Die juristische Presseschau vom 14. Oktober 2025: Gericht­liche Kon­trolle des Rund­funks? / Wehrpf­licht per Los­ent­scheid? / Wörndl-Eltern ver­zichten auf Neben­klage

14.10.2025

Morgen entscheidet das BVerwG über eine Klage gegen den Rundfunkbeitrag. Bei der Einziehung junger Männer könnte künftig ein Losverfahren gelten. Die Eltern von Hanna Wörndl kritisieren das Gericht im zweiten Eiskeller-Prozess.

Thema des Tages

BVerwG – Rundfunkbeitrag: Am morgigen Mittwoch wird das Bundesverwaltungsgericht über eine Klage zum Rundfunkbeitrag entscheiden. Es wird erwartet, dass sich das Gericht grundsätzlich dazu äußern wird, wie weitreichend die Justiz den öffentlich-rechtlichen Rundfunk inhaltlich kontrollieren darf. Die Klägerin hat die Zahlung des Rundfunkbeitrags verweigert, weil sie dessen Programm für zu wenig ausgeglichen hält. Sie sieht im ÖRR daher keinen "individuellen Vorteil", der den Rundfunkbeitrag rechtfertigen würde. Wie die SZ (Wolfgang Janisch) analysiert, wird das BVerwG voraussichtlich klären, ob Verwaltungsgerichte die Programme überhaupt inhaltlich bewerten dürfen. Dies wird angezweifelt, weil der Rundfunk staatsfern konstruiert ist und mit den Rundfunkräten seine eigenen Kontrollmechanismen hat.

Rechtspolitik

Wehrpflicht: Für den Fall, dass sich nicht genügend Personen finden, die freiwillig zur Bundeswehr gehen, könnte künftig ein Losverfahren über eine Verpflichtung entscheiden. Darauf haben sich die Koalitionsparteien laut Medienberichten geeinigt. Der Grund für die Idee eines Losverfahrens ist, dass die Bundeswehr zunächst keine kompletten Jahrgänge benötigt. FAZ (Eckart Lohse) und Welt (Thorsten Jungholt) berichten.

Reinhard Müller (FAZ) betont, dass der Wehrdienst "ein denkbar schwerer Grundrechtseingriff" sei. "Auch wenn nicht jeder gleich gebraucht wird: Ein Losentscheid wäre ein Armutszeugnis." Stattdessen empfiehlt er eine allgemeine Musterung für Männer und Frauen, um mehr junge Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen. Andreas Rosenfelder (Welt) findet es "unwürdig", "Männer durch einen Zufallsgenerator dazu zu bestimmen, ihr Leben fürs Vaterland einzusetzen". Dies sei nicht mit der Gleichheit vor dem Gesetz vereinbar. Die Geschichte habe gezeigt, dass "eine scheinbar neutrale Verlosung" dennoch die Unterprivilegierten treffe: "Die Eliten können sich gute Anwälte leisten, die einen Ausweg finden."

Grundsicherung: Die Referentin für Wohnungspolitik beim Paritätischen Gesamtverband, Greta Schabram, kritisiert in der taz die Pläne der Bundesregierung, Grundsicherungsempfänger:innen künftig auch die Zahlung der Wohnungsmiete zu streichen, wenn sie mehrere Termine beim Jobcenter versäumen. "Wohnungslosigkeit als Druckmittel" zu nutzen, sei ein "sozialpolitischer Dammbruch" und bedeute die "Entkernung des Sozialstaatsgedankens". Die Autorin warnt, dass auch ganze Familien und Menschen mit Behinderung betroffen wären.

Chatkontrolle / Datenschutz: Im Gespräch mit beck-aktuell (Hendrik Wieduwilt) zeigt sich der Jurist Frederick Richter (Stiftung Datenschutz) erleichtert, dass die Chatkontrolle keine Mehrheit in den EU-Gremien fand. Weil Deutschland zwei Diktaturen erlebt habe, die mit umfassender Überwachung arbeiteten, nehme das Land eine Sonderrolle ein, die ihm "in diesem Fall durchaus recht" sei. Zudem spricht sich Richter dafür aus, im Datenschutzrecht mehr eindeutige Verbote einzuführen und weniger auf die Einwilligung der Nutzer:innen zu setzen. “Die Menschen lesen die Informationen nicht, verstehen sie nicht – und sollen trotzdem entscheiden. Das ist alltagsfern.”

