Die juristische Presseschau vom 24. April 2025: Staats­an­walt vor Gericht / BGH zu Per­so­nal­daten und DSGVO / EU-Strafen für Apple und Meta

24.04.2025

Vor dem LG Hannover begann der Korruptions-Prozess gegen den Staatsanwalt Yashar G. Behörden müssen laut BGH ihre Personaldaten selbst verarbeiten. Die EU-Kommission verhängte Millionenstrafen wegen DMA-Verstößen gegen Apple und Meta. 

Thema des Tages

LG Hannover – korrupter Staatsanwalt: Vor dem Landgericht Hannover begann der Strafprozess gegen den auf Drogendelikte spezialisierten Staatsanwalt Yashar G., dem 14 Fälle von Bestechlichkeit, Verletzung von Dienstgeheimnissen und Strafvereitelung im Amt im Zeitraum von Sommer 2020 bis Frühjahr 2021 zur Last gelegt werden. Konkret wird G. die Weitergabe von Informationen an eine Drogenbande gegen Zahlungen von insgesamt 65.000 Euro vorgeworfen. Unter anderem soll er führende Köpfe im Frühjahr 2021 vor einer bevorstehenden Razzia gewarnt haben, woraufhin einigen von ihnen die Flucht ins Ausland gelang. G.s Anwalt Timo Rahn wies die Vorwürfe in seinem Eröffnungsstatement zurück; die undichte Stelle müsse bei der Polizei liegen. G. selbst will am 12. Mai seine Sicht darlegen. Die Vorsitzende Richterin Jana Bader hatte im Vorfeld per Selbstanzeige darauf hingewiesen, dass sie oft mit Staatsanwalt G. zu tun hatte, doch das Oberlandesgericht Celle sah keine Besorgnis der Befangenheit. Ob die Justiz im Umgang mit dem Fall Fehler gemacht hat, war am ersten Verhandlungstag noch nicht Thema. Es berichten SZ (Lena Kampf/Jana Stegemann), FAZ (Reinhard Bingener), Welt (Per Hinrichs), LTO (Markus Sehl) und spiegel.de (Julia Jüttner).

Rechtspolitik

K.O.-Tropfen: Im Interview mit der taz (Patricia Hecht) spricht Anja Schmidt vom Deutschen Juristinnenbund (djb) über den vom Land Nordrhein-Westfalen in den Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf, der einen erhöhten Mindeststrafrahmen vorsieht, wenn bei einem sexuellen Übergriff K.O.-Tropfen oder andere gesundheitsschädliche Stoffe eingesetzt werden. Der Antrag ist die Reaktion auf eine BGH-Entscheidung, wonach K.O.-Tropfen nicht als gefährliches Werkzeug gelten. Der Bundesrat hat bereits im März die Bundesregierung aufgefordert, selbst einen Gesetzentwurf vorzulegen. Der djb begrüßt den Vorschlag aus NRW. Die Verwendung von K.O.-Tropfen sei genauso gefährlich wie die Verwendung einer Waffe. 

AfD-Verbot: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Johannes Maurer setzt sich im FAZ-Einspruch mit der Frage auseinander, wie mit der AfD als verfassungsfeindlicher Partei umgegangen werden sollte. Mittels eines Parteiverbotsverfahrens gegen sie vorzugehen, sei genauso riskant wie nichts zu tun. Würden "die Maßnahmen von der Stufe des Verbots auf andere repressive Mittel verschoben" löse sich "zwar ein Knoten, weil die besonders drastischen Folgen des Verbots nicht eintreten". Gleichzeitig entstünden jedoch "auch neue Probleme, die im schlimmsten Fall zu großer Rechtsunsicherheit führen" könnten.

Meinungsfreiheit: Die Rechtsprofessorin Frauke Rostalski befasst sich auf LTO mit erfolgten und geplanten Verschärfungen im Strafgesetzbuch zur Ahndung bestimmter Meinungsäußerungen. Diese Entwicklung sieht die Autorin kritisch und legt dar, warum sich die verstärkte Ahndung von Meinungsäußerungen einfüge in das "Bild einer Gesellschaft, die in ihren Debatten verletzlicher geworden ist". Diese "Diskursvulnerabilität" verkürze nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern erschwere auch ein demokratisches Miteinander.

Bürokratieabbau: Der Soziologieprofessor Stefan Kühl kritisiert in der FAZ "die mit dem Impetus einer Gemeinwohlorientierung vorgetragene Form der Bürokratiekritik", wie sie etwa die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" vorbringe. Der Verzicht auf eine solche pauschale Bürokratiekritik würde "die Erosion des Vertrauens in staatliche Organisationen erfolgreicher stoppen, als wenn immer neue Kommissionen, neue Stellen und neue Programme zum Bürokratieabbau geschaffen werden", so der Autor.

Justiz

BGH zu Personalakten und DSGVO: Die Führung von Personalakten durch hierzu nicht befugte Dritte begründet einen Schadensersatzanspruch aus der DSGVO auch dann, wenn alle Beteiligten in einem Beamtenverhältnis stehen und entsprechenden Verschwiegenheitspflichten unterliegen. Dies hat der Bundesgerichtshof laut LTO und beck-aktuell (Joachim Jahn) in einer nun veröffentlichten Leitsatzentscheidung festgestellt. Die Klägerin, Bundesbeamtin bei einer Bundesanstalt, hatte beanstandet, dass die Personalaktenverwaltung von Bediensteten des Landes Niedersachsen übernommen worden war. Der Schaden liege hier laut dem BGH bereits in dem vorübergehenden Verlust der Kontrolle der Klägerin über die in der Personalakte enthaltenen personenbezogenen Daten. Dass die Landesbediensteten ebenfalls einer Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen, sei lediglich bei der Höhe des Anspruchs zu berücksichtigen.

BGH zu Konkurrenzen bei Raubdelikten: Fällt die Beute bei Raubdelikten geringer aus als ursprünglich geplant, tritt der damit einhergehende Versuch in Bezug auf die höhere Beute auf Konkurrenzebene zurück und ist nicht im Tenor zu erwähnen. Dies hat der Bundesgerichtshof laut LTO entschieden. Eine Erwähnung des Versuchsdelikts im Tenor sei nicht erforderlich, um das begangene Unrecht zum Ausdruck zu bringen.

BGH – Honorar für Studienplatzvermittlung: Der Bundesgerichtshof verhandelt am heutigen Donnerstag, ob die Erteilung eines Zulassungsbescheids ausreicht, damit eine Studienplatzvermittlerin Anspruch auf Zahlung eines Erfolgshonorars hat oder ob der Anspruch erst mit der Annahme des Studienplatzes durch die Kundschaft entsteht. Bislang wurde überwiegend die Ansicht vertreten, bei entsprechenden Verträgen handele es sich um Maklerverträge mit dienst- und werkvertraglichen Elementen. Die Studienplatzvermittlerin geht dagegen von einem Dienstvertrag aus, bei dem sie nur für ihre Leistungen und nicht für einen bestimmten Erfolg bezahlt werde. Außerdem sei es nicht sachgerecht, ihr das Risiko aufzuerlegen, dass der Kunde bzw. die Kundin am Ende einen Rückzieher macht. Es schreibt beck-aktuell (Maximilian Amos).

AG Berlin-Tiergarten zu Angriff auf jüdischen Studenten: Nachdem das Amtsgericht Tiergarten Mustafa A. zu drei Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung an dem jüdischen Studenten Lahav Shapira verurteilt und dabei ein antisemitisches Tatmotiv als strafschärfenden Faktor festgestellt hat, spricht Lahav Shapira im Interview mit der taz (Nicholas Potter) über das Gerichtsverfahren. "Das Wichtigste war mir, dass das antisemitische Motiv anerkannt wird". Die Höhe der Strafe verschaffe ihm Genugtuung.

AG Bernau zu selbstlosem Betrug: Amtsrichter Thomas Melzer schreibt in der Zeit über ein Verfahren vor dem Amtsgericht Bernau, bei dem eine 64-jährige Reinigungskraft eines Altenheims, die insgesamt rund 130.000 Euro von 15 Kolleg:innen und Bekannten erschlichen hat, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Sie schickte das Geld jeweils ihrer Tochter, die sie mit erfundenen Notlagen unter Druck setzte. Die Tochter selbst konnte nicht zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie untergetaucht war und die Polizei nicht nach ihr suchte.

