Am kommenden Mittwoch verkündet das BVerfG sein Urteil zur Suizidhilfe. Nach dem Anschlag von Hanau ist eine Debatte um das Waffenrecht entbrannt. In Großbritannien beginnt das Verfahren um eine mögliche Auslieferung von Julian Assange.
Thema des Tages
BVerfG – Suizidhilfe: Am kommenden Mittwoch verkündet das Bundesverfassungsgericht, ob die aktuelle Regelung zur Sterbehilfe mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es entscheidet über sechs Verfassungsbeschwerden, die sich gegen das Ende 2015 in Kraft getretene Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe richten. Unter den Beschwerdeführern sind schwerkranke Patienten, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchten, sowie Sterbehilfevereine und Ärzte. Mit § 217 Strafgesetzbuch wurde die eigentlich straflose Beihilfe zum Suizid verboten, wenn sie "geschäftsmäßig" erfolgt, also auf Wiederholung angelegt ist. Dabei kommt es auf ein Profitinteresse nicht an. Über die bevorstehende Entscheidung berichten die Sa-FAZ (Marlene Grunert) und der Dlf (Gudula Geuther).
Rechtspolitik
Waffenrecht: Im Nachgang zum Anschlag in Hanau ist eine Debatte um das deutsche Waffenrecht entbrannt. So fordern die Grünen, dass Munition nur noch gelagert werden darf, wo auch geschossen werden darf. Zudem sollten die Zuverlässigkeitsprüfungen ausgeweitet werden. Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) möchte das Waffenrecht überprüfen lassen. Erforderlich sei jedoch insbesondere die konsequente Anwendung der erst kürzlich verschärften Regelungen. Es berichten die Sa-FAZ (Helene Bubrowski), die Sa-Welt (Ricarda Breyton), spiegel.de (Dietmar Hipp/Jean-Pierre Ziegler) und zeit.de (Tilman Steffen/Alexandra Endres).
In der Mo-FAZ fordert Journalist und Aktivist Roman Grafe ein Verbot tödlicher Sportwaffen. Das von ihnen ausgehende Risiko sei unbeherrschbar. Wirksame Waffenrechtsverschärfungen würden seit Jahrzehnten bekämpft. Das herrschende Motto sei: "Gepanzerte Herzen, verschlossene Ohren, keine Scham".
Planungsbeschleunigung: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) möchte laut spiegel.de (Michael Sauga) die Planungs- und Genehmigungsverfahren verschlanken. Unter anderem sollen Genehmigungsfristen verkürzt, Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren besser verzahnt und die Zahl der Planungsstufen reduziert werden. Zudem sollen bei Bauprojekten Naturschutzvorgaben bundesweit einheitlich angewandt und die verwaltungsgerichtlichen Instanzen verringert werden.
Verbreiten von Falschmeldungen: EU-Vizekommissionschefin Věra Jourová wirbt für strafrechtliche Verbote für gezielte Falschmeldungen. Dabei ginge es um sicherheitsrelevante Desinformation, etwa "beim Verbreiten von Nachrichten, die Panik schüren könnten", so Jourová laut spiegel.de.
Berliner Mietendeckel: Am gestrigen Sonntag ist in Berlin der Mietendeckel in Kraft getreten. Er friert die Mieten 2020 und 2021 auf dem Niveau des vergangenen Jahres ein und erlaubt von 2022 an Mietsteigerungen nur bis zu den vom Senat festgelegten Mietobergrenzen. Einen Überblick liefert zeit.de (Tina Groll). Die Sa-Welt (Michael Fabricius) schreibt ausführlich über bevorstehende juristische Auseinandersetzungen um das Gesetz und seine möglichen rechtlichen Schwachstellen.
Frauenquote: In seiner Kolumne befürwortet Heribert Prantl (Sa-SZ) den Gesetzentwurf von Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) zur Einführung einer Mindestquote für Frauen in den Vorständen von Großunternehmen. Er trage zur Verwirklichung von Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz bei. Ohne das "vorübergehende Hilfsmittel" der Quote ändere sich offensichtlich nichts am "Konstruktionsfehler bei Karriereleitern für Frauen", die "oben keine Sprossen" hätten. Noch jeder Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung sei in den letzten 100 Jahren per Gesetz erzwungen worden.
