Die juristische Presseschau vom 25. Februar 2020: Ver­hand­lung über Ass­ange-Aus­lie­fe­rung / Kundus vor EGMR / Wein­stein ver­ur­teilt

25.02.2020

In London hat die Verhandlung über die Auslieferung von Julian Assange begonnen. Außerdem in der Presseschau: Der EGMR verhandelt am Mittwoch zum Luftangriff bei Kundus und Harvey Weinstein ist schuldig gesprochen worden.

Thema des Tages

Großbritannien – Auslieferungsverfahren Assange: In London hat die Verhandlung um die Auslieferung von Julian Assange an die USA begonnen. Am ersten Tag kam vor allem der Anwalt der US-Regierung zu Wort, der die Auffassung vertrat, dass Assange kein Journalist sei. Assange wirkte Beobachtern zufolge teilweise abwesend und äußerte zwischenzeitlich, dass er der Verhandlung wegen der lauten Proteste vor dem Gerichtsgebäude nicht folgen könne. Assange wird unter anderem die Veröffentlichung geheimer Dokumente und eine "Verschwörung" mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vorgeworfen. Kritiker sehen in der Strafverfolgung eine Verletzung der Pressefreiheit. In dem Verfahren in London geht es um das britisch-amerikanische Auslieferungsabkommen. Über den ersten Verhandlungstag berichten die FAZ (Gina Thomas), die SZ (Elena Kuch/Alexander Mühlauer), die taz (Daniel Zylbersztajn) und zeit.de (Kai Biermann).

Kerstin Leitel (Hbl) äußert den Verdacht, "dass an Assange ein Exempel statuiert werden soll, um kritische Journalisten einzuschüchtern und unliebsame Berichterstattung einzudämmen". Auch Markus Beckedahl (netzpolitik.org) sieht einen Angriff auf die Pressefreiheit und zieht Parallelen zur eigenen Arbeit.

Die wichtigsten Fragen zum Verfahren beantwortet zeit.de (Meike Laaff). Dabei geht es auch darum, welche Strafe Assange in den USA droht und was an den Foltervorwürfen dran ist.

Rechtspolitik

Frauen in Führungspositionen: Der Rechtsanwalt Cornelius Wilk stellt auf community.beck.de den Referentenentwurf eines zweiten Gesetzes zur Teilhabe von Frauen an Führungspositionen vor. Dieser sehe unter anderem eine Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen von Aktiengesellschaften, die Ausweitung der Quote in Aufsichtsräten sowie mehr Angaben bei den Zielgrößen in anderen Führungsebenen vor.

Im Interview mit dem Hbl (Heike Anger/Klaus Stratmann) verteidigt Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) das Vorhaben. Einen Angriff auf die unternehmerische Freiheit sieht sie nicht. Vielmehr sei der Staat verpflichtet auf Gleichberechtigung hinzuwirken.

Planung von Großprojekten: Der Rechtsprofessor Bernhard W. Wegener kritisiert auf lto.de das jüngst beschlossene Maßnahmegesetzvorbereitungsgesetz, mit dem die Genehmigung von Infrastrukturprojekten durch Maßnahmegesetze ermöglicht wird. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar in seiner Entscheidung zur "Südumfahrung Stendal" eine vergleichbare Praxis für zulässig erachtet aber gleichzeitig den Ausnahmecharakter der Legalplanung betont. Die Abschaffung des fachgerichtlichen Rechtsschutzes verstoße zudem gegen die Aarhus-Konvention sowie gegen das daran anknüpfende EU-Umweltrecht, das auch für Genehmigungen durch formelle Gesetze Rechtsschutz fordere.

Platform-to-Business-Verordnung: Das Hbl (Heike Anger) stellt die "Platform-to-Business-Verordnung" vor, die in rund 100 Tagen in Kraft tritt. Sie richtet sich an Internetplattformen, auf denen gewerbliche Händler ihre Waren direkt an Kunden verkaufen. Geregelt sind unter anderem Transparenzpflichten hinsichtlich des Rankings von Waren sowie ein internes Beschwerdemanagement.

Aktienrecht: Rechtsprofessor Klaus J. Hopt kommentiert im Hbl das zum Jahresanfang in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie, das die Vergütung von Vorständen und Aufsichtsräten, die Geschäfte börsennotierter Gesellschaften mit nahestehenden Personen, die Identifizierung der Aktionäre und neue Regeln für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater betrifft. Sein Fazit: "Ein Kompromiss, mit dem man leben kann."

Justiz

BVerfG – Suizidhilfe: Am Mittwoch verkündet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Suizidhilfe. Die SZ (Wolfgang Janisch) blickt zurück auf die Verhandlung und macht sich Gedanken über mögliche Entscheidungen. Denkbar sei eine "Beratungslösung, wie man sie vom Schwangerschaftsabbruch kennt, vielleicht auch nach einem Vier-Augen-Prinzip". In dem Beitrag wird auch auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Abgabe von Medikamenten und des Bundesgerichtshof zur Tötung durch Unterlassen eingegangen.

In einem gesonderten Beitrag porträtiert die SZ (Michaela Schwinn) einen der Beschwerdeführer, den Palliativmediziner Benedikt Matenaer, der Suizidhilfe als einen "Akt der Barmherzigkeit" bezeichnet und sich durch die Strafnorm in seiner Berufsfreiheit verletzt sieht.

VG Köln zu Medikamenten zur Selbsttötung: Das Verwaltungsgericht Köln kam in einem Beschluss von Ende letzten Jahres zu dem Ergebnis, dass das Betäubungsmittelgesetz gegen die Verfassung verstößt, soweit es schwerstkranken und unerträglich leidenden Personen den Zugang zu Medikamenten zur Selbsttötung verwehrt. Oliver Tolmein (FAZ) beschäftigt sich mit der nun veröffentlichten Begründung des Vorlagebeschlusses an das Bundesverfassungsgericht. Die vom Verwaltungsgericht verwendeten Begriffe wie "ausweglos", "unerträglich" oder "hilflos" würden "starke subjektive Wertungen im objektivierenden, allgemeinverbindlichen Gestus" enthalten. Das gehe nicht ohne entmutigende und diskriminierende Effekte ab.

BVerfG zu Blindenhund: Rechtsprofessor Felix Welt beschäftigt sich auf verfassungsblog.de mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar, nach der die gerichtliche Bestätigung eines Verbots des Mitführens von Blindenhunden in einer Arztpraxis gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Die Entscheidung habe Fragen nach dem Anwendungsbereich des AGG und nach dem Verhältnis zu sozialrechtlichen Vorschriften offen gelassen. Befremdlich sei die Argumentation, dass der "tradierte sozialstaatlich-rehabilitative Umgang" das "Risiko der Entmündigung und Bevormundung" in sich trage. Das Diskriminierungsverbot sei keine Antithese zum Sozialstaat.

Verfassungsgericht Brandenburg – Debatte über Rechtsterrorismus: Die CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag will das Verfassungsgericht anrufen, weil der Vizepräsident des Landtags Andreas Galau (AfD) eine Debatte über Rechtsterrorismus nach dem Anschlag von Hanau verweigert hat. Das meldet spiegel.de. Galau hatte erklärt, er sehe keinen Bezug zu Brandenburg. Die CDU will nun mit einer einstweiligen Verfügung die Debatte erzwingen.

EGMR – Luftangriff bei Kundus: In einem Gastbeitrag für die SZ befasst sich der pensionierte Rechtsprofessor Michael Bothe mit der Menschenrechtsbeschwerde eines Afghanen, dessen Kinder beim von Oberst Georg Klein befohlenen Luftangriff bei Kundus im Jahr 2009 ums Leben gekommen sind. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der am Mittwoch zu dem Fall verhandelt, werde sich mit den Fragen befassen, ob Deutschland in dem Gebiet damals die faktische Kontrolle ausgeübt hat und ob Deutschland den Erfordernissen einer fairen und effektiven Untersuchung behaupteter Verletzungen des Rechts auf Leben genügt hat. Ein rechtzeitiger sensibler Umgang mit der Sachaufklärung hätte nach Meinung des Autors verhindert, dass sich Deutschland in Straßburg verantworten muss.

Recht in der Welt

USA – Harvey Weinstein: Ein US-amerikanisches Gericht hat den ehemaligen Filmproduzenten Harvey Weinstein schuldig gesprochen. Er wurde wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt, nicht aber wegen "predatory sexual assault". Die Geschworenen sehen als erwiesen an, dass Weinstein 2006 seine ehemaligen Produktionsassistentin zum Oralverkehr zwang und 2013 eine frühere Schauspielerin vergewaltigt hat. Ihm drohen zwischen fünf und 25 Jahren Haft. Die SZ (Johanna Bruckner), die FAZ und bild.de (Herbert Bauernebel) berichten.

Für Milena Hassenkamp (spiegel.de) ist das Urteil "zu wenig für einen Mann, gegen den 80 Frauen Vorwürfe erhoben haben". Die Verurteilung sei aber auch Erfolg und Genugtuung für die MeToo-Bewegung. Das Verfahren habe die "Strukturen einer Gesellschaft offengelegt, in der Frauen immer noch nicht geglaubt wird, wenn sie von Übergriffen berichten".

Auf spiegel.de sind Reaktionen auf das Urteil zusammengetragen, insbesondere von Feministinnen.

Rumänien – Verfassungsgericht zu Neuwahlen: Das rumänische Verfassungsgericht hat baldige Neuwahlen vorerst verhindert. Stattdessen verpflichtete es den Präsidenten, einen anderen Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt vorzuschlagen als den am 6. Februar gestürzten Ludovic Orban. Hintergrund ist laut SZ (Florian Hassel) ein Machtkampf zwischen den konservativen Liberaldemokraten (PNL), die Neuwahlen anstreben, und den Postkommunisten (PSD) sowie verschiedener kleinerer Parteien.

In einem gesonderten Kommentar konstatiert Florian Hassel (SZ), dass die Verfassungsrichter den Postkommunisten für ein weiteres halbes Jahr das politische Überleben gesichert haben. Die Verfassungsrichter seien "nicht über alle Zweifel erhaben", etliche entstammten der PSD und hätten schon mehrere Skandalentscheidungen gefällt.

Frankreich – Prozess gegen Fillon: Der Prozess gegen den früheren französischen Präsidentschaftsaspiranten François Fillon wurde wegen eines Streiks von Rechtsanwälten verschoben. Das meldet die FAZ (Michaela Wiegel). Fillon wird die Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen.

Sonstiges

Behörden und Social Media: Im Interview mit netzpolitik.org (Lucia Parbel) erläutert der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink, warum sich seine Behörde von Twitter verabschiedet hat, und worauf Behörden bei der Nutzung von Social Media achten müssen, um dem Datenschutzrecht zu genügen. Als Alternative zu den bekannten Anbietern gebe es den dezentralen Dienst Mastadon. Denkbar sei auch eine vom Land Baden-Württemberg selbst gehostete Plattform.

Social Media und Arbeitsrecht: Die Rechtsanwältin Isabel Hexel erläutert auf lto.de arbeitsrechtliche Probleme, die sich aus der Nutzung von Social Media ergeben. So könne eine betriebliche Facebook-Seite eine Einrichtung darstellen, die zur Überwachung der Arbeitnehmer bestimmt sei und daher der Zustimung des Betriebsrates bedürfe. Ein twitternder Betriebsrat könne gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen, Arbeitnehmer könnten Loyalitäts-, Rücksichtnahme- und Geheimhaltungspflichten verletzen. Bei Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus dem Betrieb stelle sich die Frage, wem die Follower eines Accounts gehören.

BfJ-Präsident im Interview: Im Interview mit dem Hbl (Volker Votsmeier/Jan Keuchel) wehrt sich der Präsident des Bundesamtes für Justiz Heinz-Josef Friehe gegen den Vorwurf, sein Amt habe die Musterfeststellungsklage gegen VW verzögert. Die Behörde, die das Klägerregister führt, habe bereits einen Großteil der Klagerücknahmen geklärt. VW könne damit kalkulieren, dass nicht mehr als 400.000 Anmelder übrig bleiben. Außerdem äußert sich Friehe zur Kontrolle von Offenlegungspflichten von haftungsbeschränkten Gesellschaften sowie zur Durchsetzung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.

Fischer zu Hanau: In seiner Kolumne für spiegel.de kritisiert der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer die Berichterstattung über den Anschlag in Hanau für die seiner Ansicht nach unkonkrete und unpersönliche Darstellung der Opfer sowie für vorschnelle Urteile über Ursachenzusammenhänge und die psychische Verfassung des Täters.

Namensnennung des Täters von Hanau: Nach Ansicht von Jost Müller-Neuhof (Tsp) sprechen Persönlichkeitsrechte nicht dagegen, den vollen Namen des Täters von Hanau zu nennen, "weil er eine schreckliche, nach Art und Umständen außergewöhnliche Mordtat begangen hat, in der rassistische und fremdenfeindliche Motive zumindest eine Rolle spielten". Andererseits spreche auch nichts für die Nennung des Namens, da er keine relevanten Informationen enthalte.

Volk und Demokratie: Die Rechts- und Politikwissenschaftler Isabelle Ley, Claudio Franzius und Tine Stein führen auf verfassungsblog.de in das Thema des Symposiums zu Ehren des 80. Geburtstages von Ulrich K. Preuß ein. In den Beiträgen des Symposiums wird es um den Begriff des Volks sowie um sein Verhältnis zur Demokratie und ihren Institutionen gehen.

Fiat Justitia: Stefan Trinks (FAZ) analysiert Carl Spitzwegs Bild "Fiat Justitia" von 1857, das bis 2006 im Büro des Bundespräsidenten in der Bonner Villa Hammerschmidt hing. Das Kunstwerk zeigt die Statue einer Justitia, deren Waagschale sich zu einer Seite neigt und die unter der Augenbinde hindurch lugt.

Das Letzte zum Schluss

Geständnis am Tatort: Eine unkonventionelle Form des Geständnisses wählte ein mutmaßlicher Einbrecher in Berlin. Er klingelte an der Tür der Wohnung, in die wenige Wochen vorher eingebrochen worden war, und teilte dem Opfer mit, dass er beteiligt gewesen sei. Der überraschte Wohnungsinhaber bat den Mann herein und rief die Polizei, so t-online.de.

 

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lto/dw

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Februar 2020: Verhandlung über Assange-Auslieferung / Kundus vor EGMR / Weinstein verurteilt . In: Legal Tribune Online, 25.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40451/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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