Die juristische Presseschau vom 16. Januar 2025: Fest­nahme von Yoon / BAG zu Krank­mel­dung aus dem Aus­land / Ver­hand­lung über Sch­le­sin­gers Ruhe­ge­halt

16.01.2025

Südkoreas suspendierter Präsident Yoon Suk Yeol wurde festgenommen. Das BAG entschied zum Beweiswert eines ausländischen Krankenscheins. Das LG Berlin II forderte den Sender rbb und Ex-Intendantin Schlesinger zu einem Vergleich auf.

Thema des Tages

Südkorea – Kriegsrecht: Südkoreas suspendierter Präsident Yoon Suk Yeol ist jetzt wegen der zeitweisen Verhängung des Kriegsrechts Anfang Dezember verhaftet worden. Polizeibeamte und Ermittelnde der Antikorruptionsbehörde führten Yoon in seinem Wohnsitz ab, um ihn zur Staatsanwaltschaft zu bringen. Derweil überprüft das Verfassungsgericht, ob die von den Abgeordneten beschlossene Amtsenthebung Yoons gerechtfertigt war. Die Antikorruptionsbehörde ermittelt gegen Yoon zudem wegen Machtmissbrauchs und Aufruhrs. Es berichten SZ (Thomas Hahn), FAZ (Jochen Stahnke), taz (Fabian Kretschmer) und LTO.

Thomas Hahn (SZ) kommentiert, die gesellschaftliche Spaltung trete in Südkorea gerade besonders deutlich zutage. Das Land brauche zunächst "einen glaubwürdigen Prozess gegen Yoon – und dann eine neue politische Kultur". Sven Hansen (taz) ist überzeugt, es liege auch an der Opposition, "dass der nach der Verhängung des Kriegsrechts zunächst völlig diskreditierte Yoon überhaupt noch punkten" könne: "Beide politischen Lager versuchen, die Justiz für sich zu instrumentalisieren, und beschädigen sie weiter". Katharina Graça Peters (spiegel.de) meint ebenfalls, in Südkorea zeige sich, "wie Polarisierung eine Demokratie destabilisieren kann". Yoon werde bei seiner Behauptung, die Ermittlungen gegen ihn seien "illegal", von rechten YouTubern, die Verschwörungstheorien verbreiten, unterstützt.

Rechtspolitik

Lohnfortzahlung bei Krankheit: Der Rechtsprofessor Gregor Thüsing und die Doktorand:innen Simon Mantsch und Alexandra Ritter setzen sich auf LTO mit der Forderung nach einer Novellierung des deutschen Systems der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auseinander. Sie lehnen die Verkürzung der sechswöchigen Lohnfortzahlung ebenso ab wie die Einführung eines Karenztages. Statt dessen plädieren sie für die Ermöglichung von Teilzeit-Krankschreibungen.

Luftsicherheit: Das Bundeskabinett hat eine Formulierungshilfe zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes beschlossen, die von den Fraktionen von SPD und Grünen im Bundestag eingebracht werden kann. Ob FDP oder Union ggf. dem Vorschlag die nötige Mehrheit verschaffen, ist derzeit noch unklar. Vorgesehen ist in der Formulierungshilfe, dass die Bundeswehr künftig verdächtige Drohnen abschießen darf, sofern die für die Gefahrenabwehr grundsätzlich zuständigen Polizeien der Länder technisch dazu nicht in der Lage sind und entsprechende Unterstützung anfordern. SZ (Georg Ismar/Christoph Koopmann/Sina-Maria Schweikle) und LTO (Hasso Suliak) berichten.

Justiz

BAG zu Krankschreibung aus dem Ausland: Das Bundesarbeitsgericht hat laut LTO (Tanja Podolski) klargestellt, dass einem im Ausland ausgestellten Krankenschein grundsätzlich der gleiche Beweiswert zukommt wie einer hierzulande ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Gesamtschau der Umstände könne den Beweiswert jedoch erschüttern und zu einer Beweislastumkehr führen; so auch im zu entscheidenden Fall, in dem der Arbeitnehmer nur einen Tag nach der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und trotz verordneter häuslicher Ruhe die Heimreise mit dem Auto angetreten war.

