Die juristische Presseschau vom 24. Mai 2012: Karlsruher Verfassungsgespräch – Europarechtler gegen Eurobonds – BSG zu Münzsammlung

24.05.2012

Zum 63. Jahrestag des Grundgesetzes diskutierten Politiker und Wissenschaftler über Bürgerbeteiligung. Außerdem in der Presseschau: ein Hartz-IV-Empfänger muss seine Münzsammlung verkaufen, ein Blogger haftet für einen YouTube-Link und Facebook befürchtet Klagewelle nach dem Börsen-Fehlstart. Aber immerhin hat der Erotikladen im Münchener Bahnhof jetzt auch Sonntags geöffnet.

Karlsruher Verfassungsgespräche: Das Grundgesetz wurde am Mittwoch 63 Jahre alt, am Vorabend fanden die tradionellen Karlsruher Verfassungsgespräche statt. Unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Verfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, diskutierten Juristen und Politiker über Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, darunter Innenminister Hans-Peter Friedrich. Die FAZ (Rüdiger Soldt) gibt die Standpunkte der Beteiligten wieder. Die SZ (Wolfgang Janisch) resümiert: "Am Ende waren alle dafür, die Bürger in demokratische Entscheidungen einzubinden – irgendwie."

Weitere Themen – Rechtspolitik

Eurobonds: In der FAZ (Corinna Budras) wird die Diskussion um Eurobonds wiedereröffnet. Dazu heißt es unter Berufung auf die Europarechtler Ingolf Pernice und Franz Mayer, die Gemeinschaftsanleihen verstießen gegen Europarecht. Notwendig sei zunächst eine Änderung der EU-Verträge – dann stelle sich jedoch auch die Frage, ob die weitere europäische Integration noch vom Grundgesetz gedeckt sei.

Bundeswehreinsätze: Das problematische Verhältnis zwischen der Beteiligung des Bundestages bei Bundeswehreinsätzen und der deutschen Mitwirkung an einem Militärbündnis wie der Nato, beleuchtet Reinhard Müller (FAZ). Bündnisfähigkeit dürfe dabei "kein Selbstzweck" sein.

Nazi-Datei: Innenexperten des Bundestages haben am Mittwoch über die Einrichtung einer Rechtsextremismus-Datei beraten, die den Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz verbessern soll. Christian Rath (lto.de) erläutert die Pläne des Innenministeriums, ist aber skeptisch, ob sich der Informationsaustausch damit spürbar verändern wird.

Patientenrechte: Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgestellt, mit dem die Rechte von Patienten gegenüber Ärzten erweitert werden sollen, insbesondere könnten sie künftig leichter Schadensersatz für Behandlungsfehler erhalten. Dazu die SZ (Charlotte Frank/Guido Bohsem) und die FR (Stefan Sauer).

Weitere Themen - Justiz

Hartz IV und Münzsammlung: Ein Hartz-IV-Empfänger muss eine Münz- oder Briefmarkensammlung zu Geld machen, bevor er Sozialleistungen beanspruchen kann - und zwar auch dann, wenn er beim Verkauf erhebliche Verluste macht. Das entschied das Bundessozialgericht, die SZ (Thomas Öchsner) berichtet ausführlich.

Hartz IV und Wohnraum: Mit der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts zur Angemessenheit der Unterkunftskosten, befasst sich die taz (Barbara Dribbusch).

Haftung für Link: Das Landgericht Hamburg hat dem Blogger und Rechtsanwalt Markus Kompa untersagt, mit einem YouTube-Link auf einen Beitrag des ZDF über den Arzt Nikolaus Klehr hinzuweisen. Zuvor hatte der Arzt eine einstweilige Verfügung gegen das ZDF erwirkt, er sah sich durch die Berichterstattung in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Thomas Stadler (internet-law.de) berichtet ausführlich über den Fall und kritisiert das Gericht scharf. Diese Rechtsprechung sei "ein gutes Beispiel dafür, wie die meinungsfreundliche Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ausgehebelt und gegen den Strich gebürstet wird."

BGH zu Bank-Gebühren: Der Bundesgerichtshof hat eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse für unwirksam erklärt. Demnach dürfen Banken für die Benachrichtigung von Kunden keine Gebühren erheben, wenn sie trotz Einzugsermächtigung eine Buchung verweigern. Damit bleibe es trotz einer Änderung des Zahlungsdienstrechts bei der bisherigen Rechtssprechung des Gerichts, so lto.de.

Chefarzt-Kündigung rechtswidrig: Wie spiegel.de meldet, hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven die Kündigung des Chefarztes der Bremer Kinderklinik für rechtswidrig erklärt. Er war nach dem Skandal um Keime auf der Frühchenstation fristlos entlassen worden.

Schickedanz klagt: Die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz hat nach der Insolvenz der Karstadt-Quelle-Gruppe nun beim Landgericht Köln eine Schadensersatzklage gegen ihren ehemaligen Vermögensberater und die Bank Sal.Oppenheim eingereicht. Das berichtet die FAZ (Werner Sturbeck).

Klage im Implantatskandal: Wie das Handelsblatt (Malke Telgheder) berichtet, will die Münchner Anwaltskanzlei Zierhut & Graf im Zuge des Skandals um fehlerhafte Brustimplantate heute eine Amtshaftungsklage gegen die Bundesrepublik einreichen.

Weiteres – Recht in der Welt

USA – Klagewelle nach Facebook Börsengang: Nach dem missglückten Börsengang des Social Networks Facebook, wird in den USA mit einer Klagewelle gerechnet. Laut FTD (Reinhard Hönighaus/Andrea Rungg) haben bereits mehrere Anwaltskanzleien Sammelklagen gegen Facebook und verschiedene Konsortialbanken eingereicht. Außerdem müsse der Börsenbetreiber Nasdaq mit Schadensersatzforderungen rechnen.

Pakistan – CIA-Helfer verurteilt: In Pakistan wurde ein Arzt wegen Hochverrats zu 33 Jahren Haft verurteilt. Er hatte für den amerikanischen Geheimdienst Genmaterial gesammelt, um Osama Bin Laden auf die Spur zu kommen. spiegel.de (Hasnain Kazim) berichtet aus Islamabad.

Sonstiges

Frauenmorde: Der SZ (Jan Bielicki) liegen nach eigenen Angaben bisher unveröffentlichte Statistiken des Bundeskriminalamtes vor, wonach bei jedem zweiten Mord an einer Frau der Partner unter Verdacht steht, die Tat begangen zu haben. Damit habe das BKA erstmals die Beziehung zwischen Opfer und Tatverdächtigen aufgeschlüsselt.

Das Letzte zum Schluss

Erotischer Reisebedarf: Das Verwaltungsgericht München hat entschieden, dass ein Erotik-Laden im Münchner Hauptbahnhof auch Sonntags geöffnet werden darf - schließlich seien DVDs, Zeitschriften und Kondome "Reisebedarf", erklärt lawblog.de (Udo Vetter).

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. Mai 2012: Karlsruher Verfassungsgespräch – Europarechtler gegen Eurobonds – BSG zu Münzsammlung . In: Legal Tribune Online, 24.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6260/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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