Die juristische Presseschau vom 28. Januar 2020: Digi­taler Nach­lass / Unter­su­chungs­haft für Ste­phan E. / Diesel-Skandal übe­rall

28.01.2020

Eine Studie befasst sich mit der Regelung des digitalen Nachlasses aus rechtlicher und technischer Sicht. Der Hauptverdächtige im Mordfall Lübcke bleibt in Untersuchungshaft. Der Diesel-Skandal beschäftigt EuGH, BGH und Kanzleien.

Thema des Tages

Digitaler Nachlass: Das Hbl (Frank Drost) stellt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie und der Unis Bremen und Regensburg vor, die sich mit dem Thema digitaler Nachlass befasst. Demnach ist den meisten Menschen nicht bewusst, dass und wie sie über ihren digitalen Nachlass verfügen können. Grundsätzlich findet das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) uneingeschränkt Anwendung. Eine Gesetzesänderung ist der Studie zufolge nicht erforderlich. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) möchte aber, Anregungen der Studie entsprechend, prüfen, wie Vorsorge getroffen werden kann, damit Erben unkompliziert an den digitalen Nachlass gelangen können. 

lto.de (Hasso Suliak) bringt ein Gespräch mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Magdalena Naczinsky, einer der Autorinnen der Studie. Sie äußert sich u.a. zur Notwendigkeit der Regelung des digitalen Nachlasses, zu unübersichtlichen und unzureichenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sowie zur Möglichkeit der Einsetzung eines Stellvertreters, wenn man aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst in der Lage ist, seine Nutzerkonten zu bedienen. 

Rechtspolitik

Hasskriminalität: Angesichts der Herausforderungen der Hasskriminalität im Internet sowie des aktuellen Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu dessen Bekämpfung fordert der Deutsche Richterbund laut spiegel.de 400 zusätzliche Staatsanwälte und Strafrichter. Das neue Gesetz werde für die Strafjustiz ein großer Kraftakt. So drohten bis zu 150.000 zusätzliche Verfahren bei den Staatsanwaltschaften pro Jahr.

Alkohol-Wegfahrsperren / KI: Die SZ (Wolfgang Janisch) schreibt anlässlich des Verkehrsgerichtstags in dieser Woche über Pläne der Bundesregierung zur Ermöglichung des Einsatzes von Alkolocks, also automatisierten Wegfahrsperren für betrunkene Autofahrer. Das Verkehrsministerium arbeitet an einem entsprechenden Gesetzentwurf, der es Trunkenheitsfahrern ermöglichen soll, die Sperrzeit zu verkürzen, indem sie sich ein Alkolock einbauen lassen. Ausgehend von diesen Plänen befasst sich der Beitrag ausführlich mit den Möglichkeiten und den juristisch-ethischen Herausforderungen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz (KI), um Rechtsbrüche von Vornherein unmöglich zu machen.

Online-Glücksspiel: Angesichts der Einigung der Bundesländer auf einen Staatsvertrag zum Online-Glücksspiel zeichnet lto.de (Christian Rath) ausführlich die letzten 15 Jahre der Glücksspielregulierung nach. Es sei ein Bereich, in dem der Staat zuletzt "machtlos und fast schon lächerlich" gewirkt habe. Bei der Neuregelung hätten sich nun die liberalisierungsfreundlichen Länder durchgesetzt. 

Recht auf Verschlüsselung: netzpolitik.org (Felix Richter) schreibt über eine Expertenanhörung am gestrigen Montag zu einem von der FDP-Fraktion eingebrachten Antrag, mit dem ein "Recht auf Verschlüsselung" geschaffen werden soll. Einige Experten äußerten, ein solches Recht könne Bestandteil effektiven Grundrechtschutzes sein. Ein Rechtsprofessor wies jedoch auf die Gefahr hin, dass durch Kryptografie rechtsfreie Räume entstünden.

Maklerkosten: Das Hbl (Heike Anger) berichtet über die gestrige, öffentliche Anhörung vor dem Rechtsausschuss zum Entwurf von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) zur Verteilung der Maklerkosten beim Erwerb von Wohnimmobilien. Die Sachverständigen stimmten dem Vorschlag grundsätzlich zu. Anstatt, wie ursprünglich geplant, das Bestellerprinzip einzuführen, sieht der Entwurf nun vor, dass die Maklerprovision von Verkäufer und Käufer hälftig zu bezahlen ist, sofern sich der Verkäufer nicht verpflichtet hat, die Kosten allein zu tragen.

Justiz

EuGH – Diesel-Skandal: Das Hbl (Jan Keuchel/Volker Votsmeier) berichtet ausführlich über das bevorstehende Gutachten eines Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof zu der Frage, ob Autohersteller wie VW und Daimler eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und Käufer getäuscht haben. So hätten die Hersteller zwar hierzulande Versuche verhindern können, die Affäre vor den EuGH zu bringen. Ein französischer Untersuchungsrichter habe jedoch im Oktober 2018 vorgelegt. Nun werde sich der EuGH doch noch mit den relevanten Rechtsfragen befassen können.

BVerfG – Soli-Teilabschaffung: Einer Meldung von spiegel.de zufolge hat der Bundesverband mittelständische Wirtschaft Verfassungsbeschwerde gegen den Wegfall des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der bisherigen Zahler eingereicht. Die "bewusste Schlechterstellung ganzer Steuerzahler-Gruppen" verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. 

BGH zu Mord an Walter Lübcke: Der Bundesgerichtshof hat den Haftbefehl gegen Stephan E. im Mordfall Walter Lübcke aufrechterhalten. Stephan E. sei weiterhin dringend mordverdächtig. In dem Beschluss äußert der BGH zudem Zweifel an der geänderten Aussage des Verdächtigen. So habe er nicht plausibel erklärt, warum er die angeblich durch einen Mitbeschuldigten begangene Tat zunächst verschwieg. Zudem belaste ihn eine DNA-Spur. Es bestehe kein Anlass, am Wahrheitsgehalt der ursprünglichen Angaben zu zweifeln, der zufolge er selbst Lübcke getötet hat. In einem weiteren Beschluss begründete der BGH seine Entscheidung, den Haftbefehl gegen den Mitbeschuldigten Waffenhändler Elmar J. aufzuheben. Über beide Beschlüsse berichten u.a. die FAZ (Marlene Grunert) und spiegel.de.

BGH zu Abgas-Skandal: Im Kontext des VW-Abgasskandals hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Richter befangen sein kann, wenn er in einem Verfahren über den gleichen oder zumindest einen ähnlichen Sachverhalt zu entscheiden hat, wegen dem er selbst gegen eine Partei Ansprüche geltend macht. Eine Richterin am Oberlandesgericht Celle ist demnach befangen, weil sie an der Musterfeststellungsklage gegen VW beteiligt ist. Es berichtet lto.de

VerfGH Rhld.-Pf. zur Messung von Geschwindigkeitsüberschreitungen: Nun schreibt auch lawblog.de (Udo Vetter) über die Entscheidung des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofs zur Möglichkeit der Akteneinsicht in die Gebrauchsanleitung eines Blitzers sowie die erhobenen Daten.

OLG München – Musterklage BEV-Insolvenz: Der FAZ (Marcus Jung) zufolge hat das Oberlandesgericht München eine Musterfeststellungsklage gegen den Insolvenzverwalter des Gas- und Stromanbieters Bayerische Energieversorgungsgesellschaft (BEV) zugelassen. Nun können sich betroffene BEV-Kunden in das Klageregister beim Bundesamt für Justiz eintragen. 

LG Berlin – Goldmünzenraub: spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet über die Fortsetzung des Prozesses um eine aus dem Bode-Museum gestohlene Goldmünze vor dem Berliner Landgericht. Dort forderte die Verteidigung nun in den Schlussvorträgen für den ersten Angeklagten Freispruch. Die von der Staatsanwaltschaft angeführten Indizien reichten nicht für eine Verurteilung. Die Verteidiger versuchten insbesondere, ein ihren Mandanten belastendes Gutachten zu entkräften.

LG Wiesbaden – Vergiftete Nudelsuppe: Vor dem Wiesbadener Landgericht hat der Prozess gegen einen 49-Jährigen begonnen, dem vorgeworfen wird, er habe versucht, ein älteres Ehepaar zu vergiften. Er soll in ihr Haus eingedrungen sein und Gift in eine auf dem Herd stehende Suppe gekippt haben. Der Angeklagte sei gekränkt gewesen, da der später Geschädigte seine Liebe nicht erwidert habe, berichten spiegel.de und bild.de (John Roth). Vor Gericht verweigerte er die Aussage.

StA Berlin – "Nationalsozialistische Offensive": Die Berliner Staatsanwaltschaft hat einen 31-jährigen Mann angeklagt, der ab Dezember 2018 unter dem Absender "Nationalsozialistische Offensive" bundesweit Emails an Gerichte, Polizeidienststellen, Behörden und Einkaufszentren verschickt und darin Sprengstoffanschläge und Tötungsdelikte angedroht haben soll. Insgesamt geht es um 107 Taten. Die Anklage lautet u.a. auf Anleitung zur Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten, schwere Nötigung und versuchte räuberische Erpressung. Es berichten faz.net (Helene Bubrowski/Stefan Tomik) und spiegel.de.

Künftiger BVerfG-Präsident: Das Hbl (Heike Anger/Volker Votsmeier) schreibt über die bevorstehende Wahl des Nachfolgers von Andreas Voßkuhle als Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Aussichtsreichster Kandidat ist Vizepräsident Stephan Harbarth. Kritiker zweifeln jedoch an dessen Unabhängigkeit, da er als CDU-Bundestagsabgeordneter an der Verabschiedung zahlreicher Gesetze beteiligt war, über deren Verfassungsmäßigkeit das Gericht noch entscheiden muss. 

Neuer Strafsenat: Einer Meldung von lto.de zufolge wird der neue, 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zum 15. Februar eingerichtet. Er wird seine Tätigkeit in Leipzig aufnehmen. 

Rechte Schöffen: Die SZ (Wolfgang Janisch) erläutert ausführlich das Ehrenamt des Schöffen und berichtet über Versuche rechter Parteien und Gruppen, mit Laienrichtern die Justiz zu unterwandern. Auf der Gegenseite versuchen die Gerichte, sich mithilfe von Amtsenthebungsverfahren und Befangenheitsanträgen gegen radikal rechte Einflüsse zu wehren. 

Hackerangriff auf das KG Berlin: lto.de (Markus Sehl) und spiegel.de stellen ein Gutachten vor, das sich dem Trojanerangriff auf das Computersystem des Berliner Kammergerichts widmet. Dabei wurde das System offenbar nicht nur mit dem Trojaner "Emotet" infiziert, sondern es wurden zusätzlich auch Daten wie etwa Passwörter gestohlen. Wie genau der Virus auf die Computer des KG gelangte, ist jedoch weiterhin nicht klar. 

Recht in der Welt

USA – Impeachment: Der Rechtsanwalt Nick Oberheiden analysiert auf FAZ-Einspruch aus verfassungsrechtlicher Sicht die Impeachment-Anklage gegen Präsident Trump im US-Senat. Ob Trump seine prozessualen Rechtsbefugnisse überschritten hat, etwa indem er sich weigerte, Dokumente herauszugeben, berührt demnach die stets kontroverse Frage nach dem Verhältnis von Exekutive und Legislative und dem sogenannten Exekutivprivileg, das sich zu einer Art ständiger Verfassungspraxis verfestigt hat, dessen Reichweite aber ungeklärt ist. 

Ungarn – NGO-Gesetzgebung vor dem EuGH: Die Assistenzprofessorin Petra Bárd erläutert auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) die kürzlich ergangenen Schlussanträge von Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona in einem Fall vor dem Europäischen Gerichtshof. Dabei geht es um ein ungarisches Gesetz, mit dem die Finanzierung von NGOs aus dem Ausland eingeschränkt werden soll. Der Generalanwalt befand nun, dass das Gesetz die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt und verschiedene Grundrechte verletzt und somit gegen EU-Recht verstößt. 

Sonstiges

Waffenbesitzkarte: Angesichts des mutmaßlichen Familiendramas mit sechs Toten in Rot am See erläutert die SZ (Josef Kelnberger) im "Aktuellen Lexikon" die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlangung einer Waffenbesitzkarte. 

Familiäre Gewalt: Anlässlich derselben Tat bringt die SZ (Anna Fischhaber) zudem ein Gespräch mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer. Er äußert sich zu den Ursachen von Gewalttaten innerhalb von Familien. Oft gebe es eine Vorgeschichte, wobei häufig massive Gewalt in der Familie im Hintergrund der Taten stehe. Über die Jahrzehnte habe die zunehmend gewaltfreie Erziehung jedoch auch zu einer gewaltärmeren Gesellschaft geführt.

BfV-Chef zu linker Gewalt: Nach den "Indymedia"-Ausschreitungen in Leipzig bringt die FAZ (Jasper von Altenbockum/Helene Bubrowski) ein Gespräch mit Verfassungschutzpräsident Thomas Haldenwang zur Gewalt von Links. Im linksextremistischen Spektrum sieht er eine "Intensivierung der Gewaltbereitschaft". Haldenwang äußert sich zudem zur bevorstehenden Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Das Verbot von "Linksunten.Indymedia" sei rechtmäßig und ein großer Erfolg gewesen. 

Diesel-Skandal und Kanzleien: Die Welt (Olaf Preuss) berichtet über Umsatzzuwächse von Wirtschaftskanzleien infolge der Aufarbeitung des VW Diesel-Skandals. Durchschnittlich sei der Umsatz der 50 größten Wirtschaftskanzleien 2019 um 9,9 Prozent gestiegen. Bei den Kanzleien, die in die Dieselthematik involviert sind, stieg der Umsatz hingegen um ganze 14,2 Prozent. 

 


Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des Mediums.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/jng

(Hinweis für Journalisten)  

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Sie können die tägliche LTO-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.  

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. Januar 2020: Digitaler Nachlass / Untersuchungshaft für Stephan E. / Diesel-Skandal überall . In: Legal Tribune Online, 28.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39925/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen