Anwalt Dierlamm bezichtigt seinen Ex-Mandanten Steck systematischer Lügen. Österreich spricht 2-jähriges Aufenthaltsverbot gegen deutsche Klimaaktivistin Windl aus. Das BMJ hat nach über zehn Jahren wieder neue BGH-Anwält:innen zugelassen.
Thema des Tages
LG Bonn – Cum-Ex/Kronzeuge Steck: Strafverteidiger Alfred Dierlamm wehrte sich vor dem Landgericht Bonn gegen Anschuldigungen durch seinen früheren Mandanten Kai-Uwe Steck, der sich dort als ehemaliger Partner von Hanno Berger wegen schwerer Steuerhinterziehung durch Cum-Ex-Betrügereien verantworten muss. Steck hatte Dierlamm schlechte Beratung vorgeworfen. Er sei mit leeren Versprechungen in die Rolle des Cum-Ex-Kronzeugen gedrängt worden. Dierlamm betonte nun jedoch, er habe Steck nie versprochen, dass es bei einem Geständnis nicht zur Anklageerhebung komme. Steck lüge bis hin zur Verleumdung. Vor allem Stecks fehlender Wille, seine Cum-Ex-Beute an die Staatskasse zurückzuzahlen, habe eine Einstellung des Verfahrens verhindert, so Dierlamm. Außerdem habe Steck gegenüber seinen ehemaligen Verteidigern "den armen Mann" gemimt und so einen geringeren Stundensatz als üblich herausgehandelt – bis die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen auf Vermögenswerte von Steck in Höhe von mehr als 50 Millionen Euro stieß. Da Dierlamm von Steck keine Entbindung von seiner anwaltlichen Schweigepflicht erhalten hatte, berief sich der Ex-Verteidiger auf ein sechzigseitiges Gutachten, dass seine Aussage gegen den Ex-Mandanten im Einklang mit berufsrechtlichen und strafrechtlichen Vorschriften stehe. FAZ (Marcus Jung) und Hbl (René Bender u.a.) berichten.
Rechtspolitik
Informationsfreiheit: CDU-Politiker Philipp Amthor erklärte gegenüber bild.de (Hans-Wilhelm Saure), dass die CDU/CSU das Informationsfreiheitsgesetz nicht ersatzlos abschaffen wolle, sondern mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG) und dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) sowie den Auskunftsansprüchen der Medien gegen Bundesbehörden zu einem einheitlichen Gesetz zusammenführen wolle. Als Vorbild nennt Amthor auch das Hamburger Transparenzgesetz, bei dem Behörden zur automatischem Veröffentlichung von Dokumenten verpflichtet sind und so Klagen überflüssig werden.
Prostitution: Der Bundesfrauenrat der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi lehnt ein generelles Sexkaufverbot, wie von der CDU/CSU in den Koalitionsverhandlungen gefordert, entschieden ab. Ein Verbot schaffe Zwangsprostitution nicht ab, sondern dränge auch die freiwillige Sexarbeit ins Dunkelfeld und verschließe Zugriffsmöglichkeiten für Beratung oder Polizei. Die SZ (Roland Preuß) berichtet.
Deepfakes: Auf dem Verfassungsblog äußert der Privatdozent Jannis Lennartz verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein pauschales Verbot von Deepfakes. Die "Verwendung von Nachbildungen kann Kunst sein, ist aber sicherlich Meinungsäußerung und als solche in jeder westlichen Rechtsordnung durch ein Grundrecht geschützt". Der Autor bezieht sich dabei auf die abweichende Meinung des damaligen Verfassungsrichters Erwin Stein zur Mephisto-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der "ästhetische Selbststand des Kunstwerkes auch durch dessen Nähe zur Realität nicht aufgehoben" wird.
Justiz
EuGH/BVerfG – Kirchliches Arbeitsrecht: Die SZ (Wolfgang Janisch) gibt einen Überblick über zwei Verfahren zum kirchlichen Arbeitsrecht, die beim Europäischen Gerichtshof und beim Bundesverfassungsgericht anhängig sind. Der EuGH verhandelte vor einigen Wochen zur Vorlagefrage des Bundesarbeitsgerichts, ob es mit EU-Recht vereinbar ist, wenn eine Caritas-Mitarbeiterin gekündigt wird, weil sie aus der Kirche austrat. Dagegen könnte sprechen, dass die Kirche auf entsprechenden Posten durchaus nicht-katholische Beschäftige akzeptiere und nur den Austritt aus der Kirche sanktioniere. Das Bundesverfassungsgericht hat noch den Fall der konfessionslosen Sozialarbeiterin Vera Egenberger zu entscheiden, die bei der Diakonie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.
