Meta lockert die interne Regulierung seiner Plattformen Facebook und Instagram in den USA. Bundeskabinett einigt sich auf Formulierungshilfe für das Gewaltschutzgesetz. EuG verurteilt EU-Kommission zu 400 Euro immateriellem Schadensersatz.
Thema des Tages
Meta: Meta-Konzernchef Mark Zuckerberg kündigte an, die Regulierung der konzerneigenen sozialen Netzwerke Facebook und Instagram in den USA stark zu lockern. Die Faktenprüfung durch externe Dienstleister werde durch "Community Notes" ersetzt, die Nutzer:innen selbst verfassen können, um einen Beitrag zu kontextualisieren. Die Moderationsteams sollen von Kalifornien nach Texas verlegt werden. Die hausinternen Regeln zu Beiträgen über Gender- und Migrations-Themen sollen gelockert werden. Entsprechend sollen die automatischen Inhaltsfilter entschärft werden. Beispielsweise ist es nicht mehr ausdrücklich verboten, queerfeindliche und sexistische Beiträge zu teilen. Illegale Inhalte und schwere Verstöße gegen die Hausregeln sollen aber weiter ausgefiltert werden. Der Algorithmus soll politische Inhalte nicht mehr benachteiligen. Die Neuerungen haben vorerst keine direkten Auswirkungen auf Nutzer:innen in der EU. Dies ist zwar keine Folge des Digital Services Act (DSA) der EU, Zuckerberg warf der EU jedoch vor, immer mehr Gesetze zu schaffen, die die "Zensur institutionalisieren". Es berichten FAZ (Gregor Brunner), FAZ (Corinna Budras/Hendrick Kafsack), SZ (Jannis Brühl), SZ (Andrian Kreye), taz (Christian Jakob), taz (Eric Bonse), Hbl (Jakob Hanke Vela/Olga Scheer), spiegel.de, zeit.de (Meike Laaff), beck-aktuell, LTO und netzpolitik.org (Daniel Leisegang/Tomas Rudl).
Derweil informiert netzpolitik.org (Jan Grapenthin), dass Instagram bereits monatelang Suchergebnisse zu LGBTQ-Inhalten für jugendliche Nutzer:innen blockierte – laut Meta ein technischer Fehler.
Simon Hurtz (SZ) warnt vor möglichen dramatischen Folgen, sollte "Zuckerberg Meta auf Trump-Linie bringen". In Bezug auf den Genozid an den Rohingya in Myanmar gab Facebook später selbst zu, "zu wenig getan zu haben, um zu verhindern, dass unsere Plattform genutzt wird, um zu Gewalt aufzustacheln". Hingegen begrüßt Jasper von Altenbockum (FAZ), dass Musk und Zuckerberg "ihre Verantwortung für Presse- und Meinungsfreiheit wahrnehmen". Der Faktencheck verkomme zu oft zum "Gesinnungscheck". Johannes Drosdowski (taz) appelliert an die EU, zu zeigen, was der DSA wirklich kann. "Statt sich weiter beleidigen zu lassen, sollte die EU nun endlich Zuckerberg den Kampf ansagen." Stephan Scheuer (Hbl) weist darauf hin, dass es nicht nur der Regulierung, sondern auch "technologischer Alternativen (bedarf), die innovativ und wettbewerbsfähig sind". Ulf Poschardt (Welt) schimpft über die "Journalist:innen (sic!)" der "einseitigsten, ideologischsten, fake-news-schleudernden Elfenbeinturm-Medien", die "sich beklagen, dass es jetzt noch mehr Meinungsfreiheit gibt".
Rechtspolitik
Gewalt gegen Frauen/Fußfessel: Die Bundesregierung beschloss eine Formulierungshilfe zur Änderung des Gewaltschutzgesetzes, die von den Koalitionsfraktionen SPD und Grünen als Gesetzentwurf eingebracht werden kann. Die Formulierungshilfe sieht vor, dass Familiengerichte künftig für drei Monate eine elektronische Aufenthaltsüberwachung (elektronische Fußfessel) zur Durchsetzung von Annährungsverboten gegen prügelnde Männer anordnen können. Auch verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings sollen angeordnet werden können. Ob das Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode den Bundestag passieren wird, ist fraglich. Es berichten SZ, spiegel.de, beck-aktuell, zeit.de und bild.de (Lukas Bender).
NS-Raubkunst: Das Bundeskabinett stimmte der Einrichtung eines Schiedsgerichts zu, das die Arbeit der bisherigen Beratenden Kommission, einer Schlichtungsstelle, die nur bei beidseitiger Anrufung tätig werden konnte, bei der Rückführung von NS-Raubkunst ersetzen soll. Das Schiedsgericht soll auch bei einseitiger Anrufung tätig werden dürfen. Weil es sich um ein Abkommen zwischen Bund, Ländern und Kommunen handelt, ist eine Zustimmung der Parlamente nicht notwendig. In einem offenen Brief kritisierten etwa 100 Anwält:innen, Historiker:innen und Erb:innen das geplante Schiedsgericht als "schlechteres neues Verfahren", u.a. weil "ganze Opfergruppen wie verfolgte Kunsthändler", die die Kunstwerke unter dem Druck der Verfolgung veräußern mussten, die Werke nicht mehr zurückerhalten können. Es berichten FAZ (Ursula Scheer), taz (Klaus Hillenbrand) und spiegel.de.
Ausbürgerung: Nun gibt auch beck-aktuell die Einschätzung des Bundesinnenministeriums wieder, dass die Forderung von Friedrich Merz (CDU) zur Ausbürgerung straffälliger Doppelstaater:innen verfassungswidrig sei. zeit.de (Katharina Schuler) zeichnet die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Verlust der Staatsangehörigkeit nach. focus.de (Sebastian Scheffel) schildert die Diskussion ausführlich und ist skeptisch bezüglich der rechtlichen Möglichkeit, den Vorschlag zu verwirklichen.
Einbürgerung: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich laut der FAZ (Eckart Lohse) "sehr bedrückt" über die Forderung von Merz, die erleichterte Einbürgerung, die die Ampelkoalition 2024 beschlossen hat, wieder rückgängig machen zu wollen. Derweil kritisiert Reinhard Müller (FAZ), dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht "aufgeweicht" wurde. Es wäre ein "Fortschritt, kein Rückschritt", die Einbürgerung strengeren Vorgaben zu unterstellen.
Schwangerschaftsabbruch: Charlotte Parnack (Zeit) kritisiert die Blockadehaltung von CDU/CSU und FDP bei der Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Die Reform wäre eine "Beglaubigung eines längst vollzogenen gesellschaftlichen Wandels", weil mittlerweile 80 Prozent der Deutschen gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sind. Außerdem täte “ein feministisches Thema dem Wahlkampf all der Männer” gut. Hingegen argumentiert der Moraltheorie-Professor Jochen Sautermeister in der Welt gegen eine Reform, weil der Abbruch de facto gar nicht mehr kriminalisiert werde.
Lebenslange Freiheitsstrafe: CDU/CSU und AfD sprechen sich laut Welt (Nicolas Walter) für eine Anhebung der Mindestdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe aus. Die Union begründet dies mit einer gestiegenen Lebenserwartung, die AfD glaubt an einen Abschreckungseffekt. Expert:innen halten den Vorschlag für "wenig plausibel" und finden es "seltsam", dass "die Errungenschaften der modernen Medizin als Argument für eine Strafschärfung genommen werden".
Lohnfortzahlung bei Krankheit: Nun setzt sich auch die FAZ (Patricia Andreae u.a.) mit der Forderung des Allianz-Chefs Oliver Bäte, den Karenztag wieder einzuführen, auseinander.
Im Gespräch mit beck-aktuell (Maximilian Amos) weist der Rechtsanwalt Sebastian Maiß darauf hin, dass Arbeitgeber:innen seit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 2023 die Möglichkeit haben, Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu äußern und die Entgeltfortzahlung einzuhalten. Maiß findet, dass der "Weg über den Karenztag nur dann der richtige wäre, wenn es tatsächlich eine Evidenz dafür gäbe, dass Mitarbeiter ihren Arbeitgeber betrügen".
Kommunale Altschuldenhilfe im Grundgesetz: Das Bundesfinanzministerium legte einen Referentenentwurf vor, der die Einführung eines neuen Artikels 143h in das Grundgesetz vorsieht, damit der Bund sich einmalig zur Hälfte an den Kosten zur Entschuldung der Kommunen zu beteiligen könnte. Dem Bund ist eine Altschuldenhilfe bislang versagt, weil die Kommunen Teil der Länder sind. Die FAZ (Manfred Schäfers) berichtet. Nach dem Ende der Ampelkoalition habe das Projekt "keine Aussicht auf schnelle Realisierung".
AfD-Verbot: Die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) spricht sich gegenüber der Welt (Dirk Banse/Uwe Müller) gegen ein Verbot der Bundes-AfD aus. Indes hat sie keine Bedenken bezüglich des Verbots des AfD-Landesverbands Thüringen, weil dort seit längerem klar sei, dass die Verbotsvoraussetzungen vorliegen.
Rechtspolitik im Wahlkampf: beck-aktuell (Pia Lorenz u.a.) untersucht umfangreich die Forderungen der Parteien aus den Wahlprogrammen zu den Themengebieten Innere Sicherheit, Strafrecht und Migrationsrecht. Die Welt (Maximilian Heimerzheim) analysiert ebenfalls die Wahlprogramme der Parteien, allerdings lediglich in Hinblick auf die innere Sicherheit.
Justiz
EuG zu DSGVO-Verstoß der EU-Kommission: Die EU-Kommission muss Schadensersatz leisten, weil sie unter Verletzung der DSGVO-Vorgaben Daten für eine Veranstaltungsanmeldung an den Facebook-Mutterkonzern Meta übermittelte, indem sie einen "Sign in with Facebook"-Hyperlink nutzte. Damit sprach das Gericht der Europäischen Union dem Kläger einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 400 Euro zu, weil er nicht sicher sein konnte, wie die Daten von Facebook genutzt werden. FAZ (Katja Gelinsky), spiegel.de und beck-aktuell berichten.
BVerwG zu unterirdischen Stromkabeln: Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage von Landwirt:innen gegen die unterirdische Verlegung von Stromkabeln unter ihren Äckern ab, weil die Bauern entsprechende Entschädigungen erhalten, überirdische Leitungen aufgrund der zu hohen Belastung für Wohngebiete keine Alternative seien und unterirdische Kabel überirdische Biotope schützen. Es berichten zdf.de (Daniel Heymann) und tagesschau.de (Egzona Hyseni).
BAG zu Elternzeit/Urlaubsansprüche: Rechtsanwältin Davia Vijesh Kumar stellt im Expertenforum Arbeitsrecht eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem April 2024 vor, wonach die auf die Elternzeit entfallenden Urlaubsansprüche nicht gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz verfallen, weil das Fristenregime während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und der Elternzeit keine Beachtung findet.
BGH – Birkenstock-Sandalen: Am heutigen Donnerstag verhandelt der Bundesgerichtshof über drei Revisionen des Schuhherstellers Birkenstock, mit denen er urheberrechtlich gegen mutmaßliche Nachahmer vorgeht. Der BGH prüft, ob die Sandalen, wie vom Oberlandesgericht Köln entschieden, nur zweckmäßig sind oder ob sie als schöpferisches Kunstwerk urheberrechtlichen Schutz erfahren. Gänzlich ausgeschlossen ist letzteres nicht; der BGH stellte bereits einmal fest, dass "Sandalen potenziell urheberrechtsschutzfähig" sind, wie die SZ (Wolfgang Janisch) schreibt.
OLG Stuttgart – Mannheimer Messerangriff: Am 13. Februar startet vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Strafprozess gegen den Islamisten, der Ende Mai 2024 auf dem Mannheimer Marktplatz fünf Teilnehmende einer Kundgebung der islamkritischen "Bürgerbewegung Pax Europa" mit einem Messer angriff und den zu Hilfe eilenden Polizisten Rouven Laur tötete. Der Angeklagte muss sich in dem bis Oktober 2025 terminierten Verfahren wegen Mord und fünffachem versuchten Mord verantworten, so LTO.
VG Berlin – Niqab am Steuer: Am 15. Januar verhandelt das Verwaltungsgericht Berlin die Klage einer Niqab tragenden Muslima, der die Straßenverkehrsbehörde bislang die Ausstellung einer Ausnahmegenehmigung zur Verschleierung im Straßenverkehr verwehrte, wie bild.de schreibt.
Signa-Insolvenzverwalter vs. ehemalige Signa-Führung: Nach Informationen von spiegel.de (Kristina Gnirke) forderte der Signa-Insolvenzverwalter in einem Schreiben kurz vor Weihnachten von den ehemaligen Vorständ:innen und Aufsichtsrät:innen der Signa Prime Selection (SPS) Schadensersatz in Höhe von rund einer Milliarde Euro. Laut dem Insolvenzverwalter war die SPS spätestens seit dem 31. März 2022 insolvent. Die hätten die damaligen Führungspersonen wissen müssen und deshalb einen Insolvenzantrag einleiten müssen.
Recht in der Welt
USA – Donald Trump/Stormy Daniels: Nun schreibt auch LTO über die gescheiterten Versuche Trumps und seiner Anwälte, die für Freitag terminierte Strafmaßverkündigung wegen der Fälschung von Geschäftsunterlagen über Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar zu verhindern. Wie spiegel.de, focus.de und bild.de (Karen von Guttenberg) berichten, stellte Trump mittlerweile einen Eilantrag an den US-Supreme Court.
USA – Sturm auf das Kapitol: Wie die SZ meldet, plant das US-Justizministerium noch vor dem Amtsantritt Donald Trumps die Veröffentlichung des Abschlussberichts des Sonderermittlers Jack Smith zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Damit soll dem öffentlichen Informationsinteresse Rechnung getragen werden. Eine Bezirksrichterin in Florida behindert derzeit noch die Veröffentlichung des Berichts.
Sonstiges
Rechtsanwälte als NS-Täter: Rechtsprofessor Frank Schäfer spricht auf beck-aktuell (Monika Spiekermann) über seine von der Bundesrechtsanwaltskammer in Auftrag gegebene Untersuchung zur NS-Vergangenheit der BRAK-Vorgängerin Reichs-Rechtsanwaltskammer (RRAK). Der damalige RRAK-Präsident Reinhard Neubert "verstand sich nicht als Sachwalter anwaltlicher Interessen, sondern als Erfüllungsgehilfe des nationalsozialistischen Staats". Bereits 1933 legte die RRAK einen Entwurf für den 1935 erfolgten Ausschluss jüdischer Anwält:innen vor. Schäfer resümiert: "Die RRAK zeigt die dramatischen Konsequenzen auf, wenn Antidemokraten eine Institution übernehmen und pervertieren. Einmal an der Macht, mäßigen sie sich nicht, sondern radikalisieren sich immer weiter und zerstören damit die Zivilgesellschaft."
Grüneberg mit KI: Nun testete auch Rechtsanwalt Carsten Schier für LTO die KI-Anwendung "Frag den Grüneberg" für den BGB-Kommentar des Beck-Verlags. Die Anwendung, die man für 50 Euro zusätzlich erwerben kann, sei eher eine "Ergänzung anstelle einer Alternative zur Druckfassung". Auch wenn nicht alle Antworten der KI richtig seien, so könne man die Anwendung bereits jetzt sinnvoll im Berufsalltag einsetzen, so Schiers Fazit.
Verleger Hans Dieter Beck: Auf LTO erinnert Martin W. Huff an seine jahrelange Zusammenarbeit mit dem am 3. Januar verstorbenen Verleger Hans Dieter Beck. Beck habe über viel Weitsicht, Detailwissen und strategisches Denken verfügt.
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LTO/lh/chr
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Die juristische Presseschau vom 9. Januar 2025: . In: Legal Tribune Online, 09.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56289 (abgerufen am: 15.01.2025 )
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