Justiz

LG Traunstein – Tod von Hanna Wörndl: Die Eltern von Hanna Wörndl verzichten auf ihre Nebenklage im Verfahren gegen Sebastian T. vor dem Landgericht Traunstein. Sie kritisieren die Verfahrensführung der Vorsitzenden Richterin Heike Will als "unerträglich". Diese orientiere sich zu sehr an der Verteidigung und stelle die "Sachaufklärung" des Todes ihrer Tochter nicht in den Mittelpunkt. Die FAZ (Karin Truscheit) bekräftigt in ihrem Bericht den Eindruck der Nebenklage. Es werde "gescherzt zwischen Gericht und Verteidigung, die Heiterkeit wirkt jedoch angesichts des Verhandlungsgegenstands unangebracht – und einseitig." Außerdem habe das Gericht die Verteidigerin nicht gerügt, als diese nach einer Pause zu spät kam.

LAG Nds zu Druckkündigung: Der Rechtsanwalt Benjamin Kesisoglugil stellt im Expertenforum Arbeitsrecht ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen von Mai dieses Jahres vor, das die Druckkündigung eines Mitarbeiters für unwirksam erklärte. Für eine wirksame Druckkündigung müsse das Unternehmen zuvor klar und verbindlich Stellung bezogen und zielgerichtet versucht haben, den Konflikt zu lösen, auch mithilfe externer Stellen. Der Autor kritisiert, dass das LAG die Hürden für eine Druckkündigung zu hoch gelegt habe. "Zwar ist die Fürsorgepflicht gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer zu beachten, doch darf sie nicht dazu führen, dass die Interessen der übrigen Belegschaft und die Funktionsfähigkeit des Betriebs nahezu vollständig hintangestellt werden."

LG Karlsruhe – Fanprojekt-Mitarbeiter: Am Donnerstag beginnt vor dem LG Karlsruhe die Berufungsverhandlung gegen drei Mitarbeiter des KSC-Fanprojekts, die vor einem Jahr vom Amtsgericht Karlsruhe wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt wurden. Nach einem Pyro-Skandal mit elf Verletzten hatten sie ihre Aussage verweigert und dies mit ihrem Vertrauensverhältnis zu den beteiligten Fans begründet. Dieses sei für ihre Arbeit im Fanprojekt notwendig. Das Amtsgericht hatte jedoch kein Zeugnisverweigerungsrecht anerkannt. beck-aktuell berichtet.

LG Verden zu geplantem linksextremistischem Brandanschlag: Das LG Verden verurteilte zwei Männer zu einer achtmonatigen Haftstrafe auf Bewährung, weil diese 2018 einen Brand in der Verdener Innenstadt stiften wollten, um gegen die Strafverfolgung von ehemaligen RAF-Mitgliedern zu protestieren. Das Gericht sah es nicht als bewiesen an, dass die Männer ein Gebäude in Brand setzen wollten, in das später die Staatsanwaltschaft einzog. Es habe offenbleiben müssen, "was angezündet werden sollte", sagte die Vorsitzenden Richterin bei der Urteilsverkündung. Weser-Kurier (Angelika Siepmann) und spiegel.de berichten.

LG Hamburg – Entführung der Block-Kinder: Am 17. Verhandlungstag im Prozess um die Entführung der Block-Kinder wies Jens Meier, Geschäftsführer der Hamburg Port Authority, den Vorwurf zurück, er habe gezielt den Kontakt zwischen Christina Block und der israelischen Sicherheitsfirma Cyber Cupula hergestellt, die die Kinder später entführte. Meier habe dem Anwalt von Block zwar zwei Telefonnummern gegeben, allerdings nur, um bei IT-Sicherheitsfragen zu helfen. Die Rückholung von Personen dagegen sei "nicht meine Kanne Bier", sagte er. FAZ (Kim Maurus), spiegel.de (Christopher Piltz) und LTO (Peyman Khaljani) berichten.

AG München zu Reiseleitung per Whatsapp: Eine siebentägige Pauschalreise nach Dubai war nicht deswegen mangelhaft, weil die vertraglich vereinbarte "qualifizierte deutschsprachige Reiseleitung" nur per Whatsapp erreichbar war. Das Amtsgericht München hielt dies für ausreichend, weil nicht vereinbart worden sei, dass der Reiseleiter in Dubai sein musste. LTO berichtet.

