Die juristische Presseschau vom 23. Mai 2013: Mehr Macht für den Generalbundesanwalt – Kaffee für Journalisten - Bogenförmige Striche unterm Schriftsatz

23.05.2013

Heute legt die "Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus" bei der Innenministerkonferenz ihren Abschlussbericht vor. Zentraler Vorschlag ist, dem Generalbundesanwalt mehr Kompetenzen zu geben. Außerdem in der Presseschau: die "Charmeoffensive" des OLG München, Ermittlungen gegen mutmaßliche Linksextreme, der Verfassungsschutzpräsident im Interview und wie ein Anwalt besser nicht unterschreiben sollte.

Mehr Kompetenzen für GBA: Die "Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus" legt am Donnerstag auf der Innenministerkonferenz ihren 363 Seiten starken Abschlussbericht vor. Die Kommission war als Expertengremium in Ergänzung zu den NSU-Untersuchungsausschüssen eingesetzt worden. In ihrem Bericht schlägt sie nach Information der SZ (Tanjev Schultz) vor, dem Generalbundesanwalt mehr Zuständigkeiten zu geben. So solle er auch dann Ermittlungen an sich ziehen können, in denen zwar schwerste Straftaten vorliegen, ein terroristischer Hintergrund aber zunächst nicht offensichtlich ist. Zudem soll er zur Klärung seiner Zuständigkeit bestimmte Ermittlungen anstellen können. Die Ermittlungen zum NSU konnte der Generalbundesanwalt erst übernehmen, nachdem die Gruppe im November 2011 aufgeflogen war.

Tanjev Schultz (SZ) hält den Vorschlag für richtig. Bisher lägen die Hürden zur Übernahme von Ermittlungen zu hoch. Mehr Befugnisse für die Bundesanwaltschaft seien zwar keine Garantie für eine bessere und schnellere Aufklärung schwerster Straftaten, schlechter als beim NSU könne es aber nicht laufen.

Strafbarkeit von V-Leuten: Desweiteren fordert die Kommission laut SZ (Tanjev Schultz) Rechtssicherheit für V-Leute und die sie betreuenden Beamten. Hierzu werde vorgeschlagen, in der Strafprozessordnung einen speziellen Grund zur Einstellung des Verfahrens zu schaffen, der es der Staatsanwaltschaft ermögliche, in bestimmten Fällen von einer Strafverfolgung abzusehen.

Aufgrund dieses Vorschlags befasst sich die taz (Christian Rath) mit dem bisher kaum bekannten Fall des Türken Alaattin A., der mehrere Jahre lang als V-Mann für den Bundesnachrichtendienst (BND) aus einer linken türkischen Terrorgruppe berichtete, und im Jahr 2011 vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde. A.'s Anwälte hatten die Einstellung des Verfahrens gefordert, da er als V-Mann quasi mit amtlicher Befugnis gehandelt habe. Das OLG argumentierte demgegenüber in dem als "geheim" eingestuften Urteil, es fehle eine gesetzliche Grundlage, die V-Leuten das Begehen von Straftaten erlaube: Schwerwiegende Straftaten aus der Strafbarkeit auszunehmen, sei Sache des Gesetzgebers.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Erfassung von V-Leuten: Auf der am Mittwochabend gestarteten Innenministerkonferenz wollen die Minister nach Bericht der FAZ (jbe., Thomas Holl) über die zentrale Erfassung von V-Leuten in einer Datei beraten. Laut Bundesinnenminister Friedrich soll die Datei dokumentieren, welches Amt welchen Informanten beschäftige. Einzelne Fragen seien noch strittig, etwa ob neben den Decknamen der Informanten auch ihre Klarnamen erfasst werden sollen.

Abschiebung von "Hasspredigern": Im Vorfeld der Innenministerkonferenz hat sich Bundesinnenminister Friedrich nach Bericht der Welt (Manuel Bewarder, Florian Flade, Martin Lutz) für eine erleichterte Abschiebung von "Hasspredigern" ausgesprochen. Hierzu solle § 53 des Aufenthaltsgesetzes geändert werden. Zudem soll in § 54 ein Regelausweisungsgrund geschaffen werden, um "Angehörige von Drittstaaten, die zum missbräuchlichen Bezug von Sozialleistungen einreisen, mit Wiedereinreiseverbot zu belegen". In der SPD und der FDP stießen die Pläne hauptsächlich auf Kritik.

Rolle des BVerfG: Unter der Trias "Letzte Zuflucht, einzig wirksame Opposition, Sündenbock" befasst sich Reinhard Müller (FAZ) in seinem Leitartikel mit der Rolle des Bundesverfassungsgerichts. So werde etwa bei der Verhandlung über den ESM-Vertrag und die Rolle der Europäischen Zentralbank im Juni wieder einmal die Frage im Raum stehen, ob es nicht Sache von Parlament und Regierung sei, sich mit Für und Wider der Haushalts- und Rettungspolitik zu befassen. Allerdings werde die Gefahr einer Integration (oder Nichtintegration) durch Richterhand und das damit verbundene Risiko eines innerdeutschen Demokratiedefizits auch in Karlsruhe erkannt; das Gericht bemühe sich zumindest verbal durchaus um Zurückhaltung gegenüber den Entscheidungsträgern. Jedoch habe sich das Gericht etwa im Wahlrecht und in seinen Entscheidungen über die Fünf-Prozent-Sperrklausel im Kommunal- wie im Europawahlrecht auf eine "heikle Bahn begeben". Es sei problematisch, gezielt in ein gewachsenes und breit legitimiertes System einzugreifen, das in jüngster Zeit ganz ohne Karlsruher Hilfe so unterschiedliche Parteien wie die Piraten oder die Alternative für Deutschland hervorgebracht habe.

Elektronische Fußfessel: In Baden-Württemberg soll der Modellversuch der elektronischen Fußfessel für Freigänger und ausgewählte Straftäter nach Meldung von lto.de nicht weiterverfolgt werden. Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) begründete das Aus für das von der schwarz-gelben Vorgängerregierung initiierte Projekt damit, dass sich während des gesamten Zeitraums des Modellversuchs nur ein einziger Gefangener gefunden habe, der dafür geeignet gewesen sei.

Promillegrenzen für Radfahrer: In der Debatte um die Herabsetzung der Promillegrenze für alkoholisierte Radfahrer plädiert Rechtsprofessor Dieter Müller auf lto.de für eine gesetzlich fixierte Promillegrenze. Darüber hinaus solle der Gesetzgeber auch das Radfahren unter Drogeneinfluss, insbesondere aufgrund von Cannabiskonsum verbieten. Bislang habe die Polizei in solchen Fällen nur bei äußerlich erkennbaren Anzeichen die Möglichkeit, von Radfahrern eine Blutprobe zu nehmen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. Mai 2013: Mehr Macht für den Generalbundesanwalt – Kaffee für Journalisten - Bogenförmige Striche unterm Schriftsatz . In: Legal Tribune Online, 23.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8784/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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