CDU-Generalsekretär Linnemann fordert ein Register für psychisch kranke Gefährder. Eine Lehrerin klagte erfolgreich, nachdem sie wegen ihres Gewichts nicht verbeamtet wurde. Seit Jahresbeginn gilt in der Schweiz ein Niqab- und Burka-Verbot.
Thema des Tages
Psychisch kranke Gewalttäter: In einem Radiointerview zum Anschlag in Magdeburg sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann: "Es reicht nicht aus, Register anzulegen für Rechtsextremisten und Islamisten, sondern in Zukunft sollte das auch für psychisch Kranke gelten." Er forderte ferner "einen Austausch der Behörden untereinander, der Sicherheitsbehörden auch mit der Psychiatrie und Psychotherapeuten." bild.de (Marc Oliver Rühle) berichtet.
Daniela Sepehri (taz) nennt diese Aussage "verstörend und gesellschaftlich fatal", auch wenn Linnemann später klargestellt habe, er habe psychisch kranke Gewalttäter gemeint. "Wer ein Register fordert, fördert nicht nur Stigmatisierung, sondern schreckt auch diejenigen ab, die dringend Hilfe benötigen." Ein Register hätte den Attentäter von Magdeburg, Taleb al-Abdulmohsen, gar nicht erfasst, weil bei ihm keine entsprechende Diagnose vorgelegen habe. "Die meisten Gewalttaten stammen von Männern. Würde jemand ernsthaft vorschlagen, ein Register für Männer zu führen? Natürlich nicht – genauso absurd ist diese Debatte."
Rechtspolitik
Ausweisungen: Die Flüchtlingsrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte die Forderung von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, Ausländer:innen abzuschieben, die vorsätzlich zwei Straftaten begangen haben. Abschiebungen in Staaten, in denen Folter oder unmenschliche Lebensbedingungen drohen, stehe das internationale Recht klar entgegen. spiegel.de berichtet. Wie bild.de (Marius Kiermeier u.a.) schreibt, hat das Bundeskriminalamt im Jahr 2023 insgesamt 56.236 Flüchtlinge registriert, denen zwei oder mehr Straftaten zur Last gelegt wurden. Die Zahl geht auf die Polizeiliche Kriminalstatistik zurück.
Migration: Im Beschlussentwurf für ihre anstehende Landesgruppenklausur fordert die CSU eine unbefristete Abschiebehaft für alle Ausreisepflichtigen. Zudem sollen Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden. Ferner soll ein Bleiberecht künftig an ein "auskömmliches Einkommen" geknüpft werden. Neu ankommenden ukrainischen Flüchtlinge soll kein Bürgergeld mehr gezahlt werden. Dem Münchener Merkur (Mike Schier) liegt das Papier vor.
Vorratsdatenspeicherung: In einer Mitteilung der stv. Sprecherin der Bundesregierung, Christiane Hoffmann, von Montag hieß es, die Bundesregierung sei bereit, die Speicherpflicht von IP-Adressen einzuführen. "Wenn sich hierfür neue Mehrheiten im Bundestag finden lassen, kämen wir im Kampf gegen Terrorismus einen essentiellen Schritt weiter", heißt es in dem Schreiben. Wie die taz (Tobias Schulze) berichtet, bestreiten die Grünen jedoch, einer Vorratsdatenspeicherung zugestimmt zu haben. Ihre Position zu dem Thema bleibe unverändert.
Mutterschutz bei Fehlgeburt: Nun berichtet auch zeit.de über den Gesetzentwurf, nach dem künftig schon ab der 13. Schwangerschaftswoche ein gestaffelter Mutterschutz gelten soll. So soll ein angemessener Mutterschutz im Falle einer Fehlgeburt sichergestellt werden. SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU wollen das Gesetz noch vor der Wahl verabschieden.
AfD-Verbot: Christian Rath (taz) rechnet das Ausbleiben eines AfD-Verbotsverfahrens zu den guten Nachrichten des Jahres 2024. “Demokratie heißt, Wahlergebnisse auch dann zu akzeptieren, wenn sie weh tun.”
Social Media: In Deutschland und Europa intensiviert sich nach Einschätzung von faz.net (Hendrik Ankenbrand u.a.) die Debatte, ob die Nutzung von Social Media für Kinder nach australischem Vorbild verboten werden sollte. In Australien sei das Verbot sowohl in der Gesellschaft als auch unter den Parteien sehr anerkannt. In Europa versuche Spanien, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Die EU-Kommission setzt im Rahmen des Projektes EU-Consent auf die Entwicklung von Systemen zur Altersüberprüfung. Eine europaweit einheitliche Altersschwelle plant sie derzeit nicht.
