Das BAG will morgen Grundsatzfragen zur Entgeltgerechtigkeit und -transparenz klären. Die EU hat das Führerscheinrecht novelliert. In Wien ergingen Urteile gegen sechs Jugendliche wegen der Misshandlung und Vergewaltigung einer Lehrerin.
Thema des Tages
BAG – Equal Pay: Am morgigen Donnerstag wird das Bundesarbeitsgericht in zwei Fällen über Grundsätze des Anspruchs auf gleiche Bezahlung von Frauen und Männern verhandeln und wohl auch entscheiden. Der erste Fall betrifft eine Managerin von Daimler Trucks, die eine vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ausgeurteilte Entschädigung von 130.000 Euro für zu gering hält, weil sie damit immer noch schlechter gestellt wäre als ein männlicher Kollege, mit dem sie sich vergleicht. Hier wird es um die Berechnung der Ansprüche der benachteiligten Frau gehen. Der zweite Fall betrifft eine Tierärztin, die die Begründung ihres Klinikleiters – zugleich ihres Vaters – beanstandet, warum ihr dort ebenfalls angestellter Bruder deutlich mehr verdient. Der im Entgelttransparenzgesetz festgelegte Schwellenwert der Betriebsgröße ist zwar unstreitig nicht erreicht, gleichwohl könne es sein, dass das BAG einen Auskunftsanspruch mit Blick auf die kommende Rechtslage, die solche Schwellenwerte nicht kennt, bejaht. Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz muss bis Mitte nächsten Jahres bewerkstelligt sein. Einen ausführlichen Vorbericht bringt die FAZ (Katja Gelinsky/Marcus Jung).
Rechtspolitik
Führerschein: Das EU-Parlament hat zahlreichen Änderungen des EU-Führerscheinrechts zugestimmt, für deren Umsetzung den nationalen Gesetzgebern nun vier Jahre Zeit verbleiben. Beschlossen wurde u.a. die Einführung des digitalen Führerscheins bis 2030. Dagegen wird es vorerst keine Pflicht für ältere Verkehrsteilnehmende geben, sich gesundheitlich untersuchen zu lassen. FAZ (Werner Mussler) und LTO berichten, die SZ (Marco Völklein) bringt eine Übersicht der Neuregelungen.
Werner Mussler (FAZ) begrüßt das gefundene Ergebnis in einem separaten Kommentar als vernünftig und sinnvoll. Während den Mitgliedstaaten Entscheidungsspielräume verbleiben, habe man sich etwa bei der grenzüberschreitenden Verfolgung schwerer Regelverstöße auf "einheitliche Gültigkeit" verständigen können.
Online-Klagen: Ein im September von der Bundesregierung beschlossener Gesetzentwurf sieht u.a. die Entwicklung und Erprobung eines vollständig digitalen Zivilverfahrens an Amtsgerichten vor. Rechtsprofessorin Giesela Rühl begrüßt auf LTO Idee und Ansatz des Vorhabens, bemängelt jedoch die Reichweite des aktuellen Entwurfs. So sei ein sachlicher Grund für die Beschränkung auf Zahlungsklagen im amtsgerichtlichen Zuständigkeitsbereich nicht ersichtlich. Um das digitale Zeitalter zu meistern, seien weitere Anstrengungen vonnöten.
Untersuchungs-Ausschüsse: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Samuel Michel spricht sich auf dem JuWissBlog dafür aus, das erforderliche Bundestags-Quorum für die Einberufung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses abzusenken. Derzeit liegt das in Art. 44 Abs. 1 Grundgesetz normierte Quorum bei einem Viertel aller Parlamentsmitglieder. Weil Linke und Grüne eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, ist die Opposition derzeit ihres "schärfsten Schwertes" beraubt. Der Autor erinnert an die Wahlperiode 2013 bis 2017, als der Bundestag während der Großen Koalition, die über rund 80 Prozent der Stimmen verfügte, das Quorum für die Einberufung von U-Ausschüssen auf rund 19 Prozent absenkte.
Luftsicherheit/Drohnen: Die Diskussionen über gesetzliche Regelungen zur Abwehr militärischer Drohnen greift der ARD-RadioReportRecht (Fabian Töpel) auf und befragt Rechtsprofessorin Verena Jackson.
