Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Angeklagten im Falle eines Deals gestärkt. Jüngere Beschäftigte im öffentlichen Dienst dürfen auf mehr Urlaub hoffen, das Kanzleramt muss die Gästeliste des Dinners für Josef Ackermann offenlegen, die EU-Kommission will gegen das VW-Gesetz klagen und eine Internettauschbörse versteht das "Cloud Computing" einmal wörtlich.
BVerfG zum Deal: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)hat eine bessere Dokumentation von "Deals" im Sitzungsprotokoll von Strafverfahren angemahnt. Wie die taz (Christian Rath) berichtet, war in dem vom BVerfG zu entscheidenden Fall aus dem Protokoll entgegen der gesetzlichen Vorgaben nicht ersichtlich, ob der Verurteilung ein "Deal" vorangegangen war, und deshalb ein Rechtsmittelverzicht des Angeklagten unwirksam sei. Eine fehlerhafte Dokumentation dürfe aber nicht zu Lasten des Angeklagten gehen, urteilte das Gericht, so dass der Beschwerdeführer im Zweifel Rechtmittel gegen seine Entscheidung einlegen dürfe.
Reinhard Müller (FAZ) betont, dass der Strafprozess auch im Falle einer Absprache nicht zwischen gleich starken Parteien stattfinde und begrüßt die Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des 'schwachen' Angeklagten. Wolfgang Janisch (SZ) weist darauf hin, dass die Justiz angesichts von Überarbeitung und Personaleinsparungen zur eiligen Prozesserledigung geradezu genötigt sei und spekuliert, dass Karlsruhe auf eine Gelegenheit für ein Grundsatzurteil zum Deal warte.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Vorratsdatenspeicherung: Nach Informationen der SZ (Heribert Prantl) geht der Streit zwischen der EU-Kommssion und der Bundesrepublik wegen der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in die nächste Runde: So wolle die Kommission eine knappe Frist von vier Wochen für eine neue gesetzliche Umsetzung setzen. Wie auch zeit.de (Patrick Beuth) schreibt, drohe die Kommission andernfalls mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
EU-Verbraucherschutz: Die FAZ (Joachim Jahn) thematisiert auf der "Recht und Steuern"-Seite zwei Vorhaben der EU-Kommission zur Stärkung von Verbraucherrechten. Der Vorschlag über ein einheitliches Kaufrecht in der EU, das Vertragspartner anstelle der jeweiligen nationalen Rechtsordnung wählen könnten, stoße überwiegend auf Kritik in Wissenschaft und Verbänden. Überdies mache sich Brüssel für die Einführung von Sammelklagen von Verbraucherverbänden stark.
Arbeitnehmerdatenschutz: Ebenfalls auf der "Recht und Steuern"-Seite berichtet die FAZ (Caroline Freisfeld) von erneuten Bestrebungen aus der Praxis, möglichst schnell ein deutsches Gesetz zum Datenschutz von Arbeitnehmern auf den Weg zu bringen. Allerdings habe die EU-Kommission bereits vor ein paar Monaten angekündigt, die Thematik in einer EU-Verordnung regeln zu wollen.
Weitere Themen - Justiz
BAG zum Urlaubsanspruch: Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haben jüngere Mitarbeiter im öffentlichen Dienst die gleichen Urlaubsansprüche wie Beschäftigte ab 40 Jahren. Wie unter anderem spiegel.de und die FTD (Maike Rademaker) erläutern, verstößt nach Ansicht des Gerichts die bisherige altersmäßige Staffelung der Urlaubstage gegen das Diskriminierungsverbot.
BAG zu Provisionsansprüchen: Rechtsanwältin Sonja Riedemann bespricht auf spiegel.de ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom Februar 2012 zu der Frage, ob Arbeitnehmer bei erfolgsabhängiger Vergütung einen Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn ihre Provisionen infolge betrieblicher Umorganisation zurückgehen.
OVG Berlin-Brandenburg zur Informationsfreiheit: Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg muss die Bundesregierung die Gästeliste und die Küchenrechnung des Geburtstagsessen für Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Jahr 2008 im Kanzleramt offenlegen. Wie lawblog.de (Udo Vetter) erläutert, bejahte das Gericht einen entsprechenden Anspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz, da sich die Gäste in einen Rahmen des öffentlichen Meinungsaustausches begeben hätten, der nicht der geschützten Privatsphäre zuzurechnen sei.
