Die juristische Presseschau vom 13. August 2020: Ent­wurf zu Pla­nungs-Besch­leu­ni­gung / Vor­ge­setzter muss nicht Deutsch spre­chen / Streit um Schat­ten­mieten

13.08.2020

Die Bundesregierung will den Rechtsweg gegen den Bau von Landesstraßen, Bahnlinien und Windrädern verkürzen. Das LAG Nürnberg hält fremdsprachige Vorgesetzte für zulässig, Vermieter und Mieter streiten über die Vereinbarung von zwei Miethöhen.

Thema des Tages

Planungs-Beschleunigung: Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf eines Investitionsbeschleunigungsgesetzes beschlossen. Es soll den Bau und Ausbau von Straßen, Schienen, Häfen, Windrädern und Bergwerken beschleunigen. Für Klagen soll als erste Instanz jeweils das Oberverwaltungsgericht zuständig sein. Für überregional wichtige Infrastrukturprojekte – etwa aus dem Bundesverkehrswegeplan und zum Mobilfunkausbau – soll gesetzlich ein Sofortvollzug angeordnet werden können. Einstweiliger Rechtschutz bleibe aber möglich. Auf Raumordnungsverfahren und teilweise auf Planfeststellungsverfahren könne verzichtet werden. Es berichten die FAZ (Kerstin Schwenn) und zeit.de. Die Welt (Daniel Wetzel) stellt den beschleunigten Windkraft-Ausbau in den Mittelpunkt ihrer Darstellung.

Rechtspolitik

Digitale Wertpapiere: Das Bundesjustiz- und das Bundesfinanzministerium haben einen Gesetzentwurf zur Einführung digitaler Wertpapiere vorgestellt. Bei elektronischen Wertpapieren soll die Pflicht zur Erstellung einer Wertpapierurkunde entfallen. Stattdessen müsse diese nur noch in ein zentrales Register eingetragen werden. Außerdem sollen elektronische Wertpapiere künftig als Sachen gelten. Blockchaingestützte Papiere sollen als Krypto-Wertpapiere dezentral registriert werden können, berichtet die FAZ (Martin Hock).

Insolvenzantragspflicht: Nun berichtet auch beck-aktuell (Joachim Jahn) über die Kritik an der vom Bundesjustizministerium geplanten erneuten Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Unvermeidbare Konkurse sollten nicht unnötig lange hinausgeschoben werden. 

Geldwäsche: Nachdem das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf vorlegte, der die Vortaten für Geldwäsche stark ausweitet, beleuchtet die SZ (Markus Zydra) die Schwächen der deutschen Geldwäsche-Bekämpfung, vor allem beim Transparenzregister. 

Justiz

LAG Nürnberg zur Sprache von Vorgesetzten: Der Betriebsrat kann das Unternehmen nicht verpflichten, nur deutschsprachige Vorgesetzte einzustellen. Es genüge, wenn Gespräche mit dem Betriebsrat und Beschäftigten bei Bedarf übersetzt werden, entschied das Landesarbeitsgericht Nürnberg laut spiegel.de.

LG Hannover zu Mietpreisbremse: Die 2016 in Niedersachsen per Landesverordnung eingeführte Mietpreisbremse ist unwirksam, da sie damals nicht ordnungsgemäß begründet wurde. Dies entschied laut LTO das Landgericht Hannover. Das Land arbeite bereits an einer neuen Verordnung. 

LG Berlin zu bandenmäßigem Betrug: Das Landgericht Berlin hat laut LTO einen Rechtsanwalt und zwei Mittäter wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten Kunden mit vorgetäuschten Finanzmarktgeschäften betrogen. Das Gericht ordnete zudem die Einziehung von rund 46 Millionen Euro an. Der Prozess mit 268 Verhandlungstagen dauerte rund fünf Jahre lang. 

OLG Düsseldorf zu Vormerkung von Schenkungsversprechen: Der Notar Wolfgang Lietzenburger stellt auf beck-aktuell ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom Mai vor. Danach sind Schenkungsversprechen unter Überlebensbedingung nicht im Grundbuch vormerkbar. Es bestehe die Gefahr, dass die strengen Formvorschriften für Verfügungen von Todes wegen umgangen werden. Er nennt dann aber eine gesellschaftsrechtliche Konstruktion, mit der das Ziel dennoch erreicht werden kann. 

AG Bernau zu Pilot als Todesfahrer: Richter Thomas Melzer beschreibt in der Zeit ein Verfahren gegen einen Piloten, der als Autofahrer in angetrunkenem Zustand einen anderen Autofahrer fahrlässig tötete. Er erhielt seinen Führerschein zurück, weil er zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits wieder Flugzeuge fliegen durfte. Allerdings verurteilte ihn das Amtsgericht Bernau zu einer einjährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung, weil er als Pilot die Gefahr hätte besser erkennen müssen. Die Berufungsinstanz wandelte das Urteil in eine Bewährungstrafe um, die Fluggesellschaft kündigte dem Piloten. 

AG Bamberg zu Kirchenasyl: Das Amtsgericht Bamberg hat gegen die Äbtissin des oberfränkischen Klosters Maria Frieden einen Strafbefehl über 2500 Euro wegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" verhängt. Es geht laut taz (Stefan Hunglinger) um Kirchenansyl für eine eritreische Asylbewerberin, die aufgrund der Dublin-Regeln nach Italien zurückgeführt werden sollte, obwohl ihr Mann in Deutschland als Asylberechtigter anerkannt ist und das Paar ein gemeinsames Kind hat. Die Äbtissin legte Widerspruch ein und wartet nun auf die Verhandlung. 

LG Mainz – North Channel Bank: Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat zwei Ex-Geschäftsführer und weitere Mitarbeiter der Mainzer Privatbank North Channel Bank wegen banden- und gewerbsmäßiger Geldwäsche angeklagt. Sie sollen 160 Millionen Euro, die aus skandinavischen Cum-Ex-Geschäften stammten, angenommen haben ohne sie zu melden, berichtet die FAZ (Marcus Jung)

LG Aachen – erfundenes NSU-Opfer: LTO (Pia Lorenz) und spiegel.de (Wiebke Ramm) berichten vom zweiten Tag des Prozesses gegen Anwalt Ralph W. Er soll schon über 50.000 Euro (von 211.000 Euro Honorar) zurückgezahlt haben. Bei einem zweiten Fall – die Weitergabe eines Mandats zum Loveparade-Prozess ohne Wissen der Mandantin –​​, könnte sich das Vorgehen von Ralph W. als bloßes Missverständnis herausstellen.  

VG Hamburg –​​​​​​​ Racial Profiling: Vor dem Verwaltungsgericht Hamburg begann die Verhandlung über die Klage eines Mannes aus Togo, der der Polizei vorwarf, ihn mindestens vier Mal ausschließlich wegen seiner Hautfarbe kontrolliert zu haben. Beim ersten verhandelten Fall berief sich die Polizei darauf, der Mann sei mit dem Fahrrad auf dem Gehweg gefahren und deshalb kontrolliert worden. Über Vorgeschichte und Verhandlung berichtet die taz-nord (Katharina Schipkowski). LTO (Annelie Kaufmann) konzentriert sich auf die bundesweite Diskussion um Racial Profiling.

GenStA Berlin –​​​​​​​ rechtsextreme Anschläge Neukölln: Jost Müller-Neuhof (Tsp) hält das Vorgehen von Generalstaatsanwältin Margarete Koppers für nachvollziehbar. "Dass Beschuldigte ihren Verfolgern etwas andichten, ist nicht ungewöhnlich; ungewöhnlich ist hier, dass Chat-Protokolle mit entsprechenden Hinweisen allzu lange liegen blieben, ohne dass irgendwer irgendetwas unternahm."

BVerfG und NS-Belastung: Der Akademische Rat Fabian Michl stellt in der FAZ dar, dass in der Anfangsphase des Bundesverfassungsgerichst nicht nur Willi Geiger, sondern auch andere Richter NS-belastet waren. Als Beispiele nennt er Franz Wessel, Hans Kutscher und Wiltraud Rupp-von Brünneck. Das Bundesverfassungsgericht hat Anfang des Jahres beschlossen, die Verflechtungen seiner ersten Richtergeneration mit dem nationalsozialistischen Regime erforschen zu lassen.

Recht in der Welt

USA –​​​​​​​ Kamala Harris: LTO stellt das juristische Vorleben der demokratischen Vizepräsidentschafts-Kandidatin Kamala Harris vor. Ab 2003 war sie Bezirksstaatsanwältin von San Francisco. Später wurde sie Attorney General (Justizministerin und Generalstaatsanwältin) von Kalifornien. 

Großbritannien –​​​​​​​ Gesichtserkennung: Die von der Polizei in Süd-Wales eingesetzte automatisierte Gesichtserkennung war rechtswidrig, wie jetzt ein Berufungsgericht auf Klage der Bürgerrechtsorganisation Liberty entschied. Es habe weder eine klare Regelung gegeben, wo die automatisierte Gesichtserkennung eingesetzt werden darf, noch wer auf die Watchlist gesetzt werden kann, die den Alarm des Überwachungssystems auslöst. Außerdem sei der Datenschutz nicht ausreichend gesichert gewesen und die Polizei von Südwales habe nicht angemessenen untersucht, ob das System einen geschlechtsspezifischen oder rassistischen Bias hat, berichtet netzpolitik.org (Markus Reuter).

Österreich –​​​​​​​ Mord in Kitzbühl: Das Landesgericht Innsbruck hat einen 25-jährigen Mann wegen fünffachen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, weil er seine Ex-Freundin und deren Familie getötet hatte. Die SZ (Marija Barišić) und spiegel.de (Felix Hutt) berichten. 

Sonstiges

Schattenmieten: Die SZ (Thomas Öchsner) beschäftigt sich mit der aktuellen Praxis vieler Vermieter, zwei Miethöhen zu vereinbaren, die niedrigere Summe beachte den Berliner Mietendeckel, die viel höhere Summe soll gelten, falls ein Verfassungsgericht den Mietendeckel beanstandet. Eigentümerverbände halten die Praxis für zulässig, Mietervertreter halten sie für rechtswidrig. 

Home-Office: Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, dass der Arbeitnehmer im Home-Office den Arbeits- und Datenschutz beachtet. Ein Recht, die Wohnung zu betreten, hat er allerdings nicht. Die SZ (Andreas Jalsovec) empfiehlt daher den Abschluss entsprechender Vereinbarungen. 

 

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lto/chr

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. August 2020: Entwurf zu Planungs-Beschleunigung / Vorgesetzter muss nicht Deutsch sprechen / Streit um Schattenmieten . In: Legal Tribune Online, 13.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42481/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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