Jumiko - Rechtsberatung durch Rechtsschutzversicherungen: beck-aktuell (Hendrik Wieduwilt) befragt Rechtsanwalt Markus Hartung zu dem bayerischen Vorschlag, Rechtsschutzversicherungen auch Rechtsberatung zu erlauben. Hartung ordnet die hiergegen erhobene Kritik des Deutschen Anwaltvereins ein, macht darauf aufmerksam, dass die deutsche Rechtslage innerhalb der EU weitgehend allein steht und macht auf die angesichts der Herausforderungen durch KI ohnehin anstehende Reform des Rechtsdienstleistungsgesetzes aufmerksam.
Justiz
BVerfG – kirchliches Arbeitsrecht/Egenberger: Für den morgigen Donnerstag hat das Bundesverfassungsgericht die Veröffentlichung einer Entscheidung im Fall Vera Egenberger angekündigt. Der Sozialpädagogin wurde vor 13 Jahren eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung verwehrt, weil sie aus der Kirche ausgetreten war. Die SZ (Wolfgang Janisch) zeichnet den daraufhin folgenden Rechtsstreit nach, der auch nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das den Spielraum der Kirchen einengte, nicht beendet war, da die Diakonie Verfassungsbeschwerde erhob. Das "traditionell kirchenfreundliche" BVerfG könnte nun den Kirchen bislang eingeräumten Beurteilungsspielraum ebenfalls verengen.
LSG Berlin-BB zu DAV-Präsidentschaft: Trotz Bezeichnung als Ehrenamt ist die Präsidentschaft des Deutschen Anwaltvereins als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einzustufen. Dies entschied nach Informationen von beck-aktuell (Joachim Jahn) das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bezüglich Ulrich Schellenberg, der dem DAV von 2015 bis 2019 vorstand. Die Begründung des Urteils ist ebenso wenig veröffentlicht wie jene des Sozialgerichts Berlin in erster Instanz. Gleichwohl könne die Sache "über den Einzelfall Schellenberg" hinausreichen und Vergütungen in Verbänden und Stiftungen verkomplizieren. Im April des vergangenen Jahres stufte das SG Berlin die Tätigkeit der als Schatzmeisterin des DAV tätigen Anwältin Pia Eckertz-Tybussek ebenfalls als abhängige Beschäftigung ein.
LSG Berlin-BB zu Altersrente für Schwerbehinderte: Der Bezug einer Altersrente für Schwerbehinderte setzt neben einem Mindestgrad der Behinderung Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung über wenigstens 35 Jahre voraus. Wer letzteres nicht erreicht, weil er zwischenzeitlich in ein Beamtenverhältnis gewechselt ist, geht leer aus, wie in einem nun vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall. Eine vom Kläger gerügte Verletzung des Gleichheitssatzes mochte das Gericht nicht erkennen; gesetzliche Rentenversicherung und Beamtenversorgung seien getrennte Alterssicherungssysteme, so LTO.
OLG Braunschweig zu Kopftuch einer Schöffin: Das Oberlandesgericht Braunschweig enthob eine Schöffin ihres Amtes, die während einer Strafverhandlung nicht auf das Tragen ihres Kopftuches verzichten wollte. Sie habe damit gegen § 31a des niedersächsischen Justizgesetzes verstoßen, wonach Richter:innen keine sichtbaren Symbole oder Kleidungsstücke tragen dürfen, die eine religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung zum Ausdruck bringen. LTO macht darauf aufmerksam, dass ein ähnlich gelagerter und vom Oberlandesgericht Hamm entschiedener Fall nach einer Verfassungsbeschwerde mittlerweile am Bundesverfassungsgericht anhängig ist.
OLG Frankfurt/M. zu Dach-und-Fach-Klausel: Eine Klausel, nach der ein Vermieter für Instandhaltung und -setzung der Mietsache an "Dach und Fach" verantwortlich ist, umfasst nicht Schäden am Innenputz. Dies entschied laut beck-aktuell das Oberlandesgericht Frankfurt/M. zulasten des Landes Hessen. Dieses muss die erforderlichen Arbeiten an einer Immobilie, die zuvor veräußert und sodann angemietet wurde, selbst tragen.