Musterfeststellungsklage: Wolfgang Janisch (Sa-SZ) kritisiert "Grundfehler" der Musterfeststellungsklage. Es gelinge ihr nicht, "die enormen Kräfte zu bündeln, die in Hunderttausenden Ansprüchen stecken". Eine effektive Klagemöglichkeit helfe einzelnen Verbrauchern im Rechtsstreit gegen globale Unternehmen und mahne die Firmen gleichzeitig zur Vorsicht. Das Justizministerium solle deshalb vor dem Hintergrund der Erfahrungen des VW-Verfahrens nun für eine "echte Stärkung des kollektiven Rechtsschutzes" sorgen.
Erbbaurecht: Die Sa-SZ (Marianne Körber) stellt das Erbbaurecht vor, bei dem nur ein Gebäude verkauft wird, nicht aber der Boden, auf dem es steht. Dieser wird vermietet. Dadurch sei zwar der Kaufpreis für Immobilien günstig, langfristig wirke sich das Instrument aber wertmindernd auf die Immobilie aus. Dennoch könne das Erbbaurecht bei richtiger Ausgestaltung helfen, günstigen Wohnraum zu schaffen.
ePrivacy-VO: community.beck.de (Stefan Hanloser) stellt den überarbeiteten Vorschlag der kroatischen EU-Ratspräsidentschaft für eine ePrivacy-Verordnung vor. Darin wird unter anderem ein berechtigtes Interesse am Speichern von Cookies ohne entsprechendes Einverständnis der Nutzer anerkannt sowie das Finanzierungsinteresse werbefinanzierter Online-Presseveröffentlichungen und audiovisueller Mediendienste betont. Der Vorschlag könne den seit Jahren bestehenden regulatorischen Stillstand überwinden.
Organspende: Rechtsprofessor Ulrich Schroth und Philosophieprofessor Wilhelm Vossenkuhl kritisieren in einem Beitrag für die Mo-FAZ die vom Bundestag beschlossene "erweiterte Zustimmungslösung" zur Organspende und arbeiten Vorzüge der Widerspruchslösung heraus. Wenn jedem Bürger ein "derivatives Teilhaberecht am Organaufkommen" zustehe, solle auch "jeder zunächst einmal als potenzieller Organspender gelten". Mit der Abstimmung sei eine Chance verpasst worden.
Justiz
EGMR zu "Pushbacks" in Melilla: Nun bespricht auch Research Fellow Constantin Hruschka auf verfassungsblog.de das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu unmittelbaren Abschiebungen ohne individuelle Prüfung direkt an der Grenze durch Spanien. Diese würden, entgegen einiger Beobachter, auch vom EGMR nicht gutgeheißen. Der Gerichtshof habe den Wortlaut der maßgeblichen Bestimmung lediglich um eine eng begrenzte Ausnahme erweitert und im konkreten Einzelfall keine Verletzung festgestellt.
BVerwG zu Asylprozessrecht: Einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom vergangenen Donnerstag zufolge darf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weiterhin eine ablehnende Entscheidung über einen Asylantrag mit einem Abschiebungsantrag verbinden. Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass der Asylantragsteller ein Bleiberecht hat, bis über seinen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung seines Antrags entschieden worden ist, so das BVerwG laut lto.de.
BGH zu Fairnessparagraph: Nun schreibt auch die Sa-FAZ (Michael Hanfeld) über den Sieg des Chefkameramanns des Erfolgsfilms "Das Boot" in der vergangenen Woche vor dem Bundesgerichtshof. Dieser hatte bestätigt, dass Jost Vacano grundsätzlich eine Nachvergütung aufgrund des Erfolgs des Films zusteht.
BSG zu Widerspruchs-Kostenerstattung: Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass für Jobcenter ein Aufrechnungsverbot gilt, wenn ein Hartz-IV-Empfänger im Widerspruchsverfahren gewinnt. Insbesondere muss das Jobcenter die entstandenen Rechtsanwaltskosten übernehmen und kann nicht mit Gegenansprüchen gegen den Leistungsberechtigten aufrechnen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Anwälte die Übernahme entsprechender Mandate ablehnten und Leistungsempfänger Probleme bekämen, so das BSG laut lto.de (Annelie Kaufmann).
BAG – Betriebsvereinbarungen: Die Rechtsanwälte Sebastian Maiß und Christoph Kaul stellen in einem Beitrag für lto.de eine bevorstehende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu der Frage vor, inwieweit Arbeitgeber über Betriebsvereinbarungen bestehende Arbeitsverhältnisse modifizieren können. Das BAG muss entscheiden, ob dies auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag möglich ist. Insoweit gibt es bislang keine einheitliche Rechtsprechung des Gerichts.
OVG Hamburg zu verschleierter Schülerin: Der Spiegel (Laura Backes) porträtiert ein 16-jähriges Mädchen, das mit ihrer Familie Anfang Februar dieses Jahres vor dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht erstritten hat, dass sie mit Gesichtsschleier die Berufsschule besuchen darf. Nun möchte das Land Hamburg das Schulgesetz ändern, um eine rechtliche Grundlage für ein Verbot des sogenannten Nikab in der Schule zu schaffen.
OLG Karlsruhe zu Behinderungsrisiko: Einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zufolge haften Ärzte auf Schadensersatz, wenn erwiesen ist, dass eine Mutter die Schwangerschaft abgebrochen hätte und dies gemäß § 218a Strafgesetzbuch gerechtfertigt gewesen wäre, und die Ärzte gleichwohl einen Hinweis auf das Risiko der schweren Behinderung unterlassen. Dies meldet lto.de.
OLG Dresden – Revolution Chemnitz: Der Spiegel (Julia Jüttner) gibt einen Überblick über den Prozess gegen die acht mutmaßlichen Mitglieder der "Revolution Chemnitz" vor dem Oberlandesgericht Dresden. Sie sollen als Gruppe Anschläge geplant haben und stehen seit mittlerweile 28 Verhandlungstagen wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung vor Gericht.
VG Berlin – Karsten Giffey: Der Ehemann von Familienministerin Franziska Giffey (SPD), Karsten Giffey, versucht, mit einem Eilantrag vor dem Berliner Verwaltungsgericht die Veröffentlichung des Urteils zu verhindern, mit dem er wegen Dienstvergehen aus dem Landesdienst entfernt worden war. Dies berichtet der Tsp (Jost Müller-Neuhof).
LG Berlin – Goldmünzen-Diebstahl: spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet über den Zivilprozess vor dem Berliner Landgericht zum Goldmünzen-Diebstahl aus dem Bode-Museum. Im Anschluss an die strafrechtliche Verurteilung geht es nun um die Frage, ob die Allianz-Versicherung dem Eigentümer der Münze die volle Versicherungssumme auszahlen muss, oder ob die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Trägerin des Museums ein Mitverschuldensvorwurf trifft. Dabei geht es um eine mögliche Gefahrenerhöhung durch ein ungesichertes Fenster, durch das die Einbrecher in das Museum gelangten. Eine Entscheidung steht noch aus.
LG Ulm zu Tierquäler: Der Spiegel (Dietmar Hipp) schreibt über den Prozess gegen einen Landwirt, der über Jahre Mastschweine vernachlässigt hatte. Er war vom Amtsgericht Ulm zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das dortige Landgericht verhängte nun jedoch als Berufungsinstanz eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren.
GBA – IS-Mitglied Taha A.-J.: Die Bundesanwaltschaft hat laut faz.net den Mann der in München vor Gericht stehenden deutschen IS-Rückkehrerin Jennifer W. wegen Mordes und Völkermordes angeklagt. Er soll sich als IS-Mitglied vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/M. verantworten.
GBA – Anschlag von Hanau: Die Sa-SZ (Annette Ramelsberger) erläutert vor dem Hintergrund des mutmaßlich von Tobias R. begangenen Anschlags von Hanau die juristischen Grundsätze der Schuldfähigkeit.
zeit.de (Dagny Lüdemann) bringt ein Gespräch mit der Kriminologieprofessorin Britta Bannenberg, in dem diese festhält, es sei kein Widerspruch, zugleich schwer psychisch krank, rechtsextrem und rassistisch zu sein. Zudem äußert sie sich zu den Ursachen von Radikalisierungen sowie dem Gewaltpotenzial psychisch erkrankter Menschen.
Reinhard Müller (Sa-FAZ) fragt nach möglichen Konsequenzen nach dem Anschlag. Wer den unveräußerlichen menschenrechtlichen Kern des Gemeinwesens bekämpfe, gehöre beobachtet und bestraft und als Organisation verboten. Der Staat könne zwar nicht jeden Anschlag verhindern. Er könne jedoch "allen das glaubhafte Versprechen machen, dass er Recht nach innen und außen durchsetzt".
Hackerangriff auf KG Berlin: Nach einem Trojaner-Angriff im letzten Jahr hat nun die Berliner Senatsverwaltung dem Kammergericht Berlin die Freigabe zum Anschluss der neu erstellten IT-Infrastruktur an das Berliner Landesnetz erteilt, wie lto.de meldet.
Andreas Voßkuhle: Die Mo-FAZ (Patrick Bahners) schreibt über ein Gespräch von Gregor Gysi mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Andreas Voßkuhle, im Deutschen Theater Berlin. Voßkuhles Ansicht nach sind die Richter am BVerfG gut beraten, sich auch öffentlich für ihre Urteile zu rechtfertigen, indem sie sich Fragen der Bürger stellen.
Recht in der Welt
USA – Harvey Weinstein: Im Vergewaltigungsprozess gegen Harvey Weinstein hat sich die Jury in Bezug auf die schwersten Vorwürfe bislang nicht einigen können. Nun sollen sie weiterverhandeln. Sollten sie sich nicht einigen, droht der Prozess zu platzen, so zeit.de.
Großbritannien – Auslieferungsverfahren Assange: Vor dem britischen Woolwich Crown Court beginnen am heutigen Montag die Anhörungen zu einer möglichen Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA. Dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Gefängnis. Maßgeblich wird es darum gehen, ob Assange in den USA mit einem fairen Verfahren rechnen könnte. Der Spiegel (Dietmar Pieper u.a.) zeichnet anlässlich des Verfahrens ausführlich Assanges Geschichte nach.
Nicolas Richter (Sa-SZ) meint, die US-Regierung nutze den Fall offensichtlich, um alle einzuschüchtern, die Staatsgeheimnisse verbreiten, auch Whistleblower und Journalisten. Die Spionageanklage mit der Aussicht auf lebenslange Haft sei maßlos. Nun bedürfe es mutiger Richter in London, die eine Auslieferung für unverantwortlich erklären.
Juristische Ausbildung
Examen mit Repetitor: Die Sa-FAZ (Marcus Jung) reflektiert ausführlich über die Vorzüge und die Nachteile des Besuchs eines kommerziellen Repetitoriums zur Examensvorbereitung.
Sonstiges
Bryan Stevenson: Die Sa-SZ (Christian Zaschke) bringt ein Interview mit dem amerikanischen Rechtsanwalt und Bürgerrechtler Bryan Stevenson. Er äußert sich zu seinen Beweggründen, arme und benachteiligte Menschen zu vertreten, den Schwächen des amerikanischen Rechtssystems und seinen Erfahrungen als Schwarzer in den Südstaaten.
Bundesliga-Justiziare: lto.de (Hasso Suliak) stellt Justiziare in der Fußball-Bundesliga vor.
Bundeswehr und Karneval: Martin Rath schreibt auf lto.de in dieser Woche über die von Franz Josef Strauß begründete Tradition, aus der "in konservativen Kreisen doch eigentlich anstößigen Gleichsetzung von Bundeswehr und Trachtengruppe sogar noch politische Kraft zu schöpfen". Strauß hatte Bundeswehrsoldaten verpflichten wollen, sich am Karneval zu beteiligen, scheiterte mit seiner Anweisung jedoch prompt vor dem Bundesdisziplinarhof.
Das Letzte zum Schluss
Obstkorb: Als Rechtsanwalt wünscht man sich ja häufig nichts anderes als einen Obstkorb, Getränke und am nächsten Morgen ein geniales Frühstück. lawblog.de (Udo Vetter) hätte sich – unverständlicherweise – stattdessen lieber ein hübsches Honorar gewünscht.
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lto/jng
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Die juristische Presseschau vom 22. bis 24. Februar 2020: . In: Legal Tribune Online, 24.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40443 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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