LG Berlin II – Ruhegeld von Patricia Schlesinger: Das Landgericht Berlin II forderte im Streit um das Ruhegehalt der ehemaligen rbb-Intendantin Patricia Schlesinger beide Seiten zu einer außergerichtlichen Einigung auf. Der Prozess ist daher bis mindestens Ende Mai ausgesetzt. Schlesinger fordert die Zahlung eines zugesagten Ruhegeldes von monatlich 18.300 Euro. Der Sender verlangt in einer Widerklage neun Mio. Euro von Schlesinger, darunter sieben Mio. Euro wegen der Planung eines inzwischen aufgegebenen digitalen Medienhauses. Schlesinger wäre im Rahmen eines Vergleichs bereit, auf 18 Monate Ruhegeld zu verzichten. Der RBB will zunächst Rücksprache mit seinem Verwaltungsrat halten. SZ (Aurelie von Blazekovic), FAZ (Louis Pienkowski), spiegel.de (Vicky Bargel) und LTO (Max Kolter) berichten. 

BGH – Birkenstock-Sandalen: Nun schreibt auch die Zeit (Ronald Düker) im Feuilleton über das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof, bei dem die Frage zu entscheiden ist, ob die klassische Sandale der Marke Birkenstock als Werk angewandter Kunst einzustufen und damit urheberrechtlich geschützt ist. Dem zugrunde liegen drei Konkurrentenklagen von Birkenstock, in denen der Schuhhersteller durch den Verkauf ähnlicher Modelle sein Urheberrecht an der Konzeption des Schuhs verletzt sieht. Die mündliche Verhandlung fand letzte Woche statt.

BAG zu AGG-Hopping: Der Rechtsanwalt Christian Böhm setzt sich im Expertenforum Arbeitsrecht ausführlich mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von September auseinander, wonach ein Bewerber, der sich systematisch auf Stellenanzeigen bewirbt, die nicht geschlechtsneutral formuliert sind, um dann Entschädigungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu verlangen, rechtsmissbräuchlich handelt. Dieses "AGG-Hopping" habe sich zu einer Art Geschäftsmodell entwickelt, das nicht nur Arbeitsgerichte, sondern auch Unternehmen beschäftige.

LG München I zu Coaching-Vertrag: Das Landgericht München I hat die Betreiberin einer Plattform für Kryptowährungs-Online-Coaching zur Rückzahlung von 1.500 Euro an eine Kundin verurteilt. Der entsprechende Vertrag sei nichtig. Der Plattformbetreiberin fehle es an einer erforderlichen Zulassung, zudem sei das Fernunterrichtsschutzgesetz auch dann zum Schutz der Kundin anwendbar, wenn man sie – wie die Plattformbetreiberin – als Existenzgründerin und damit Unternehmerin ansehe. Es berichtet LTO.

LG Verden – Daniela Klette: spiegel.de (Hubert Gude/Ansgar Siemens) schildert ausführlich Inhalt und Hintergründe der von der Staatsanwaltschaft Verden erhobenen Anklage gegen die 66-jährige ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette beim Landgericht Verden. Im Zusammenhang mit 13 Überfällen auf Geldtransporter und Supermärkte im Zeitraum von 1999 bis 2016 wird ihr versuchter Mord, unerlaubter Waffenbesitz sowie versuchter und vollendeter schweren Raub vorgeworfen.

LG Braunschweig zu erfundenem sexuellem Missbrauch: Nachdem Ramona und Thorsten R. 684 Tage unschuldig in Untersuchungshaft saßen, sprach das Landgericht Braunschweig die Angeklagten nun vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs frei. Schon früh im Verfahren habe es Zweifel an den Aussagen ihrer Tochter Josephine R. gegeben, die nicht nur ihren Eltern, sondern auch zahlreichen anderen Personen sexuellen Missbrauch vorgeworfen hatte. Mittlerweile konnten sämtliche Vorwürfe widerlegt werden. Über das Verfahren berichtet die SZ (Annette Ramelsberger/Benedikt Warmbrunn) in einer Seite-3-Reportage.

LG Düsseldorf – Kaffeepreise: Am heutigen Donnerstag wird vor dem Landgericht Düsseldorf die Frage verhandelt, ob Aldi Süd den Kaffee seiner Eigenmarke Barissimo zu günstig verkauft, wie Tchibo in seiner Klage vorträgt. Aldi verstoße damit gegen das Verbot, Lebensmittel unter dem Herstellungs- oder Einstandspreis zu verkaufen, sowie gegen den fairen Wettbewerb, lautet die Argumentation. Der Richter deutete an, es sei nicht zu erkennen, dass Aldi Tchibo vom Markt verdrängen wolle. Aldi könne seinen Eigenmarken-Kaffee allerdings nur so günstig verkaufen, weil der Discounter ihn selbst herstellt; womit andere Händler offenbar nicht mithalten können. Es berichtet die SZ (Michael Kläsgen).

