Die juristische Presseschau vom 8. Januar 2021: Last Minute-Amts­ent­he­bung von Trump? / Moder­ni­sie­rung des Zivil­pro­zesses? / Mord­fall Peggy im TV

08.01.2021

Wird Donald Trump wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit noch seines Amts enthoben? Arbeitsgruppe aus der Justizspitze stellt Pläne zur Modernisierung des Zivilprozesses vor und im TV kommt eine Doku zum Mordfall Peggy.

Thema des Tages

USA – Donald Trump: Nach den gestrigen Ausschreitungen im Kapitol in Washington wird in den USA u.a. vom künftigen Mehrheitsführer im Senat, dem Demokraten Chuck Schumer, gefordert, Trump noch zwei Wochen vor dem offiziellen Ende der Amtszeit seines Amtes zu entheben. Denkbar ist entweder ein erneutes Impeachment-Verfahren, das im Schnelldurchlauf vollzogen werden könnte, oder aber eine Berufung auf den 25. Zusatzartikel der Verfassung, der anlässlich des Mordes an John F. Kennedy eingeführt wurde und einen schnellen Machtwechsel in Krisen ermöglichen sollte. Mit Zustimmung einer Mehrheit der 15 Kabinettsminister könnte Vizepräsident Mike Pence den Kongressführern mitteilen, "dass der Präsident unfähig ist, die Rechte und Pflichten seines Amtes auszuüben". Von dem Moment an würden Trumps Aufgaben und Befugnisse an ihn übergehen; Trump bliebe aber Präsident. Im Gespräch mit LTO (Annelie Kaufmann) hält Rechtsprofessor Kirk W. Junker beides für möglich und erhofft sich dadurch vor allem ein "historisches Signal". Auch die US-amerikanische Professorin für Internationale Beziehungen Kim Lane Scheppele plädiert auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) eindringlich für eine schnelle Amtsenthebung Trumps noch vor dem 20. Januar. Die SZ (Claus Hulverscheidt) hingegen beschreibt beide Alternativen als politisch heikel und binnen 14 Tagen kaum umsetzbar. Die FAZ (Andreas Ross) berichtet ebenfalls.

Rechtspolitik

ZPO: Eine Arbeitsgruppe der Präsidentinnen und Präsidenten der obersten Landesgerichte sowie des Bundesgerichtshofs hat ein Diskussionspapier zur "Modernisierung des Zivilprozesses" für den Zivilrichtertag am 2. Februar 2021 veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe spricht sich in dem Papier, das LTO ausführlich darstellt, für eine Abschaffung des Telefax als Übermittlungsweg aus. Daneben fordert die Arbeitsgruppe unter anderem die Einführung eines beschleunigten Online-Verfahrens, mit dem Bürger ihre Anliegen per Eingabemaske einfach und auch ohne Anwalt geltend machen können.

Homeoffice: Die Idee des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD), auch dem Betriebsrat mehr Mitbestimmungsrechte in Sachen mobile Arbeit und Homeoffice zu geben, stößt beim Koalitionspartner auf Widerstand. Dies sei auch nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen, zitiert LTO (Hasso Suliak) den arbeitsmarktpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Peter Weiß. Unter Arbeitsrechtlern ist der Vorstoß ebenso umstritten wie in der Politik.

Arbeitsrecht 2021: Die wichtigsten Änderungen im Arbeitsrecht für das Jahr 2021 hat Rechtsanwalt Patrick Mückl auf LTO zusammengetragen. So werden pandemiebedingte Förderungsleistungen wie etwa das Kurzarbeitergeld auch im Jahr 2021 weiterlaufen. Außerdem hat sich der gesetzliche Mindestlohn am 01.01. auf brutto 9,50 Euro pro Stunde erhöht und das gesetzliche Renteneintrittsalter wurde um einen Monat angehoben.

Autonomes Fahren: Die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) kritisiert in einem Schreiben an den Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dessen Pläne zur gesetzlichen Regelung autonomen Fahrens. Kritisiert wird zum einen die fehlende rechtliche Verankerung der Regeln der Ethikkommission. Zudem sollten erhobene Mobilitätsdaten gemeinwohlorientierter zur Verfügung gestellt werden, wird im Hbl (Daniel Delhaes) aus der Stellungnahme zitiert. Betroffen sind zwei Gesetzesvorhaben, die sich seit Oktober letzten Jahres in der Ressortabstimmung befinden.

Lieferketten und Menschenrechte: Im Streit um das geplante Lieferkettengesetz haben Europa- und Bundestagsabgeordnete der CDU gegenüber dem EU-Justizkommissar Didier Reynders angeregt, ein einheitliches digitales Lieferkettenregister zur Überprüfung der Menschenrechtssituation vor Ort zu schaffen. Die Arbeitsstätten sollen dabei einheitlich zertifiziert werden, Vorbild könne die europäische Verordnung zur Bekämpfung der illegalen Fischerei sein. Die Befürworter dieser EU-weiten Regelung wünschen laut Hbl (Hans-Peter Siebenhaar) jedoch eine Beschränkung auf Unternehmen mit einem steuerpflichtigen Netto-Umsatz von mindestens 20 Millionen Euro und mit einem Netto-Importvolumen außerhalb der EU von über zehn Millionen Euro.

Frauenquoten: Für Simone Schmollack (taz) ist die Frauenquote in Führungspositionen der Wirtschaft, die das Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg brachte, ein wichtiges Signal. Der größere Frauenanteil in Entscheidungspositionen bewirke, "dass der weibliche Blick und weibliche Forderungen ernster genommen, vielfach überhaupt erst einmal wahrgenommen werden". Auf diese Weise profitierten auch weniger privilegierte Frauen von der Quote.

Whistleblower: Wie im Dezember letzten Jahres bekannt wurde, sollen sogenannte Verschlusssachen pauschal vom Schutz des geplanten Whistleblower-Gesetzes ausgenommen werden. Kritiker fürchten nun, dass Rechtsbrüche so durch die bloße Einstufung als Verschlusssache vor dem Bekanntwerden geschützt werden könnten. Bei der Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie plädieren die Wissenschaftlichen Mitarbeiter Robert Brockhaus, Simon Gerdemann und Christian Thönnes auf dem Verfassungsblog daher für die Einsetzung einer unabhängigen Kontrollinstanz zur Überwachung der Einschätzung als Verschlusssache. So könne Missbrauch eingegrenzt werden und dies würde zudem "das rechtsstaatliche Bekenntnis widerspiegeln, dass illegale Geheimnisse des strafrechtlichen Schutzes prinzipiell nicht würdig sind".

Justiz

BVerfG zur Fleischindustrie: Das Bundesverfassungsgericht hat nun die Begründung nachgereicht, warum es vorige Woche die Eilanträge abwies, die sich gegen die verschärften arbeitsrechtlichen Vorschriften für die Fleischbranche wandten, wie LTO und tagesschau.de (Gigi Deppe) berichten. Die Antragsstellenden konnten das Gericht nicht überzeugen, dass ihnen Nachteile drohen, die ein sofortiges Eingreifen noch vor dem Jahreswechsel nötig gemacht hätten.

BVerfG – Oury Jalloh: Auch 16 Jahre nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle konnten die genauen Umstände noch nicht restlos aufgeklärt werden. Derzeit ist beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens anhängig. Bei einer Ablehnung in Karlsruhe ist die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh laut SZ auch bereit, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen.

OVG Berlin-BB zum Maskenpflicht-Attest: Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht müssen in Brandenburg zwar im Original mitgeführt werden, eine konkrete Diagnose müssen die Atteste jedoch nicht enthalten. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg laut LTO in zwei Eilverfahren. Die Pflicht zum Mitführen des Originals begründete das Gericht im ersten Fall mit der ansonsten bestehenden Missbrauchsgefahr und wies den Antrag zurück. Im anderen Fall wurde die Anforderung der Landesregelung, auch eine konkrete Diagnose zu enthalten, wegen der Sensibilität der Gesundheitsdaten der Betroffenen vorläufig außer Vollzug gesetzt.

OVG Berlin-BB zu Pop-up-Radwegen: Auch die taz (Anja Krüger) berichtet nun über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im einstweiligen Rechtsschutz, nach der die temporären Radstreifen – sogenannte Pop-up-Radwege – vorerst nicht zurückgebaut werden müssen. Das Hauptverfahren steht noch aus, die Senatsverwaltung für Verkehr wertete die Entscheidung jedoch bereits als gutes Signal für den Ausgang.

Aus der Grünenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus kam laut taz (Claudius Prösser) zudem die Forderung nach einer Änderung der Straßenverkehrsordnung, um derartige Rechtsstreite in Zukunft zu vermeiden.

LG Berlin – Raser: Am Berliner Landgericht wurde der Prozess gegen einen 35-Jährigen fortgeführt, der wegen einer Serie von Einbruchsdiebstählen sowie eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens angeklagt ist. An dem Verhandlungstag ging es laut spiegel.de (Wiebke Ramm) um die Kindheit, den beruflichen Werdegang und das Abrutschen in die Drogenabhängigkeit des Angeklagten.

Recht in der Welt

USA – Justizminister: Wie LTO meldet, will der gewählte US-Präsident Joe Biden den renommierten Bundesrichter Merrick Garland zu seinem Justizminister ernennen.

Türkei – Demirtaş: Ein Gericht in der türkischen Hauptstadt Ankara hat laut SZ eine neue Anklageschrift gegen den seit mehr als vier Jahren inhaftierten linken kurdischen Oppositionspolitiker Selahattin Demirtaş angenommen. Ihm und über 100 anderen Personen wird darin unter anderem die "Zerstörung der Einheit des Staates und Integrität des Landes" im Zusammenhang mit den sogenannten Kobanê-Protesten vorgeworfen, zu denen 2014 die damals von Demirtaş geführte Partei HDP aufgerufen hatte. Diese Proteste richteten sich gegen die Belagerung der syrisch-kurdischen Stadt Kobanê durch die Terrormiliz IS.

Dänemark – Cum-Ex: Die FAZ (Marcus Jung) berichtet über eine Anklage der dänischen Staatsanwaltschaft gegen zwei britische Banker, die mit Cum-Ex-Steuertricks mehr als neun Milliarden dänische Kronen (1,2 Milliarden Euro) am Fiskus vorbeigeschleust haben sollen. Die Angeklagten hätten "sorgfältig geplanten Betrug begangen". Ihnen drohen bei einer Verurteilung bis zu zwölf Jahren Haft. Derzeit befinden sich die beiden jedoch in Dubai bzw. Großbritannien, so dass der Prozess erst einmal nicht fortgesetzt werden kann.

Sonstiges

Mordfall Peggy als TV-Doku-Serie: Eine sechsteilige Doku-Serie im ZDF beleuchtet das bislang ungeklärte Verschwinden der neunjährigen Peggy Knobloch, die seit 2001 vermisst wurde und deren Leiche erst 2016 gefunden werden konnte. Der Fall gilt als eines der größten Mysterien der jüngeren bundesdeutschen Kriminalgeschichte. Für Bert Rebhandl (FAZ) ist hier eine sehenswerte Dokumentation entstanden, bei der die Filmemacherin Marie Wilke dem nachvollziehbaren Drang widerstanden habe, Erklärungen zu suchen, die auch die Ermittlungen in der Realität nicht gebracht hätten. Matthias Dell (zeit.de) lobt sie in ähnlicher Weise, bemängelt in dieser formalen Herangehensweise jedoch die fehlende Variation.

Impfpflicht am Arbeitsplatz: Sind Arbeitnehmer verpflichtet, sich gegen Corona impfen zu lassen, wenn die Arbeitgeberin dies verlangt? Grundsätzlich nicht, wie die FAZ (Marcus Jung) in ihrem Überblick zu dem Thema erklärt. Etwaige Abmahnungen seien ohne gesetzliche Impfpflicht unberechtigt. Das Versprechen von Bonuszahlungen sei hingegen zulässig. Anders stelle es sich für Ärztinnen und Krankenpfleger dar: das hartnäckige Verweigern einer Corona-Impfung könne hier durchaus zu einer unbezahlten Freistellung führen.

 

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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/jpw

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. Januar 2021: Last Minute-Amtsenthebung von Trump? / Modernisierung des Zivilprozesses? / Mordfall Peggy im TV . In: Legal Tribune Online, 08.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43927/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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