Die juristische Presseschau vom 15. Januar 2020: Ver­hand­lungs­be­ginn BND-Gesetz / BGH gibt Bewer­tungs­portal Recht / Schlus­s­an­träge im Ver­fahren gegen Ungarn

15.01.2020

Vor dem BVerfG haben die Verhandlungen zum BND-Gesetz begonnen. Das Bewertungsportal Yelp darf weiter Bewertungen auswählen urteilt der BGH und der Generalanwalt des EuGHs hält Schlussanträge im Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn.

Thema des Tages

BVerfG – BND-Gesetz: Vor dem Bundesverfassungsgericht werden heute die am Dienstag begonnenen Verhandlungen zur Rechtmäßigkeit des Bundesnachrichtendienstgesetzes fortgeführt. Das Gesetz war 2017 in Kraft getreten und sieht unter anderem die strategische Fernmeldeüberwachung von Ausländern im Ausland vor. Da diese Überwachung investigative Journalisten einschüchtere und die Grundrechte aus Artikel 5 und Artikel 10 Grundgesetz verletze, klagen nun sieben internationale Journalisten gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RoG). Dabei steht im Zentrum des Verfahrens die Frage, ob Ausländer sich überhaupt auf deutsche Grundrechte berufen können. Daneben stand am ersten Verhandlungstag auch die Praxis der Fernmeldeüberwachung im Fokus der Richter. Über die Fragen und genauere Argumentation der Richter, der Bundesregierung und der Kläger am ersten Verhandlungstag berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Marlene Grunert), die taz (Christian Rath), lto.de (Markus Sehl), tagesschau.de (Kolja Schwartz/Frank Bräutigam) und verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis). Am heutigen zweiten Verhandlungstag wird sich das Bundesverfassungsgericht wohl vor allem mit dem BND-Gesetz an sich auseinandersetzen. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Reinhard Müller (FAZ) weist in seinem Kommentar auf die Rolle des BND als Schützer der Grundrechte hin und meint, dass "Karlsruhe […] mehr Kontrolle, mehr Abwägung verlangen" kann, der BND "aber arbeitsfähig bleiben" muss.

Rechtspolitik

Geschlechterveränderung: Laut einem Gesetzentwurf will das Bundesjustizministerium Operationen untersagen, welche die Geschlechtsmerkmale von Kindern verändern. Solche Eingriffe seien häufig medizinisch nicht notwendig und sollen nach dem Entwurf nur zulässig sein, wenn ansonsten die Gesundheit des Kindes gefährdet wäre. Mit Genehmigung des Familiengerichts sollen 14-Jährige aber selbst entscheiden können, ob sie operiert werden möchten, so zeit.de weiter.

Atomabkommen: Die drei Garantiemächte Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben am Dienstag im Streit um das Atomabkommen den Schlichtungsmechanismus ausgelöst. Dies ist ein mehrstufiges Verfahren, welches das Abkommen selbst vorsieht. Wie faz.net (Helene Bubrowski/Markus Wehner) erörtert, wird dabei zunächst auf technischer Ebene und anschließend auf Ebene der Außenminister nach Lösungen gesucht. Laut faz.net ist es das Ziel von CDU und SPD an dem Abkommen mit dem Iran festzuhalten.

Justiz

BGH zu Bewertungsportal: Auch wenn eine in Sternen angegebene Gesamtbewertung für ein Unternehmen nicht alle abgegebenen Kundenurteile berücksichtigt, darf diese auf dem Internetbewertungsportal angezeigt werden. Dies entschied am Dienstag der Bundesgerichtshof und gab im Streit zwischen einer Fitnesstudio-Betreiberin und dem Onlineportal Yelp letzterem Recht, wie die SZ (Wolfgang Janisch/Vivien Timmler), Hbl (Susanne Schier), lto.de (Pia Lorenz) und tagesschau.de (Klaus Hempel) berichten. Das Bewertungsportal verwendet zur Generierung der Gesamtbewertung einen Algorithmus, der nur solche Kundenbewertungen miteinfließen lässt, die für authentisch gehalten werden. Nach Ansicht des BGH werden dadurch keine unwahren Tatsachen behauptet oder verbreitet, die einen Anspruch aus § 824 BGB begründen würden. Es lehnt damit das Urteil des OLG München ab. Laut Hbl kritisieren Experten das Urteil als nicht zeitgemäß.

