Veröffentlicht ein Landkreis kostenlos Stellenangebote, verstößt dies gegen das Gebot der Staatsferne der Presse. Das SG Karlsruhe kritisierte die Argumentation eines Jobcenters. Das ECCHR geht erneut gegen Rüstungsexporte nach Israel vor.
Thema des Tages
BGH zu Stellenanzeigen durch Landkreis: Ein Landkreis darf in seinem Online-Portal nicht kostenlos Stellenanzeigen veröffentlichen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden und damit dem Verlag einer Tageszeitung, eines Anzeigenblattes und zweier Online-Portale recht gegeben. Die Veröffentlichung der Stellenanzeigen durch den Landkreis Grafschaft Bentheim verstoße gegen das Gebot der Staatsferne der Presse. Außerdem handele der Landkreis wettbewerbswidrig. Bei der Veröffentlichung der Anzeigen handele es sich um eine geschäftliche Handlung – selbst dann, wenn der Landkreis dafür kein Entgelt verlange. Der Verlag hatte geklagt, weil die Veröffentlichung kostenloser Kleinanzeigen durch den Landkreis sein Geschäft mit kostenpflichtigen Stellenanzeigen und damit sein Geschäftsmodell gefährde. Es schreibt LTO.
Rechtspolitik
AfD-Verbot: Heribert Prantl (SZ) spricht sich in seiner Kolumne erneut für einen AfD-Verbotsantrag aus. Ein solcher sei Zeichen einer wehrhaften Demokratie. Dagegen zeuge das Einknicken vor der AfD von fehlendem demokratischem Selbstbewusstsein. Der Autor konstatiert: “Ein Verbotsantrag gegen die AfD ist ein wichtiges Wagnis, kein eskapistisches Abenteuer.” Er erinnert auch an den SPD-Politiker Herbert Wehner, der 1950 handgreiflich einen Alt-Nazi der Deutschen Partei aus dem Bundestag gedrängt hatte.
Antisemitismus: Die SZ (Ronen Steinke) berichtet über den aktuellen Stand des Streits um die für November geplante Resolution des Bundestags, in den sich nun auch Wissenschaftler:innen eingeschaltet haben, darunter etwa der Völkerrechtler und ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts Andreas Paulus. Sie schlagen vor, der Zivilgesellschaft keine allzu engen Vorgaben bei der Definition von Antisemitismus zu machen.
Deepfakes: LTO (Leonie Schilling) gibt einen Überblick über mögliche rechtliche Regelungen gegen die Bedrohung durch sogenannte Deepfakes. So fordert der Bundesrat auf bayerische Initiative hin eine spezifisch auf Deepfakes zugeschnittene Vorschrift zum Persönlichkeitsschutz in einem neuen § 201b StGB. Bundesregierung und Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kritisierten den Entwurf. Die BRAK forderte indes eine Ergänzung des § 201a StGB, nach der die Verbreitung von wirklichkeitsgetreuen KI-Bildern nur dann strafbar sein soll, sofern sie geeignet ist, dem Abgebildeten erheblich zu schaden.
Schwangerschaftsabbruch: Sabine Rennefanz (spiegel.de) kritisiert in ihrer Kolumne den vergangene Woche von 26 Organisationen vorgelegten Gesetzentwurf zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 22. Woche als zu "extrem".
Der Medizinstudent Simon Barmann fordert in der taz einen “Doppel-Wumms”. Neben der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen solle auch das Medizinstudium verbessert werden, damit genügend Ärzt:innen lernen, wie man Abtreibungen durchführt.
Asyl und Migration: Auf ihrer Jahreskonferenz in Leipzig forderten die Ministerpräsidenten der CDU und CSU eine härtere Migrationspolitik. So sprachen sie sich etwa für Zurückweisungen an der Grenze, Asylverfahren in Drittstaaten und eine mögliche Änderung der Verfassung aus. Die Ministerpräsident:innen der SPD zeigten sich den Plänen gegenüber skeptisch. Es berichtet die FAZ (Markus Wehner).
Bürokratieabbau: Im Interview mit der Rechtsanwältin Julia Förster spricht spiegel.de (Florian Gontek) über die Neuerungen des Bürokratieentlastungsgesetzes, das am 1. Januar 2025 in Kraft treten wird, und fasst zusammen, was sich für Beschäftige und Arbeitgeber:innen ändern wird.
Justiz
SG Karlsruhe zu Übernahme von Umzugskosten: Nachdem eine depressive Bürgergeldbezieherin beim Karlsruher Jobcenter die Übernahme der Umzugskosten für sich und ihre zwei pflegebedürftigen Kinder in eine günstigere Wohnung beantragt hatte, lehnte die Behörde die Übernahme der Kosten einer Spedition mit der Begründung ab, die Frau solle den Umzug unter Zuhilfenahme von Familien, Freund:innen, studentischer Helfer:innen oder ihres Anwalts organisieren. Das Sozialgericht Karlsruhe gab der Frau nun recht und konstatierte in einem der Leitsätze, dass sich die Angemessenheit von Umzugskosten "nicht nach dem im Einzelfall missgünstigen Sozialneid öffentlich Bediensteter" und den Selbsthilfemöglichkeiten von Jobcenter-Mitarbeiter:innen richte, so beck-aktuell (Joachim Jahn).
VG Frankfurt/M. - Rüstungsexporte nach Israel: Nachdem das Verwaltungsgericht Frankfurt/M. kürzlich einen Eilantrag gegen die Genehmigung von Rüstungsexporten nach Israel durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als "unzulässig und auch offensichtlich unbegründet" abgelehnt hatte, hat das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) nun im Namen eines Mannes aus Gaza erneut einen Eilantrag beim VG Frankfurt/M. gestellt. Dieser bezieht sich auf eine Genehmigung des BAFA von Panzerersatzteilen des Herstellers Renk. Der Eilantrag soll die Auslieferung der Teile einstweilig stoppen. LTO (Max Kolter) berichtet ausführlich. Ein Erfolg des Eilantrags sei fraglich, da die zuständige VG-Kammer wohl wieder das Ermessen der Bundesregierung betonen werde.
EuGH zu Vitra-Stuhl: Kunstwerke aus Drittstaaten müssen in der EU genauso geschützt werden wie Werke von Künstler:innen aus EU-Mitgliedstaaten. Das entschied der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des Obersten Gerichtshofs der Niederlande. In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte der Schweizer Möbelhersteller Vitra, der den von den US-Designern Charles und Ray Eames entworfenen Stuhl "Dining Sidechair Wood" vermarktet, dem niederländischen Möbelhändler Kwantum vorgeworfen, mit seinem "Paris-Stuhl" die Urheberrechte am "Dining Sidechair Wood" verletzt zu haben. Es berichten FAZ (Marcus Jung) und LTO.
EuGH zu Wettbewerbsstrafe gegen Intel: Der Technologiekonzern Intel ist von der Europäischen Kommission zu Unrecht mit einer Wettbewerbsstrafe in Milliardenhöhe belegt worden. Dies hat der Europäische Gerichtshof laut LTO entschieden und damit eine entsprechende Entscheidung des EuG bestätigt. Dieses war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wettbewerbshüter der EU-Kommission in dem Verfahren gegen Intel nicht sauber gearbeitet hatten. Die Behörde hatte dem Konzern vorgeworfen, mit Rabatten seine beherrschende Stellung auf dem Markt ausgenutzt zu haben. Ob dies der Fall war, beantwortete das aktuelle Verfahren nicht abschließend.
BGH zu Kündigung trotz Mietnachzahlung: Am Dienstag bestätigte der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine Nachzahlung angefallener Mietschulden innerhalb der sogenannten Schonfrist von zwei Monaten lediglich die fristlose Kündigung durch den Vermieter unwirksam mache, nicht aber eine parallele ordentliche Kündigung. Die meisten Gerichte folgen dem BGH, nicht aber die 66. Zivilkammer am Landgericht Berlin. Auch der vorliegende Fall stammte von dieser Kammer, die davon überzeugt ist, dass der Gesetzgeber mit der Schonfristregelung Obdachlosigkeit vermeiden wollte und deshalb auch die ordentliche Kündigung unwirksam werden müsse. Es berichtet die taz (Christian Rath).
Christian Rath (taz) argumentiert in einem separaten Kommentar, dass die Berliner Zivilkammer gute Argumente auf ihrer Seite habe und kritisiert, dass sich politisch bislang noch nichts getan hat. So sprächen sich zwar SPD, Grüne, Linke und selbst die AfD für eine gesetzliche Klarstellung aus, dass Schonfristzahlungen auch ordentliche Kündigungen unwirksam machen, auch habe es Initiativen im Bundesrat gegeben. Dass trotz einer Ankündigung im Ampel-Koalitionsvertrag in dieser Wahlperiode nicht einmal ein Eckpunktepapier vorgelegt worden sei, liege wohl daran, dass Justizminister Marco Buschmann (FDP) keinen Wert auf mieterfreundliche Gesetzesänderungen lege.
BGH – Autoschaden in Waschanlage: Der Bundesgerichtshof verhandelte die Frage, wer haftet, wenn in einer Waschanlage ein Schaden am Auto eintritt. Die Vorinstanzen waren sich uneinig. Der Fall sei laut dem Vorsitzenden Richter, Rüdiger Pamp, gerade deshalb interessant, weil feststehe, dass sowohl der Pkw als auch die Waschanlage ursprünglich in ordnungsgemäßen Zustand waren. Es gehe daher in erster Linie um die Frage, wer dafür verantwortlich ist, wenn Auto und Anlage nicht "zueinander passen". Eine klare Tendenz, in welche Richtung das Urteil ausfallen könnte, ließen die Richter:innen bislang nicht erkennen, schreibt LTO.
BAG zu Kündigung und Betriebsübergang: Die Rechtsanwältin Kim Kleinert stellt im Expertenforum Arbeitsrecht eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von Juli 2023 vor, wonach Geschäftsführer:innen, die ihre Tätigkeit aufgrund eines Arbeitsvertrages ausüben, die Organstellung im Falle eines erwartbaren Betriebsübergangs zeitlich – und sei es nur wenige Minuten – vor Ausspruch einer Kündigung niederlegen müssen, um Schutz als Arbeitnehmer:innen zu genießen und einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu erreichen.
OLG München – Claudia Pechstein: Im Rechtsstreit zwischen Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und der Internationalen Eislaufunion (ISU) schlug das Oberlandesgericht München einen Vergleich vor. Sollte es nicht zu einer außergerichtlichen Einigung kommen, werde der Prozess Mitte Februar 2025 fortgesetzt. Pechstein verlangt Schadensersatz in Höhe von 8 Millionen Euro, weil die ISU die Sportlerin 2009 wegen auffälliger Blutwerte für zwei Jahre als vermeintliche Doperin gesperrt hatte. Sie beruft sich auf eine angeborene Abnormalität ihres Blutbildes. beck-aktuell berichtet.
OLG Frankfurt/M. - Umsturzpläne/Reuß: Das Strafverfahren gegen mutmaßliche Mitglieder der Gruppe Reuß wurde am Oberlandesgericht Frankfurt/M. mit der erneuten Vernehmung von Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann fortgesetzt, so die FAZ (Jonas Wagner). Ab 2020 habe die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete angefangen, sich in Telegram-Kanälen zu informieren, sagte sie. Dort habe sie Hinweise auf einen einflussreichen Pädophilenring erhalten. Dass die Gruppe Reuß einen Umsturz geplant habe, bestritt Malsack-Winkemann erneut. Bei der vermeintlichen Auskundschaftung des Bundestags habe es sich lediglich um eine Führung gehandelt.
