshalb eine Bewährungsstrafe forderte, habe die Verteidigung einen Freispruch gefordert, berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm). Ein Beweisantrag der Nebenklage, den Angeklagten auf eine mögliche Sexsucht psychologisch untersuchen zu lassen, sei verworfen worden.

ArbG Köln zu "Lindenstraßen"-Mitarbeitern: Über die klageabweisenden Entscheidungen des Arbeitsgerichts Köln im Streit um die Rechtmäßigkeit von Kündigungen von Mitarbeitern der Produktionsfirma der demnächst eingestellten Fernsehserie "Lindenstraße" berichtet nun auch lto.de.

GBA – Walter Lübcke: Sowohl der mutmaßliche Mörder Walter Lübckes als auch dessen vermeintlicher Helfer wurden in Personalakten des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz geführt. Ein Geheimbericht der Behörde aus dem Jahr 2014 erwähnt den mutmaßlichen Haupttäter E. elf Mal, schreibt die FAZ (Julian Staib) und legt im Weiteren die datenschutzrechtlichen Bestimmungen für den Umgang mit derartigen Akten dar. Die taz (Konrad Litschko) erinnert an die unmittelbar nach der Tat erfolgten Versprechungen einer "rückhaltlosen Aufklärung". Die Verlautbarungen stünden im Widerspruch zu den jetzigen Erkenntnissen, die erst vor Gericht erkämpft werden mussten.

Recht in der Welt

ICSID – Deutschland: Die Bundesrepublik wird vom österreichischen Baukonzern Strabag vor dem ICSID-Schiedsgericht verklagt. Das Unternehmen verlange vor dem bei der Weltbank angesiedelten Schiedsgericht einen Schadensersatz wegen behaupteter Benachteiligungen durch Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, berichtet die FAZ (Marcus Jung).

Schweiz – WM-Affäre: Bereits seit vier Jahren ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft zu einer ominösen Millionenzahlung im Zuge der Vorbereitungen auf die Fußball-WM 2006, einer Anklage sehen aber bislang nur drei ehemalige Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes entgegen. Die Angeklagten haben gegen die Abtrennung des Verfahrens gegen den gesundheitlich angeschlagenen Franz Beckenbauer, die vermeintliche Zentralfigur der beanstandeten Zahlung, Beschwerde eingelegt. In diesem Zusammenhang auch vom Weltverband FIFA abgegebene Stellungnahmen hat die SZ (Johannes Aumüller/Thomas Kistner) einsehen können. In einer verwunderlichen "Emotionalität" und mit "entlarvender Haltung" sei in diesen Schreiben die Abtrennung begrüßt worden.

Sonstiges

Hubert Barth: faces-of-democracy.org (Sven Lilienström) befragt Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von Ernest & Young Deutschland, zu seiner Meinung von Demokratie, der politischen Verantwortung von Konzernchefs und dem Stellenwert von Diversity in dem von ihm geleiteten Unternehmen.

E-Roller: Haftungsregeln bei Unfällen mit E-Roller stellt die SZ (Anne-Christin Gröger) vor.

Das Letzte zum Schluss

Gangster Rap: Neuigkeiten von der Musiksparte Gangster Rap weiß bild.de (Jörg Bergmann u.a.) zu berichten. Im gutbürgerlichen Berliner Stadtteil Zehlendorf wurde der Rapper Fler Opfer einer polizeilichen Verkehrskontrolle. Dabei konnte der Musiker keinen gültigen Führerschein vorweisen, einen Ausweis wollte er nicht zeigen, weil die Beamten "ja genau wussten, wer ich bin". Die mittelmäßig spektakuläre Bilanz des Einsatzes: Anzeigen wegen Beleidigungen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

 

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lto/mpi

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. September 2019: Imagepflege für Rechtsstaat / Kater = Krankheit / Fehlurteil zu Künast? . In: Legal Tribune Online, 24.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37785/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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