Die juristische Presseschau vom 31. Januar 2025: Merkel kri­ti­siert Merz / Seeg­müller wurde nicht nomi­niert / Migrant:innen nach Guan­tá­namo

31.01.2025

Friedrich Merz steht vor der heutigen nächsten Migrationsabstimmung im Bundestag in der Kritik. Die Nominierung von Robert Seegmüller als BVerfG-Richter ist vorerst geplatzt. Donald Trump will Migrant:innen auf Guantánamo unterbringen.

 

Thema des Tages

Migration und Asyl: Nachdem CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz am Mittwoch mit Zustimmung der AfD im Bundestag eine Mehrheit für einen Fünf-Punkte-Plan zur Migration erhalten hat, der u.a. Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen vorsieht, steht er massiv in der Kritik. Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) warf ihm vor, sich nicht an sein Wort gehalten zu haben, keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD suchen zu wollen. Auch von anderen Seiten wächst der Druck auf Merz, bei der für den heutigen Freitag geplanten Abstimmung über das Zustrombegrenzungsgesetz auf eine Mehrheitssuche mit der AfD zu verzichten. Merz will seine Haltung zur AfD jedoch nicht erneut korrigieren. Er fordert SPD und Grüne auf, dem CDU/CSU-Gesetzentwurf zuzustimmen, damit es nicht auf die Stimmen der AfD ankommt. Es berichten SZ (Georg Ismar/Robert Roßmann/Vivien Timmler), FAZ (Thomas Gutschker/Eckhart Lohse/Alexander Jürgs), taz (Pascal Beucker/Cem-Odos Gueler/Tobias Schulze), Hbl (Daniel Delhaes/Leila Al-Serori) und Welt (Ricarda Breyton/Philipp Woldin)

Im Interview mit der FAZ (Eckart Lohse) verteidigt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann das Vorgehen. FAZ-Einspruch (Oliver Weber) wirft die Frage auf, ob sich Gesetzgebung und Regierungsbeteiligung trennen lassen. Die FAZ (Reiner Burger/Peter Carstens/Friederike Haupt/Mona Jaeger/Eckart Lohse) fasst Reaktionen und Kritik nach der Abstimmung zusammen. Reaktionen aus der EU schildert die taz (Eric Bonse). Worum es in dem am heutigen Freitag zu verhandelnden Zustrombegrenzungsgesetz geht und wie sich dafür eine Mehrheit finden ließe, legt die SZ (Robert Roßmann/Nicolas Richter/Henrike Roßbach) in einem Frage-Antwort-Format dar. FAZ (Reinhard Bingener/Reiner Burger/Timo Frasch/Rüdiger Soldt/Julian Staib) und Hbl (D. Delhaes/M. Greive/S. Kersting/D. Neuerer/J. Olk) analysieren die Pläne und erklären, dass das Gesetz – selbst für den Fall, dass es eine Mehrheit im Bundestag finden sollte – spätestens im Bundesrat scheitern würde. Die FAZ (Mona Jaeger) stellt die Herausforderungen für die Bundespolizei vor, die das Gesetz ggf. mit sich brächten, und spricht mit Dieter Romann, Präsident der Bundespolizei. Die SZ (Markus Balser) schildert, welche migrationsrechtlichen Vorschläge die Parteien in ihren Wahlprogrammen machen. 

Berthold Kohler (FAZ) fasst die Reaktionen auf Merz‘ Vorgehen wie folgt zusammen: zynischer Jubel auf der einen Seite, "an Hysterie" grenzende Mahnungen auf der anderen. Angela Merkel unterstellt er, sie sei Merz in den Rücken gefallen. Dieser wiederum habe "wie es sein eigenes Bedauern zeigte, nicht die glücklichste Entscheidung" getroffen. Stefan Kornelius (SZ) bezeichnet den Begriff “Zustrombegrenzungsgesetz” als "fürchterlich". Der Versuch von Friedrich Merz, verlorenes Terrain im rechten Spektrum zurückzugewinnen, sei zwar legitim, die Taktik aber "verhängnisvoll". Lukas Wallraff (taz) kommentiert, es sei ein historischer Fehler gewesen, "dass Merz erstmals wissentlich einen Abstimmungserfolg der AfD im Bundestag ermöglicht hat". Dies mache nicht nur "die Brandmauer unglaubwürdig", sondern sei auch für viele "zu Recht unverzeihlich". Jost Müller-Neuhof (Tsp) prognostiziert, dass ein sofortiger Vollzug der Merz-Pläne "eine europapolitische Unwucht" entfalten könne, "die nicht nur Brandmauern nach rechts zum Bröseln" bringe. "Wenn sich Europas Musterknabe aus dem gemeinsamen System verabschiedet", könne "eigentlich jeder machen, was er will". Christian Jakob (taz) wundert sich, warum es stets – unabhängig davon, ob viele oder wenige Menschen hierzulande Schutz suchen – heißt, dass es weitere Verschärfungen im Asylrecht brauche. So zu denken, entziehe drängenden anderen Themen den Raum, zersetze "die Achtung der Menschenrechte" und untergrabe den Rechtsstaat. Auch Sebastian Matthes (Hbl) hält es für einen "Fehler, den Wahlkampf erst auf dieses Thema zu verengen und dann gleich noch zwei rechtlich nicht bindende Anträge in den Bundestag einzubringen", die keine Chance haben, "in der Sache überhaupt etwas zu bewirken, abgesehen davon, dass sich die AfD nun als Mehrheitsbeschafferin selbst feiern kann". Ulf Poschardt (Welt) dagegen hält es für einen Verdienst von Friedrich Merz, "den postheroischen Sinkflug der parlamentarischen Debattenkultur beendet zu haben". Max Bauer (tagesschau.de) nennt es "hinterhältig falsch", dass Merz "die Existenz einer rechtsradikalen Partei im Bundestag dafür nutze, die anderen Parteien unter Druck zu setzen". Damit stelle er den "Wahlkampf über demokratische Werte". Falsch sei "es aber nicht nur, andere politisch zu erpressen und rechtsradikale Verfassungsfeinde salonfähig zu machen". Falsch sei auch das, was Merz inhaltlich fordere. Der Rechtsanwalt Daniel Kollmeyer kommentiert auf beck-aktuell, es sei nicht der einzige Tabubruch der Union, den Fünf-Punkte-Plan zur Migration im Bundestag mit Stimmen der AfD beschlossen zu haben. Schlimmer noch sei, "dass sie damit den Vorrang des Rechts in Europa über Bord" werfe.

Rechtspolitik

BVerfG-Richterwahl: Die Wahl eines Nachfolgers für den ausscheidenden Verfassungsrichter Josef Christ wird wohl nicht mehr vor der Bundestagswahl gelingen. Eigentlich hätte Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht, am gestrigen Donnerstag im Wahlausschuss des Bundestags auf Vorschlag der CDU/CSU als BVerfG-Richter nominiert werden sollen. Auf Bitten der CDU/CSU-Fraktion wurde der Termin jedoch kurzfristig abgesagt; möglicherweise aufgrund der Sorge, der konservative Kandidat könnte nach Merz Wortbruch bei der geheimen Abstimmung im Plenum keine Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten. Die Grünen, die für die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nicht zwingend erforderlich wären, haben noch Gesprächsbedarf. Seegmüller ist der erste Kandidat, den die CDU unter dem Fraktionsvorsitz von Merz für Karlsruhe vorschlug. SZ (Wolfgang Janisch), FAZ (Stefan Klenner) und LTO (Christian Rath) berichten.

