Justizministerin arbeitet an Strafnorm gegen voyeuristische Aufnahmen. Christina Block verliert Streit um Sorge- und Umgangsrecht für zwei Kinder. In Madrid steht der spanische Generalstaatsanwalt wegen Informationsweitergabe vor Gericht.
Thema des Tages
Voyeuristische Aufnahmen: Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) will voyeuristische Aufnahmen im öffentlichen Raum unter Strafe stellen. Ihr Ministerium prüfe, wie man "digitalen Voyeurismus" kriminalpolitisch und rechtsstaatlich überzeugend strafbar machen könne. "Mein Ziel ist es, zügig einen praxistauglichen Gesetzentwurf vorzulegen", sagte Hubig am Wochenende. Die Diskussion wurde durch die Kölnerin Yanni Gentsch ausgelöst, die einen Mann bei der Polizei anzeigen wollte, der ihren Po beim Joggen gefilmt hatte. Die Polizei wies die Anzeige zurück, weil dies nicht strafbar sei. Gem. § 184k StGB ist zwar das Filmen unter den Rock oder in den Blusenausschnitt strafbar, aber nicht das Filmen eines bekleideten intimen Körperteils. Gentsch startete eine Petition unter dem Titel "Voyeur-Aufnahmen strafbar machen", die bisher rund 130.000 Mal unterzeichnet wurde. NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) machte sich die Forderung zu eigen und forderte eine "Generalüberholung des Sexualstrafrechts". Es berichten FAZ (Johanna Dürrholz), taz (Amelie Sittenauer) und spiegel.de. Bei LTO (Felix W. Zimmermann) kommt zudem Rechtsanwalt Yves Georg zu Wort, der warnt, dass das geplante Gesetz auf ein allgemeines Verbot hinauslaufen würde, Menschen zu fotografieren, weil ja jedes bekleidete intime Körperteil unangemessen angezoomt und vergrößert werden könne.
Rechtspolitik
Corona: Die Enquetekommission des Bundestags zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigte sich in einer Sachverständigen-Anhörung mit dem "Rechtsstaat unter Pandemiebedingungen". Es bestand weitgehend Einigkeit, dass bei den Entscheidungen über Corona-Maßnahmen virologische Fragen zu sehr im Vordergrund standen und mehr Abwägung mit ökonomischen und pädagogischen Aspekten erforderlich gewesen wäre. Rechtsprofessorin Anika Klafki schlug zudem vor, eine neue Rechtsgrundlage – statt oder im Infektionsschutzgesetz – für Maßnahmen gegen die nächste Pandemie zu schaffen. Es berichten FAZ (Paul Gross) und taz (Alice von Lenthe).
Wehrpflicht: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Fabian Endemann analysiert auf dem Verfassungsblog die veränderte Position der AfD zur Wehrpflicht. 2022 war die AfD noch für deren Wiedereinführung, jetzt lehnt sie eine "Wehrpflicht für fremde Kriege" ab. Begründet wird dies mit der Befürchtung, Wehrpflichtige könnten zum Beispiel bei Auslandseinsätzen in der Ukraine eingesetzt werden. Der Autor weist darauf hin, dass der Zwangseinsatz von Wehrpflichtigen im Ausland durch einfaches Gesetz verboten ist und Art. 12a GG nach herrschender Meinung eine einfachgesetzliche Änderung verbietet. Die AfD versuche, mit Falschbehauptungen die Bundesrepublik als Unrechtsstaat darzustellen.
Auszahlung von Sozialleistungen: Die BAG Wohnungslosenhilfe und die Grünen kritisieren, dass die Wahlmöglichkeit, sich Sozialleistungen auch in bar auszahlen zu lassen, abgeschafft werden soll. Nach einem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums sollen Sozialleistungen, insbesondere die Rente, grundsätzlich auf ein Konto überwiesen werden; nur in Härtefällen soll es Ausnahmen geben. Es wird kritisiert, dass dies kontolose Personen benachteilige, die mit dem Nachweis, ein Härtefall zu sein, ebenso überfordert sein könnten, wie mit der Geltendmachung des Anspruchs auf ein Bankkonto. Die entsprechende Änderung des SGB VI soll am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden. Die taz (Jasmin Kalarickal) berichtet.