VerfGH RhPf zu Neutralitätspflicht von Dreyer: Nun bespricht auch die Welt (Jan Alexander Casper) mit verschiedenen Jurist:innen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, wonach die ehemalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) mit ihrem Aufruf zu einer Demonstration "gegen rechts" zwar in das Recht der AfD auf Chancengleichheit der Parteien eingriff, dies aber zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung gerechtfertigt war. Rechtsprofessor Alexander Thiele sieht die "partielle Aufweichung" der Neutralitätsrechtsprechung durch die Einführung des "relativ allgemeinen Rechtfertigungsgrunds der 'wehrhaften Demokratie'" kritisch. Auch der emeritierte Rechtsprofessor Christian Pestalozza findet die Urteilsbegründung sehr "amtsträgeraffin". Hingegen begrüßt der Jurist Joschka Selinger von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, dass der VGH Rheinland-Pfalz mit der Entscheidung "das Verhältnis von Neutralitäts- und Verfassungspflicht schärft".
Auch die Rechtsprofessorin Antje von Ungern-Sternberg analysiert auf dem Verfassungsblog die Entscheidung. Folgerichtig sei insbesondere in Bezug auf "verfassungsfeindliche Parteien, gegen die das scharfe Schwert des Parteienverbotes nicht eingesetzt werden kann", dass die "Öffentlichkeitsarbeit als ein wichtiges Element des Verfassungsschutzes" herausgestellt werde. Indes kritisiert von Ungern-Sternberg die "dogmatische Konstruktion eines 'Eingriffs' in das Recht auf Chancengleichheit der Parteien". "Angemessen wäre es", stattdessen "spezifische Ausnahmen von der staatlichen Neutralität zugunsten des Verfassungsschutzes zu definieren", ohne dass die Neutralität "einem allgemeinen Abwägungsvorbehalt unterstellt" wird.
BGH zu Notwegrecht: Das Notwegrecht nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB für Grundstücke, die vollständig von anderen Grundstücken umschlossen sind, berechtigt auch dazu, das Grundstück des Nachbarn zu überfahren, um auf dem eigenen Grundstück zu parken, wie der Bundesgerichtshof nun klarstellte. Der Zweck der Anfahrt über den Notweg sei irrelevant, weil es andernfalls zu Abgrenzungsschwierigkeiten und damit zu Rechtsunsicherheit komme. LTO (Hasso Suliak) berichtet.
BGH zu Sittenwidrigkeit von günstiger Miete: Die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Missbrauch der Vertretungsmacht genügen nicht für die Begründung eines kollusiven Zusammenwirkens mit einem Vertreter, das die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB zur Folge hätte. In dem zugrundeliegenden Fall stellte der Bundesgerichtshof damit klar, dass es sich der Mieterin einer 177 Quadratmeter großen Wohnung, die eine monatliche Kaltmiete von 600 Euro entrichtete, nicht aufgrund der sehr günstigen Mietbedingungen aufdrängen musste, dass der Geschäftsführer der vermietenden GmbH nicht zum Abschluss eines derartigen Mietvertrags befugt war. Das kollusive Zusammenwirken nach § 138 Abs. 1 BGB erfordere vielmehr ein bewusstes Zusammenwirken des Stellvertreters und der anderen Vertragspartei zum Nachteil der Vertretenen, wie der Bundesgerichtshof betonte. LTO berichtet.
BAG zu Kündigungsschutz für Schwangere: Nun gibt auch LTO die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wieder, wonach eine Arbeitnehmerin erst bei ärztlicher Feststellung ihrer Schwangerschaft sichere Kenntnis von der Schwangerschaft hat. Daher beginnt die Frist zur nachträglichen Einreichung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 5 Kündigungsschutzgesetz nicht bereits ab einem positiven Schwangerschaftstest, wie ihr Arbeitgeber vertreten hatte.
KG Berlin – linksextremer Anschlagsversuch: Am heutigen Dienstag will das Kammergericht Berlin sein Urteil im Verfahren gegen den 65-jährigen Peter Krauth und den 62-jährigen Thomas Walter, die sich 1995 als damalige Mitglieder der kurze Zeit später aufgelösten linksextremen Gruppe "Das K.O.M.I.T.E.E." verabredet hatten, einen (letztlich gescheiterten) Sprengstoffanschlag auf ein im Bau befindliches Abschiebegefängnis in Berlin zu verüben. Die Bundesanwaltschaft beantragte jeweils eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren gegen die geständigen Angeklagten. taz-berlin berichtet.
VG Münster zu waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit: Ein Jäger, der seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt trotz starker Alkoholisierung mit sich führt, ist waffenrechtlich unzuverlässig. Damit wies das Verwaltungsgericht Münster die Klage eines Jägers zurück, der mit einem Blutalkoholwert von 1,48 bzw. 1,39 Promille einen Unfall verursachte, so beck-aktuell.
LG Berlin I – Deutsche Jugend voran: Die SZ (Constanze von Bullion) berichtet über den Prozess gegen Julian M., den Anführer der rechtsextremistischen Jugendorganisation "Deutsche Jugend Voran" vor dem Landgericht Berlin I. Er ist angeklagt wegen Bedrohung, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und versuchtem schweren Raub. Er bestreitet die Vorwürfe nicht. Angegriffen wurden vor allem Linke und Homosexuelle.
LG Berlin I – Brandstiftung durch Influencer: Im Strafverfahren gegen den 23-jährigen palästinensischen Influencer Attalah Younes, der in der Silvesternacht eine Rakete auf ein Wohnhaus schoss und nun vor dem Landgericht Berlin I unter anderem wegen versuchter schwerer Brandstiftung angeklagt ist, äußerte sein Verteidiger am zweiten Verhandlungstag im Namen von Younes Bedauern. Younes habe zuvor noch keine Silvesterrakete gezündet und nicht "auf dem Schirm gehabt, dass ein Schaden am Haus entstehen könnte". spiegel.de berichtet.
Jutta Limbach: Anlässlich ihrer kürzlich erschienen Biographie über Jutta Limbach spricht die Historikerin Gunilla Budde auf beck-aktuell (Tobias Freudenberg/Monika Spiekermann) über die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), die "klug und besonnen und immer mit einem Schuss Humor und Herzlichkeit agierte". Im Zweiten Senat des BVerfG stach sie durch ihre "Fachkenntnis, ihre sprachliche Klarheit und ihren reichen Bildungsschatz" hervor.
Recht in der Welt
Österreich – Klimaaktivistin Anja Windl: Das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat der deutschen Klimaaktivistin Anja Windl, die seit 2017 in Österreich lebt, ein zweijähriges Aufenthaltsverbot erteilt. Von ihr gehe eine “erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aus”. U.a. hatte Windl die ÖVP-Parteizentrale mit dem Spruch beschmiert: "Ihr stinkt nach brauner Scheiße". Windl kündigte bereits an, Beschwerde beim österreichischen Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Es berichten taz, spiegel.de (Levin Kubeth) und zeit.de.
Österreich – René Benko: Das Landgericht Wien lehnte einen Antrag des Gründers der insolventen Immobiliengruppe Signa auf Freilassung ab, weil weiterhin dringender Tatverdacht und Tatbegehungsgefahr bestehe. Damit muss Benko, der der Untreue und des Betrugs verdächtigt wird, für mindestens zwei weitere Monate in Untersuchungshaft bleiben, so spiegel.de.
Frankreich – Marine Le Pen: Rechtsprofessorin Charlotte Schmitt-Leonardy setzt sich auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) anlässlich des Strafverfahrens gegen Marine Le Pen mit dem "fundamentalen Dilemma moderner Demokratien" auseinander: "Können wir Politiker verurteilen, ohne politisch zu sein?" Schmitt-Leonardy benennt einige Indikatoren wie die Einhaltung des Prozessrechts, Möglichkeiten der Berufung und Präzedenzfälle, anhand derer sich die rechtsstaatliche Natur eines Verfahrens bemessen lassen.
In einem weiteren Beitrag auf dem Verfassungsblog beleuchten die Rechtsprofessorinnen Camille Aynès und Eleonora Bottini (in englischer Sprache) den Aspekt der vom Gericht ausgesprochenen sofortigen Vollstreckbarkeit des Verlusts des passiven Wahlrechts. Die hierfür erforderliche Wiederholungsgefahr begründete das Gericht mit der fehlenden Unrechtseinsicht Le Pens. Außerdem sei die sofortige Vollstreckbarkeit notwendig, um die Wirksamkeit der Strafe aufrechtzuerhalten – "im Fall eines Wahlsiegs würde Le Pen für die Dauer der Amtszeit von der präsidentiellen Immunität profitieren".
Türkei – Ekrem İmamoğlu: Wie die SZ meldet, haben die Anwält:innen des inhaftierten Oppositionspolitikers und abgesetzten Istanbuler Bürgermeisters İmamoğlu Beschwerde gegen seine Inhaftierung eingelegt.
USA – Bayer: Nun schreibt auch LTO, dass Bayer über eine US-Tochter beantragte, dass der US-Supreme Court im Fall "Durnell" prüfen soll, ob US-Bundesrecht zu Warnhinweisen beim Verkauf von Unkrautvernichtern über dem jeweiligen Recht der Bundesstaaten steht. Bislang gibt es dazu keine einheitliche Rechtsprechung der verschiedenen US-Berufungsgerichte.
Sonstiges
BGH-Anwält:innen: Das Bundesjustizministerium hat elf neue Rechtsanwält:innen als BGH-Anwält:innen zugelassen, nachdem diese vom Wahlausschuss für Rechtsanwälte beim BGH benannt worden waren. Nach über zehn Jahren hat das BMJ erstmals wieder neue BGH-Anwältinnen zugelassen, deren Zahl damit von 34 auf 45 steigt. LTO (Luisa Berger) stellt die elf neuen BGH-Anwält:innen vor. Vor dem BGH dürfen in Zivilsachen nur speziell zugelassene Anwält:innen auftreten. beck-aktuell berichtet zudem, dass der Rechtsanwalt Volker Römermann, dessen Bewerbung nicht berücksichtigt worden war, erneut Konkurrentenklage erhoben hat.
Streitbeilegung für Online-Plattformen: Im Gespräch mit beck-aktuell (Denise Dahmen) erläutern die Gründer der User Rights GmbH, einer nach dem EU-Digital Services Act (DSA) vorgesehenen außergerichtlichen Streitbeilegungsstelle, den Zweck und die Funktionsweise des Mechanismus. Der Europäische Gesetzgeber habe die Stellen eingeführt, um dem Rechtsschutzbedürfnis der Nutzer:innen gegenüber digitalen Plattformen gerecht zu werden, da einer gerichtlichen Überprüfung der Moderationsentscheidungen von Plattformen in der Regel ein zu hoher Aufwand entgegensteht.
Rechtskommunikation: Der Volljurist und Pressesprecher der Bucerius Law School Jonathan Schramm plädiert auf LTO dafür, dass Gerichte und Rechtswissenschaftler:innen ihre "Entscheidungen und Ansichten" nicht nur normativ und juristisch begründen, vielmehr sollten Jurist:innen stets auch versuchen, “die Vorteile von Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln”. Bei Rechtskommunikation sollte ”Recht so kommuniziert werden, dass es verständlich wird – in Zeiten populistischer Zuspitzung eine umso größere Herausforderung".
Das Letzte zum Schluss
Ambitionierter Chemiker: Weil ein 24-jähriger Student aus Sydney sein Vorhaben, alle Elemente des chemischen Periodensystems zu sammeln, zu ambitioniert verfolgte, droht ihm nun eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. In seinem Elternhaus fanden australische Ermittler:innen bei dem 24-Jährigen auch radioaktive Stoffe wie Uran oder Plutonium und das hochgiftige Quecksilber – ein Verstoß gegen das australische Gesetz zur Nichtverbreitung von Kernwaffen, wie focus.de schreibt.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/lh/chr
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Die juristische Presseschau vom 8. April 2025: . In: Legal Tribune Online, 08.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56953 (abgerufen am: 22.04.2025 )
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