Die juristische Presseschau vom 18. bis 21. Mai 2013: Drei-Prozent-Hürde für Europa-Wahl? - Ringrichter Manfred Götzl – Videoüberwachte Mieter

21.05.2013

Nicht ohne die SPD: Das Vorhaben, eine Drei-Prozent-Hürde ins Europawahlgesetz einzufügen, könnte an den Sozialdemokraten scheitern. Außerdem in der Presseschau: Volksentscheide ins Grundgesetz, geheime Umfragen, Manfred Götzl als Ringrichter, Videoüberwachung von Mietern, wem gehört "Wir sind das Volk" und warum uns die EU-Kommission vor Olivenöl-Karaffen schützen muss.


Drei-Prozent-Hürde für Europa-Wahl?: Die Pläne, bereits für die kommende Wahl zum Europaparlament eine Drei-Prozent-Hürde einzuführen, könnten an den Bedenken der SPD-Bundestagsfraktion scheitern, wie die Dienstags-FAZ (Günter Bannas) informiert. Eine offizielle Stellungnahme der Fraktion liege bislang nicht vor, Rechtspolitiker und Wahlrechtsexperten der Partei hätten die SPD-Fraktion indes gewarnt mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2011 zur Fünf-Prozent-Klausel für die Europawahl. Das BVerfG hatte diese Hürde für verfassungswidrig erklärt, weil das EU-Parlament "nicht über den Gestaltungsauftrag des Bundestages" verfüge. Die Experten wiesen auf das "verfassungspolitische Risiko" hin, eine "Machtprobe" mit Karlsruhe zu riskieren, bei welcher aus der 5:3-Entscheidung von 2011 eine 8:0-Entscheidung werden könne.

In der Samstags-FAZ stellt Günter Bannas das Vorhaben in den Kontext der Differenzen zwischen BVerfG und dem politischen Berlin. taz.de (Christian Rath) berichtet ausführlich über die Hintergründe und die Begründung des BVerfG zur Ablehnung der Fünf-Prozent-Hüde. Die Freien Wähler, die ÖDP und die Piraten hätten nach Bekanntwerden der Pläne bereits angekündigt, zu klagen.

Max Steinbeis (Verfassungsblog) vermutet, die angestrebte Gesetzesänderung wäre nach den Maßstäben der 2011er Entscheidung unzulässig. Das Gericht habe "qualitativ, nicht quantitativ" argumentiert. Für eine Verzerrung von Erfolgswertgleichheit der Stimmen und Chancengleichheit der Parteien bedürfe es zwingender Gründe, die das Gericht nicht als gegeben sah; nach der Senatsmehrheit sei das EU-Parlament ja kein richtiges Parlament, erläutert Steinbeis. Werde die kommende Europa-Wahl allerdings von ihren Protagonisten zu einer "richtigen Wahl" gemacht und das EU-Parlament sich damit verändern, könnten "wir dem Gesetzgeber noch sehr dankbar" für diese "kleine Provokation" seien. Das BVerfG habe selbst betont, die Zulässigkeit einer Hürde hänge vom Zustand des Parlaments ab. Reinhard Müller (Samstags-FAZ) kommentiert: Karlsruhe drehe gerne an Stellschrauben des Wahlrechts – und bringe dann "das ganze System zum Ächzen". Die Vorstellungen und Wünsche über "den Zustand Europas" seien im "Karlsruher Dom" eben andere, als etwa der nun zu Tage tretende fraktionsübergreifende Konsens im Bundestag.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Sorgerechtsreform: Die wichtigsten Bestimmungen der am Freitag in Kraft getretenen Sorgerechtsreform stellt Hans-Otto Burschel (blog.beck.de) vor. Heribert Prantl (Dienstags-SZ) findet das Gesetz "zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern" revolutionär, aber mit Blick auf das Kindeswohl mangelhaft. Mütter nicht-ehelicher Kinder können zwar nicht mehr ein –"nicht selten mit himmelschreiend nichtigen Argumenten" begründetes - kategorisches Veto gegen das gemeinsame Sorgerecht einlegen. Das Kindeswohl vor seelischen Schäden schützen könne das Gesetz aber nicht. Es lasse einen "gerichtlichen Schnelldurchlauf" zu. Eine Anordnung auch ohne Verhandlung oder Anhörung von Beteiligte, ohne "nähere Befassung", werde dem "Ernst des Lebens" nicht gerecht, so Prantl.

