Die juristische Presseschau vom 21. August 2012: Apothekenstreit ganz groß – Auschwitz-Aufseher vor Anklage – Schauprozess in China

21.08.2012

Der Streit um die Zulässigkeit von Versandapotheken-Rabatten führt zu einer der seltenen Verhandlungen vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte. Auch in der Presseschau: SPD will Verfassungsschutz reformieren, Anwältin darf kritisch bloggen, Ermittlungen gegen Auschwitz-Aufseher, China beendet Schauprozess – und warum das FBI gegen Nacktbader ermittelt.

BGH/BSG – Apothekenstreit: Der Streit zwischen regulären und Versandapotheken über Medikamentenrabatte hat es vor den Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichtshöfe geschafft. Dieser muss sich morgen mit der Frage befassen, ob auch ausländische Apotheken der deutschen Arzneimittelordnung unterstehen – weil Bundesgerichtshof und Bundessozialgericht unterschiedlicher Auffassung sind. Die FTD (Kathinka Burkhardt) berichtet auf der "Recht"-Seite über den außergewöhnlichen Rechtsstreit.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Verfassungsschutz-Reform: Die SPD hat umfassende Vorschläge zur Reform des Inlandsgeheimdienstes vorgelegt. Die FAZ (Peter Carstens) stellt die zentralen Forderungen vor, die unter anderem eine parlamentarische Kontrolle des V-Leute-Einsatzes vorsähen. Die SZ (Susanne Höll) hebt dagegen hervor, dass dem Amt auch nach dem Willen der SPD künftig mehr Kompetenzen zustehen sollen.

Jasper von Altenbockum (FAZ) bezweifelt, ob es dann überhaupt noch möglich sein werde, V-Leute anzuwerben. Susanne Höll (SZ) kritisiert, dass das Amt nach den Plänen noch mehr Zuständigkeiten erhalten soll. Der Ziegenbock werde zum Gärtner gemacht.

Verträge mit islamischen Gemeinden: Auf lto.de stellt der Kirchenrechtler Thomas Traub die von der Hansestadt Hamburg mit drei islamischen Verbänden geschlossenen Veträge vor und ordnet sie in das bestehende Staatskirchenrecht ein. Sie könnten trotz viel Symbolik und einiger Lücken zum Vorbild werden.

Bundeswehreinsatz im Inneren: Die Bundesregierung strebt im Nachgang zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeswehreinsatz im Inneren keine Verfassungsänderung hinsichtlich der Anordnungskompetenz an. Das meldet knapp lto.de.

Weitere Themen – Justiz

BGH – Schleichwerbung: Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob landespresserechtliche Regelungen, die eine Kennzeichnungspflicht für entgeltliche Veröffentlichungen vorsehen, gegen EU-Recht verstoßen. internet-law.de (Thomas Stadler) erläutert den Fall.

Banken-Prozesslawine: Über die nicht nur am Landgericht Frankfurt seit zwei Jahren anrollende Prozesslawine in Banksachen berichtet das Handelsblatt (N. Bastian/J. Keuchel/P. Köhler). Hintergrund: Sprunghaft angestiegene Klagen von Anlegern wegen angeblicher Beratungsfehler. Das Handelsblatt bietet in seinem "Banken vor Gericht"-Schwerpunkt einen umfassenden Überblick über die Materie und führt ein Interview mit Christoph Frank, dem Chef des Richterbundes.

OVG Schleswig-Holstein: Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat in einem Eilverfahren das Verbot der Rockergruppe "Hells Angels MC Charter Kiel" bestätigt. Das meldet lto.de.

Bloggende Anwältin: Die Anwaltskammer Koblenz ist der Auffassung, dass auch Anwälte kritisch bloggen dürfen – und stellt sich damit gegen den Präsidenten des Kölner Landgerichts, der sich über eine Rechtsanwältin beschwert hatte, die durch einen kritischen Blogbeitrag den Unmut eines Richters auf sich gezogen hatte. lawblog.de (Udo Vetter) berichtet.

Trisomie-Test: Nun greift auch die FAZ (Peter-Philipp Schmitt/Rüdiger Soldt) die Debatte um die Zulässigkeit des neuen Embryo-Bluttests zur Feststellung von Trisomie 21, des so genannten Down-Syndroms, auf. Die rechtliche Debatte kreise um die Möglichkeiten der baden-württembergischen Landesregierung, den Test verbieten zu können. Diese sehe ihre Hände gebunden und verweise auf den Bund. Auch zeit.de berichtet.

Daniel Deckers (FAZ) setzt sich angesichts der Debatte grundsätzlich mit der Abtreibung behinderter Kinder auseinander.

LG Berlin zu Zuhälter-Mord: Im Prozess gegen zwei Callboys wegen der Ermordung ihres Zuhälters hat das Landgericht Berlin auf hohe Haftstrafen erkannt. spiegel.de berichtet.

LG Koblenz – Nazi-Prozess: Vor dem Landgericht Koblenz hat gestern "unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen" der Prozess gegen 26 Angehörige der rechtsradikalen Gruppe "Aktionsbüro Mittelrhein" (ABMR) begonnen. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Über den Prozess und die Aktivitäten der Gruppe berichtet die taz (Arno Frank).

LG Aurich – Lena-Prozess: FAZ (Friedrich Schmidt) und SZ (Charlotte Frank) berichten vom Prozessauftakt vor dem Landgericht Aurich gegen den mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder der elfjährigen Lena, die im März in einem Parkhaus in Emden tot aufgefunden wurde. Wie bei Jugendkammer-Verfahren nicht unüblich, sei die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden.

Zschäpe-Ermittlungen: Hans Leyendecker (SZ) erwartet einen "gewaltigen Prozess" gegen das "Herz der Terrorfamilie", die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe. Die Verteidiger hätten derweil die angesichts des Aktenmaterials zu kurz bemessene Stellungnahmefrist von nur fünf Tagen gerügt. Insgesamt gewähre die Staatsanwaltschaft nur "fragmentarisch und erheblich verzögert" Akteneinsicht.

Leiharbeit: Eine als Leiharbeiterin eingestellte Krankenschwester wehrt sich nun vor Gericht gegen ihre niedrigere Bezahlung. Den Fall schildert die taz (Eva Völpel).

ArbG Frankfurt zu Recht am Bild: Arbeitgeber dürfen Fotos ihrer Arbeitnehmer nicht ohne deren Zustimmung auf ihrer Homepage veröffentlichten. Das hat laut zeit.de das Arbeitsgericht Frankfurt entschieden.

Prozess gegen Auschwitz-Aufseher: Gegen einen ehemaligen nichtdeutschen Aufseher des Konzentrationslagers Auschwitz soll nach Vorermittlungen der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg Anklage erhoben werden. Die FAZ (Albert Schäffer) berichtet ausführlich.

App-Stores verbraucherfeindlich: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat Berichten von SZ und zeit.de zufolge Klage unter anderem gegen die beiden US-Konzerne Apple und Google eingereicht. Die Geschäftsbedingungen der jeweiligen Verkaufsplattformen für mobile Software verstießen gegen deutsches Recht, weil sie die Nutzer benachteiligten. Der Verband habe zuvor insgesamt zehn Anbieter abgemahnt.

Flugzeiten-Verlegung: Im Interview mit der FTD (Anke Stachow) erklärt Sabine Fischer-Volk, Juristin der Verbraucherzentrale Brandenburg, in welchen Grenzen Urlauber die Verlegung von Flugzeiten zu akzeptieren haben – und wo nach einem Urteil des Landgerichts Düsseldorf die Grenze erreicht sei.

Weitere Themen – Recht in der Welt

China – Gu Kailai-Prozess: Gu Kailai, die Ehefrau des Ex-Parteiführers Bo Xilai, ist in China wegen Mordes an einem britischen Geschäftsmann zur Todesstrafe verurteilt worden. Diese solle aber zunächst zwei Jahre lang nicht vollstreckt werden und könne danach bei guter Führung in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt werden, berichten unter anderen FAZ (Petra Kolonko) und taz (Felix Lee). Inwieweit der Prozess "Einblick in das korrupte System bis an die Spitze des Staates" in China gibt, analysiert die taz (Felix Lee) in einem weiteren Artikel.

Sven Hansen (taz) meint, der Prozess "verhöhnt Rechtsstaatsdialoge" mit dem Land. Einziges Ziel sei es gewesen, das Ansehen der Kommunistischen Partei zu schützen: "Rechtsstaatlichkeit hat die über dem Gesetz stehende Partei noch nie interessiert". Peter Sturm (FAZ) bezeichnet das Verfahren als "gespenstisch" und vergleicht es mit "stalinistischen Schauprozessen". Mark Siemons beschäftigt sich im Feuilleton der FAZ mit der Manipulation der chinesischen Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Verfahren. Steffen Richter (zeit.de) meint hingegen, der Prozess könne der Reform des chinesischen Rechtssystems zuträglich sein – weil er im Internet heftig kritisiert werde.

Belgien – Entlassung von Dutroux-Komplizin: Die SZ (Martin Winter) berichtet über die heftige Debatte über die frühzeitige Entlassung von Michelle Martin, der Komplizin und mittlerweile Ehefrau des wegen mehrfacher Entführung, Vergewaltigung und Mordes verurteilten Marc Dutroux in Belgien. Der Justiz werde, wie in der ganzen "Dutroux-Affäre", Versagen vorgeworfen.

Indien – Pharma-Patentsreit: Vor dem obersten Gericht Indiens kommt es zur Auseinandersetzung zwischen dem Schweizer Pharmakonzern Novartis und dem indischen Patentamt. Gegenstand des Verfahrens sei das Krebsmedikaments Glivec, dem das Amt den Patentschutz versagt habe, meldet die SZ.

USA – Klagen gegen Lebensmittelindustrie: Die FTD (Matthias Ruch) berichtet über den neuen "Krieg" der US-Anwälte Barrett, Humphrey und Kollegen. Nach der Tabak- sei nun die Lebensmittelindustrie dran – wegen Irreführung der Verbraucher. Dabei gehe es aber nicht um hehre Ziele – sondern schlicht um eine Menge Geld.

Das Letzte zum Schluss

Nacktbader: Glasklar ein Fall für die Bundespolizei: Einem Bericht der Welt zufolge untersucht das US-amerikanische FBI, ob sich ein republikanischer Kongressabgeordneter eines Fehlverhaltens schuldig gemacht hat, als er bei einer Israel-Reise nackt im See Genezareth gebadet hat.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. August 2012: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6885 (abgerufen am: 14.10.2024 )

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