Justiz
BVerfG – IfSG-Triage: Das Bundesverfassungsgericht wird am heutigen Dienstag einen Beschluss zur so genannten Triage veröffentlichen. 14 Ärzt:innen klagten mit Unterstützung des Marburger Bundes gegen das 2023 in § 5c Infektionsschutzgesetz beschlossene Verbot der Ex-Post-Triage, wonach eine einmal getroffene Entscheidung zur Behandlung eines Patienten nicht zurückgenommen werden darf, falls zu einem späteren Zeitpunkt ein Patient eingeliefert wird, der eine bessere Überlebenschance hat. Die Ärzt:innen argumentieren, ihnen werde so die Möglichkeit genommen, in einer Notsituation die größtmögliche Zahl an Menschen zu retten. LTO stellt den Rechtstreit vor.
BAG zu Probezeit: Nun berichten auch die Anwält:innen Gina Susann Kriwat und Stephan Sura im Expertenforum Arbeitsrecht über die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von letzter Woche zur Probezeit bei befristeten Arbeitsverträgen. Im Einzelfall könne auch eine Probezeit verhältnismäßig sein, die mehr als ein Viertel der Vertragslaufzeit beträgt.
OLG Dresden – NSU-Unterstützerin Susann Eminger: Am Donnerstag beginnt vor dem Oberlandesgericht Dresden der Prozess gegen Susann Eminger, die den Terror des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) unterstützt haben soll. Entscheidende Frage ist dabei: Wusste Susann Eminger bei ihren Hilfen von den Terrortaten? Wenn ja, drohen ihr bis zu zehn Jahren Haft. Wenn ihr dieses Wissen aber nicht nachgewiesen werden kann, wäre die bloße Unterstützung für ein Leben im Untergrund verjährt. Der BGH hatte in einem Beschluss zur Zuständigkeit des OLG eine Verurteilung für "hinreichend wahrscheinlich" erklärt. Die taz (Konrad Litschko) berichtet ausführlich vorab.
VG Gießen zu Konto für extremistische Partei: Die Sparkasse Wetzlar muss dem Bezirksverband Mittelhessen der Partei Die Heimat (Ex-NPD) ein Girokonto einrichten, entschied das Verwaltungsgericht Gießen. Die Sparkasse handele hier öffentlich-rechtlich und sei deshalb an das Grundrecht auf Gleichbehandlung gebunden. Weil die Sparkasse auch für andere Parteien Konten führe, könne sie dies der Heimat nicht verweigern. Dass Die Heimat vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft wurde, rechtfertige keine Diskriminierung. Es berichten LTO und beck-aktuell.
LG Köln zu Anerkennung der Urheberschaft: Der Co-Regisseur Pablo Ben Yakov musste von den Organisatoren des Deutschen Fernsehpreises als Miturheber der Reality-Serie "Kaulitz & Kaulitz" genannt werden. Dies entschied das Landgericht Köln unter Verweis auf § 13 UrhG (Anerkennung der Urheberschaft). Die Jury hatte bei der Nominierung nur die Regisseur:innen Annika Blendl und Michael Schmitt genannt. Die Organisatoren des Preises dürften sich aber nicht hinter der unabhängigen Jury verstecken, so das Gericht, auch für die Jury gelte das Urheberrecht. beck-aktuell berichtet.
LG Frankfurt/M. zu beA-Zustellung von Verfügung: Wenn ein Anwalt dem gegnerischen Anwalt per beA eine vom Gericht erhaltene einstweilige Verfügung zustellt, ist dies nur wirksam, wenn auch die Signaturdatei des Gerichts mitübersandt wird. Dies entschied das Landgericht Frankfurt/M. Anfang Oktober. Rechtsanwalt Martin W. Huff stellt das Urteil auf beck-aktuell vor und begrüßt die formale Anforderung: "Die Signaturdatei gemäß § 130b ZPO ersetzt nämlich das gute alte Dienstsiegel, mit dem auf Papier übersandte Dokumente versehen sind."
LG Berlin zu Kunstbetrug: Das Landgericht Berlin hat den Geschäftsmann Stephan Welk, der einst Boris Becker zu einem Diplomatenpass verhalf, wegen Betrugs zu sieben Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Er hatte wertlose Fotokunst unter einer falschen Legende für 1,5 Millionen Euro verkauft und dabei den Käufer getäuscht. Welk behauptete, er sei selbst getäuscht worden, was ihm das Gericht aber nicht glaubte. spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet.
LG Bonn zu Cum-Ex/Sheridan: Das Landgericht Bonn hat Günter S., Geschäftsführer des Sheridan-Fonds, wegen versuchter schwerer Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Er habe versucht, mit Cum-Ex-Manipulationen eine rechtswidrige Steuererstattung in Höhe von 462 Millionen Euro zu veranlassen. Der Prozess war mit 61 Verhandlungstagen das bisher aufwändigste Verfahren im Cum-Ex-Komplex. Das Hbl (Gereon Thönnissen/Volker Votsmeier) berichtet.
StA Köln – Caroline Bosbach: Die Staatsanwaltschaft Köln hat ein Ermittlungsverfahren gegen die Bundestagsabgeordnete Caroline Bosbach (CDU) wegen Betrugs eingeleitet. Sie soll im Januar 2025 einen ihrer damaligen Wahlhelfer dazu gebracht haben, eine fingierte Rechnung in Höhe von 2.500 Euro beim Kreisverband der CDU im Rheinisch-Bergischen Kreis einzureichen. Der Wahlhelfer, gegen den auch ermittelt wird, hatte sich selbst angezeigt. Die Ermittlungen wurden nun eingeleitet, nachdem der Bundestag die Immunität von Bosbach routinemäßig aufhob. spiegel.de berichtet.
Recht in der Welt
Dänemark – Block-Kinder: Ein Berufungsgericht in Viborg hat das Urteil der dänischen Vorinstanz bestätigt, wonach Vater Stephan Hensel das alleinige Sorgerecht für zwei Kinder hat und Mutter Christina Block das Umgangsrecht mit den Kindern nicht zurückerhält. Die dänischen Gerichte hielten das von Block geforderte familienpsychologische Gutachten für nicht erforderlich und stellten fest, dass Vater Hensel die Kinder nicht gezielt von der Mutter entfremdete. Block will gegen das Urteil rechtlich vorgehen, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es berichten FAZ, LTO und beck-aktuell.
Spanien – GenStA Álvaro García Ortiz: Vor dem Obersten Gericht in Madrid hat ein Prozess gegen den spanischen Generalstaatsanwalt Álvaro García Ortiz begonnen. Der 2022 von der linken Regierung ernannte Generalstaatsanwalt wird beschuldigt, eine vertrauliche E-Mail an die Presse weitergegeben und damit das Justizgeheimnis verletzt zu haben. Er habe damit einer Politikerin der konservativen oppositionellen Volkspartei PP schaden wollen, gegen deren Ehemann wegen Steuerbetrug ermittelt wird. García Ortiz streitet ab, Informationen weitergegeben zu haben. Es ist das erste Mal, dass in Spanien ein Generalstaatsanwalt vor Gericht steht. spiegel.de berichtet.
Frankreich - Terrorismusfinanzierung in Syrien: An diesem Dienstag beginnt in Paris ein Prozess gegen Verantwortliche des Zementkonzerns Lafarge wegen Terrorismusfinanzierung. Sie sollen dem IS und anderen Terrororganisationen in Syrien Gelder in Millionenhöhe gezahlt haben, um ihre Geschäfte fortführen zu können. Rechtsprofessor Florian Jeßberger und der wissenschaftliche Mitarbeiter Luca Hauffe schildern auf LTO die international relevanten rechtlichen Fragen, insbesondere den Umgang mit "neutralen" Handlungen.
Italien – Justizreform: Matthias Rüb (FAZ) begrüßt im Leitartikel die italienische Justizreform von Ministerpräsidentin Georgia Meloni. Sie versuche, die seit Jahrzehnten einseitig linksliberale Besetzung der Selbstverwaltungsgremien zu brechen, indem das Parlament Vorschläge machen kann und ein Losverfahren eingeführt wird. Dies könne zu weniger aktivistischen Anklagen gegen konservative Politiker führen. Die italienische Justiz sei immer noch unabhängiger als die deutsche. Beim geplanten Volksentscheid werde die Reform vermutlich eine Mehrheit erhalten. Ob sie am Ende als Erfolg bewertet wird, hänge davon ab, ob die notorisch langsame italienische Justiz künftig schneller rechtskräftige Urteile produziert.
USA – Zölle: Ab dem morgigen Mittwoch verhandelt der US-Supreme Court über die Befugnis von US-Präsident Donald Trump, Zölle aufgrund von Notstandsregeln zu verhängen. Geklagt haben zwölf Bundesstaaten und einige Unternehmen, die vom Liberty Justice Center unterstützt werden. Die FAZ (Winand von Petersdorff) stellt vorab die rechtlichen Argumente beider Seiten vor.
Sonstiges
Rechtsberatung durch KI: ChatGPT hat jüngst seine Nutzungsbedingungen mit Blick auf juristische Anfragen geändert. Der KI-Bot weist nun regelmäßig in einem Disclaimer darauf hin, er könne "keine verbindliche Rechtsberatung leisten, wie ein Anwalt". Laut LTO hat sich damit aber wenig geändert. Die konkreten Rechtsfragen werden weiter beantwortet, auch nach Prüfung individuell hochgeladener Dokumente. Damit bleibe die Frage im Raum, ob hier eine verbotene Rechtsberatung vorliegt, die gegen das deutsche Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt.
Vergleich digitaler Skelette: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Anne Zettelmeier und Rechtsprofessor Dominik Brodowski stellen auf LTO eine neue kriminalistische Beweismethode vor. Aus den Bildern von Überwachungskameras wird mit KI-Hilfe ein digitales Skelett entwickelt, das mit einem digitalen Skelett von Beschuldigten verglichen werden kann. Rechtlich stelle sich dabei die Frage, ob die genutzte erkennungsdienstliche Rechtsgrundlage § 81b StPO für die Aufnahmen der Beschuldigten ausreicht. Außerdem ist noch fraglich, wie zuverlässig die Methode ist, insbesondere wenn zB. auch Gangweisen verglichen werden.
Geschlechtliche Selbstbestimmung: Ein Jahr nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes haben bundesweit rund 22.000 Menschen von der neuen Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne Gutachten ihren Geschlechtseintrag im Standesamt ändern zu lassen. Die Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch (SPD), lobt das Gesetz, das vielen Menschen Erleichterungen gebracht habe. Daran ändere auch nichts, wenn eine einzelne Person versuche, das Gesetz lächerlich zu machen. Gemeint ist die Rechtsextremistin Marla Svenja Liebich. beck-aktuell berichtet.
75 Jahre EMRK: Die FAZ (Niklas Zimmermann) schreibt, warum die Europäische Menschenrechtskonvention heute bei einer zunehmenden Zahl von Staaten Akzeptanzprobleme habe. Es gehe vor allem um zwei Fragen, bei denen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Migrationspolitik der Mitgliedsstaaten behindere: bei der Ausweisung straffälliger Ausländer und bei der Gegenwehr gegen die Instrumentalisierung von Flüchtlingsströmen durch feindliche Mächte.
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LTO/chr
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Die juristische Presseschau vom 4. November 2025: . In: Legal Tribune Online, 04.11.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58530 (abgerufen am: 07.11.2025 )
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