Die juristische Presseschau vom 22. Oktober 2024: Meloni will Alba­ni­en­mo­dell retten / OLG Hamm zu Mops­kauf / Elon Musks Geld-Ver­lo­sung

22.10.2024

Die italienische Regierung will mit einem Dekret das Gerichtsurteil zum Albanien-Modell aushebeln. Die Käuferin eines erkrankten Mopses bekommt keinen Schadensersatz. Elon Musks Millionengeschenke für Wähler:innen könnten rechtswidrig sein.

Thema des Tages

Italien – Asylverfahren in Albanien: Nachdem am Freitag ein römisches Gericht angeordnet hatte, zwölf bangladeschische und ägyptische Asylbewerber aus einem italienischen Lager auf Albanien zu holen und nach Italien zu bringen, reagierte die italienische Regierung von Giorgia Meloni mit einem Dekret. Darin listet sie mit Gesetzeskraft 19 "sichere Herkunftsstaaten" auf, darunter auch Bangladesch und Ägypten. Das Gericht hatte angeordnet, die Asylbewerber aus Ägypten und Bangladesch aufs italienische Festland zu bringen, weil beide Länder nach den Kriterien eines aktuellen EuGH-Urteils keine sicheren Herkunftsstaaten seien. Da für diese Einordnung das Unionsrecht vorrangig ist, dürfte das neue Dekret rechtlich unbedeutend sein. Unterdessen griff die Regierung die Richterschaft an. Justizminister Carlo Nordio sagte, es stehe der Justiz nicht zu, Entscheidungen einer Regierung zu korrigieren, die den Willen des Volkes zum Ausdruck bringe. Er nannte das Urteil "abnormal". Die Regierung will Berufung einlegen. Es berichten SZ (Marc Beise), FAZ (Matthias Rüb), zeit.de, spiegel.de und LTO.

Carsten Volkery (Hbl) kommentiert, Melonis Einstellung, dass die Politik und nicht die Gerichte über sichere Herkunftsstaaten zu entscheiden habe, erinnere an Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Dass Meloni im gleichen Maße die Unabhängigkeit der Justiz untergraben werde, glauben Beobachter zwar nicht. Dennoch werde die italienische Entwicklung in Brüssel genau verfolgt.

Rechtspolitik

Sicherheitspaket/Gesichtserkennung: Nachdem die unionsgeführten Bundesländer am Freitag im Bundesrat das zustimmungsbedürftige "Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung" gestoppt hatten, das Teil des Sicherheitspakets war, fordert die Unionsfraktion eine Nachbesserung des Gesetzes im Vermittlungsausschuss. Die Polizei soll den biometrischen Abgleich von Fahndungsfotos mit Fotos aus dem Internet nicht nur bei besonders schweren Straftaten nutzen dürfen. Zudem fordert die Union die Einführung der Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen. Die Bundesregierung hatte sich kürzlich auf das grundrechtsschonendere, aber weniger effiziente Quick-Freeze-Verfahren geeinigt. FAZ (Peter Carstens), spiegel.de (Sophie Garbe u.a.) und netzpolitik.org (Constanze Kurz) berichten. tagesschau.de bringt ein Frage-Antwort-Stück.

Die taz (Christian Rath) stellt heraus, dass die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss möglicherweise nicht anrufen wird. Schließlich wisse sie selbst noch nicht, wie sie die biometrische Gesichtserkennung rechtmäßig umsetzen könne. "Da wäre es geradezu bequem, wenn die Bundesregierung darauf verweisen könnte, dass ja leider die CDU/CSU-regierten Länder das Gesetz im Bundesrat gestoppt haben."

Nachrichtendienste: Im Anschluss an den am Sonntag bekannt gewordenen mutmaßlichen Anschlagsversuch eines IS-Anhängers auf die israelische Botschaft in Berlin fordern verschiedene Politiker:innen, die Befugnisse der Nachrichtendienste auszuweiten. Der Hinweis, der zur Festnahme führte, kam wie auch in früheren Fällen von einem ausländischen Nachrichtendienst. Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer sagte, seine Behörde könne ihre Fähigkeiten nicht voll ausschöpfen, weil ein falsches Datenschutzverständnis ihr die Hände binde. Es berichten spiegel.de, bild.de (Nikolaus Harbusch u.a.) sowie LTO.

Jasper von Altenbockum (FAZ) fordert erweiterte Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, indem er fragt, wie lange sich "deutsche Politiker noch ohnmächtig stellen" wollen. Lennart Pfahler (Welt) argumentiert: "Nur wer bereit ist, das Korsett zu lockern, in dem die deutschen Dienste stecken, wird die Abhängigkeit von internationalen Zuarbeitern reduzieren." 

Asyl/Leistungsstreichung für Dublin-Flüchtlinge: Die im beschlossenen Teil des Sicherheitspakets geregelten Leistungsstreichungen für Geflüchtete, deren Ausreise nach den Dublin-Regeln "rechtlich und tatsächlich" möglich ist, könnte zu wachsender Obdachlosigkeit führen, weil Dublin-Flüchtlinge nun untertauchen, fürchten Flüchtlings-Aktivist:innen in Berlin. Möglicherweise läuft das Gesetz auch leer, weil die betroffenen Flüchtlinge massenweise gegen die Leistungsstreichungen klagen. Die taz berlin (Susanne Memarnia) berichtet.

Partizipation: Der Rechtsprofessor Gregor Thüsing kommentiert auf beck-aktuell eine Quotenregelung für Migrant:innen im öffentlichen Dienst, die von der SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagen wurde. Quotenregelungen seien ungerecht für denjenigen, der nicht die Quote erfüllt und daher "bei gleicher Qualifikation zurückgestellt wird. Er wird schlechter behandelt aufgrund eines Umstands, für den er nichts kann". Jede Quote müsse daher verhältnismäßig ausgestaltet werden.

AfD-Verbot: Nun stellt auch zdf.de (Jan Henrich/Daniel Heymann) die zentralen Hürden eines AfD-Parteiverbotsverfahrens dar.

Justiz

OLG Hamm – Hundekauf: Das Oberlandesgericht Hamm wies die Berufung einer Hundehalterin ab, die Schadensersatz verlangte, weil ihre Mopshündin "Wilma" an einer Augenkrankheit leidet, über die sie beim Kauf nicht aufgeklärt wurde. Die Stadt Ahlen berief sich als Verkäuferin des Hundes erfolgreich darauf, dass das Tier zum Zeitpunkt des Kaufs noch nicht krank war. Die Verhandlung um die Hündin, die zunächst unter ihrem vorherigen Namen "Edda" bekannt wurde, wurde auch von internationalen Medien begleitet. SZ (Joshua Beer), FAZ, spiegel.de und LTO (Marcel Schneider) berichten.

EuGH zu Bio-Logo/EuGH zu Bezeichnung veganer Ersatzprodukte: Das Hbl (Alexander Pradka) berichtet über zwei EuGH-Urteile aus dem Oktober. Zum einen hat der EuGH entschieden, dass auch Produkte aus Nicht-EU-Staaten nur dann das Bio-Logo tragen dürfen, wenn sie alle Vorgaben des Unionsrechts einhalten. Es genüge nicht, wenn sie gleichwertige Vorschriften einhalten. Zum anderen kippte der EuGH das Dekret der französischen Regierung, wonach vegane Ersatzprodukte nicht als "Schnitzel" oder "Wurst" bezeichnet werden durften.

OLG Köln – Postbank-Übernahme: Am morgigen Mittwoch wird das Urteil des OLG Köln im Verfahren um die Postbank-Übernahme erwartet. Es geht darum, wie viel Geld die Deutsche Bank den Altaktionär:innen der Postbank zahlen muss. Da das Gericht im Frühjahr zu erkennen gab, dass es zulasten der Deutschen Bank entscheiden könnte, hatte diese Ende April eine Rückstellung in Höhe von 1,3 Milliarden Euro gebildet. Die FAZ (Hanno Mußler) berichtet.

OVG Berlin-BB zu Auskunftsanspruch/BMI-Unterlassungsforderungen: Wie die FAZ (Michael Hanfeld) meldet, entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Eilverfahren, dass das Bundesinnenministerium dem Portal Nius mitteilen muss, gegen welchen Journalisten es 2022 wegen welcher Aussage Unterlassung forderte. Auf Anfrage des Portals hatte das Ministerium nur mitgeteilt, dass es insgesamt ein solches Verfahren gab.

LSG BaWü zu verspätetem Gutachten: Ein Gutachten aus dem Bereich der Schmerzmedizin, das erst sechs Monate nach der Untersuchung des Patienten eingereicht wird, muss vom Gericht nicht vergütet werden. Da der Sachverständige sich nach dieser Zeitspanne nicht mehr ausreichend erinnern könne, sei das Gutachten unverwertbar, entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg. beck-aktuell berichtet.

AG Bad Iburg – Schöffe: Das Amtsgericht in Bad Iburg prüft, ob es beim OLG Oldenburg die Amtsenthebung eines Schöffen beantragt, der auf der Plattform X verschiedene ausländer- und islamkritische Posts veröffentlicht hatte. Der Schöffe, der als FDP-Kommunalpolitiker aktiv ist, machte einen Richter nach ersten Medienberichten selbst auf die Posts aufmerksam. Dieser bestellte daraufhin im konkreten Verfahren einen Ersatzschöffen. LTO berichtet.

Öffentlichkeit in Vergewaltigungs-Prozessen: Im Interview mit der Welt (Uma Sostmann) erläutert die Rechtsanwältin des Weißen Rings Christa Luise Schillmann, wann in deutschen Vergewaltigungs-Prozessen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann bzw. muss. Wenn das Opfer dem Ausschluss widerspricht, wie Gisèle Pelicot in Frankreich, müsse der Prozess öffentlich geführt werden.

Recht in der Welt

USA – Geld für Petition: Elon Musk hat angekündigt, bis zur US-Wahl täglich eine Million Dollar unter Personen zu verlosen, die sich in einem der sieben besonders umkämpften US-Staaten für die Wahl registriert haben und eine Petition für das Recht auf freie Meinungsäußerung unterschreiben. In den USA wird diskutiert, ob er damit gegen das gesetzlich festgeschriebene Verbot verstößt, Menschen für das Wählen oder für die Registrierung zum Wählen zu bezahlen. Während teilweise eine "Grauzone" angenommen wird, bezeichnen andere die Aktion als "klar illegal". Es berichten SZ (Peter Burghardt), FAZ (Roland Lindner), netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) und bild.de (Silke Hümmer).

USA – Central Park Five: Fünf Männer, die als "Central Park Five" zu Unrecht verurteilt wurden, 1989 eine Joggerin im Central Park vergewaltigt zu haben, verklagen Donald Trump wegen Verleumdung. Obwohl die fünf Männer 2002 entlastet wurden, hatte er in der Fernsehdebatte gegen Kamala Harris impliziert, sie hätten sich schuldig bekannt. zeit.de berichtet.

USA – Verfassung: Die FAZ (Nina Rehfeld) rezensiert den Film "USA: Demokratie unter Beschuss", in dem Trumps Erfolg mit der Funktionsweise der US-Verfassung in Verbindung gebracht wird. Als "Ursünde" bezeichnet einer der interviewten Experten die fehlende Festlegung grundlegender Menschenrechte in der Verfassung. Der Film sei teilweise zu ambitioniert, trotzdem aber sehenswert, so die Einschätzung.

Philippinen – Entführer von Familie Wallert: Auf den Philippinen wurden 17 islamistische Terroristen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Sie hatten gestanden, im Jahr 2000 an der Geiselnahme der deutschen Familie Wallert und anderer Tourist:innen beteiligt gewesen zu sein. spiegel.de berichtet.

Juristische Ausbildung

Belästigungen beim European Law Moot Court: Mehrere Jurastudentinnen berichten gegenüber einem Investigativ-Portal von sexuellen Belästigungen durch einen Richter am EuGH im Rahmen eines dort veranstalteten Moot Courts. Er habe übergriffige Bemerkungen geäußert. Auch von unangemessenen Berührungen ist die Rede. Der EuGH leitete eine Untersuchung ein, die jedoch ohne Ergebnis blieb. beck-aktuell (Maximilian Amos) fasst die Vorwürfe zusammen und geht der Frage nach, ob der EuGH sich unter eine Ethik-Aufsicht stellen sollte.

Sonstiges

Demokratie: Bei einer Tagung der Internationalen Juristen-Kommission wurde darüber diskutiert, warum sich die Demokratie in einer Krise befindet. Wie die SZ (Wolfgang Janisch) schreibt, wurde als Ursache der "demokratischen Pathologie" unter anderem die zunehmende Individualisierung angesprochen. Aus dieser folgten oft übersteigerte Anforderungen an die Politik.

Digitale Dienste/X: Die EU-Kommission, die gegen X wegen Verstößen gegen den Digital Services Act (DSA) ermittelt, hat angedroht, bei der Berechnung etwaiger Geldstrafen auch die Umsätze anderer Unternehmen Elon Musks zu berücksichtigen und ihn als natürliche Person für Inhalte in Haftung zu nehmen. Er – und nicht das Unternehmen – könnte demnach als "Anbieter" im Sinne des DSA gelten, da er "entscheidenden Einfluss" auf die Plattform ausübe. Das Hbl (Jan Lutz/Olga Scheer) berichtet.

Betrug durch falsche Justizbeamt:innen: Die SZ (Johann Osel) berichtet in ihrem Münchener Lokalteil über vermehrt auftretende Betrugsversuche, bei denen sich die Betrüger als Mitarbeiter der Justiz ausgeben und auch deren Namen, Adressen und Symbole verwenden, um an Geld zu gelangen. Neben falschen Anklagen kämen auch Fake-Haftbefehle wegen angeblicher Kinderpornografie-Straftaten zum Einsatz.

Arbeitgeber: Vor dem Arbeitgebertag setzt sich die SZ (Ronen Steinke) im aktuellen Lexikon mit dem Begriff des Arbeitgebers auseinander. Eigentlich seien es ja nicht die Chefs, sondern umgekehrt eher die Beschäftigten, die eine Arbeitsleistung an die Chefs "geben". Aber geben sei seliger als nehmen und "Arbeitgeber" daher "ein wohlklingendes Wort".

Max Schrems: Die FAZ (Michaela Seiser) portraitiert den österreichischen Juristen und Datenschutzaktivisten Max Schrems, der zuletzt Anfang Oktober vor dem EuGH erneut ein Urteil gegen Metas Datenverarbeitung errang. Seine Organisation "None of your business" (Noyb) habe bislang an 864 Fällen gearbeitet. Anhängig seien derzeit noch 500.

Rudolf Wiethölter: Die FAZ (Alexandra Kemmerer) blickt auf das Leben des Rechtsprofessors Rudolf Wiethölter zurück, der Anfang des Monats im Alter von 96 Jahren starb. Er war im Winter 1967/68 mit dem "Funk-Kolleg Rechtswissenschaft" bekannt geworden und hatte sich für eine demokratisierte Juristenausbildung eingesetzt.

 

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LTO/pna/chr

(Hinweis für Journalist:innen)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Oktober 2024: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55681 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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