Die juristische Presseschau vom 23. September 2020: EuGH zu Airbnb-Umwand­lungen / EuGH zu AKW-Sub­ven­tionen / Ums­trit­tener Immuni­täts­aus­weis

23.09.2020

Der EuGH akzeptiert eine staatliche Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Miet- in Ferienwohnungen. Außerdem billigt der EuGH Subventionen für Atomkraftwerke. Der Ethikrat ist in seiner Haltung zu einem Immunitätspass gespalten.

Thema des Tages

EuGH zu Airbnb-Umwandlungen: Es verstößt nicht gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit, wenn die Umwandlung von Mietwohnungen in Airbnb- oder Ferienwohnungen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt wird. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren, bei dem er eine gesetzliche Regelung in Frankreich prüfte. Eine Genehmigungspflicht könne gerechtfertigt sein, weil der Schutz vor Umwandlung von Mietwohnungen ein zwingender Grund des Allgemeinwohls sei. Da die Genehmigungspflicht nur in größeren Städten gilt, sei sie auch verhältnismäßig. Es berichten LTO und taz (Christian Rath). Die FAZ (Christian Schubert/Jan Hauser) berichtet zudem, dass es in Frankfurt eine Ferienwohnungs-Satzung mit ähnlichen Beschränkungen gebe. 

Rechtspolitik

Abmahnungen: Rechtsanwalt Oliver Löffel kritisiert in der FAZ die vom Bundestag vor zwei Wochen beschlossenen Regeln gegen Abmahnmissbrauch. Sie begünstigten Marktteilnehmer, die sich bewusst nicht an Regeln halten. Online-Händler würden gegenüber stationären Händlern bevorzugt, ebenso ausländische Händler gegenüber deutschen Händlern. Löffel hofft jetzt auf den Bundesrat.

Geldwäsche: CDU/CSU und Polizeiexperten kritsieren laut focus.de (Ulf Lüdeke) die von Justiz- und Finanzministerium geplante Änderung des Geldwäscherechts in zwei Punkten. Mit dem Wegfall des Tatbestands der "leichtfertigen Geldwäsche" könnte die Hälfte der bisherigen Delikte nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Außerdem werde die Einziehung von Geld- und Vermögenswerten unklarer Herkunft erschwert. 

Corona-Impfstoff: Junior-Professorin Annika Klafki befasst sich auf dem Verfassungsblog mit der von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplanten Regelung der Verteilung mutmaßlich knapper Corona-Impfstoffe. Sie begrüßt, dass eine politische Entscheidung angestrebt wird, hält aber die Verordnungsermächtigung in § 5 Abs. 2 Nr. 4 lit. c Infektionsschutzgesetz für zu vage und schlägt eine konkretere Verordnungsermächtigung nach Schweizer Vorbild vor.

Mit-Mutterschaft: spiegel.de (Valerie Höhne) stellt die Initiative "Nodoption" vor, die kritisiert, dass zwei verheiratete lesbische Frauen nicht beide automatisch als Mutter gelten, wenn eine von beiden ein Kind gebärt. Den bisher üblichen Weg über eine Stiefkindadoption mit Befragung und behördlicher Prüfung der Verhältnisse lehnt die Initiative ab. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zwei Mütter erlaubt. Es gibt aber noch Skepsis in der CDU/CSU. Mitglieder der Initiative haben deshalb Ende August Klagen beim Berliner Familiengericht Tempelhof-Kreuzberg eingelegt.

Fluggastdaten: Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner fordert laut LTO eine Änderung des deutschen Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften. Dort war im Frühjahr die Möglichkeit geschaffen worden, Fluggastdaten, die vorsorglich für Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung gespeichert werden, auch zur Aufklärung von Corona-Kontakten zu nutzen. Dies entspreche aber nicht den Zwecken der EU-Fluggastdaten-Richtlinie und könne zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen, so Körner.

Justiz

EuGH zu AKW-Subventionen: Der Europäische Gerichtshof billigte eine Entscheidung der EU-Kommission, die britische Subventionen für das im Bau befindliche AKW Hinkley Point C genehmigte. Dagegen hatte Österreich geklagt. Der EuGH betonte jedoch das Recht der EU-Mitgliedstaaten, zwischen verschiedenen Energiequellen zu wählen. Eine Beihilfe für AKWs dürfe zwar dem gemeinsamen Interesse nicht widersprechen, sie müsse aber nicht im gemeinsamen Interesse erfolgen. Es berichten die taz (Christian Rath) und LTO.

BVerfG zu Protestcamp: Gegner des Autobahnbaus durch den Dannenröder Wald in Hessen hatten beim Bundesverfassungsgericht mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtschutz teilweise Erfolg, berichtet die taz (Malte Kreutzfeldt). In zwei Verfahren gegen verbotene Protestcamps hat das BVerfG die aufschiebende Wirkung der Klagen wiederhergestellt. 

BAG zu betrieblicher Altersversorgung: Wenn ein Arbeitgeber allen Mitarbeitern, die bei Beginn der der Beschäftigung jünger waren als 55 Jahre, eine betriebliche Altersversorgung verspricht, dann zählt hierfür auch ein zunächst befristetes Beschäftigungsverhältnis und nicht erst die unbefristete Anstellung. Das entschied jetzt laut LTO das Bundesarbeitsgericht. 

BGH zu gutgläubigem Erwerb: Wird ein Fahrzeug nach einer Probefahrt nicht zurückgegeben, kann es später gutgläubig erworben werden. Dies entschied der Bundesgerichthof vorigen Freitag. Rechtsprofessor Wolfgang Schimmel arbeitetet auf LTO die prüfungsrelevanten Inhalte der Entscheidung heraus. 

OLG Frankfurt/M.  Mord an Walter Lübcke: Als Zeuge sagte am jüngten Verhandlungstag Frank Hennig aus, der ehemalige Verteidiger des Hauptangeklagten Stephan Ernst. Hennig schwieg aber im Wesentlichen, weil ihm Strafverfolgung wegen falscher Verdächtigung droht. Er hatte Ernst wohl geraten, gegenüber der Polizei fälschlich den Mitangeklagten H. als Schützen anzugeben. Es berichten die taz (Konrad Litschko) und spiegel.de.

BVerwG Fehmarnbelt-Tunnel: Die FAZ (Corinna Budras/Christian Müssgens) und LTO berichten vom Prozessbeginn am Bundesverwaltungsgericht. So habe das Gericht die Klagebefugnis einer Reederei gegen den Tunnelbau angezweifelt. In den Artikeln wird vor allem das Projekt und der Streit darum vorgestellt. 

OLG Düsseldorf  IS-Terrorzelle/Ravsan B.: Am Oberlandesgericht Düsseldorf hat der Prozess gegen den Wuppertaler Ravsan B. begonnnen, der Teil einer tadschikischen IS-Terrorzelle gewesen sein soll. B. schwieg zu Prozessbeginn. LTO stellt vor allem den Inhalt der Anklage dar. Unter anderem sollte ein bei Youtube aktiver Islamkritiker ermordet werden.

AG Alsfeld  Doxing: Am Amtsgericht Alsfeld hat der Prozess gegen einen heute 22-Jährigen begonnen, der im Dezember 2018 persönliche Daten und Kommunikation von Politikern und Journalisten unter dem Tarnnamen Orbit im Internet veröffentlichte. Teilweise waren die Dokumente schon vorher von anderen Tätern besorgt worden. Dem jungen Mann, der zum Rechtsextremismus tendieren soll, wird nun "Ausspähen und Veränderung von Daten", "Datenhehlerei", die "Vortäuschung von Straftaten" und "Erpressung" vorgeworfen, berichtet die SZ (Constanze von Bullion/Jannis Brühl).

Recht in der Welt

Österreich  Ibiza-Affäre: Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eingestellt, berichtet die SZ (Cathrin Kahlweit). Ihm konnte keine Untreue bei illegaler Parteienfinanzierung über FPÖ-nahe Vereine nachgewiesen werden, obwohl er darüber im so genannten Ibiza-Video gegenüber einer scheinbaren russischen Oligarchen-Nichte berichtet hatte. Korruptions-Delikte konnte er nicht begehen, weil er noch kein Amt inne hatte.

USA  Bader Ginsburg-Nachfolge: Senator Lindsey Graham, der republikanische Vorsitzende des Rechtsausschusses des Senats, geht laut FAZ davon aus, dass die republikanische Mehrheit für die sofortige Ernennung einer konservativen Nachfolgerin für die gestorbene Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginburg steht. spiegel.de (Ralf Neukirch) stellt potenzielle Abweichler unter den republikanischen Senatsmitgliedern vor. LTO berichtet allgemein über den Stand des Verfahrens.

Rechtsanwalt Josef Alkatout sieht im FAZ-Einspruch in einer Neubesetzung des Postens durch Präsident Trump kein Problem. "Selbstverständlich kann eine solche Ernennung auch in den letzten Monaten eines Exekutivmandats erfolgen, dessen Befugnisse sich schließlich über die gesamte Amtszeit erstrecken."

EGMR  polnische Justizreform: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Polen aufgefordert, Fragen zu Disziplinarverfahren gegen den als Kritiker der Justizreform bekannten Richter Igor Tuleya zu beantworten, berichtet LTO. Tuleya hatte Beschwerde beim EGMR eingelegt. 

Pakistan  abgebrannte Textilfabrik: Ein pakistanisches Gericht hat zwei Männer wegen Brandstifung zum Tode verurteilt. Sie wurden für den Brand in einer Textilfabrik in Karatschi im Jahr 2012 verantwortlich gemacht, bei dem 258 Arbeiter starben, so zeit.de. Hintergrund soll eine gescheiterte Schutzgeld-Erpressung gewesen sein. Hinterbliebenene klagten gegen die deutsche Textilfirma Kik, die in der Fabrik produzieren ließ, auf Schadensersatz, was jedoch das Landgericht Dortmund voriges Jahr ablehnte.

Sonstiges

Immunitätspass: Zum jetzigen Zeitpunkt empfiehlt der Deutsche Ethikrat keinen Immunitätspass für Personen, die eine Corona-Infizierung überstanden haben, so u.a. spiegel.de (Milena Hassenkamp). Noch sei nicht klar, wann und wie lange ein Mensch wirklich immun ist. Darüber hinaus ist der Ethikrat aber gespalten. Nur ein Teil der Mitglieder lehnt einen Immunitätspass generell ab, weil er zu einer Spaltung der Gesellschaft führe. 

Heike Haarhoff (taz) plädiert für die Einführung eines Immunitätspasses, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Es werde die Gesellschaft sonst "weiter spalten, wenn den Bürgern eine verfügbare Möglichkeit vorenthalten wird, die Freiheitseinschränkungen zu umgehen, indem sie ihre Ungefährlichkeit für andere nachweisen." Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) kommentiert: "Es ist kein Zufall, dass unter denen, die an die Immunität mehr Freiheit knüpfen wollen, fast alle Juristen im Ethikrat sind. Das entspricht dem freiheitlich-individuellen Menschenbild des Grundgesetzes."

Corona und Arbeitsschutz: Rechtsanwalt Michael Fuhlrott gibt auf LTO einen Überblick über die Arbeitsschutz-Regeln, die mit Blick auf die Corona-Pandemie gelten. 

Seehofer und die Polizei-Kolumne: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) informiert über interne Vermerke des Bundesinnenministerium* zum Umgang mit der umstrittenen Polizei-Kolumne von taz-Autorin Hengameh Yaghoobifarah. Zunächst hatte die Polizei-Abteilung des Ministeriums trotz Zweifeln eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung befürwortet. Später hatte die Verfassungs-Abteilung erklärt, dass nach ihrer Ansicht die Kolumne als "Meinungsäußerung" zu werten und "von der Pressefreiheit und der Kunstfreiheit gedeckt" gewesen sei. Einen Tag vorher hatte Seehofer allerdings bereits eine Strafanzeige angekündigt, was er dann aber nicht umsetzte.

Das Letzte zum Schluss

Die Erpressung des Geldsklaven: Am Amtsgericht Köln verklagte ein ehemaliger Geldsklave seine ehemalige Domina. Die Frau habe ihn mit intimen Aufnahmen erpresst und Tausende Euro erhalten, die er nun zurückverlangte. Die Frau behauptete, alles sei ein abgesprochenes Rollenspiel gewesen, die Erpressung und die befohlene Zahlung von Geld habe ihn sexuell erregt. Der Prozess endete mit einem Vergleich, so berichtet Bild, die Frau verpflichtete sich zur Rückzahlung von 4.700 Euro.

* (geändert um 7.44 h am Erscheinungsdatum)

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lto/chr

(Hinweis für Journalisten)   

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. September 2020: EuGH zu Airbnb-Umwandlungen / EuGH zu AKW-Subventionen / Umstrittener Immunitätsausweis . In: Legal Tribune Online, 23.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42877/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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