OLG Schleswig zu JVA-Kost: Wer während der Strafhaft regelmäßig Sport treibt, muss seinen deshalb erhöhten Kalorienbedarf aus der Anstaltsverpflegung decken können und darf nicht auf private Einkaufsmöglichkeiten verwiesen werden. Dies entschied unter Stattgabe der Rechtsbeschwerde eines Häftlings das Oberlandesgericht Schleswig und berief sich hierbei insbesondere auf das Strafvollzugsgesetz des Landes, das Sport als ein Vollzugsziel definiere. beck-aktuell berichtet.
AGH NRW zu Verfahrenskosten: Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen hielt eine zulasten des klagenden Anwalts ergangene Kostenentscheidung aufrecht, nach der der Kläger die notwendigen Auslagen eines gegen ihn gerichteten berufsrechtlichen Verfahrens selbst zu tragen hat, obwohl dieses eingestellt worden war. Grund für die Einstellung war u. a., dass der auslösende Sachverhalt – eine Beleidigung im privaten Bereich – bereits zu einer Verurteilung geführt hatte. Über den Anfang September ergangenen Beschluss berichtet beck-aktuell.
LG Bonn zu Datenspeicherung auf US-Servern: Nun schreibt auch LTO (Joschka Buchholz) über die vom Landgericht Bonn Anfang Juni in einem Urteil über datenschutzrechtliche Pflichten eines US-Plattformbetreibers geäußerte "Generalkritik" an der aktuellen US-Regierung. Der Sachbezug der Ausführungen bleibe unklar und sollte wohl vor allem dazu dienen, der Kundschaft von IT-Produkten aus den USA die Verantwortung für Datenschutzverletzungen aufzubürden. Im konkreten Fall hatte das LG entschieden, dass die gerügte Datenübertragung im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung stehe.
LG Frankfurt/M. zu AWO-Affäre: Das Landgericht Frankfurt/M. hat den früheren Geschäftsführer einer AWO-Tochterfirma wegen mehrfacher Untreue sowie Insolvenzverschleppung zu knapp drei Jahren Haft verurteilt. Der Angeklagte hatte als Chef einer Sicherheitsfirma u.a. Scheinrechnungen beglichen, schreibt die FAZ, ausführlicher auf faz.net. An einer Zivilkammer des Gerichts ist noch eine Schadensersatzforderung der Stadt gegen die AWO anhängig, Entscheidungen über die Zulassung weiterer Anklagen gegen AWO-Funktionäre stehen indes noch aus.
AG Baden-Baden – Franz Burda/Vergewaltigung: Zur Eröffnung des Strafverfahrens gegen den Kunstsammler Franz Burda am Amtsgericht Baden-Baden gab es eine Auseinandersetzung zwischen Verteidigung und Nebenklage über den Ausschluss der Öffentlichkeit. Weil das AG ein besonderes öffentliches Interesse nicht feststellen konnte, wurde lediglich die Anklage öffentlich verlesen. Das Verfahren wird am 4. November fortgesetzt, schreibt die FAZ (Jens Wohlgemuth).
StA Bremen – Untreue durch Entlassung in den einstweiligen Ruhestand: Nun schreibt auch die Welt (Ulrich Exner) über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bremen wegen des Verdachts der Untreue gegen Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke). Hintergrund ist die im Herbst 2023 erfolgte Entlassung von Staatsrat Sven Wiebe, für die zunächst persönliche Gründe angegeben wurden. Damit Wiebe Übergangs- und Ruhestandsgelder erhalten kann, hieß es später, die Senatorin habe die Trennung gewünscht. Mit dieser Lüge habe sie ihm einen finanziellen Vorteil verschafft.
Recht in der Welt
Österreich – Vergewaltigungen einer Lehrerin: Zu mehrjährigen Haftstrafen hat das Landesgericht Wien sechs Jugendliche verurteilt, die über einen längeren Zeitraum eine Lehrerin terrorisiert hatten. Die Geschädigte hatte ein Verhältnis mit dem einzigen freigesprochenen Angeklagten und wurde mit der Drohung, dieses öffentlich zu machen, in der Folge von der Gruppe erpresst und zum Teil auch vergewaltigt. Im Verfahren fiel vor allem die offen zur Schau gestellte Gleichgültigkeit der Angeklagten auf. Es berichten SZ (Verena Mayer), FAZ (Alexander Haneke) und spiegel.de (Oliver Das Gupta).
Frankreich – Nicolas Sarkozy: Der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy hat seine Haftstrafe angetreten. Gegenüber zahlreich anwesenden Medien erklärte er zum wiederholten Male, Opfer eines Justizskandals zu sein, und kündigte eine Berufung an. Über die Vollstreckung der Haft noch vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens wird zuvor das Kassationsgericht entscheiden. Darüber hinaus könnte Sarkozy aufgrund seines Alters auch Erleichterungen bis hin zur Entlassung mit Fußfessel beantragen. Berichte bringen FAZ (Michaela Wiegel) und taz (Rudolf Balmer).
Rudolf Balmer (taz) erinnert in einem separaten Kommentar daran, dass Sarkozy als Premier und als Innenminister die Justiz wiederholt zu schnelleren und strengeren Bestrafungen Verurteilter aufgefordert hatte. Dass er nun selbst trotz noch nicht rechtskräftig abgeschlossenem Verfahren hinter Gitter muss, entspreche den gesetzlichen Vorgaben in Frankreich.
Slowakei – Angriff auf Ministerpräsidenten: Wegen Terrorismus hat ein slowakisches Gericht einen Rentner zu 21 Jahren Haft verurteilt, der im Mai 2024 Ministerpräsident Robert Fico angeschossen und schwer verletzt hatte. Die Täterschaft von Juraj Cintula stand außer Frage, im Zentrum des Verfahrens stand daher die juristische Einordnung als Mordversuch oder Terrorismus. Über die Entscheidung berichten FAZ (Alexander Haneke) und spiegel.de.
USA – Nationalgarde in Portland: Nun berichtet auch LTO über die Entscheidung eines US-amerikanischen Berufungsgerichts, die gegen den Einsatz der Nationalgarde in Portland/Oregon ergangene einstweilige Verfügung aufzuheben.
Sonstiges
Wegnahme von Handys bei Ausreisepflicht: In einem Kommentar kritisiert Chris Köver (netzpolitik.org) die nun schon seit zehn Jahren gesetzlich erlaubte Praxis, Mobiltelefone von Ausreisepflichtigen auszulesen und einzuziehen, als rechtsstaatswidrig. Nicht ohne Grund seien derartige Maßnahmen gegenüber Verdächtigen einer Straftat an hohe Voraussetzungen geknüpft. Dass demgegenüber Ausländerbehörden nach eigenem Gutdünken in Privatsphäre, Eigentum und Würde von Menschen eingreifen können, sei nicht zu rechtfertigen und komme dem eigentlich verfolgten Ziel der Identitätsfeststellung auch nicht näher.
KI in der anwaltlichen Tätigkeit: Der CCBE, Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft, hat einen Leitfaden für den Einsatz von KI-Tools in der anwaltlichen Praxis vorgestellt. Rechtsanwältin Astrid Garmisch stellt auf beck-aktuell die berufsrechtlichen Vorgaben vor und referiert darüber hinaus auch Risiken, die das CCBE-Papier beschreibt. Vor allem die Abhängigkeit von nur wenigen Anbietern berge Gefahren für die Unabhängigkeit der Anwaltschaft, so die Geschäftsführerin des Brüsseler Büros der Bundesrechtsanwaltskammer.
Das Letzte zum Schluss
Kunstpenis: Buchstäblich in der Hose blieb der Täuschungsversuch eines Autofahrers stecken, den die Bremerhavener Polizei wegen Drogenverdachts zur Abgabe einer Urinprobe aufforderte. Den aufmerksamen Beamten blieb nach Bericht von spiegel.de nicht verborgen, dass der Mann "einen unechten Penis mit einer Flüssigkeit an seinem Oberschenkel trug". Der dann schließlich auf herkömmlichem Wege produzierte Urin wies denn auch THC-Konsum nach.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des jeweiligen Mediums.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
(Hinweis für Journalisten und Journalistinnen)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Sie können die tägliche LTO-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.
Die juristische Presseschau vom 22. Oktober 2025: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58435 (abgerufen am: 07.11.2025 )
Infos zum Zitiervorschlag