Was Rang und Namen hat, war auf dem Jahrespresseempfang des Bundesverfassungsgerichts und weiß: in Karlsruhe wird es 2013 spannend. Außerdem in der Presseschau: Das Meldegesetz wird überarbeitet, das Leistungsschutzrecht vertagt, das OLG Düsseldorf erlaubt nachgemachte Kaffeekapseln und wer in Kanada im Kittchen sitzt, darf erstmal seinen Anwalt googlen.
Bundesverfassungsgericht 2013: Das Bundesverfassungsgericht hat auf dem Jahrespresseempfang wichtige Verfahren vorgestellt, die 2013 entschieden werden sollen. Einen Überblick gibt die FAZ (Joachim Jahn), die unter anderem das Ehegattensplitting für gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die Beobachtung von Linkspartei-Abgeordneten durch den Verfassungschutz, die Laufzeitverkürzung für Atomkraftwerke und den ZDF-Staatsvertrag "recht weit oben auf der Agenda" sieht.
Die SZ (Wolfgang Janisch) geht auf das geplante NPD-Verbotsverfahren ein. Hier rechne man mit einem kürzeren Verfahren als 2003 – anders als bei dem ersten Verbotsantrag komme es diesmal weniger auf die Beweiswürdigung als mehr auf die rechtlichen Maßstäbe an.
Max Steinbeis (verfassungsblog.de) freut sich auf Auseinandersetzungen mit den europäischen Gerichten. Zwar sei es unwahrscheinlich, dass das BVerfG noch in diesem Jahr zum Euro-Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt entscheiden werde. Interessant sei jedoch eine Verfassungsbeschwerde, in der es um Bußgelder wegen eines Kartellverstoßes geht – die Verfahrensrechte der Unternehmen seien gegenüber der EU-Kommisssion offenbar deutlich schlechter als gegenüber dem deutschen Kartellamt. Dabei könnte das BVerfG auf seine "Solange"-Rechtssprechung zurück kommen.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Meldegesetz: Bund und Länder haben sich auf eine Neufassung des umstrittenen Meldegesetzes geeinigt und wollen dabei insbesondere den Datenschutz verbessern. Ein erster Gesetzentwurf war im Juni vorigen Jahres verabschiedet worden und hatte für scharfe Kritik gesorgt – zum einen wegen datenschutzrechtlicher Bedenken, zum anderen, weil er vor weitgehend leeren Rängen im Bundestag durchgewunken wurde. spiegel.de berichtet.
Leistungsschutzrecht: Die Debatte um das Leistungsschutzrecht für Presseverleger hält an. Wie zeit.de (Patrick Beuth) berichtet, liegt nun ein Rechtsgutachten vor, das Google und der Verband der deutschen Internetwirtschaft in Auftrag gegeben haben. Demnach halten die Rechtswissenschaftler Alexander Blankenagel und Wolfgang Spoerr das geplante Leistungsschutzrecht für verfassungswidrig. Während zunächst angekündigt wurde, dass der Bundestag noch kommende Woche über den Gesetzentwurf abstimmen würde, wurde das Thema mittlerweile wieder von der Tagesordnung genommen.
Datenschutzgrundverordnung: Thomas Stadler (internet-law.de) analysiert einen Vorschlag der Digitalen Gesellschaft e.V., wonach in der geplanten Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union der Begriff des "berechtigten Interesses" als Kriterium für eine rechtmäßige Datenverarbeitung gestrichen werden sollte. Dies würde jedoch zu "unlösbaren Problemen" führen und "zu Ende gedacht sogar ein Verbot sämtlicher Internetkommunikation bedeuten". Stadler plädiert für eine ausgewogene Debatte, die neben dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch die Meinungs- und Informationsfreiheit in den Blick nimmt.
Familienrecht: Die FAZ widmet die "Staat und Recht"-Seite dem Familienrecht und der Familienpolitik. Der Staatsrechtslehrer Klaus Ferdinand Gärditz misst familienpolitische Steuerung am verfassungsrechtlichen Rahmen. Der grundgesetzliche Schutz der Familie sei kein Auftrag zur Geburtensteigerung, sondern vor allem ein individuelles Freiheitsgrundrecht. Die familienpolitische Sprecherin der CDU, Bettina Wiesmann, verteidigt das Ehegattensplitting. Helene Bubrowski stellt die Familienrechtlerin Eva Becker vor, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins ist.
Weitere Themen - Justiz
EuG zu Durchsuchung bei Kartellverstößen: Der Rechtsanwalt Carsten Grave erläutert auf dem Handelsblatt Rechtsboard eine Entscheidung des Europäischen Gerichts vom November vergangenen Jahres zu den Durchsuchungsbefugnissen der Europäische Kommission bei Verdacht auf Kartellverstöße von Unternehmen. Der Kabelhersteller Nexans hat Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt, so dass sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage befassen wird.
BVerwG zu Auskunftsbegehren: Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Auskunftsbegehren gegen Bundesbehörden stärke zwar die Pressefreiheit, eröffne möglicherweise jedoch auch ein "Schlupfloch" für die Behörden, befürchtet der Rechtsanwalt Holger Nieland auf lto.de. Der Auskunftsanspruch bezieht sich nur auf "aktuell vorhandene" Informationen – was das im Einzelfall bedeute, sei bisher unklar. Christian Rath (taz.de) ist zuversichtlicher. Unter dem Strich werde die Pressefreiheit gestärkt. Falls Klarstellungen nötig würden, könne der Bundestag zudem ein Bundespressegesetz beschließen.