EnBW und die "Russland-Connection": Die Staatsanwaltschaft Mannheim prüft das Vorliegen eines Anfangsverdachts wegen Untreue und Steuerhinterziehung bezüglich der "Russland-Connection" der EnBW. Das Handelsblatt (Oliver Bilger, Martin W. Buchenau, Jürgen Flauger, Jan Keuchel, Georg Weishaupt) informiert ausführlich über den zugrunde liegenden Sachverhalt: Hintergrund sei eine Zahlung der EnBW von 120 Millionen Euro an einen russischen Geschäftsmann – angeblich für die Lieferung und Sicherung von Uran. Insider vermuteten hingegen, dass es darum gegangen sei, Auslandsgeschäfte des Energieversorgers positiv zu beeinflussen.
VW-Gesetz: Nach Berichten der SZ (thf) klagt die EU-Kommission erneut vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das VW-Gesetz. Ziel sei, das darin verankerte Vetorecht des Landes Niedersachsen bei wichtigen Entscheidungen zu kippen.
C. Schneider (Handelsblatt) beschreibt den Hintergrund der Regelung und weist darauf hin, dass auch in der Satzung von VW seit 2009 eine entsprechende Sperrminorität verankert sei, so dass sich auch bei Wegfall des VW-Gesetzes erst einmal nichts ändere.
kino.to: Die FTD beschreibt den Prozessauftakt gegen ein Mitglied der Internetplattform kino.to, dem eine massenhafte Verletzung des Urheberrechts vorgeworfen wird. Dabei werde laut SZ (Sophie Crocoll und Christoph Giesen) auch die Grundsatzfrage zu klären sein, wie viel ein Film noch wert ist, seit sich im Internet eine Gratiskultur entwickelt habe.
Urteil im SdK-Prozess: Das Strafverfahren gegen den ehemaligen Vizevorsitzenden der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und den früheren Herausgeber eines Börsenbriefs hat laut SZ (Klaus Ott) ein überraschendes Ende gefunden: Zwar wurde der Angeklagte wegen Kursmanipulation zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten bzw. drei Jahren verurteilt. Allerdings seien die Freiheitsstrafen mit der verbüßten Untersuchungshaft bereits abgegolten. Außerdem dürften sie auch das Geld, das sie angeblich erschwindelt hätten, weitgehend behalten.
EuGH zu Kronzeugen: Rechtsanwalt Carsten Grave bespricht auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ ein Urteil des Amtsgerichts Bonn von Ende Januar 2012, das eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umsetzt. Danach muss das Bundeskartellamt Abnehmern, die durch Preisabsprachen geschädigt wurden, keine Akteneinsicht in den Schriftverkehr mit Kronzeugen gewähren.
Irreführende Werbung für Internet-Flatrates: Rechtsanwalt Thomas Stadler verlinkt auf internet-law.de mehrere einstweilige Verfügungen, die die Wettbewerbszentrale gegen unlautere Werbepraxis von Mobilfunkanbietern erwirkt hat. Trotz dessen, dass viele Datenflatrates ab dem Erreichen eines bestimmten Datenvolumens gedrosselt würden, würden die Anbieter diese mit Aussagen wie "unbegrenzt Surfen" auf unlautere Weise bewerben.
Weitere Themen – Recht in der Welt
IStGH-Urteil: In einem Interview auf lto.de (Andreas Schmitt) äußert der Rechtsprofessor Claus Kreß die Einschätzung, dass im ersten verhandelten Fall des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gegen Thomas Lubanga wohl "weniger mehr gewesen" sei: Aufgrund der nicht abzuschätzenden Verfahrensdauer und des Risikos eines Teilfreispruchs habe sich der Gerichtshof anscheinend auf wenige Anklagepunkte beschränkt.
Das Letzte zum Schluss
Cloud Computing im Wortsinne: Die SZ (Johannes Kuhn) berichtet über eine Ankündigung der schwedischen Internetplattform Pirate Bay, die als Tauschbörse für durchaus auch illegal erworbene Dateien im Netz dient. Um ihre Server dem Zugriff von Behörden zu entziehen, wolle sie einige ihrer Server auf Drohnen durch den Luftraum kreisen lassen. Es handele sich dabei vor allem um einen geschickten PR-Schachzug, stehe das Portal doch angesichts der strafrechtlichen Verfolgung ihrer beiden Gründer und der Sperrung der Seite in einigen Ländern unter Druck.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. März 2012: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5827 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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