Steuerliche Betriebsprüfung: Die Anwälte Philipp Kern und Dominik Wedel stellen auf FAZ-Einspruch rechtliche Änderungen für die steuerliche Betriebsprüfung vor, die seit 1. Januar gelten. So soll die Betriebsprüfung durch die Einführung neuer Fristen beschleunigt werden. Zudem gibt es künftig die Möglichkeit, Teilabschlussbescheide zu erlassen. Außerdem wird ein "qualifiziertes Mitwirkungsverlangen" eingeführt, dessen Missachtung mit einem Mitwirkungsverzögerungsgeld von 75 Euro für jeden vollen Kalendertag geahndet wird.
Justiz
VG Potsdam zu abgelehnter Verbeamtung wegen Body-Mass-Index: Eine 42-jährige Lehrerin klagte vor dem Verwaltungsgericht Potsdam gegen die Entscheidung des Landes Brandenburg, sie aufgrund eines Body-Mass-Indexes (BMI) von knapp über 30 nicht zu verbeamten. Das zuständige Schulamt stützte sich auf das Gutachten eines Amtsarztes, der Bedenken gegen ihre gesundheitliche Eignung geäußert hatte. Sie wiege rund 700 Gramm zu viel. Das Gericht hielt die amtsärztliche Stellungnahme für ungenügend, da sie nicht auf den individuellen Gesundheitszustand einging. Das Verfahren endete mit einem Vergleich. Die Lehrerin wurde auf Lebenszeit verbeamtet. spiegel.de (Judith von Plato) berichtet.
BAG 2024: LTO (Tanja Podolski) stellt zwölf Urteile des Bundesarbeitsgerichts aus dem letzten Jahr vor, die man kennen sollte. In den Urteilen zeige sich, dass es dem BAG durchweg um Fairness gehe. Keine einzige Entscheidung der Richter und Richterinnen sei überraschend.
Recht in der Welt
Schweiz – Verhüllungsverbot: In der Schweiz gilt seit dem 1. Januar ein Verhüllungsverbot für den öffentlichen Raum, das mit Geldstrafen bis zu 1.000 Franken geahndet wird. Das Gesetz geht auf eine Schweizer Volksabstimmung von 2021 zurück, mit der die Schweizer Verfassung geändert wurde. Die damalige Initiative wandte sich gegen eine Islamisierung der Schweiz, obwohl in der Schweiz nur 37 Frauen einen Niqab trugen und niemand eine Burka. Betroffen seien deshalb vor allem Tourist:innen. Das Gesetz sieht Ausnahmen vor, nach denen etwa das Tragen von Gesichtsmasken zum Gesundheitsschutz, Karnevalsverkleidungen sowie Verhüllungen bei Kunstaktionen erlaubt sein sollen. Wenn ohne Möglichkeit einer Verhüllung bei einer Versammlung die Versammlungs- oder Meinungsfreiheit eingeschränkt wäre, kann auch für diesen Anlass eine Erlaubnis erteilt werden. Die taz (Jonas Frey) berichtet.
Ungarn – Rechtsstaatlichkeit: Ungarn verliert mit dem Jahreswechsel EU-Gelder in Höhe von etwa einer Milliarde Euro, weil es Reformauflagen zur Sicherstellung der Rechtsstaatlichkeit nicht bis zum Jahresende umsetzte. Die EU-Kommission hatte die Freigabe der eingefrorenen Mittel daran geknüpft, dass Ungarn Gesetze zur Korruptionsbekämpfung erlässt. Gefordert wurden auch Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten. Den Forderungen kam Ungarn nicht nach. Insgesamt sind derzeit für Ungarn bestimmte EU-Gelder in Höhe von etwa 19 Milliarden Euro eingefroren. Die SZ berichtet.
Ulrich Ladurner (zeit.de) kommentiert, dass Viktor Orbán von der Provokation lebe und den Boden zerstöre, auf dem die Rechtsgemeinschaft EU gründe. Damit dürfe er nicht weiter durchkommen. Von einem Entzug der Stimmrechte nach Artikel 7 des EU-Vertrags sei zwar häufig gesprochen worden. Doch habe niemand diese Option genutzt. Um "Orbán und sein Machtsystem" zu treffen, müsse man "Geld zurückhalten, Finanzhilfen kürzen, isolieren. Da ist einiges möglich, wenn der politische Wille da ist."
Polen – Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit: Die taz (Gabriele Lesser) zieht nach dem ersten Jahr der neuen polnischen Regierung die Bilanz, dass Premier Donald Tusk die Schwierigkeiten bei der Wiederherstellung von Pressefreiheit und Rechtsstaat unterschätzt habe. Polens Präsident Andrzej Duda stehe genau wie das Verfassungsgericht einer Re-Demokratisierung des Landes im Weg. Besonders unzufrieden seien viele polnische Frauen, da die erhoffte Liberalisierung des strikten Abtreibungsrechts ausgeblieben sei. Immerhin konnte die Regierung erreichen, dass das Rechtsstaatlichkeitsverfahren von der EU-Kommission eingestellt wurde.
Bulgarien/Rumänien – Schengen: Die beiden EU-Staaten Bulgarien und Rumänien sind seit dem Jahreswechsel vollständige Mitglieder des Schengenraums. In der Silvesternacht wurde die Grenzöffnung mit dem Hochziehen der Schlagbäume gefeiert. Nur durch einstimmige Beschlüsse können neue Mitglieder in den Schengenraum aufgenommen werden. Österreich hatte die Aufnahme beider Länder lange blockiert und erst im Dezember aufgegeben, berichtet spiegel.de.
Italien – Asylverfahren in Albanien: Die italienische Regierung plant, im Januar neue männliche Flüchtlinge aus als sicher eingestuften Herkunftsstaaten in die Asylzentren in Albanien zu bringen. Damit reagiert sie auf die vor wenigen Tagen veröffentlichte Entscheidung des römischen Kassationsgerichts, wonach untergeordnete Gerichte nur Einzelfallprüfungen vornehmen dürfen. Die Entscheidung, Herkunftsländer als sicher einzustufen, sei dagegen Aufgabe von Ministerien. Italien stuft derzeit 19 Staaten als sichere Herkunftsländer ein. Mit einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes wird im April gerechnet, schreibt die FAZ (Matthias Rüb).
Großbritannien – Baby-Morde: Nach der Verurteilung einer Kinderkrankenschwester im August 2023 zu lebenslanger Haftstrafe wegen der Ermordung von sieben Babys und weiteren sechs Mordversuchen bleiben Zweifel an ihrer Schuld. Bei einem Großteil der toten Kinder, allesamt Frühchen, blieb die Todesursache unklar. spiegel.de (Alexandra Berlin) berichtet.
Südkorea – Kriegsrecht: Gegen den suspendierten südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol wurde Haftbefehl erlassen. Ein Gericht in Seoul gab dem Antrag der Staatsanwaltschaft am Dienstagmorgen statt. Sie hatte den Haftbefehl beantragt, nachdem Yoon auf drei Vorladungen der Behörde für Korruptionsermittlung nicht erschienen war. spiegel.de berichtet.
Argentinien/Nicaragua – Daniel Ortega: Ein argentinischer Bundesrichter erließ einen internationalen Haftbefehl gegen Nicaraguas Staatschef Daniel Ortega und seine Frau Rosario Murillo sowie einige seiner Mitarbeiter. Den Beschuldigten werden systematische Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Unter anderem ließ Ortega 2018 Proteste gegen ihn gewaltsam niederschlagen. Dabei sollen 300 Menschen getötet worden sein. spiegel.de berichtet.
Iran – Todesstrafe: In Iran, dem Land mit der zweithöchsten Zahl an Hinrichtungen weltweit, müssen die Familien ermordeter Menschen entscheiden, ob die Todesstrafe gegen den Täter vollstreckt wird. Sie haben ein Recht auf Vergeltung, können den zum Tode Verurteilten aber auch begnadigen. Zudem haben sie das Recht, Vergeltungszahlungen mit dem Täter auszuhandeln. Entscheiden sich die Familien für die Todesstrafe, haben sie die Pflicht, an der Hinrichtung teilzunehmen. In einigen Regionen müssen sie den Tod zudem selbst herbeiführen. In den meisten Fällen entschieden sich die Familie für eine sogenannte "Vergebung", also eine Begnadigung, berichtet faz.net (Friederike Böge).
Sonstiges
Geschlechtliche Selbstbestimmung: Seit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes am 1. November haben in Deutschland 4361 Personen, durchschnittlich etwa 100 Menschen pro Tag, ihren Geschlechtseintrag gewechselt. Dies hat bild.de (Daniel Peters/Franziska Ringleben) in Erfahrung gebracht.
Cannabis als Medizin: In einem Selbstversuch hat sich spiegel.de (Benjamin Maack) Cannabis per Onlinerezept verschreiben lassen. Ein Online-Anbieter vermittelte die Anfrage an einen Urologen aus Baden-Württemberg. Per Mausklick konnte unter anderem "Schlafstörung" als Grund für die Verschreibung ausgewählt werden. Rechtlich liege dieses Vorgehen in einer Grauzone. Laut Gesetz müsse ein Patient bei der Behandlung richtige und vollständige Angaben machen. Allerdings gelte zwischen Patient:in und Ärzt:in ein Vertrauensverhältnis. Das Standesrecht sehe allerdings vor, dass Ärzt:innen nur zu Behandlungszwecken tätig werden dürfen.
Das Letzte zum Schluss
BSW als Unionsmarke: Das "Bündnis Sahra Wagenknecht" ist nun als Wortmarke beim europäischen Markenamt angemeldet – unter anderem für Schuhwaren, Strampler und Jogginghosen. Dies berichtet bild.de (Hans-Wilhelm Saure). Das BSW erklärt die Markenanmeldung mit dem besseren Schutz vor Plagiaten und unautorisierten Onlineauftritten.
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LTO/pna/chr
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Die juristische Presseschau vom 1. bis 2. Januar 2025: . In: Legal Tribune Online, 02.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56240 (abgerufen am: 15.01.2025 )
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