StA Oldenburg – Tötung von Lorenz A.: Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt routinemäßig wegen Totschlags gegen den 27-jährigen Polizeibeamten, der am Ostersonntag tödliche Schüsse auf den 21-jährigen Schwarzen Lorenz A. abgefeuert hat. A. war von einer Disco abgewiesen worden, hatte dann Reizgas versprüht. Bei einem anschließenden Polizeieinsatz fühlten sich die Beamten bedroht und erschossen A. mit drei Kugeln von hinten. Es wird nun diskutiert, ob die Tat Ausdruck von strukturellem Rassismus bei der Polizei ist, weil der Polizeieinsatz gegen einen Weißen möglicherweise anders verlaufen wäre. SZ (Ulrike Nimz), FAZ (Jannis Holl) und spiegel.de (Hubert Gude/Bertolt Hunger/Jean-Pierre Ziegler) berichten.

Mohamed Amjahid (taz) begrüßt, dass in den vergangenen Jahren überall dort, wo Menschen durch Polizeigewalt verstorben sind, "kurze Zeit später Initiativen" aufgetaucht seien, "die Aufklärung einfordern, Erinnerung pflegen und trotz eines staatlichen und gesellschaftlichen Widerstands keine Ruhe geben". Diese Entwicklung mache "– zwar vorsichtig, aber immerhin – ein wenig Hoffnung". 

Recht in der Welt

USA – Resilienz der Demokratie: Ex-Meta-Mitarbeiterin Alexis Crews befasst sich im SZ-Feuilleton mit den Angriffen von US-Präsident Donald Trump gegen Universitäten und Anwaltskanzleien. Die Repressionen stellten einen Angriff auf die freie Gesellschaft und die Demokratie dar. "Bildung und Gerechtigkeit" seien "die Eckpfeiler demokratischer Resilienz". Diese müssten nun geschützt werden. Denn Demokratien stürben "nicht mit einem Knall, sondern in aller Stille".

USA – Abschiebung von Venezolanern: Rechtsanwalt Manfred Wiegandt nimmt in der taz die Abschiebung von Venezolanern unter Berufung auf den Alien Enemies Act zum Anlass, zu schildern, wie offen und direkt sich US-Präsident Donald Trump mittlerweile über sämtliche Regeln und sogar über Entscheidungen des US-Supreme Courts hinwegsetzt.

IStGH – Registrar Osvaldo Zavala Giler: Der am 10. Februar 2023 zum Registrar des Internationalen Strafgerichtshofs gewählte ecuadorianische Rechtsanwalt Osvaldo Zavala Giler spricht auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) über die Arbeit des IStGH und sein Amt, über aktuelle Herausforderungen und den Einfluss Lateinamerikas auf den IStGH.

Sonstiges

DMA-Strafen gegen Apple und Meta: Die EU-Kommission verhängte gegen die US-Techkonzerne Apple und Meta Strafen in Höhe von 500 Millionen bzw. 200 Millionen Euro. Die Unternehmen haben nach Ansicht der Behörde gegen den Digital Markets Act (DMA) verstoßen. So soll Apple App-Entwickler:innen daran hindern, Verbraucher:innen Angebote außerhalb des App-Stores zugänglich zu machen. Metas Strafe ist dagegen auf dessen sogenanntes Pay-or-consent-Modell zurückzuführen, wonach sich Nutzer:innen von Facebook und Instagram zwischen einer monatlichen Gebühr für eine werbefreie Version und einer kostenlosen Version mit personalisierter Werbung entscheiden müssen. Es berichten SZ (Jan Diesteldorf), FAZ (Hendrik Kafsack), taz (Eric Bonse), Hbl (Olga Scheer/Christof Kerkmann), Welt (Stefan Beutelsbacher/Benedikt Fuest) und LTO.