OLG Düsseldorf zu Kaffeekapseln: Der Kaffeehersteller Nestlé kann nicht verhindern, dass Konkurrenzunternehmen billigere Kaffeekapseln für seine Nespresso-Maschinen anbieten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf lehnte zwei entsprechende Eilanträge von Nestlé am Donnerstag ab. Das Patent der Nestlé-Tochter Nestec schütze zwar die Technik der Kaffeemaschinen, nicht aber die Kapsel als solche. Es berichten unter anderem die FAZ (Corinna Budras) und die FR (Karin Billanitsch).
LAG Rheinland-Pfalz zu Chefarzt: Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Kündigung eines Chefarztes bestätigt, der seinen 90-jährigen Vater mit in den Operationssaal genommen hatte – um ihm damit die Angst vor einer anstehenden Knieoperation zu nehmen. Damit verletzte er allerdings die Persönlichkeitsrechte der Patientin, die nichts von dem Zuschauer wusste. lawblog.de (Udo Vetter) fasst den Fall zusammen.
VGH Hessen – Rocker-Verbot: Der Hessische Verwaltungsgerichtshof muss klären, ob Hessens Innenminister Boris Rhein zwei Charter der Hells Angels verbieten durfte. Rhein gerate allerdings unter Druck, weil mehrfach Interna aus den Ermittlungen bekannt wurden – die läsen sich wie "wilde Räuberpistolen", so zeit.de (Helmuth Vensky). Das Urteil wird für den kommenden Donnerstag erwartet.
LG Augsburg – Polizistenmord: Vor dem Landgericht Augsburg hat der Prozess gegen zwei Brüder begonnen, die im Oktober 2011 einen Polizisten erschossen haben sollen. Die Staatsanwalt wirft ihnen Mord vor, zudem mehrere Raubüberfälle. Den ersten Verhandlungstag schildert die SZ (Hans Holzhaider) im Bayern-Teil. Dabei erklärte das Gericht zunächst die scharfen Sicherungsvorkehrungen für zulässig. Die Angeklagten müssen eine Fußfessel tragen und werden von mehreren Polizeibeamten und Justizwachtmeistern bewacht.
LG Köln – Sal. Oppenheim: Am kommenden Mittwoch beginnt vor dem Landgericht Köln der Wirtschaftsstrafprozess um die Sal. Oppenheim-Bank. Vier ehemalige persönlich haftende Gesellschafter müssen sich dann unter anderem wegen Untreue verantworten. Das Handelsblatt (Massimo Bognanni/Jan Keuchel/Peter Köhler) widmet sich im Wochenend-Teil den Hintergründen des Falles.
Anlegerbetrug: Verbraucherschützer warnen Anleger, die möglicherweise durch die S&K-Immobiliengruppe geschädigt wurden, vor Aktionismus. Man müsse "nicht sofort zum Anwalt rennen" zitiert Die Welt den Kapitalmarktexperten Markus Feck von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Es sei jedoch sinnvoll, den Fall in Ruhe zu verfolgen. Am vergangenen Dienstag hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft eine Groß-Razzia gegen die S&K durchgeführt, die Ermittler gehen von einem der größten deutschen Fälle von Anlegerbetrug aus.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Südafrika – Pistorius: Der Fall um den Sportler Oscar Pistorius hat eine spektakuläre Wendung genommen, indem bekannt wurde, dass der Chefermittler Hilton Botha wegen versuchten* siebenfachen Mordes angeklagt ist. Er soll während eines Einsatzes im Oktober 2011 zusammen mit zwei weiteren Beamten auf einen Minibus geschossen haben. Botha wurde nun abgesetzt. Das berichtet unter anderem die taz (Martina Schwikowski). spiegel.de (Simone Utler) stellt das Verteidigerteam vor, das vor allem versuche, Pistorius Glaubwürdigkeit zu stärken.
Großbritannien – Terror-Prozess: Ein Londoner Gericht hat drei Männer schuldig gesprochen, einen achtfachen Terroranschlag geplant zu haben. Wie spiegel.de berichtet, soll das Strafmaß im April oder Mai verkündet werden, dabei seien langjährige bzw. lebenslängliche Haftstrafen zu erwarten.
Schweiz – Debatte um Völkerrechts-Vorrang: Der Rechtswissenschaftler Rafael Häcki befasst sich auf verfassungsblog.de mit einem Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom Oktober vorigen Jahres. Das Gericht hatte entschieden, dass die Niederlassungsbewilligung eines Mazedoniers nicht widerrufen werden durfte und dabei auf den Vorrang von Völkerrecht vor der Bundesverfassung verwiesen. Dies werde nun politisch ausgeschlachtet – gebe aber lediglich die geltende Rechtslage wieder.
Robert Badinter: Die Welt (Sascha Lehnartz) führt ein Interview mit dem Rechtsphilosophen und ehemaligen französischen Justizminister Robert Badinter. Er erhält am Sonntag den erstmals vergebenen europäischen Carl-Heymann-Preis.
Das Letzte zum Schluss
Anwalt googlen: Wer sich in Polizeigewahrsam befindet, muss einen Anwalt googlen dürfen. Das entschied jedenfalls ein kanadisches Gericht, berichtet heise.de. Im konkreten Fall ging es um einen 19-Jährigen, der mit den angebotenen Telefonbüchern und einer Auskunftsnummer wenig anzufangen wusste.
* Das Wort "versuchten" wurde nachträglich eingefügt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. Februar 2013: Bundesverfassungsgericht 2013 – Meldegesetz zum Zweiten – Unzählige Kaffeekapseln . In: Legal Tribune Online, 22.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8205/ (abgerufen am: 23.04.2024 )
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