GenStA Karlsruhe – Cybertrading-Betrug: Die Ermittler:innen des bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe eingerichteten Cybercrime-Zentrums Baden-Württemberg sperrten Anfang des Monats mehr als 1.400 Internetseiten, auf denen Betrüger:innen lukrative Geldanlagen vortäuschten. In Wahrheit wurde das Geld, das dort eingezahlt wurde, jedoch auf andere Konten umgeleitet. Wie erfolgreich die Betrugsseiten waren, zeigt sich an den Klickzahlen: Seit der Sperrung am 3. Oktober registrierten die Behörden bereits mehr als 866.000 versuchte Seitenaufrufe. Die FAZ (Marcus Jung) berichtet.

StA Berlin – Katja Krasavice: Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen die Rapperin Katja Krasavice wegen des Verdachts der falschen Verdächtigung. Nachdem sie im Mai von der Polizei mit einem Alkoholwert von 1,1 Promille am Steuer erwischt worden war, gab sie im Juni an, eine Sprachnachricht von einem der beteiligten Polizisten erhalten zu haben. In einem Video ist zu hören, wie der angebliche Polizist um ein Treffen mit ihr bittet. "Ich verstehe auch nicht, warum die aus 0,7 Promille 1,4 gemacht haben", sagt die Stimme. Die Berliner Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass es den Polizisten nicht gibt und er von Krasavice oder ihrem Manager erfunden wurde. spiegel.de (Annette Langer) berichtet.

Recht in der Welt

Türkei – inhaftierte Anwält:innen: Der Berliner Rechtsanwalt Yaşar Ohle besuchte im Juli als Teil einer internationalen Delegation inhaftierte linke Anwält:innen im türkischen Hochsicherheitsgefängnis Silivri. Dort säßen "mehr oder weniger alle bekannten politisch Inhaftierten", berichtet er im Gespräch mit LTO (Paula Zengerle). Die drei Anwält:innen, mit denen er im Besucherraum sprach, hatten Personen verteidigt, denen terroristische Propaganda vorgeworfen wird. Wegen desselben Vorwurfs sitzen sie nun selbst in Haft. Sie berichteten ihm unter anderem von ihrer schlechten medizinischen Versorgung und dem Misstrauen gegenüber den Gefängnisärzt:innen.

Österreich – René Benko: Vor dem Beginn des Prozesses am heutigen Dienstag gegen René Benko berichtet nun auch das Hbl (René Bender/Lars Nagel). Benko wird vorgeworfen, seine Gläubiger geschädigt zu haben, unter anderem indem er am Tag der Insolvenzanmeldung der Signa Holding 300.000 Euro an seine Mutter überwies. Benko drohen zwischen einem Jahr und zehn Jahren Haft.

Wie beck-aktuell berichtet, sind die Vermögensverschiebungen innerhalb des Signa-Imperiums noch immer nicht aufgeklärt. Österreichs Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn erklärte, dass Geldgeber von Signa-Gesellschaften teils noch immer unbekannt sind. Zudem hätten Justiz und Gläubiger bislang keinen Zugriff auf Privatstiftungen Benkos.

Großbritannien – Dieselskandal: Vor dem High Court in London begann ein Gerichtsverfahren gegen Mercedes-Benz, Ford, Renault, Nissan und Stellantis, denen vorgeworfen wird, die Abgasvorschriften durch Manipulationen umgangen zu haben. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, könnten Schadensersatzansprüche in Milliardenhöhe die Folge sein. Volkswagen akzeptierte 2022 in Großbritannien eine Zahlung in Höhe von umgerechnet etwa 227 Millionen Euro, um das Verfahren beizulegen. spiegel.de berichtet.

Frankreich – Nicolas Sarkozy: Frankreichs ehemaliger Präsident Nicolas Sarkozy muss am 21. Oktober seine Haftstrafe im Pariser Gefängnis Le Santé antreten. Er war Ende September wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Weil das Gericht die vorläufige Haftstrafe anordnete, muss Sarkozy seine Haft trotz der noch ausstehenden Berufungsverhandlung beginnen. Weil er über 70 Jahre alt ist, kann er nach französischem Recht jedoch eine Freilassung unter Auflagen beantragen. spiegel.de berichtet.

Vatikan – Marko Rupnik: Der Vatikan hat die fünf Richter:innen des Sondergerichts ernannt, das sich mit dem Fall des slowenischen Geistlichen Marko Rupnik befassen soll. Ihm wird vorgeworfen, Frauen unter Ausnutzung seiner kirchlichen Position sexuell missbraucht zu haben. Das Tribunal besteht aus Frauen sowie Priestern, die kein Amt bei Vatikanbehörden innehaben. Dies meldet die FAZ.

Sonstiges

KI in der anwaltlichen Praxis: LTO (Felix W. Zimmermann) berichtet von einem Panel mit Unternehmensjurist:innen auf dem Legal Tech Day, auf dem der Einfluss von KI auf die Arbeit in den Rechtsabteilungen diskutiert wurde. Die Teilnehmer:innen waren sich einig, dass Routinearbeit künftig inhouse mithilfe von KI erledigt werde. Dadurch verschöben sich auch die Verhältnissen zwischen Rechtsabteilungen und Kanzleien. Dass mit der KI eine Transformation einhergehe, sei unvermeidlich. Entscheidend sei künftig nicht das Rechtswissen, sondern Judiz und strategisches Denken.

Afghanischer Flüchtling und Jurist: LTO-Karriere (Franziska Kring) spricht mit Tariq Shinwari, der mit 16 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland floh und heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Großkanzlei im Gesellschaftsrecht arbeitet. Er absolvierte sein erstes Staatsexamen mit Prädikat. Für das Jurastudium habe er sich entschieden, um "die Grundstrukturen der Gesellschaft und der Wirtschaft" zu verstehen – "und das Land, das mich aufgenommen hatte". Deutschland sei “ein Land, in dem die Leistung honoriert wird – egal wo man herkommt oder wer man ist.”

Asylleistungen: Der Rechtsreferendar Salomon Gehring und die Doktorandin der Sozialen Arbeit Hannah Franke schreiben auf dem Verfassungsblog, dass die Gesundheitsversorgung von Asylbewerber:innen nicht von einer vorherigen Bewilligung abhängig gemacht werden darf. Viele Gemeinden gingen davon aus, dass der ausgefüllte Behandlungsschein über den Behandlungsanspruch entscheide. Dies aber habe das Bundessozialgericht 2024 verneint. Zudem habe das Gericht festgestellt, dass nicht nur akute Krankheiten zu behandeln sind, sondern auch chronische Erkrankungen, wenn diese "dringend behandlungsbedürftig" sind.

OB-Wahl Ludwigshafen: Die Stichwahl der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen gewann der CDU-Kandidat Klaus Blettner. Vor dem ersten Wahlgang hatte der Wahlausschuss den AfD-Kandidaten Joachim Paul wegen Zweifeln an dessen Verfassungstreue von der Wahl ausgeschlossen. Gegenüber der SZ (Kathrin Wiesel-Lancé) sagt Blettner, er habe großen Respekt vor dem Wahlausschuss und dessen "rechtlich unzweifelhaft richtiger" Entscheidung. "Mir persönlich wäre es trotzdem lieber gewesen, die AfD an der Urne zu schlagen." Die Wahlbeteiligung lag bei 24,1 Prozent.

Rechtsgeschichte - antisemitischer Boykott-Aufruf: Antisemitismus und Sittenwidrigkeit: Der Jurist und Historiker Cord Brügmann stellt auf beck-aktuell ein Urteil des Amtsgerichts Norden vom 7. Oktober 1925 vor, in dem ein antisemitischer Boykott-Aufruf für sittenwidrig erklärt wurde. Das Gericht wandte damals schon verfassungsrechtliche Prinzipien auf zivilrechtliche Tatbestände an und erklärte im Urteil, Jüdinnen und Juden seien "von Verfassungs wegen gleichberechtigt". Der Autor fordert, antisemitischen Boykottaufrufen auch heute nicht allein mit dem Strafrecht zu begegnen, denn "zivilrechtliche Abwehrinstrumente sind in einem demokratischen Rechtsstaat genauso wichtig".


Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des Mediums.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/pna/chr

(Hinweis für Journalist:innen)   

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Sie können die tägliche LTO-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. Oktober 2025: . In: Legal Tribune Online, 14.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58373 (abgerufen am: 10.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag

Dein Zugang zu Deutschlands reichsweitenstärksten Karriere-Portal für Jurist:innen

Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen