Die juristische Presseschau vom 25. Juni 2020: Umset­zung der EU-Urhe­ber­rechts­re­form / Kosovos Prä­si­dent ange­klagt / Lam­brecht im Inter­view

25.06.2020

Das Bundesjustizministerium stellt einen Entwurf zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform vor. Kosovos Präsident wird wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Bundesjustizministerin Lambrecht im Interview.

Thema des Tages

UrhDaG: Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht vorgelegt. Schwerpunkt dieses Entwurfs ist die Umsetzung von Art. 17 der DSM-Richtlinie, der vorsieht, dass Plattformen wie YouTube, die große Mengen an Inhalten zugänglich machen, indem Nutzer diese hochladen, grundsätzlich für dadurch entstehende Urheberrechtsverletzungen haften. Diese Regelung will das BMJV durch ein eigenes Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) umsetzen, das u.a. Lizenzpflichten für häufig hochgeladene Inhalte, insbesondere Musik und Filme, vorsieht. Mit Plattenfirmen und der Urhebervertretung Gema müssten danach Lizenzverträge geschlossen werden. Sogenannte Upload-Filter, die das hochladen nicht lizensierter Inhalte verhindern, würden damit überwiegend nicht notwendig, wird Justizministerin Lambrecht (SPD) zitiert. Der Filter soll auch nicht greifen bei Bagatell-Inhalten und angekündigten Parodien und Zitaten. Ausführlich berichten taz (Christian Rath), FAZ (Helene Bubrowski), spiegel.de (Patrick Beuth) und lto.de (Annelie Kaufmann) sowie Rechtsanwalt Till Kreutzer auf netzpolitik.org.

Christian Rath (BadZ) begrüßt Lambrechts Zugeständnisse an die youtube-sozialisierte Jugend. Er erinnert aber daran, dass andere EU-Staaten solche Ideen letztes Jahr noch abgelehnt haben, so dass diese nun über die EU-Richtlinie hinausgehen, was im digitalen Binnenmarkt zu Problemen führen könne. 

Rechtspolitik

Lambrecht im Interview: Gegenüber lto.de (Annelie Kaufmann/Markus Sehl) äußert sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zu den zentralen Herausforderungen und Vorhaben ihrer Amtszeit. So werde im Ministerium "mit Hochdruck" an einem Gesetz zur Aufzeichnung der Hauptverhandlung des Strafverfahrens gearbeitet, damit Richter nicht auf ihre eigenen Notizen angewiesen seien. Hinsichtlich der Corona-Krise hätten sich die Gerichte verantwortungsvoll gezeigt und Hygienevorschriften eingehalten, eines besonderen "Epidemiegerichtsgesetzes" bedürfe es nicht.  

Kindesmissbrauch: Welt (Kristian Frigelj) berichtet über den auf Initiative Nordrhein-Westfalens zurückgehenden 65-seitigen Gesetzentwurf der Bundesländer zu einer Strafrechtsreform, der insbesondere im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern und des Besitzes von Missbrauchsdarstellungen Strafverschärfungen vorsieht. Danach soll etwa die Mindeststrafe von sechs Monaten auf ein Jahr bei sexuellem Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Strafgesetzbuch angehoben werden, wodurch Taten als Verbrechen geahndet würden.

Vormunds- und Betreuungsrecht: Das Bundesjustizministerium hat laut lto.de einen Gesetzentwurf zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vorgelegt. Dieser sieht vor, dass Menschen, die Betreuung brauchen, besser informiert und etwa in die Auswahl eines konkreten Betreuers stärker eingebunden werden. Bei beruflichen Betreuern sollen fachliche Mindestvoraussetzungen eingeführt werden, die Eignung der Betreuer soll ein formales Registrierungsverfahren sichern.

Bundesrichterwahl: 15 neue Bundesrichter sollen Anfang Juli neu gewählt werden – doch unter den 26 Kandidaten auf der Vorschlagsliste befinden sich gerade mal sechs Frauen. Auf diesen Missstand hat der Deutsche Juristinnenbund in einem offenen Brief an den Richterwahlausschuss hingewiesen und auf die Notwendigkeit der Förderung hochqualifizierter Juristinnen hingewiesen. Es berichtet tagesschau.de (Gigi Deppe).

Justiz

BGH zu Facebook: SZ (Caspar Busse) analysiert nochmals ausführlich die Eilentscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach Facebook das Zusammenführen von Daten unterschiedlicher konzerneigener Dienste vorerst zu unterlassen hat. Es handele sich um einen "Präzedenzfall für die gesamte Digitalwirtschaft" (SZ). Das Bundeskartellamt hatte vorgetragen, dass Facebook durch die Verwertung von Daten mehrerer Dienste seine marktbeherrschende Stellung missbrauche. Erneut berichtet auch die FAZ (Marcus Jung).

VG Koblenz zu Beamtenbezügen: Beamte haben zu viel gezahlte Bezüge zurückzuerstatten, hat das Verwaltungsgericht Koblenz nach Meldung von lto.de entschieden. Im konkreten Fall ging es um eine Lehrerin, welche eine Stellenzulage in Höhe von 50 Euro pro Monat auch nach dem Wechsel ihrer Tätigkeit weiter erhielt. Die Frau machte geltend, sie habe sich auf die Richtigkeit der bezahlten Bezüge verlassen – das Gericht hielt dem entgegen, es gehöre zu den Sorgfaltspflichten eines Beamten, Bezügemitteilungen insbesondere bei einem Wechsel der Tätigkeit genau zu überprüfen.

OLG München zu Flugstornierung bei Israeli: Ein Reiseportal darf den Flug eines israelischen Staatsbürgers wegen dessen Nationalität stornieren. Dies entschied das Oberlandesgericht München im Fall einer gebuchten Reise nach Sri Lanka, in deren Verlauf der Mann bei einem Zwischenstopp in Kuwait wegen des dort geltenden "Einheitsgesetzes zum Israel-Boykott" nicht hätte einreisen dürfen. Diese kuwaitische Gesetz widerspräche zwar den fundamentalen Grundwerten der Bundesrepublik, jedoch liege hinsichtlich der Erbringung der Leistung aufgrund der dortigen Rechtslage ein Fall der "tatsächlichen Unmöglichkeit" vor, meldet spiegel.de

OLG Koblenz zu Architektin als Juristin: Eine Architektin ist nicht befugt, ihren Arbeitgeber im behördlichen Widerspruchsverfahren zu vertreten. Laut dem Oberlandesgericht Koblenz handelt sich bei dieser Vertretung nicht um eine bloße – nach § 5 des Rechtsdienstleistungsgesetzes erlaubte – Nebentätigkeit, sondern um eine unerlaubte Rechtsdienstleistung. Schließlich erfordere der Widerspruch eine einzelfallbezogene Rechtsprüfung, berichtet lto.de.

OLG Stuttgart zu Gage für Bürgermeisterkandidat: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat den Vergütungsanspruch eines Mannes abgelehnt, der in vier Gemeinden in Baden-Württemberg als Bürgermeister angetreten und dabei in mehreren Podiumsdiskussionen aufgetreten war. Der Mann war hierbei in einen Königsmantel gekleidet und hatte für seine Rolle als "Lebensberater, Künstler und Unterhalter" eine Gage in Höhe von 300.000 Euro verlangt. Das Gericht hielt dem laut lto.de entgegen, durch die Auftritte bei dem veranstaltenden Verlagsunternehmen sei kein Vertrag zustande gekommen und der Mann habe selbst im Vorfeld abgestritten, ein bloßer "Spaßkandidat" zu sein. 

AG München – Wirecard: Über Neuerungen im Skandal um den Finanzdienstleiter Wirecard berichtet nun auch die SZ (Klaus Ott/Jörg Schmitt). Auch der entlassene Vorstand, der sich derzeit auf den Philippinen aufhalte, Jan Marsalek, werde nun per Haftbefehl gesucht. Dieser wolle sich aber kommende Woche der Staatsanwaltschaft München I stellen, um gegen Auflagen und Hinterlegung einer Kaution der Untersuchungshaft zu entgehen.

GenStA Frankfurt/M. – Cum-Ex: Wie die FAZ (Marcus Jung) berichtet, wurde gegen einen weiteren Rechtsanwalt der Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer Anklage durch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. erhoben. Ihm werde Behilfe zur mittäterschaftlichen schweren Steuerhinterziehung vorgeworfen. Der Anwalt sei Teil des Steuerechtsteams gewesen, das die in die Cum-Ex-Geschäfte verwickelte Maple Bank beraten hatte.

Recht in der Welt

Kosovo – Präsident angeklagt: Wie spiegel.de und zeit.de berichten, hat das Sondergericht zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im Kosovo Anklage gegen den Präsidenten des Kosovo, Hashim Thaçi, erhoben und Haftbefehl gegen diesen erlassen. Thaçi werden in seiner Rolle als Sprecher und Verhandlungsführer der "Befreiungsarmee Kosovo" (UÇK) Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und in diesem Rahmen Mord, Folter und Verfolgung vorgeworfen. Die Anklage sei bereits im April 2020 nichtöffentlich erhoben worden. Die FAZ (Michael Martens) referiert und analysiert ein Telefoninterview mit Thaçi, das heute in der FAZ hätte erscheinen sollen, von dessen Abdruck angesichts der Anklage jedoch abgesehen wurde.

EGMR zu Russland: Russland hat mit der Sperrung oppositioneller Internetseiten auf Grundlage seines Informationsgesetzes die Meinungsfreiheit verletzt. Die Sperrung sei unverhältnismäßig, überdies gebe es keinen ausreichenden Schutzmechanismus, um den Missbrauch des Gesetzes zu verhindern. Den klagenden Betreibern, darunter Ex-Schachweltmeister und Kreml-Kritiker Garry Kasparow, muss Russland nun jeweils 10.000 Euro Entschädigung zahlen, berichtet lto.de.

USA – IStGH: Laut SZ (Ronen Steinke) haben sich 67 europäische, afrikanische und lateinamerikanische Staaten mit einer gemeinsamen Erklärung gegen die kürzlich seitens des US-Außenministers Pompeo angekündigten US-Sanktionen gegen Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag und einen entsprechenden Erlass von Präsident Donald Trump vom 11. Juni positioniert. In dieser bekennen sie sich zur Geltung des Völkerstrafrechts und dem Respekt vor der Unabhängigkeit des 2002 geschaffenen Strafgerichtshofs.

USA – Michael Flynn: Laut SZ hat ein Berufungsgericht mit den Stimmen von zwei der drei zuständigen Richter die Einstellung des Verfahrens gegen den ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater von Präsident Trump, Michael Flynn, angeordnet. Es folgte damit einem Antrag des Justizministeriums.

USA – Bayer: Die FAZ (Jonas Jansen/Roland Lindner) berichtet ausführlich über den durch Bayer gerichtlich geschlossenen Vergleich in dem Rechtsstreit um Schäden durch das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, das in den USA unter dem Namen Roundup vertrieben wurde. Das Unternehmen werde zwischen 8,8 und 9,6 Milliarden Dollar an insgesamt 95.000 Kläger zahlen sowie 1,25 Milliarden Dollar bereitstellen, um mögliche weitere Klagen abzuwenden.

Türkei – Deniz Yücel: Laut SZ (Tomas Avenarius) und zeit.de hat ein Istanbuler Gericht die Entscheidung im Strafprozess gegen den Welt-Journalisten Deniz Yücel, dem in einem politischen Verfahren Propaganda für die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK sowie Volksverhetzung vorgeworfen wird, auf den 16. Juli vertagt. 

Sonstiges

Corona und Ordnungsrecht: Die Lehren der Corona-Pandemie für das Sonderordnungsrecht zieht Rechtsprofessor Christoph Gusy auf verfassungsblog.de. In einer pandemie-bedingten Lage des Nichtwissens und des Halbwissens sei es erforderlich, Grundrechtseingriffe wissenschaftlich zu begründen, zu erklären und zu diskutieren, sie zu befristen und zeitnah an die geänderte Erkenntnisse anzupassen. Der neue Ausbruch im Landkreis Gütersloh zeige den Vorteil der Dezentralität: Was nur an wenigen Orten auftrete, solle auch dort gemanagt werden. 

Corona und Reiseverbote: Die SZ (Wolfgang Janisch) geht davon aus, dass die kurzfristig durch Verordnung durch andere Bundesländer vorgesehenen Beherbergungsverbote und Quarantäneregelungen für Personen aus den Landkreisen Gütersloh und Warendorf, "Abwehrverordnungen gegen Gefährder aus auffälligen Regionen", bei gerichtlicher Prüfung Bestand haben dürften. Sie seien von § 28 des Infektionsschutzgesetzes als Rechtsgrundlage gedeckt und verhältnismäßig, jedenfalls solange das Infektionsgeschehen in den genannten Landkreisen nicht absehbar sei.

Seehofer vs. taz: Erneut berichten SZ sowie taz (Stefan Reinecke/Konrad Litschko) über die bislang nicht umgesetzte Ankündigung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Strafanzeige gegen die taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah zu stellen. Die Pressefreiheit sei wohl auch seitens Kanzlerin Angela Merkel gegenüber Seehofer hervorgehoben worden. Constanze von Bullion (SZ) meint: "Dass Seehofer seine Drohung wahrmachen und rechtliche Schritte gegen die Kolumnistin ergreifen würde, galt als das unwahrscheinlichste aller Szenarien."

DSGVO: FAZ (Hendrick Kafsack), SZ (Karoline Meta Beisel), taz (Eric Bonse) sowie netzpolitik.org (Alexander Fanta) nehmen den Bericht der EU-Kommission zur Datenschutzgrundverordnung zwei Jahre nach deren Inkrafttreten in den Blick. Künftig sollten danach die Datenschutzbehörde personell und finanziell weiter ausgestattet werden, auch um Unternehmen und etwa Vereine bei der Umsetzung der Regeln besser zu unterstützen.

Polizei und Gewalt: Der Kriminologe Thomas Feltes bemerkt auf verfassungsblog.de, dass die Polizei trotz der Ausschreitungen in Stuttgart wohl kaum befürchten müsse, in Zukunft verstärkt in eine Opferrolle gedrängt zu werden. Vielmehr sei exzessives Handeln seitens der Polizei selbst als Problem seit Jahren bekannt und werde von einer mangelhaften Fehlerkultur flankiert. Um Polizeibeamte in ihrem schwierigen Beruf zu unterstützen, seien Beratung, soziale und psychologische Unterstützung sowie eine empathische Polizeiführung nötig, die sich nicht verstecke, wenn Probleme intern bekannt werden. 

Das Letzte zum Schluss

Ohne Porsche: Die Tiefgarage des Hotels Atlantic in Hamburg müsste eigentlich ein sicherer Ort sein für einen Porsche im Wert von 600.000 Euro. Und trotzdem wurde Udo Lindenbergs Gefährt von hier in der Nacht zum Dienstag entwendet, weshalb die beabsichtigte nächtliche Spritztour unterbleiben musste, schreibt spiegel.de. 

 

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lto/cc/mps

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Juni 2020: Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform / Kosovos Präsident angeklagt / Lambrecht im Interview . In: Legal Tribune Online, 25.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41999/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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