Die juristische Presseschau vom 22. bis 24. September: Gäfgen und Daschner – Voßkuhle und Habermas – Drohnen und Journalismus

24.09.2012

Der heute ausgestrahlte Film um Jakob von Metzler erinnert auch an den "Fall Daschner", der über 2002 hinaus nicht nur Juristen bewegte. Außerdem in der Presseschau: Voßkuhle, Habermas und Reding auf dem DJT, Ghostwriting im StGB, Drohnen für Fotos und mehr sowie ob Angela Merkel in Neuruppin ein Watergate bevorsteht.

"Der Fall Jakob von Metzler": Im Jahr 2002 hatte der Jurastudent Magnus Gäfgen den elfjährigen Jakob von Metzler entführt und getötet. Die ARD zeigt heute dazu den Film "Der Fall Jakob von Metzler", der die Geschichte, insbesondere auch die Rolle der Polizei erzählt. Kein Film, sondern ein "Dokument" sei der Film, so Michael Hanfeld (Montags-FAZ), der die Hintergründe der Tat und das Entstehen des Films nachzeichnet. Hanfeld erinnert an die "tobende" Debatte über die Einordnung der durch den Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner angeordneten Zwangsdrohung gegen Gäfgen: "Absolutes Folterverbot" oder "erlaubte oder gar gebotene Nothilfe" nach § 32 Strafgesetzbuch?

Separat schildert die FAZ (Sandra Kegel) weiter, wie der Polizist Ortwin Ennigkeit, den Daschner damals zur Gewaltandrohung angewiesen habe und der vom Landgericht Frankfurt wegen Nötigung im Amt verurteilt wurde, heute die Situation bewerte: Er sehe sich nach wie vor im Recht und verweise dafür auf Leben und Menschenwürde des Jungen.

Die FTD (Klaudia Wick) berichtet ebenfalls über Fall und Film; so auch das Handelsblatt (Sven Prange/Claudia Panster), das auf die für den 10. Oktober geplante Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt zur Schadenersatzpflicht des Landes Hessen wegen der Folterandrohung hinweist.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Cleanes Internet: Ein internes Dokument des von der EU-Kommission finanzierten "Clean IT"- Projektes, das am Freitag geleakt worden sei, stellt netzpolitik.org (Andre Meister) vor. Das Projekt wolle die "terroristische" und "illegale Nutzung" des Internets bekämpfen, etwa durch den Einsatz von Filtertechnologien. netzpolitik.org listet die "schlimmsten" der "verrückten Vorschläge" auf und meint: Diese "gehen komplett an demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien (…) vorbei".

Thomas Stadler (internet-law.de) findet das Diskussionspapier zwar nicht so "spektakulär" wie netzpolitik.org, teilt aber auch einige "bürgerrechtliche Bedenken" mit.

Facebookpartys verbieten?: Anlässlich einer ausgearteten Facebookparty in den Niederlanden erläutert die Montags-taz (Christian Rath) die deutsche Rechtslage: Ja, Facebookpartys könnten verboten werden; nein, das Versammlungsrecht gelte grundsätzlich nicht für die Feiern und haften müsse zunächst einmal der jeweilige Randalierer.

DJT I – Beschlüsse: Die "für das Internet relevanten" Beschlüsse des Deutschen Juristentages (DJT) finden sich bei Thomas Stadler (internet-law.de), der diese als tendenziell bürgerrechts- und internetfeindlich einstuft.

DJT II- Voßkuhle und Habermas: Über die Podiumsdiskussion zum Abschluss des DJT mit Andreas Voßkuhle, Bundesverfassungsgerichtspräsident, Jürgen Habermas, Philosoph, Vassilios Skouris, Präsident des Europäischen Gerichtshofs sowie Luc Frieden, Luxemburgs Finanzminister, berichtet die Samstags-taz (Christian Rath). Habermas habe die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum ESM als nicht "mutig" genug kritisiert. Voßkuhle glaube dagegen, es gebe zur Zeit viel mehr eine Vertrauens- denn eine Währungskrise; weiter habe seiner Ansicht nach die kritische Rechtsprechung des BVerfG maßgeblich dazu beigetragen, dass es "überhaupt Verträge über die Rettungsschirme gegeben habe", so die taz.

Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) zeichnet die Diskussion ebenfalls nach und befindet, große Übereinstimmung habe zwar über die  "Notwendigkeit einer europäischen Debatte" bestanden, wie Europa am Ende aussehen solle, blieb allerdings im Vagen. In derselben SZ-Ausgabe findet sich im Feuilleton die in Bezug genommene Rede von Jürgen Habermas, der sich fragt, "ob das Gericht den Nationalstaat um der Demokratie willen oder nicht doch eher die Demokratie um des Nationalstaates willen verteidigte".  Reinhard Müller (Samstags-FAZ) zieht das Fazit: An "Karlsruhes herbeigewünschter wie angemaßter Vormachtstellung" werde sich so schnell nichts ändern.