Asyl/Rückführung: Die FAZ (Thomas Gutschker) berichtet über die informelle Tagung der EU-Innenminister:innen zum Asylrecht. Die EU-Kommission kündigte an, sie werde im März einen Vorschlag für eine Rückführungs-Richtlinie oder -Verordnung vorlegen. Dies wäre der noch fehlende letzte Teil der Reform des Gemeinsamen EU-Asylsystems (GEAS). Vermutlich werde der Vorschlag auch einen Passus enthalten, der die Rückführung in sichere Drittstaaten außerhalb der EU ermöglicht. Nach geltendem Recht dürfen abgelehnte Asylbewerber nur in sichere Heimatstaaten zurückgebracht werden. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten will zudem die Definition sicherer Drittstaaten ausweiten. Darunter sollen künftig auch Länder fallen, zu denen Personen keinen Bezug aufweisen. 

Nikolas Busse (FAZ) kritisiert die "Dysfunktionalität des bestehenden Systems". Sollte Merz jetzt Kanzler werden und seine Forderungen durchsetzen, wäre "jenes reale Asylsystem in Gefahr, mit dem sich Ankunftsländer von Griechenland bis Italien immer wieder entlastet" hätten, indem sie Asylsuchende weiterziehen ließen. 

AfD-Verbot: Am gestrigen Donnerstag wurde das von 124 Bundestagsabgeordneten um Marco Wanderwitz (CDU) angestrebte AfD-Verbotsverfahren im Bundestag diskutiert. Im Anschluss an die Debatte wurden die Anträge zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen. Es berichten SZ (Roland Preuß), FAZ (Friederike Haupt) und tagesschau.de (Christoph Kehlbach).

Reinhard Müller (FAZ) meint, die Forderung nach einem AfD-Verbot diene auch dem Schutz vor Konkurrenz. Es sei "hilflos und widersinnig", die "politische Auseinandersetzung durch eine Verbotsdebatte zu ersetzen".

Roben für Rechtspfleger:innen: In Rheinland-Pfalz und Hamburg dürfen künftig auch Rechtspfleger:innen Robe tragen, wie LTO schreibt. Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) erklärte diesen Schritt damit, dass Rechtspfleger:innen mittlerweile Aufgaben übernähmen, die zuvor Richter:innen erledigt hätten. Die Einführung der sogenannten Amtstracht sei nicht allein ein Zeichen der gebotenen Wertschätzung, sondern trage auch dazu bei, den Respekt der Beteiligten gegenüber der Justiz zu stärken.

Mutterschutz bei Fehlgeburt: Der Bundestag hat einen verbesserten Mutterschutz bei Fehlgeburten beschlossen. Frauen sollen künftig bei einer Fehlgeburt ab der 13. Woche das Recht auf Mutterschutz bekommen. Je später die Fehlgeburt erfolgt, desto länger soll der Mutterschutz sein. Im Interview mit der taz (Luisa Faust) spricht Natascha Sagorski, die nach einer erlittenen Fehlgeburt die Petition gestartet hatte, aus der nun ein Gesetz wurde, über das erfolgreiche Vorhaben, aber auch über Defizite, die beim Umgang mit Fehlgeburten weiterhin existieren.

Antisemitismus: Der Bundestag hat eine zweite Antisemitismus-Resolution verabschiedet, in der es um die Bekämpfung des Antisemitismus an Hochschulen und Schulen geht. Wie auch bei der ersten Resolution gab es hieran Kritik. So begrüßen einige Hochschulleitungen zwar die Ziele der Resolution, befürchten aber gleichzeitig eine staatliche Einmischung in den wissenschaftlichen Diskurs. Die Resolution schränke die Wissenschaftsfreiheit ein und schaffe Einfallstore für politische Einflussnahme. Es berichtet die FAZ (Heike Schmoll).

Zivilprozess: Die Reformkommission "Zivilprozess der Zukunft", an der neben Vertreter:innen von Bund und Ländern auch Mitglieder aus Justiz, Anwaltschaft und Wissenschaft beteiligt waren, hat ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Zu den Vorschlägen, wie der Zivilprozess moderner gestaltet werden könnte, zählen laut FAZ (Finn Hohenschwert) etwa die Einführung eines bundesweiten Justizportals, auf dem Bürger:innen Anträge und Klagen digital einreichen können. Die gesamte verfahrensbezogene Kommunikation soll auf einer neuen, cloudbasierten Kommunikationsplattform erfolgen. Der Abschlussbericht wurde nun an den Vorsitz der Justizministerkonferenz übermittelt.

