Die juristische Presseschau vom 21. bis 23. Juli 2012 : Ecclestone nicht da? - Verhinderungsgewahrsam rechtmäßig? - Kommt Lex Beschneidung?

23.07.2012

Versteckt der Formel-1 Chef sich vor der deutschen Justiz? Das fragte man sich am Wochenende in Hockenheim. Außerdem in der Presseschau: Ermittlungen gegen Wulff, eine Entscheidung zum polizeilichen Verhinderungsgewahrsam, die Beschneidungs-Debatte nimmt kein Ende, dafür aber bald der Brechmitteleinsatz-Prozess und schlechte Neuigkeiten für einen ehemaligen Nationaltorhüter.

Ecclestone nicht da: "Wo ist Bernie?" fragt die Montags-SZ (M. Neudecker/K.Ott). Formel-1 Chef Bernie Ecclestone sei am Wochenende nicht beim Rennen aufgetaucht, Grund dafür könnten die Ermittlungen der deutschen Staatsanwaltschaft wegen Bestechung sein.

Das Handelsblatt (Axel Höpner) berichtet ebenfalls. Ecclestone behaupte nach wie vor, die Zahlung in Millionenhöhe an Gerhard Gribkowsky, Ex-Manager der BayernLB, sei kein Schmier- sondern Schweigegeld gewesen. Gribkowsky, der wegen Bestechlichkeit zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden sei, habe jedoch unlängst seine belastenden Aussagen bekräftigt.

Christian Wulff: Wie die Montags-FAZ (Robert von Lucius) informiert, würden die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Christian Wulff eventuell ausgeweitet: Es sei bekannt geworden, dass er noch als niedersächsischer Ministerpräsident die Zustimmung zur "Steuerbefreiung der Versicherungswirtschaft" durch das Land im Bundesrat anordnete. Dies sei, so die FAZ, "juristisch pikant", nachdem er u.a. kurz vorher vom ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Hannover Rück darum gebeten worden sei.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Urheberrechts-Glossar: Die wichtigsten Begriffe rund um die Urheberrechtsdebatte erläutert ein Glossar auf zeit.de (K. Biermann/J. Braun/P. Beuth).

Keine Urheberrechtslockerung: Wie auf lawblog.de (Udo Vetter) zu erfahren ist, habe sich die EU ablehnend gegenüber einem internationalen Vertrag zur Lockerung des Urheberrechts zu Gunsten Sehbehinderter gezeigt. In der Sache gehe es um die Übertragung von Büchern u.ä. in behindertengerechte Formate unabhängig von der Zustimmung der Rechteinhaber.

Beschneidungs-Debatte: Der Spiegel (G. Bönisch u.a.) schildert Berliner Pläne für eine "Lex Beschneidung". Unter Juristen angestoßen habe die Diskussion um die Strafbarkeit der Zirkumzision der Strafrechtsprofessor und Beschneidungsgegner Rolf Dietrich Herzberg, dem sein ehemaliger Mitarbeiter Holm Putzke gefolgt sei. Weiter ist zu erfahren, dass sich auch in den USA eine breitere Front gegen die Beschneidungspraxis bilde.

Im FAS-Feuilleton gibt Patrick Bahners zu bedenken, das Grundgesetz als "veränderliches Menschenwerk" mache die Welt nicht neu und könne "zwanglos im Lichte der moralischen Überlieferungen" ausgelegt werden. Eltern als Angreifer auf Kindesrechte erscheinen zu lassen, sei irreführend, denn das Erziehungsrecht sei das "Recht des Kindes, von den eigenen Eltern erzogen zu werden".

Bettina Röhl (spiegel.de) meint, bei "seriöser Abwägung" zwischen grundgesetzlichen Rechten von Eltern und Kindern könne die Entscheidung nur "zu Gunsten" des Kindes ausgehen.

Weitere Themen – Justiz

BVerwG zur Beachtlichkeit von Ehehindernissen: Ausländische Ehehindernisse, im konkreten Fall das Verbot einer Ehe mit der eigenen Stiefmutter, können auch nach deutscher Rechtslage beachtlich sein, entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Dazu lto.de.

EuGH zu Verbraucherschutz: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat vergangene Woche entschieden, dass beim Online-Verkauf von Flugtickets eine Reiserücktrittversicherung nur als "Opt-in" angeboten werden darf, berichtet lto.de. Es handele sich um ein nicht unerlässliches Zusatzangebot.

EuGH zu Staatenimmunität: Für den beck-Blog erläutert Markus Stoffels eine Entscheidung des EuGH zur Staatenimmunität bei arbeitsrechtlichen Klagen ehemaliger Mitarbeiter von Botschaften eines Drittstaats in einem EU-Mitgliedstaat. Diese könne entfallen, wenn es im Rechtsstreit um Handlungen ohne hoheitlichen Bezug gehe.

Brechmittel-Prozess: Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) die Gründe des Brechmittel-Urteils veröffentlicht hat, berichtet nun auch lawblog.de (Udo Vetter): Bereits zum zweiten Mal habe der BGH den Freispruch des Polizeiarztes durch das Landgericht Bremen (LG) aufgehoben und deutliche Worte an das LG gerichtet. Unter anderem mahne der BGH "haltlose Unterstellungen zugunsten des Angeklagten" an, der das Verfahren nochmals an das LG zurückverwiesen habe.

Polizeilicher Unterbindungsgewahrsam: Über die erfolglose Klage eines Bürgers vor dem Verwaltungsgericht (VG) Hannover gegen eine Gebühr für den Arrestzellen-Aufenthalt wegen eines polizeilichen Unterbindungsgewahrsams berichtet die Montags-taz-nord (Kai von Appen). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe zwar bereits im Jahr 2011 in einer anderen Sache erklärt, entsprechende Vorschriften aus deutschen Polizeigesetzen seien konventionswidrig. Das VG argumentiere jedoch, die Verhinderung von Straftaten sei eben originäre Aufgabe der Polizei.

Spätes Geständnis im Strafprozess: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) berichtet ausführlich über die Verurteilung einer Ärztin wegen heimtückischen Mordes an ihrem Ehemann durch das Landgericht Aachen und kommentiert, warum Gerichte oft negativ auf späte Geständnisse reagierten.

Prozess Düsseldorfer-Zelle: Vor dem Beginn des Prozesses gegen die vier Männer der so genannten "Düsseldorfer Zelle" vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf berichtet die Samstags-taz (Wolf Schmid) über die Angeklagten und die Hintergründe der Tat.

Prozess Online-Betrug: Über den "wohl größten Fall von Online-Betrug in Deutschland" der diese Woche vor dem Landgericht Augsburg zu Ende gehe, informiert der Spiegel (S. Becker/M. Rosenbach). Die angeklagte "Fakeshop-Bande" habe über Internetportale mehr als eine Millionen Euro mit dem Verkauf nicht existenter Ware verdient.

Ermittlungen Drohnen-Angriff: Über die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft um den tödlichen Drohnenangriff auf den Deutschen Bünyamin E. in Pakistan berichtet nun auch die Samstags-SZ (W. Janisch/F. Obermaier): Zunächst habe geklärt werden müssen, ob ein bewaffneter Konflikt vorliege, damit das Völkerstrafrecht einschlägig und die Behörde zuständig sei. Weiter sei nun zu klären, ob der Einsatz völkerrechtlich zulässig gewesen sein könnte, bevor nach Verantwortlichen gesucht würde.

AsylbLG-Urteil: Die Unterschiede in den Lebensverhältnissen von Asylbewerbern würden sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts "weiter verschärfen", so die Samstags-SZ (Roland Preuss). Asylbewerber, die etwa in Bayern Pakete und Taschengeld statt Geld erhielten, bekämen nur ein höheres Taschengeld.

Für den Sonntags-Tagesspiegel kommentiert Fatina Keilani.

Zwangsbehandlung psychisch Kranker: Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit der Zwangsbehandlung betreuter psychisch Kranker fordere Rainer Stickelberger, Justizminister in Baden-Württemberg, schnell eine gesetzliche Grundlage für die Behandlung zu schaffen. Laut Samstags-FAZ (Rüdiger Soldt) wolle er so verhindern, dass eine Betreuung zur "Verwahrung" verkomme.

Rettungspakt vor BVerfG: Unter dem Titel "Eine neue Kontur Europas" erläutert Andreas Zielcke (Samstags-SZ), wieso er das dem Bundesverfassungsgericht vorliegende Euro-Rettungspaket für "rechtlich und polit-ökonomisch ungenügend konzipiert" hält.

ESM/GG: Welchen drei Grundsätzen die Organisation des Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) "aus der Sicht des zweiten Senats" des Bundesverfassungsgerichts folgen müsste, analysiert Christoph Möllers (verfassungsblog.de) in seiner Reihe "Euro-Verfassung und Ewigkeitsklausel". Möllers sei unlängst gemeinsam mit Matthias Nettesheim, beide Staatsrechtler,  zum Prozessvertreter für den Bundestag im Verfahren vor dem BVerfG bestellt worden.

Akten-Vernichtung Verfassungsschutz: Beim Anblick von Verfassungsschutz und Innenministerium rund um die Aktenvernichtung müsse man "schreien", so Heribert Prantl (Samstags-SZ): Sie schneiderten sich "eine Burka aus Ausflüchten".

Maaßen zu Kurnaz-Affaire: Die Samstags-taz (Sebastian Erb) berichtet über die widerstreitenden Rechtsansichten von Verwaltungsgericht Bremen und künftigem Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen zum Verlust der Aufenthaltsgenehmigung von Murat Kurnaz während seiner Guantanamo-Gefangenschaft.

Abfindung für Daimler-Betriebsrat: Kein zweiter "Fall Emmely" sei aus der Anklage gegen den ehemaligen Daimler-Betriebsrat Georg-Dieter Bell geworden, so die Samstags-FAZ (Susanne Preuß). Der Prozess um Arbeitszeitbetrug an drei Tagen im letzten Jahr habe mit einem Vergleich geendet.

Weitere Themen – Recht im Ausland

Ungarn-Präsidenteninterview: Im Interview mit der Montags-FAZ (Georg Paul Hefty) spricht Ungarns Staatspräsident, der Jurist János Áder unter anderem über seinen zweifachen Nationenbegriff, die Pressefreiheit im Land und seine Rolle bei der Kontrolle von Gesetzen.

Sonstiges

Verfassungsrichterin Lübbe-Wolf: Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff erhält den diesjährigen Hegel-Preis der Stadt Stuttgart, wie die Montags-SZ knapp meldet.

Olympia-Homepage: Mit den "rechtlich unhaltbaren" Nutzungsbedingungen der Internetseite des Olympischen Komitees 2012, mit denen versucht werde, kritische Informationen zu unterdrücken, befassen sich für lto.de Rechtsanwalt Niklas Haberkamm und wissenschaftlicher Mitarbeiter Florian Wagenknecht.

Ehrenamt Bewährungshelfer: In der Reihe "Arbeiten ohne Geld" stellt die Samstags-FAZ (Mareike Zeck) den ehrenamtlichen Bewährungshelfer Norbert Gürtler und sein Verhältnis zu einem seiner "Klienten" vor.

Fifa-Ermittler Garcia: Der neue Chef der Ermittlungskammer der Fifa-Ethikkommission Michael J. Garcia wird von der FAS (Jürgen Kalwa) vorgestellt: Der derzeitige Partner in der bekannten amerikanischen Kanzlei Kirkland & Ellis, ehemaliger Bundesanwalt und Journalist, sei fast Chef des FBI geworden.

Das Letzte zum Schluss

Eike Immel angeklagt: Wie spiegel.de meldet, ist der ehemalige Nationaltorhüter Eike Immel wegen vielfachen Kokainkonsums vor dem Amtsgericht Dortmund angeklagt worden. Immel bestreitet die Vorwürfe. Er habe damals, 2007, nicht einmal genug Geld gehabt, Drogen im Wert von 10.000 Euro zu kaufen.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/dc

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. bis 23. Juli 2012 : Ecclestone nicht da? - Verhinderungsgewahrsam rechtmäßig? - Kommt Lex Beschneidung? . In: Legal Tribune Online, 23.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6672/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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