BGH zu Sicherheitsstandards bei Pauschalreise: Reiseveranstalter müssen dafür Sorge tragen, dass in den von ihnen im Rahmen einer Pauschalreise vermittelten Hotels die örtlich geltenden Sicherheitsstandards eingehalten werden. Dies entschied der Bundesgerichtshof, hob damit das vorinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichts Celle auf und verwies erneut auf die Bedeutung von Verkehrssicherungspflichten, wie lto.de und sz.de berichten. Geklagt hatte ein Urlauber, der auf der regennassen Rollstuhlrampe seines bei Tui im Rahmen einer Pauschalreise gebuchten Hotels auf Lanzarote ausrutschte und sich verletzte. Nun wird sich das OLG Celle erneut mit dem Fall befassen.

BVerwG zu Abschiebung: Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag die Abschiebungsanordnung des Landes Niedersachsen gegen einen als IS-Sympathisanten eingestuften Mann aus Göttingen aufgehoben. Es könne nicht "mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit" gesagt werden, dass von diesem aktuell eine terroristische Gefahr ausgehe, wie sie § 58a AufenthG erfordere, so das BVerwG. Es berichten lto.de und sz.de. Laut letzterer wurde dem 29-jährgen jedoch noch im Gericht eine neue Ausweisungsverfügung ausgehändigt, wonach er diesmal aufgrund seiner anhaltenden Kriminalität ausgewiesen werden soll. Nun wird das Verwaltungsgericht Göttingen sich mit der Frage zu befassen haben, ob das Bleibeinteresse des in Deutschland geborenen Mannes oder das Ausweisungsinteresse der Behörden schwerer wiegt.

LG Braunschweig – Abgasbetrug: Wie lto.de berichtet, hat die Staatsanwaltschaft nun weitere sechs Mitarbeiter von Volkswagen wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall vor dem Landegericht (LG) Braunschweig angeklagt. Ihnen werden Steuerhinterziehung und Falschbeurkundung im Zeitraum von November 2006 bis September 2015 vorgeworfen. Wegen desselben Vorwurfs ist bereits der ehemalige VW-Konzernchef Martin Winterkorn zusammen mit vier weiteren Führungskräften vor dem LG angeklagt.

LAG Niedersachsen zu Entgelttransparenz: Die Tatsache, dass männliche Arbeitnehmer in einem Unternehmen im Durchschnitt 8 Prozent mehr verdienen als ihre weiblichen Kolleginnen, reiche laut dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen nicht aus, um zu beweisen, dass eine Vergütungsbenachteiligung aufgrund des Geschlechts bestehe. Ob sich die abweichende Gehaltsstruktur tatsächlich aus dem Geschlecht ergebe oder ob das Unternehmen nicht andere nachvollziehbare Gründe für diese habe, könne den auf der Grundlage des EntgTranspG erlangten Informationen nicht entnommen werden, so das LAG weiter. Damit das EntgTranspG seine beabsichtigte Wirkung entfalten kann, sollten die von der Arbeitnehmerin angeforderten Informationen jedoch als ausreichend angesehen werden, erläutert in einem Gastbeitrag auf lto.de die Rechtsanwältin Kathrin Bürger und legt ferner die Problematik dieses Urteils und seine Folgen dar. Die klagende Arbeitnehmerin hat gegen das Urteil bereits Revision eingelegt.

VG Düsseldorf zu Kriegsdienstverweigerung: Laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ist ein ehemaliger Offizier der Bundeswehr zurecht dazu verpflichtet worden, seine Ausbildungskosten sowie Kosten der Fachausbildung in Höhe von 57.000 € zu erstatten. Dieser hatte während seiner Dienstzeit ein Medizinstudium abgeschlossen und nach mehreren Auslandseinsätzen den Kriegsdienst schließlich verweigert, weshalb er vorzeitig aus der Bundeswehr entlassen und zur Rückerstattung der ersparten Aufwendungen verpflichtet wurde. Es berichtet spiegel.de.

GenStA – Razzia gegen Terror-Verdächtige: In mehreren Bundesländern gleichzeitig ist die Polizei in einer großangelegten Razzia gegen mutmaßliche Islamisten aus Tschetschenien vorgegangen. Diesen wird laut Generalstaatsanwaltschaft vorgeworfen, schwere staatsgefährdende Gewalttaten vorbereitet zu haben. Als Ziele eines möglichen Anschlags sollen eine Synagoge und ein Einkaufszentrum ausgekundschaftet worden sein, wie spiegel.de (Roman Lehberger) und lto.de berichten.

Recht in der Welt

EuGH – Ungarisches NGO-Gesetz: In seinem Schlussantrag empfiehlt ein Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs das ungarische NGO-Gesetz als Verstoß gegen EU-Recht zu werten. Das Gesetz sieht vor, dass sich Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Spenden aus dem Ausland erhalten, dessen Wert jährlich 1500 € übersteigen, registrieren und ihre Zuwendungen öffentlich machen müssen, so die taz und lto.de weiter. Eine solche Regelung verletze laut Generalanwalt nicht nur das Recht auf Vereinigungsfreiheit und auf den Schutz personenbezogener Daten, es beschränke auch den garantierten freien Kapitalverkehr im europäischen Binnenmarkt.

Russland – Gewaltschutzgesetz: Wie die FAZ (Friedrich Schmidt) berichtet, wird in Russland die Einführung eines Gewaltschutzgesetzes für Opfer häuslicher Gewalt diskutiert. Von dieser sind größtenteils Frauen und Kinder betroffen, allerdings gibt es wenig valide Daten, so die FAZ weiter. Im Juli 2019 war Russland vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits verurteilt und gerügt worden, dass die Mechanismen zum Schutz vor häuslicher Gewalt ungenügend seien. Gegen das Gesetz gebe es zwar starke Proteste, vor allem von Seiten der orthodoxen Kirche. Laut Umfragen befürworten aber viele Russen die Einführung des Gesetzes.

Sonstiges

Verzögerung Einführung E-Akte in Berlin: Wie der Tsp (Martin Kiesel) meldet, könnte sich der Termin für die Einführung der elektronischen Akte in sämtlichen Berliner Behörden bis zum Jahr 2026 verzögern. Ein unterlegener Bewerber um den Auftrag zur Einrichtung der digitalen Datenverwaltung hat eine Vergabeentscheidung bei der Vergabekammer beantragt. Bislang ist allerdings noch nicht bekannt, wie sich die Kammer entscheiden wird.

Immunität europäischer Abgeordneter: Anhand des Falls des katalanischen Politikers und ehemaligen Abgeordneten des Europäischen Parlaments Oriol Junqueras, stellt Peter van Elsuwege auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) das Spannungsverhältnis von europäischer und davon abweichender nationaler Rechtsprechung dar und äußert sich besorgt über die zurückhaltenden Reaktionen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments.

Das Letzte zum Schluss

YouTuber vor Gericht: Wegen eines Falschgeld-Scherzes in einem Video wurde der Youtuber Simon Desue wegen des Vorwurfs des Vortäuschens einer Straftat vor dem Amtsgericht Hamburg angeklagt und am Dienstag nun von diesem freigesprochen. Er behauptete in einem Video, sich Falschgeld im Darknet beschafft zu haben, um sich davon Likes zu kaufen. In der Verhandlung sagte er, er sei davon ausgegangen, dass seine Follower schon verstünden, dass es sich dabei um einen Scherz gehandelt habe, melden die SZ und die taz.  
 

 


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lto/ali

(Hinweis für Journalisten)   

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. Januar 2020: Verhandlungsbeginn BND-Gesetz / BGH gibt Bewertungsportal Recht / Schlussanträge im Verfahren gegen Ungarn . In: Legal Tribune Online, 15.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39683/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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