Justiz

BVerfG zu diplomatischem Schutz bei Haft im Ausland: Der deutsche Journalist Billy Six hatte mit einer Verfassungsbeschwerde teilweise Erfolg, in der er unzureichenden diplomatischen Schutz und konsularische Betreuung durch das Auswärtige Amt während einer viermonatigen Inhaftierung in Venezuela bemängelte. Das Bundesverfassungsgericht sah zumindest sein Recht auf effektiven Rechtsschutz dadurch verletzt, dass das Verwaltungsgericht Berlin seine entsprechende Klage mangels Feststellungsinteresse als unzulässig abgelehnt hatte. Der Begriff der Wiederholungsgefahr sei zu eng ausgelegt worden, es könne nicht verlangt werden, dass ein investigativer Journalist erst bei der nächsten Inhaftierung im Ausland aus der Zelle heraus deutsche Verwaltungsgerichte anrufe. LTO und beck-aktuell berichten. 

OLG Nürnberg zu Bankenhaftung bei "Enkeltrick": Eine Bank haftet grundsätzlich nicht für den Schaden, den ein Kunde bei einem Enkeltrick-Betrug erlitten hat. Dies hat das Oberlandesgericht Nürnberg im Fall eines 84-Jährigen entschieden, der seine Bank auf Schadensersatz verklagt hatte. Dieser sei jedoch keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Angestellte der Bank hätten den Kunden mehrfach gefragt, ob er den Enkeltrick kenne, woraufhin dieser bejaht und angegeben habe, direkt mit seiner Enkelin gesprochen zu haben. Eine weitere Aufklärungspflicht sei von den Mitarbeitenden der Bank nicht zu verlangen gewesen. Es berichtet LTO.

OLG Köln zu Akif Pirinçci: Wie spiegel.de (Ansgar Siemens) schreibt, hob das Oberlandesgericht Köln eine Verurteilung des Schriftstellers Akif Pirinçci wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung durch das Landgericht Bonn auf. Grundlage des Falls ist ein Internetbeitrag, den Pirinçci im Juni 2022 veröffentlicht hatte. In diesem beklagte er u.a. eine "Ausländisierung des Landes mit völlig Ungebildeten und Inkompatiblen". Das OLG monierte, das LG habe es versäumt, "rechtsfehlerfrei" zu prüfen, ob die Passagen auch nicht strafbar hätten gemeint sein könnten.

LAG RhPf zu Altersdiskriminierung: Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass in der Formulierung "Du bist Berufseinsteiger oder besitzt bis ca. 6 Jahre Berufserfahrung" entgegen der Auffassung des klagenden 49-jährigen Anwalts und der ersten Instanz keine Altersdiskriminierung älterer Bewerber liege. Die Cirka-Angabe bei der Berufserfahrung lasse auch Bewerbungen älterer Personen zu. Auch die Analyse des Lebenslaufs des Anwalts durch den beklagten Arbeitgeber stelle keine Altersdiskriminierung dar. Denn "Lücken im Lebenslauf oder auffällig kurze Beschäftigungszeiträume könnten bei Arbeitnehmern jeden Alters auftreten". Es berichtet LTO

LAG Berlin-BB zu Kopftuchverbot: Nun schreibt auch der wissenschaftliche Mitarbeiter Adil Demirkol auf dem Verfassungsblog über eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg von November zum Kopftuchverbot in der Privatwirtschaft. Das LAG hatte entschieden, dass eine muslimische Bewerberin durch eine Neutralitätsklausel im angebotenen Arbeitsvertrag, nach der sie verpflichtet werden sollte, ohne Kopftuch zu arbeiten, diskriminiert werde und daher Anspruch auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz habe. Der Autor kommt zum Schluss, dass das Urteil ein klares Signal an die Privatwirtschaft sende, in der Kopftuchverbote inzwischen weit verbreitet seien.

OVG Berlin-BB – Klimaschutz/Vollstreckungsantrag: Nun berichtet auch die taz (Nick Reimer) über den Vollstreckungsantrag, den die Deutsche Umwelthilfe beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht hat. Konkret geht es um ein Urteil des OVG Berlin-BB, das seit September 2024 rechtskräftig ist. Damals urteilten die Richter, dass die Bundesregierung "schnellstmöglich" ein wirksames Maßnahmenprogramm zur Einhaltung der Klimaziele im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft vorlegen müsse. Ein solches liegt jedoch bis heute nicht vor. 

LG Köln - Missbrauch durch Ehrenamtliche: In einem Hinweisbeschluss hat das Landgericht Köln laut LTO festgestellt, dass das Erzbistum Köln im Wege der Amtshaftung auch für sexuelle Missbrauchshandlungen durch ehrenamtliche Mitarbeiter:innen hafte - nicht nur für solche, die von hauptamtlichen Beschäftigen begangen wurden. Die ehrenamtliche Leitung einer Messdienergruppe stelle die Ausübung eines öffentlichen Amtes dar. Der Mann sei dabei als "verlängerter Arm des Pfarrers" an dessen Weisungen gebunden gewesen. Das Erzbistum hat nun drei Wochen Zeit zur Stellungnahme.

StA Frankfurt/O. – Projektion von Musks Hitlergruß: Im Interview mit LTO (Max Kolter) spricht Rechtsprofessor Matthias Jahn über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder gegen Aktivist:innen des "Zentrums für politische Schönheit", die ein Photo des von Elon Musk bei Donald Trumps Amtseinführung gezeigten Hitlergrußes zusammen mit dem Wort "Heil" auf die Außenwand der Tesla Gigafactory in Brandenburg projiziert hatten, sowie über mögliche strafrechtliche Folgen. Ermittlungen wegen § 86a StGB (Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen) seien nach dem Legalitätsprinzip unvermeidbar, auch wenn es sich hier um eine kritisch gemeinte Kunstaktion handele. Jahn sieht diese vom BVerfG grundsätzlich gebilligte Cancel Culture kritisch.

Gefängnistheater: Der Rechtsanwalt Michael Selk spricht sich auf beck-aktuell gegen die von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz beschlossene Kürzung des teilweise aus dem Justizhaushalt finanzierten Etats für das Berliner Gefängnistheater "aufBruch" aus. Resozialisierungsprojekte seien nichts anderes als Opferschutz. Der Gedanke der Resozialisierung von Strafgefangenen beruhe auf dem Sozialstaatsprinzip und der Menschenwürde. Der in Berlin beschrittene Weg sei "daher ein Irrweg", der umgehend korrigiert werden solle.

Recht in der Welt

USA – Migrant:innen in Guantánamo: FAZ (Oliver Kühn) und taz (Hansjürgen Mai) berichten über die Pläne Donald Trumps, straffällig gewordene Migrant:innen ohne Aufenthaltserlaubnis auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo zu inhaftieren. Neben dem Lager für nicht verurteilte Terroristen soll ein zusätzliches Lager, das bisher für auf See aufgegriffene Migranten benutzt wurde, auf eine Kapazität für 30.000 Personen ausgebaut werden. Dort sollen Migrant:innen untergebracht werden, bis die Abschiebung in ihr Heimatland möglich ist. 

Bernd Pickert (taz) kommentiert, Guantánamo stehe bis heute "für die Durchsetzung von Macht unter weitgehender Abwesenheit von Recht". Und genau das, "Stärke ohne juristische Eingrenzungen", sei "Grundprinzip und Zielvorstellung von Trumps Politik".

EGMR/Italien – Illegale Mülldeponien: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Italien wegen Verletzung des Rechts auf Leben verurteilt, weil der Staat davon wusste, dass die neapolitanische Mafia Hunderte illegale Mülldeponien betrieb und dabei schwere gesundheitliche Folgen für die Anwohner:innen in Kauf nahm. Italien habe zu wenig zum Schutz der Bevölkerung unternommen, so der EGMR, und muss nun innerhalb von zwei Jahren eine umfassende Strategie ausarbeiten, um die Umweltkatastrophe zu bewältigen. Bis dahin werden die 36 weiteren anhängigen Beschwerden von rund 4.700 Antragsteller:innen vertagt; genauso wie eine gerichtliche Entscheidung über möglichen immateriellen Schadensersatz. LTO (Franziska Kring) und Christopher Andresen (tagesschau.de) berichten. 

EGMR/Griechenland – Pushbacks: Die Doktorandin Isabel Kienzle und die Rechtsreferendarin Melina Riemer analysieren auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu griechischen Pushback-Fällen. Sie kritisieren, dass der EGMR versäumt habe, rechtswidrige Pushbacks als systematische Praxis zu benennen. Stattdessen habe das Gericht die hohe Schwelle für den Nachweis einzelner Fälle beibehalten.

USA – Citizen Birthright: taz-blogs (Detlef Georgia Schulze) gibt einen Überblick über die verschiedenen Verfahren gegen Trumps "Staatsangehörigkeits-Executive Order", mit der er das Recht auf Staatsangehörigkeit durch Geburt in den USA abschaffen will.

Österreich – René Benko: Wie SZ (Michael Kläsgen/Uwe Ritzer/Jörg Schmitt) und FAZ (Marcus Jung/Michaela Seiser) schreiben, wurden nach der Festnahme von Signa-Gründer René Benko immer mehr Details über die Machenschaften Benkos bekannt. Die Ermittelnden werfen ihm vor, faktischer Kopf einer Stiftung seiner Mutter zu sein und dies im Zuge seiner persönlichen Insolvenz verschleiert zu haben. Über die Stiftung sollen Vermögen verheimlicht und dem Zugriff von Behörden, Masseverwaltern und Gläubigern entzogen worden sein. Zudem soll Benko Geldgeber betrogen haben. Derweil wird auch in Deutschland gegen Benko ermittelt.

Frankreich – Dominique Pelicot: Die französische Justiz geht einer Reihe ungeklärter Verbrechen aus den 1990er-Jahren nach, in denen Frauen betäubt, vergewaltigt und in einem Fall auch getötet worden waren. Im Verdacht steht Gisèle Pelicots verurteilter Ex-Mann Dominique Pelicot, weil in einem Fall seine DNA gefunden wurde. Die SZ (Oliver Meiler) berichtet.

Sonstiges

Anwaltschaft vs. KI: Eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom hat ergeben, dass sich nur jeder siebte Befragte lieber digital statt von Anwält:innen helfen lassen würde. Nur jeder Achte glaubt, dass die KI Anwält:innen weitgehend überflüssig macht. LTO berichtet.

Millionenspende an AfD: Der Unternehmer Udo Böttcher schenkte seinem Aufsichtsrat und langjährigem Weggefährten Horst Jan Winter einen Millionenbetrag. Als er erfuhr, dass Winter einen Teil davon, insgesamt fast eine Million Euro, an die AfD gespendet hatte, forderte er sein Geld wegen groben Undanks zurück. Es berichtet die taz (Konrad Litschko). LTO (Xenia Piperidou) analysiert die rechtlichen Hintergründe. Danach bezweifelt Rechtsprofessor Stephan Lorenz, dass die Spende an eine nicht verbotene Partei als Grund für eine Rückforderung ausreiche.

 

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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/sf/chr

(Hinweis für Journalist:innen)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31. Januar 2025: . In: Legal Tribune Online, 31.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56482 (abgerufen am: 07.02.2025 )

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