VG Freiburg zu Rundfunkbeitrag: Laut LTO hat das Verwaltungsgericht Freiburg entschieden, dass der Rundfunkbeitrag auch dann gezahlt werden muss, wenn das Programm nicht gefalle oder nicht genutzt werde, da es nicht "offenkundig" mangelhaft sei. Es sei Aufgabe der Rundfunkräte, die Einhaltung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags zu überwachen. Erst bei "offenkundigen" Mängeln kämen Gerichte ins Spiel. Das VG lehnte es ab, das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, weil es von der Verfassungsmäßigkeit der Beitragserhebung überzeugt sei.
LG Erfurt zu Dieselskandal/Rechte der Natur: Auch die taz (Nick Reimer) analysiert nun die Entscheidung des Landgerichts Erfurts von letzter Woche, in dem dieses erneut in einem Diesel-Schadensersatz-Fall Eigenrechte der Natur anerkannte, die sich "schutzverstärkend" auf den Schadensersatzanspruch von Dieselkäufer:innen auswirken können.
StA Verden – Daniela Klette: Laut LTO plant die Staatsanwaltschaft Verden, bis Ende November ihre Ermittlungen gegen die frühere mutmaßliche RAF-Terroristin Daniela Klette wegen versuchten Mordes im Rahmen von acht Raubüberfällen abzuschließen und Anklage zu erheben. Es sei geplant, den Prozess in Verden stattfinden zu lassen, die Suche nach einer geeigneten Räumlichkeit sei aber schwierig.
Recht in der Welt
EGMR/Litauen – Inhaftierung Geflüchteter: Die SZ (Lena Kampf/Mohamed Amjahid) berichtet über Sajjad M., der beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde gegen die litauische Regierung eingereicht hat, nachdem er in Litauen – wie es 2021 und 2022 die dortige Praxis war – als Geflüchteter über lange Zeit inhaftiert war. Das Gericht prüft nun, ob M. einer unmenschlichen oder herabwürdigenden Behandlung ausgesetzt und in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war.
USA – Missbrauch in Modeunternehmen: Der ehemalige Chef des Modeunternehmens "Abercrombie & Fitch" Mike Jeffries ist wegen schwerer Sexualverbrechen an angehenden Models angeklagt. Neben Jeffries wurden auch zwei weitere Männer festgenommen. Ihnen werden staatenübergreifende Prostitution und Sexhandel mit jungen Männern vorgeworfen. spiegel.de fasst Hintergründe, Ablauf und mögliche Folgen der Ermittlungen in einem Frage-Antwort-Format zusammen.
USA – Suizid als Folge von Chatbot-Gesprächen: In einer beim Bundesgericht in Orlando eingereichten Klage wirft eine Mutter aus Florida dem Chatbot-Start-up Character.ai vor, den Suizid ihres Sohnes verursacht zu haben, so die SZ (Jannis Brühl). Der 14-Jährige sei süchtig nach dem Service des Chatbots "Daenerys Targaryen" geworden und habe eine tiefe Bindung zu ihm aufgebaut. Die Klage richtet sich auch gegen den Google-Konzern Alfabet, weil Character.ai eine Ausgründung von Alfabet ist. charakter.ai argumentierte, im Chatfenster sei stets der Hinweis sichtbar: "Bitte immer daran denken: Alles, was Charaktere sagen, ist erfunden!"
Russland/Nordkorea – Angriffskrieg gegen die Ukraine: Der akademische Mitarbeiter Simon Gauseweg beleuchtet auf LTO, ob und unter welchen Umständen die Verlegung von rund 3.000 nordkoreanischen Soldaten nach Russland einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt.
Das Letzte zum Schluss
Schlechtes Vorbild: Statt seiner Fahrschülerin das Autofahren beizubringen, griff ein Fahrlehrer in Freiburg ohne ersichtlichen Grund in das Fahrgeschehen ein und verursachte dadurch einen Unfall, bei dem seine Schülerin leicht verletzt wurde. Während sich andere Anwesende um die Frau kümmerten, floh der 25-Jährige mit dem Fahrschulauto vom Unfallort. Ein späterer Atemalkoholtest ergab einen Wert von fast 2,5 Promille, so spiegel.de.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/bo/chr
(Hinweis für Journalist:innen)
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Die juristische Presseschau vom 25. Oktober 2024: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55709 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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