Hendrik Kafsack (FAZ) meint, die verhängten Strafen seien nicht etwa aufgrund ihrer Höhe brisant, sondern weil sie geeignet seien, "den sich eben etwas beruhigenden Handelskonflikt mit US-Präsident Donald Trump wieder neu anzufachen". Denn die DMA-Verordnung der EU diene Trump als "vermeintlich nichttarifäre Handelshürde und damit als Grund für die Sonderzölle von ursprünglich 20 Prozent auf die EU-Einfuhr". Die Verhängung der Strafen sei – auch wenn die Kommission stets betont habe, die Entscheidungen erfolgten "strikt nach Lehrbuch und ohne politisches Kalkül" – nicht apolitisch. Schließlich habe die EU "auch einmal Härte zeigen" müssen. "Alles andere hätte Trump zu Recht als Schwäche interpretiert". Jakob Hanke Vela (Hbl) kritisiert, dass bei der Verkündung der Strafen "kein Verantwortlicher auf dem Podium" war. Dadurch mache sich die Kommission "zu dem, was sie eigentlich vermeiden will: einem gesichtslosen Organ von Eurokraten, die nicht zu ihrer Macht stehen". Wer eine solche Entscheidung treffe, müsse "auch öffentlich dazu stehen". In Washington werde "niemand glauben, dass diese Strafen rein juristische Routinen sind". Vielmehr sähen die USA die Millionenstrafen "als Teil eines geopolitischen Spiels – und das nicht ganz zu Unrecht".

Bundestagswahl/BSW: Das BSW hat beim Bundestag Einspruch gegen das amtliche Ergebnis der Bundestagswahl eingereicht, so FAZ (Marlene Grunert) und taz (Daniel Bax). Nachdem die Partei im März mit einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte, will sie nun auf konventionellem Weg eine Neuauszählung der Stimmzettel erreichen. Zur Begründung des Einspruchs verweist das BSW unter anderem auf "extreme Anomalien". Hierzu zählt die Partei Verwechslungen bei der Auszählung. So wurde nach der Wahl bekannt, dass in mehreren Wahlbezirken Kreuze, die beim BSW gemacht worden waren, dem Bündnis Deutschland zugeschrieben wurden. 

Reinhard Müller (FAZ) kommentiert, ein knappes Ergebnis sei "noch kein Grund für eine erfolgreiche Wahlprüfungsbeschwerde". Der Bundestag müsse nun "gleichsam in eigener Sache über die Gültigkeit der Bundestagswahl und über eine Verletzung von Rechten bei deren Vorbereitung oder Durchführung entscheiden". Dass das Parlament dabei an keine Frist gebunden sei, und "das Bundesverfassungsgericht ohnehin nicht", sei eine Schwäche des Verfahrens. "Auch so" könne "eine Wahl historische Bedeutung erlangen".

Xayn/Noxtua: Der Verlag C.H.Beck, die Kanzleien CMS und Dentons sowie das Softwareunternehmen Northern Data investierten insgesamt 80,7 Millionen Euro in das Legal-Tech-Startup Xayn, Anbieter von Europas erstem juristischen KI-Arbeitsplatz Noxtua, der an der Universität Oxford und am Imperial College London entwickelt wurde und juristische Arbeitsprozesse künftig automatisieren soll. Noxtua basiert auf spezialisierten KI-Modellen, die mit juristischen Daten trainiert werden. Es berichten LTO und beck-aktuell.

Kriminalitätsfurcht: Die SZ (Jan Freitag) weist auf die ARD-Dokumentation "Volk in Angst - Wie mit Verbrechen Politik gemacht wird" hin, die am heutigen Donnerstag ausgestrahlt wird. Weder die Polizeiliche Kriminalstatistik noch die TV-Nachrichten und erst recht nicht die TV-Krimis lieferten ein realistisches Bild der Kriminalitätsgefahr. 

Immunität im Völkerrecht: Der Rechtsreferendar Timo Sewtz stellt auf LTO das nunmehr in deutscher Übersetzung erschienene Buch "Die Verschwundenen von Londres 38 – Über Pinochet in England und einen Nazi in Patagonien" von Philippe Sands vor, das sich nicht nur ausführlich mit dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet und dessen strafrechtlicher Verfolgung beschäftigt, sondern auch mit dem Nationalsozialisten Walther Rauff, der Pinochet nach seiner Flucht aus Deutschland in den 1950er-Jahren kennenlernte und fortan in Chile für den BND spionierte. Der Rezensent empfiehlt den dritten Teil einer Trilogie allen völkerrechtlich Interessierten, die sich dem aktuellen Thema der Immunität von Amtsträger:innen nähern möchten.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des Mediums.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/sf/chr

(Hinweis für Journalist:innen)  

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage

Sie können die tägliche LTO-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren
 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. April 2025: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57054 (abgerufen am: 21.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen