Nach dem Informationsfreiheitsgesetz herausgeben, aber nach dem Urheberrecht die Veröffentlichung verhindern? Darf das Innenministerium so mit Dokumenten umgehen? Außerdem in der Presseschau: Der EuGH zu Leerverkäufen von Aktien, keine NSA-Klagen in Karlsruhe, Prozess gegen Xu beginnt in Peking, Streit um Boni – und warum man US-Ermittler nie unterschätzen sollte.
Thema des Tages
Urheberrecht vs. Informationsfreiheit: Darf das Bundesinnenministerium sich auf das Urheberrecht berufen, wenn es offenbar aus politischen Gründen die Veröffentlichung eines Dokuments verhindern will? Die Internetseite "FragDenStaat.de" stellt regelmäßig Anfragen an Behörden auf Grundlage der Informationsfreiheitsgesetze und kam so auch an ein internes Gutachten des Innenministeriums. Nachdem "FragDenStaat.de" das Dokument ins Netz stellte, erhielten die Betreiber der Seite eine Abmahnung - das Ministerium beruft sich auf das Urheberrecht. Die FAZ (Günter Bannas) und zeit.de (Kai Biermann) berichten. In dem Gutachten aus dem Jahr 2011 kamen Juristen des Ministeriums zu dem Ergebnis, dass auch die Einführung einer 2,5-Prozent-Klausel bei den Europawahlen verfassungswidrig sei. Zwei Jahre später wurde dennoch eine Drei-Prozent-Klausel eingeführt.
Thomas Stadler (internet-law.de) überlegt, inwiefern das Gutachten überhaupt urheberrechtlich geschützt ist. Abgesehen davon werde das Urheberrecht hier jedoch "erkennbar für den Zweck der Informationsunterdrückung missbraucht". Auch Udo Vetter (lawblog.de) hält das Vorgehen für "Rechtsmissbrauch". Er begrüßt außerdem die "penible" Argumentation der "FragDenStaat"-Anwälte: Das Innenministerium habe bei der Abmahnung zusätzlich formale Fehler gemacht.
Rechtspolitik
Reding im Interview: Die SZ (Alexander Hagelüken) führt ein Interview mit der EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Sie warnt vor Wirtschaftsspionage und kritisiert, dass unter anderem die deutsche Regierung beim Datenschutz "mauert". Es geht außerdem um die Frauenquote, die europäische Freizügigkeit und die Wirtschaftskrise. Reding ist seit 15 Jahren auf wechselnden Posten EU-Kommissarin und erklärt, sie stehe für eine weitere Amtszeit bereit.
Resozialisierung: In Niedersachsen haben vier Strafrechtsexperten einen Entwurf für ein Landesgesetz zur Resozialisierung von Straftätern ausgearbeitet. Wie die SZ (Heribert Prantl) schreibt, sei die sinkenden Anzahl an Häftlingen eine gute Gelegenheit, die Bewährungshilfe zu stärken. Der Entwurf könne eine Grundlage für weitere Landesgesetze werden – bisher habe kein Land die Resozialisierung einheitlich geregelt.
Mindestlohn: Der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Dirk Kuhn, erklärt im Inteview mit zeit.de (Tina Groll), inwiefern Ausnahmen beim Mindestlohn gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Für Rentner seien Ausnahmen "juristisch überhaupt nicht denkbar". Für Studenten könne es darauf ankomme, ob bei einem studiennahen Job der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehe. Für Saisonarbeiter und Ungelernte müsse ein allgemeiner Mindestlohn ebenfalls gelten.
Justiz
EuGH zu Leerverkäufen: Die EU-Börsenaufsicht ESMA darf in Krisenzeiten bestimmte Leerverkäufe von Aktien verbieten. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am Mittwoch entschieden. Überraschend folgte er damit nicht dem Schlussantrags des Generalanwalts, der angenommen hatte, ESMA habe sich auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt. Geklagt hatte Großbritannien. Es berichten die SZ (Claus Hulverscheidt/Wolfgang Janisch) und Die Welt (Frank Stocker). Bei Leerverkäufen geht es um riskante Börsenwetten auf fallende Kurse.
BVerfG – Keine Klagen zu NSA: Nach Informationen der taz (Christian Rath) gibt es bisher keine Verfassungsbeschwerde, die von der Bundesregierung verlangt, die Bevölkerung vor NSA-Spionage zu schützen - das sei "erstaunlich". Allerdings könne die Klage des Bürgerrechtlers Patrick Breyer gegen das Cybercrime-Abkommen des Europarates den Verfassungsrichtern "Anlass zu Bemerkungen" über die Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten geben. Hier strebe das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr eine Entscheidung an.
BGH zu Tippfehlerdomains: Der Bundesgerichtshof hat am Mittwoch zu Tippfehlerdomains entschieden. Der Wetterdienst "WetterOnline" hatte gegen den Inhaber der Domain "wetteronlin.de" geklagt - dieser nutzte den Tippfehler, um Werbeanzeigen zu schalten. Die Karlsruher Richter sahen darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und bestätigten insofern die Entscheidungen der Instanzgerichte. Allerdings müsse die Domain nicht gelöscht werden. Es sei grundsätzlich auch eine rechtmäßige Nutzung möglich, wenn unübersehbar ist, dass es sich um eine andere Seite handelt. Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet. Die Entscheidung erläutert auch der IT-Fachanwalt Thomas Engels auf lto.de.
BFH zu Kindergeld: Auch wenn ihr Kind bereits verheiratet ist, haben Eltern noch Anspruch auf Kindergeld – solange das Kind jünger als 25 Jahre ist und studiert oder eine Ausbildung macht. Das entschied der Bundesfinanzhof. Wie die SZ (Oliver Hollenstein) erklärt, ergibt sich die neue Rechtslage aus dem Steuervereinfachungsgesetz von 2011. Nun könnten Eltern in diesen Fällen rückwirkend für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 Kindergeld beantragen.
AG Hamburg zu Theo Sommer: Der frühere Herausgeber und Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit" ist wegen Steuerhinterziehung vor dem Amtsgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt worden und muss ein Bußgeld in Höhe von 20.000 Euro zahlen. Sommer soll rund 650.000 Euro Steuern hinterzogen haben. Wie das Hamburger Abendblatt (Bettina Mittelacher) berichtet, zeigte sich Sommer "reumütig und leidenschaftlich" und habe die Strafe als "schmerzlich, aber angemessen" bezeichnet. Auch die SZ (Marc Widmann) schildert die Verhandlung.
LG Hannover – Wulff-Prozess: Im Prozess gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff hat sein früherer Sprecher Olaf Glaeseker als Zeuge ausgesagt. Wie die SZ (Annette Ramelsberger) berichtet, habe Glaeseker bestätigt, dass Wulff mit dem Filmemacher David Groenewold befreundet sei, sich aber ansonsten an sehr wenig erinnert. Auch Die Welt (Ulrich Exner) berichtet ausführlich. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) geht außerdem auf die Aussage von Groenewolds Sekretärin ein.
AG Darmstadt zu Homeschooling: Die Welt (Claudia Becker) schildert den Fall einer Familie aus Darmstadt, die ihre Kinder zu Hause unterrichten möcht. Da das in Deutschland verboten ist, wollen sie nach Frankreich umziehen. Nach einem Beschluss des Amtsgericht Darmstadt vom Dezember behält jedoch das Jugendamt das Recht, über den Aufenthalt der Kinder zu bestimmen. Der Rechtsanwalt der Familie hält es für rechtswidrig, dass mit dem in Deutschland geltenden Homeschooling-Verbot eine Einschränkung der Freizügigkeit begründet wird.
Recht in der Welt
Bulgarien/Rumänien – Justizsystem: Laut den Überprüfungsberichten der EU-Kommission erfüllen Rumänien und Bulgarien in den Bereichen Justiz und Korruptionsbekämpfung nicht die Standards der Europäischen Union. Die SZ (Daniel Brössler) berichtet knapp.
Türkei – Juristen versetzt: In der Türkei wurden offenbar 96 Richter und Staatsanwälte zwangsweise versetzt. Wie zeit.de unter Hinweis auf türkische Medienberichte meldet, soll der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte die Versetzungen angeordnet haben – dort habe Ministerpräsident Tayyip Erdoğan zuletzt ebenfalls mit Neubesetzungen seinen Einfluss ausgebaut.
China – Prozess gegen Xu: In Peking hat der Prozess gegen den Oppositionellen Xu Zhiyong begonnen. Der Jurist gilt als einer der einflussreichsten Bürgerrechtler Chinas und setzt sich mit der Gruppe "Bewegung der neuen Bürger" auch gegen Korruption ein. Unmittelbar vor Prozessbeginn hatten die Süddeutsche Zeitung und der Norddeutsche Rundfunk bekannt gemacht, dass Chinas Parteielite offenbar in großem Stil Gelder in Steueroasen verschiebt. Die FAZ (Petra Kolonko) und Die Welt (Johnny Erling) berichten über den Prozess, bei dem ausländische Journalisten offenbar nicht zugelassen waren.
Sonstiges
Streit um Boni: Bonuszahlungen für Banker könnten demnächst die Gerichte beschäftigen, so das Handelsblatt (Peter Köhler/Frank M. Drost). Nach der Reform des Kreditwesengesetzes und der Institutsvergütungsverordnung sollten Boni zwar beschränkt werden, das stoße jedoch auf arbeitsrechtliche Grenzen. Bestehende Verträge könnten nur schwer geändert werden.
Das Letzte zum Schluss
Die kriegen mich nie: Das eigene Fahnundungsbild bei Facebook teilen und sich dann auch noch über die Polizisten lustig machen. Keine gute Idee, jedenfalls nicht, wenn es sich um die mit allen Wassern gewaschenen US-Ermittler aus Freeland handelt. Unter dem falschen Profil einer hübschen Frau kontaktierten sie den Gesuchten und überredeten ihn prompt zu einer gemeinsamen Zigarettenpause – bei der die Handschellen klickten. spiegel.de über den Fall.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. Januar 2014: Urheberrecht des Innenministeriums – EuGH zu Leerverkäufen – Bürgerrechtler Xu vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 23.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10751/ (abgerufen am: 05.12.2023 )
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