DJT III - Viviane Reding: "Unvergesslich" fand Jost Müller-Neuhof (Sonntags-tagesspiegel) den Auftritt von EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Sie habe zunächst ein "ironisches Loblied" auf "den deutschen Juristen" gesungen. Anschließend habe sie den Anwesenden die Leviten gelesen und ganz "nonchalante" das "Füreinandereinstehen in schlechten Zeiten" nach dem EU-Vertrag eher als Regel denn als Ausnahme angedeutet.

Mietrecht-Irrtümer: Die "größten Mietrechts-Mythen" von "Wer nicht zahlt, fliegt raus" bis zu den "heiligen drei Nachmietern" klärt spiegel.de (Jürgen Hoffmann/Anja Steinbruch) auf.

Drohnen rechtlos: Der rasanten technischen Weiterentwicklung von Flugdrohnen widmet der Spiegel (D. Hipp/H. Schmundt/ H.-U. Stoldt/ A. Ulrich) einen umfangreichen Beitrag, in dem er die fehlende Diskussion um "verfassungs- und datenschutzrechtliche Folgen" der Verwendung anmahnt und weiter den unzureichenden Rechtsrahmen - "Drohnen heben ab, die Legislative kommt nicht hinterher"- etwa für die Polizeiarbeit mit Drohnen beschreibt.

Drohnen und Journalismus: Anlässlich der Aufregung um royale Nacktfotos, die möglicherweise mit Drohnen aufgenommen wurden, befasst sich Claudia Kornmeier (lto.de) mit dem Persönlichkeitsrechtsschutz durch das deutschen Straf- und Zivilrecht vor "fotojournalistischen Drohnenangriffen". So schütze etwa § 201a Strafgesetzbuch (StGB) gegen Aufnahmen mit Drohnen, die jedoch zukünftig fester Bestandteil des Journalismus werden könnten.

Datenschutz und Wettbewerbsrecht: Ob das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dem Datenschutzrecht helfen kann, den "erforderlichen gesunden Druck" zur Einhaltung desselben zu besorgen, weiß Rechtsprofessor Thomas Hoeren für lto.de.

Meldegesetz im Vermittlungsausschuss: Über die Ablehnung des umstrittenen Meldegesetzes und die Überweisung in den Vermittlungsausschuss am Freitag im Bundesrat informiert die Samstags-FR (Timot Szent-Ivanyi). Welche Probleme die Ausschussempfehlung einer Opt-In Lösung für den Datenhandel birgt, erläutert Patrick Beuth (zeit.de).

Gesetzliche Frauenquote: Über das Ja des Bundesrates zur Einführung einer gesetzlichen 40 Prozent Frauenquote für Aufsichtsräte deutscher Unternehmen informiert die Samstags-FR (Katja Tichomirowa).

Biopolitik: Über Pläne der EU-Kommission zu einer Verordnung zu klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln, die eine bestehende Richtlinie "aushebeln" solle, informiert die Montags-FAZ (Stephan Sahm) im Feuilleton unter dem Titel "Rückfall in mittelalterliche Forschungsethik". Die Zulassung der Prüfungen solle vereinfacht werden, u.a. solle es keine Pflicht mehr zur Konsultation einer unabhängigen Ethikkommission vor Versuchsreihen geben.

"Wissenschaftsbetrug" ins StGB?: Den Gesetzesvorschlag des Deutschen Hochschulverbandes zur strafrechtlichen Erfassung von "Wissenschaftsbetrug" als Reaktion auf die Guttenberg-Affaire stellt Henning Ernst Müller (blog.beck.de) vor und erläutert, warum insbesondere die Erfassung des so genannten Ghostwritings problematisch sei.

NPD-Verbot: Ihr Tagesthema widmet die Samstags-SZ (Tanjev Schulz/ Mike Szymanski) den Vorbereitungen eines möglichen neuen NPD-Verbotsantrags. Ob es dazu komme, würden Innenminister von Bund und Ländern bis Dezember beschließen wollen. Ein neuer Antrag müsse aber "frei von Spitzelmaterial" sein. Dazu liefert die SZ Beispiele aus einem vertraulichen Dossier, in welchem der Verfassungsschutz Belege für die Verfassungsfeindlichkeit und die "aktiv kämpferische, aggressive Haltung" der Partei zusammenfasst.

Recht auf Selbstauskunft und Verfassungsschutz: Mit dem Auskunftsrecht von durch die (staatliche) Erhebung personenbezogener Daten Betroffener, als "essenziellem Ausfluss der informationellen Selbstbestimmung" befasst sich in einem Gastbeitrag für netzpolitik.org der Autor und Datenschutzaktivist Holger Schwarzenroth und schildert dabei den "Keinzelfall" eines Auskunftsantrags an den Berliner Verfassungsschutz, der am Ende vor dem Verwaltungsgericht Berlin landete.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. bis 24. September: Gäfgen und Daschner – Voßkuhle und Habermas – Drohnen und Journalismus . In: Legal Tribune Online, 24.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7153/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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