Die juristische Presseschau vom 7. Februar 2020: Hand­lungs­mög­lich­keiten in Thüringen / Kein Arbeits­lo­sen­geld II für Aus­länder? / Myright-Klagen even­tuell unbe­gründet

07.02.2020

Vielfältige Handlungsmöglichkeiten und Konsequenzen im Thüringer Wahl-Eklat. BVerfG entscheidet zu Anspruch von Ausländern auf Arbeitslosengeld II und Vertretung durch Legal-Tech Unternehmen könnte vor Gericht unzulässig sein.

Thema des Tages

Thüringen: Der am Mittwoch mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählte Thomas Kemmerich (FDP) kündigte am Donnerstagnachmittag seinen Rücktritt und Schritte zur Auflösung des gerade gebildeten Landtags an. Nun schildern auch tagesschau.de (Frank Bräutigam/Kolja Schwartz) und die taz (Pascal Beucker) die verfassungsrechtlichen Wege zu Neuwahlen. Die SZ (Detlef Esslinger/Cerstin Gammelin) und lto.de (Markus Sehl) betten dies in aktuelle Berichterstattung ein. Auch über die Möglichkeit eines konstruktiven Misstrauensvotums und eine geschäftsführende Amtsausübung wird informiert.

Rechtspolitik

U-Haftentlassungen: Weil in Nordrhein-Westfalen 2019 sieben mutmaßliche Straftäter aufgrund überlanger Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten, äußerte sich nun Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach (CDU) zu den Vorfällen. Der Minister verteidigte diese "als rechtsstaatlich begründete Einzelfälle" und wies die Verknüpfung der Vorfälle mit Personalmangel in der Justiz zurück. Es berichtet lto.de.

Justiz

BVerfG zum Ausschluss von Hartz IV: Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Vorlagen des Sozialgerichts Mainz zum teilweisen Ausschluss von Ausländern von Hartz IV-Leistungen als unzulässig abgelehnt. Das Sozialgericht habe nicht ausreichend dargelegt, dass die vorgelegten Normen in den jeweiligen Verfahren entscheidungserheblich waren. Außerdem habe es sich nicht mit der Möglichkeit befasst, die Normen verfassungskonform auszulegen, berichten die FAZ (Marcus Jung) und lto.de.

BGH – Verbraucherzentrale gegen Facebook: Der Bundesgerichtshof (BGH) erwägt, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob Verbraucherverbände bei Datenschutzverstößen für betroffene Nutzer klagen dürfen. Dem zugrunde liegt eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen Facebook zur Verpflichtung Facebooks auf einen sorgfältigeren Umgang mit Nutzerdaten. Über die mündliche Verhandlung des BGH berichten die taz und mit weiteren Hintergründen lto.de.

BFH – Steuerbegünstigung als Gewinnausschüttung: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird nun vorerst doch nicht darüber entscheiden, ob die Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten kommunaler Eigenbetriebe in Deutschland einen Verstoß gegen das EU-Beihilferecht darstellt. Der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs an den EuGH ist gegenstandlos geworden, da das zugrundeliegende Revisionsverfahren eingestellt wurde. Das klagende Energieversorgungsunternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern und das beklagte Finanzamt hatten sich auf die Einstellung des Revisionsverfahrens geeinigt, erläutert lto.de.

BAG-Jahresbilanz: Nun berichtet auch lto.de (Tanja Podolski) von der jährlichen Pressekonferenz des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Danach teilte BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt u.a. mit, dass sich derzeit vier der zehn Senate des Gerichts in einer Pilotphase in Bezug auf die elektronische Akte befinden. Diese Phase soll zum Sommer abgeschlossen werden.

OLG München – IS Heimkehrerin Jennifer W.: Die wegen Mordes an einem jesidischen Mädchen und der Mitgliedschaft beim Islamischen Staat (IS) angeklagte Jennifer W, muss laut einem Beschluss des Oberlandesgericht München (OLG) ihre Anwälte behalten. Die Angeklagte hatte beantragt, ihren Anwälten das Mandat zu entziehen, da gegen diese ein Ermittlungsverfahren wegen § 353d Strafgesetzbuch (verbotene Mitteilung aus einem anderen Gerichtsverfahren) läuft. Wie die SZ und lto.de melden, befand das OLG jedoch, dass dadurch eine sachgerechte Verteidigung nicht gefährdet sei.

OVG Münster zu Gmail: Wie aus einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster von Mittwoch hervorgeht, ist Googles Maildienst Gmail kein Telekommunikationsdienst. Geklagt hatte Google gegen die Bundesnetzagentur, da diese das Unternehmen 2014 verpflichtet hatte, Gmail als Telekommunikationsdienst anzumelden. Wie netzpolitik.org (Tomas Rudl) weiter berichtet, hat das Urteil zur Folge, dass für das Mailportal nun beispielweise hinsichtlich des Datenschutzes geringere Auflagen gelten als für Mobilfunkanbieter.

LG Braunschweig – Myright-Klagen: Wie das Landgericht Braunschweig (LG) mitteilte, beabsichtigt es eine Klage des Legal-Tech-Unternehmens Myright abzuweisen. Ein Schweizer Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen VW-Pkw hatte seinen mutmaßlichen Anspruch gegen VW an Myright abgetreten. Darin bestünde laut Gericht aber ein Verstoß gegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes, weshalb die Abtretung ungültig und die Klage als unbegründet abzuweisen wäre. Wie lto.de (Pia Lorenz) weiter berichtet, ist das Verfahren ein Pilotverfahren für weitere 2.004 Klagen Schweizer VW-Käufer und über 6.000 Klagen slowenischer Autokäufer, für die Myright ebenfalls am LG Braunschweig klagt.

EuGH – Brustimplantate-Skandal: Aus den Schlussanträgen des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof geht hervor, dass eine Beschränkung des Haftpflichtversicherungsschutzes auf ein bestimmtes Land mit dem Diskriminierungsverbot aus Artikel 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vereinbar ist. Wie lto.de berichtet, verklagte eine Deutsche die französische Versicherungsgesellschaft Allianz IARD in Deutschland auf Schadensersatz, weil ihr fehlerhafte Implantate eines französischen Brustimplantateherstellers eingesetzt worden waren. Der Hersteller Poly Implant Prothese (PIP) hatte bei der Allianz eine Haftpflichtversicherung, die allerdings eine Gebietsklausel enthält. 

Umzug Bayerischer VGH: Die vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) geplante Verlegung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof von München nach Ansbach stößt auf Widerstand einiger Landesrichter. Wie die SZ berichtet, äußert auch der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Klaus Rennert, in einem offenen Brief an Söder vielfältige Bedenken gegen den von Söder als "Behördenverlagerung" betitelten Umzug.

Recht in der Welt

Slowakei – Ausweisung vietnamesischen Diplomats: In Reaktion auf ein am Montag bekannt gewordenes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), hat die Slowakei nun einen vietnamesischen Diplomaten ausgewiesen. Im Juli 2017 war ein früherer vietnamesischer Manager und seine Freundin, die in Deutschland politisches Asyl suchten, aus Deutschland mit dem slowakischen Regierungsflugzeug nach Vietnam entführt worden. Der BGH erklärte die Operation des vietnamesischen Geheimdienstes als völkerrechtswidrig. Wie die SZ und die BerlZ weiter erörtern, hat der damalige slowakische Innenminister Robert Kalinak von der Entführung gewusst.  

USA – Trump-Impeachment: Nun berichten auch die SZ (Alan Cassidy) und die taz (Bernd Picket) über den "Freispruch" Donald Trumps im Impeachment-Verfahren. Der Freispruch sei vorhersehbar gewesen, meint der amerikanische Rechtsanwalt Nick Oberheiden auf lto.de und erläutert seine Annahme, indem er Parallelen zu den Amtsenthebungsverfahren gegen Andrew Johnson und Bill Clinton zieht und einen Blick auf die amerikanische Verfassung wirft.

Türkei – Osman Kavala: Wie der Anwalt des inhaftierten Osman Kavala berichtet, hat der Istanbuler Oberstaatsanwalt lebenslange Haft für den türkischen Intellektuellen geforderter. Ihm und einigen weiteren Aktivisten wird unter anderem ein Umsturzversuch im Kontext der regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013 vorgeworfen, so zeit.de. Erst im Dezember ordnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Freilassung Kevalas aus der Untersuchungshaft an, der die Türkei bisher aber nicht nachkam.
 

Sonstiges

UN-Sonderberichterstatter: In einem Beitrag der SZ (Isabel Pfaff) wird der Experte für humanitäres Völkerrecht, Nils Melzer, und seine Tätigkeit als UN-Sonderberichterstatter für Folter näher dargestellt und erläutert, vor allem in Hinblick auf den Fall des Whistleblowers Julian Assange.

 

 

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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ali

(Hinweis für Journalisten) www.lto.de/index.php?id=459

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. Februar 2020: Handlungsmöglichkeiten in Thüringen / Kein Arbeitslosengeld II für Ausländer? / Myright-Klagen eventuell unbegründet . In: Legal Tribune Online, 07.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40173/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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