Direkte Demokratie im Grundgesetz: Die FAS (Markus Wehner) berichtet über einen ihr vorliegenden Gesetzentwurf der SPD zur Einführung von Volksentscheiden ins Grundgesetz und für "volksbegehrte Referenden". Danach könnten eine Millionen Wahlberechtige ein Bundestags-Gesetz per Volksentscheid wieder aufheben. Auch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und die Gürnen seien für bundesweite Volksentscheide.

Separat befasst sich Markus Wehner (FAS) unter dem Motto "Ein direktdemokratischer Hürdenlauf" mit den SPD-Plänen, die der Partei wohl Wahlkampfpunkte verschaffen sollen. Gegner wie Befürworter beriefen sich auf die Praxis der Schweiz; Elemente direkter Demokratie fänden heute für einzelne Kompetenzfelder sogar Anhänger in der Union. Kritik gebe es etwa am niedrigen Quorum für eine Volksinitiative, 100.000 Stimmen genügten, damit der Bundestag sich mit einem (Gesetzes)Vorhaben befasse.

Prozesskostenhilfe bleibt: Wie die Samstags-SZ (Heribert Prantl) berichtet, hat der Bundestag zwar Neuregelungen im Bereich von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beratungshilfen für Geringverdiender und Erwerbslose verabschiedet, es bleibe dabei aber bei den bisherigen Freibeträgen. Der Versuch, aus der Prozesskostenhilfe wieder eine "Art Armenrecht" zu machen, wurde nach massiver Kritik auch aus der Justiz "vereitelt". Von der ursprünglich geplanten Neuregelung wären, so die SZ weiter, vor allem einkommensschwache Frauen betroffen gewesen, die sich eine Scheidung "kaum noch" hätten leisten können. Bereits 1981 sei das Armenrecht auf Betreiben des Bundesverfassungsgerichts durch die PKH ersetzt worden.

Anwälte verdienen mehr/Gerichtsprozesse teurer: Der Bundestag hat beschlossen, dass die Rechtsanwaltsgebühren um zwöllf Prozent steigen, zugleich werden aber auch die Gerichtsgebühren angehoben, wie die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) knapp informiert. Auf Drängen der Anwaltslobby habe es noch einmal einen "Nachschlag" für die Anwälte gegeben, die höheren Gerichtskosten kämen dagegen den Bundesländern zugute, die wiederum über die Prozesskosten- und Beratungshilfe die erhöhten Anwaltsgebühren mittrügen.

Bericht Rechtsterrorismus-Kommission: Der Spiegel berichtet über den Abschlussbericht der "Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus", in dem gefordert werde, dem Generalbundesanwalt "deutlich mehr Kompetenzen" zu übertragen. Die Bundesanwaltschaft solle etwa Verfahren "bindend einzelnen Staatsanwaltschaften zuweisen" können. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz solle gestärkt werden.

Die Dienstags-SZ (Susanne Höll) befasst sich mit dem Kommissions-Vorschlag, die Regeln für V-Personen "neu und klarer" zu regeln, etwa mit Blick auf den Umgang mit Straftaten von Informanten. Dazu schlage die Kommission eine Ergänzung der Strafprozessordnung vor, "wonach die Staatsanwaltschaft unabhängig von der Straftat eines V-Mannes von der Verfolgung absehen kann".

Transplantationsgesetz: Die Dienstags-taz (Heike Haarhoff) berichtet über einen fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag zu Änderungen im Transplantationsgesetz, über welchen in dieser Woche abgestimmt wird. Manipulationen an Organspende-Wartelisten sollen künftig strafbar sein, die Richtlinien der Bundesärztekammer, nach welchen "Herzen, Lungen, Lebern, Nieren und Bauchspeicheldrüsen vergeben werden", müssten künftig vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. bis 21. Mai 2013: Drei-Prozent-Hürde für Europa-Wahl? - Ringrichter Manfred Götzl – Videoüberwachte Mieter . In: Legal Tribune Online, 21.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8765/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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