StA Karlsruhe – "Abschiebetickets" der AfD: Wie LTO schreibt, prüft die Staatsanwaltschaft Karlsruhe eine Strafanzeige im Zusammenhang mit den "Abschiebetickets", die ein AfD-Kreisverband an Bürger:innen in Karlsruhe verteilt hat. Den Urheber:innen wird Volksverhetzung vorgeworfen. Die Partei hält die "Abschiebetickets" nicht für strafbar, weil auf deren Rückseite legale politische Forderungen stehen. Laut dem zitierten Rechtsprofessor Michael Kubiciel komme es darauf an, ob der Schwerpunkt auf den politischen Forderungen oder auf der Aufstachelung zum Hass liege.

Recht in der Welt

Ungarn – Wissenschaftsfreiheit: Die Rechtsprofessoren Gábor Halmai und Andrew Ryder schildern auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache), wie die ungarische Regierung unter Viktor Orbán die Unabhängigkeit der akademischen Einrichtungen mit dem Argument einschränkt, deren vermeintliche "Cancel Culture" stelle eine Bedrohung dar.

USA – Bayer/PCB: Laut beck-aktuell hat ein Gericht im US-Bundesstaat Washington den Agrar- und Pharmakonzern Bayer zu einer Schadensersatzzahlung von 100 Millionen Dollar verurteilt. Die Geschworenen sahen es als erwiesen an, dass die vier Kläger durch PCB-haltige Leuchtstoffröhren in einer Schule bei Seattle gesundheitliche Schäden erlitten hatten. Wegen der mutmaßlichen Verseuchung der Schule wurde Bayer bereits mehrfach verurteilt.

USA – Verfassung: Der Geschichtsprofessor Manfred Berg stellt in der Zeit Hintergründe, Zustandekommen und Merkmale der US-amerikanischen Verfassung vor und wirft die Frage auf, ob das von den Gründervätern geschaffene System der Checks and Balances die Demokratie tatsächlich so verlässlich schützt, wie viele glauben.

USA – Elon Musk/Twitter-Übernahme: Elon Musk ist ein weiteres Mal von der amerikanischen Börsenaufsicht SEC verklagt worden. Die Behörde wirft Musk den Verstoß gegen Meldepflichten vor, als er 2022 mit dem Kauf von Twitter-Aktien begann. Damit habe er auf Kosten anderer Twitter-Aktionäre mehr als 150 Millionen Dollar gespart. Möglich ist, dass die Anklage fallen gelassen wird, wenn der republikanische Anwalt Paul Adkins die Behörde nach Amtsantritt von Donald Trump übernehmen wird. Musk schrieb im Dezember auf X, die SEC verrichte "politische Drecksarbeit". Es berichten FAZ (Roland Lindner) und taz (Hobin Aston).

Schweden – Entzug der Staatsangehörigkeit: Wie FAZ (Julian Staib) und taz (Anne Dieckhoff) schreiben, fordert der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson, Bandenkriminellen mit doppelter Staatsangehörigkeit die schwedische Staatsangehörigkeit zu entziehen. Um dies möglich zu machen, hatte der parlamentarische Grundgesetzausschuss, gemeinsam mit Expert:innen und im Regierungsauftrag, geprüft, ob eine entsprechende Änderung der schwedischen Grundgesetze möglich wäre und diese Frage bejaht. Derzeit sind lediglich die Grünen und die Linkspartei gegen den Vorschlag. Eine Abstimmung ist erst für Frühjahr 2026 geplant.

Nikolas Busse (FAZ) meint, die in Schweden geplante Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts könne auch ein Vorbild für Deutschland sein.

Juristische Ausbildung

Examens-Panne: Laut LTO-Karriere (Pauline Dietrich) hat das Landesjustizprüfungsamt Niedersachsen während des aktuellen Durchgangs der schriftlichen Prüfungen im Zweiten Staatsexamen in zwei Klausuren auf Normen verwiesen, die in den zugelassenen Gesetzestexten nicht abgedruckt waren. Eine Schreibzeitverlängerung gab es dennoch nicht. Das Justizministerium Niedersachsen gab dazu an, die Prüflinge hätten den Teil des jeweiligen Sachverhalts mit den Normen, die sie gar nicht finden konnten, nicht bearbeiten müssen, worauf sie "unverzüglich" hingewiesen worden seien.

Sonstiges

Elon Musk/Marktmacht im Weltraum: Der Rechtsprofessor Marcus Schladebach befasst sich im Interview mit beck-aktuell (Tobias Freudenberg) mit der Marktmacht Elon Musks, die sich auch auf den Weltraum bezieht, und legt dar, welche Einflussmöglichkeit ihm diese Macht gibt und warum der Weltraum überhaupt so umfassend privatisiert worden ist.

Angriff auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt: spiegel.de (Tobias Großekemper/Sara Wess/Wolf Wiedmann-Schmidt) stellt ausführlich einen Bericht des Bundeskriminalamtes an den Bundestag vor, aus dem sich u.a. ergibt, dass sich Behörden in mindestens sechs Bundesländern in 105 aktenkundigen Vorgängen mit Taleb al-Abdulmohsen, dem späteren Attentäter von Magdeburg, beschäftigten. 

Auch die SZ (Markus Balser/Lena Kampf/Christoph Koopmann) kennt das Papier und stellt zudem dar, dass es in Deutschland schwierig sei, alle Informationen zu einer Person zusammenzuführen, um ihre Gefährlichkeit einzuschätzen. Außerdem habe nach einer Amokfahrt durch einen psychisch kranken Täter 2020 in Trier eine Bund-Länder-AG im Sommer 2023 die Länder aufgefordert, ein Bedrohungsmanagement einzuführen, was bisher aber erst vier Bundesländer umgesetzt haben. 

Universitäten und Meinungsfreiheit: Der Rechtsprofessor Hanno Kube setzt sich in der FAZ mit politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die den Raum der Universität erreichen, auseinander und legt das Spannungsfeld zwischen Wissenschafts- und Meinungsfreiheit dar. So greife die Meinungsfreiheit der Akteure, sobald die Universität von außen für politische Zwecke in Anspruch genommen werde. Sobald es aber zu Behinderungen des wissenschaftlichen Betriebs komme, müsse die Universität dagegen vorgehen. Denn als Einrichtung diene die Universität lediglich der Wissenschaft. Daher müsse sie auch neutral bleiben.

BKA – Beleidigung von Politiker:innen: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) stellt eine Auswertung des Bundeskriminalsamts vor, wonach die Zahl der im Netz geäußerten Beleidigungen gegen Politiker:innen zum Ende vergangenen Jahres stark angestiegen ist und einen neuen Höchststand erreicht hat. Besonders viele Meldungen sollen AfD-Chefin Alice Weidel zum Gegenstand haben.

DSA-Schlichtungsstelle: Die Zeit (Götz Hamann/Johanna Jürgens) berichtet über die Arbeit von "User Rights", der ersten und bislang einzigen Schlichtungsstelle in Deutschland, die auf Grundlage des EU-Digital Services Act (DSA) zertifiziert wurde. Nach dem DSA müssen Konzerne offenlegen, warum sie Beiträge von ihren Plattformen entfernen. Die Schlichtungsstellen entscheiden im Streitfall, ob eine Maßnahme gerechtfertigt war oder nicht. Nutzer:innen können bei User Rights Beschwerde einlegen, etwa wenn eigene Beiträge entfernt wurden oder wenn sie einen Post gemeldet haben, der nicht gelöscht wurde.

Das Letzte zum Schluss

Übergeben verboten: Wer einen empfindlichen Magen hat, sollte lieber nicht in der österreichischen Gemeinde Fiss Urlaub machen. Dort nämlich wurde – nach der Einführung eines Alkohol-Verbots auf öffentlichen Plätzen – eine sogenannte Anstands-Verordnung erlassen, die für diese und die kommende Skisaison gilt und unter anderem für das Übergeben in der Öffentlichkeit eine Geldstrafe in Höhe von 2000 Euro vorsieht, wie bild.de schreibt.

 

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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/sf/chr

(Hinweis für Journalist:innen)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. Januar 2025: . In: Legal Tribune Online, 16.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56343 (abgerufen am: 08.02.2025 )

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