Die juristische Presseschau vom 31. Januar 2019: BAG legt EuGH Kopf­tuch-Frage vor / Bran­den­burger Pari­täts­ge­setz / EGMR urteilt in Sachen "Sea-Watch 3"

31.01.2019

Das BAG legt dem EuGH Frage zur Rechtmäßigkeit eines Kopftuchverbots vor. Außerdem in der Presseschau: Landtag Brandenburg entscheidet über Paritätsgesetz und der EGMR verurteilt Italien, die "Sea-Watch 3" mit Hilfsgütern zu versorgen.

Tagesthema

Kopftuchverbot privater Arbeitgeber: Eine Arbeitnehmerin war bis vor das Bundesarbeitsgericht gegen das Kopftuchverbot ihres Arbeitgebers, der Drogeriemarktkette Müller, vorgegangen. Das Bundesarbeitsgericht legte nun dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob dieses Verbot den in der Vergangenheit durch den EuGH aufgestellten Anforderungen entspricht. In diesem Fall könnte die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers gegenüber der Religionsfreiheit der Arbeitnehmerin überwiegen. Über die Vorlageentscheidung und den Verfahrensgang berichten FAZ, Tsp (Andrea Dernbach/Jost Müller-Neuhof/Laurin Meyer) und spiegel.de.

Detlef Esslinger (SZ) kritisiert die Entscheidung der Richter als ängstlich, während der Arbeitsrechtsanwalt Michael Fuhlrott auf lto.de die Auffassung vertritt, dass die Richter angesichts der komplexen Rechtslage und der von ihm dargestellten Rechtsprechung des Luxemburger Gerichtshofs richtig daran taten, die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Jost Müller-Neuhof (Tsp) verweist darauf, wie viele Urteile schon zur Rechtmäßigkeit von Kopftuchverboten getroffen wurden, sieht darin aber kein Versagen der Gerichte, sondern ein Zeichen für die Komplexität der Frage und das Ringen um angemessene Lösungen. Frank Sprecht (Hbl) spricht sich aus Integrationsgründen gegen Kopftuchverbote in der Privatwirtschaft aus.

Die Welt (Martin Nieendick) berichtet über den morgen stattfindenden "World-Hijab Day“ und stellt Gegnerinnen wie Befürworterinnen der Bewegung vor, die im Tragen des islamischen Kopftuchs ein Zeichen von Selbstbestimmung sehen.

Rechtspolitik

Paritätsgesetz Brandenburg: Der Landtag Brandenburg könnte heute ein Paritätsgesetz verabschieden, das die abwechselnde Besetzung von Landtagswahllisten mit Männern und Frauen vorsieht. Über das Gesetzesvorhaben berichtet die taz (Patricia Hecht), über die parteipolitischen Positionen zu einer solchen Quotierung die Zeit (Mariam Lau).

Patricia Hecht (taz) begrüßt das Gesetzesvorhaben als wichtigen Schritt, um den verfassungsrechtlichen Auftrag aus Artikel 3 Grundgesetz einzulösen, Heinrich Wefing (Zeit) stellt hingegen kritisch in Frage, ob das Vorhaben mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Auch Christian Rath (taz) stellt die verfassungsrechtlichen Probleme dar und begrüßt, dass es durch das Gesetz vermutlich bald zu ihrer gerichtlichen Klärung kommen werde.

Datenaustausch zu Asylverfahren: FAZ (Helene Bubrowski) und lto.de berichten über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der den Datenaustausch zwischen Behörden erleichtern soll. Es sollen auf diese Weise Mehrfachidentitäten bei Asylbewerbern aufgedeckt werden.

Helene Bubrowksi (FAZ) begrüßt den Gesetzentwurf als überfälliges Vorhaben.

Europawahlkampf: Anlässlich der anstehenden Wahlen zum Europaparlament zeigt sich Rechtsprofessor Sven Simon in einem Gastbeitrag für die FAZ besorgt über den Vertrauensverlust der Europäischen Union bei ihren Bürgern. Er spricht sich daher für einen entschlossenen Wahlkampf aus und stellt die Frage, wie man die Menschen wieder von der europäischen Idee überzeugen könnte und welche Reformen erforderlich sind. Auch Heribert Prantl (SZ) sieht die Gefahr, dass in der bevorstehenden Wahl europaskeptische Kräfte an Boden gewinnen könnten und weist darauf hin, dass die EU kein Projekt sei "auf dem man sich ausruhen könne“.

Brexit: In einem Gastbeitrag für die FAZ sprechen sich die Rechtsprofessoren Ulrich Fastenrath und Dominik Steiger gegen einen Austrittsvertrag aus, der die zukünftigen Verhältnisse von Europäischer Union und Großbritannien nicht regelt. Aus Artikel 50 EU-Vertrag folgt ihrer Auffassung nach auch keine Notwendigkeit für eine solche Zweiteilung der beiden zu regelnden Materien.

EU-VO zu terroristischen Inhalten: Auf verfassungsblog.de stellt Rechtsprofessor Martin Scheinin (in englischer Sprache) die Pläne für eine EU-Verordnung zur Löschung von terroristischen Inhalten im Internet vor. Er kritisiert die darin vorgesehen Voraussetzungen als zu ungenau und hält die geplante Verordnung für eine Gefährdung der Meinungsfreiheit.

EGMR-Richterwahl: Über die drei möglichen Kandidaten für die Nachfolge von Angelika Nußberger am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte berichtet die FAZ (Helene Bubrowski). Zur Wahl stehen der Völkerrechtler Thilo Marauhn, die Richterin am Bundesgerichtshof Christiane Schmaltz und die Völkerrechtlerin Anja Seibert-Fohr.

Justiz

EGMR zu "Sea-Watch 3": Bevor sich am gestrigen Mittwoch die EU-Mitgliedstaaten geeinigt hatten, wer die auf dem Rettungsschiff "Sea-Watch 3“ festsitzenden Migranten aufnimmt, verpflichtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Italien dazu, den auf dem Schiff befindlichen Personen medizinische Unterstützung, Lebensmittel und Wasser zukommen zu lassen. Das Urteil stelle nur einen Teilerfolg für die Klagenden dar, die Italien verpflichten wollten, den Landgang der auf dem Schiff befindlichen Personen zu erlauben, erklären taz (Michael Braun) und Welt.

EuGH zu Aroma-Tabak: Der Europäische Gerichtshof entschied auf eine Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts Berlin, dass eine EU-Richtlinie, die den Verkauf von aromatisierten Tabakprodukten verbietet, nicht gegen die Warenverkehrsfreiheit oder den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Dies gelte insbesondere auch für die unterschiedlich langen Auslaufphasen, die sich an den Verkaufsmengen der Händler orientieren. Über das Urteil informieren FAZ (Hendrik Wieduwilt), lto.de und SWR.de (Gigi Deppe).

BVerfG zu IP-Adressen: Auch lawblog.de (Udo Vetter) setzt sich nun mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts auseinander, der den E-Mail-Provider Posteo verpflichtet, IP-Adressen zur Verfügung zu stellen. Der Blogger weist darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht aus der Pflicht zur Datenherausgabe eine Pflicht zur Datenerhebung gemacht habe.

BGH zu Aufklärungspflichten bei Organspenden: Der Fachanwalt für Medizinrecht Martin Rehborn bespricht auf lto.de das Urteil des Bundesgerichtshofs zu Haftungsansprüchen bei Lebendorganspenden. Er hält die Begründung des Bundesgerichtshofs dafür, dass ein Rückgriff auf die Figur der hypothetischen Einwilligung für Operationen aufgrund des Transplantationsgesetzes ausgeschlossen sein soll, für unzureichend.

BAG zu Mindestlohn: Das Bundesarbeitsgericht entschied laut lto.de, dass eine Praktikantin auch dann keinen Anspruch auf Mindestlohn hat, wenn ihr Praktikum aufgrund von Unterbrechungen mehr als drei Monate dauert, sofern die Unterbrechungen durch persönliche Gründe des Praktikanten bedingt sind.

OVG Rheinland-Pfalz zu "Hitlerglocke": Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz wies die Klage eines Angehörigen von Holocaust-Opfern gegen einen Gemeinderatsbeschluss ab, der vorsah, eine Kirchenglocke aus der NS-Zeit nicht abzuhängen. Die Glocke ist mit einem Hakenkreuz und den Worten "Alles fuer's Vaterland – Adolf Hitler" versehen. Die Entscheidung, im Läuten der Glocke "ein Zeichen der Versöhnung mit den Opfern der Nazizeit“ zu sehen, sei zwar politisch kontrovers, stelle jedoch keine Billigung des NS-Unrechts dar. Über das Urteil berichten FAZ (Constantin von Lijnden), lto.de und spiegel.de

OLG Frankfurt/M. zu Beleidigung auf Whatsapp: Laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ist die Rechtsprechung zu beleidigungsfreien Sphären im Familienkreis auch auf Familienchats via Messenger-Diensten anwendbar. Geklagt hatte ein Mann gegen seine Schwiegermutter, die über Whatsapp ein Protokoll der ihm angelasteten angeblichen Misshandlung seines Sohnes mit ihrer Schwester geteilt hatte, wie lto.de meldet.

LAG Düsseldorf zur Kündigung einer Professorin: community.beck.de (Markus Stoffels) stellt die Hintergründe der Kündigungsschutzklage einer AfD-nahen Professorin an der Hochschule Niederrhein vor. Laut dem nun ergangenen Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf war das wiederholtes Fehlverhalten Professorin bereits abgemahnt und der Kündigungsvorwurf somit verbraucht. 

LG Oldenburg – Krankenpflegerfall: Im Prozess um den des hundertfachen Mordes angeklagten Krankenpfleger Niels Högel wurden laut spiegel.de (Wiebke Ramm) wichtige Zeugen befragt. Über einen möglichen Fall von Zeugenbeeinflussung berichtet die taz (Marthe Ruddat)

AG Fürstenfeldbruck zum "Containern“: Im Verfahren gegen die wegen schweren Diebstahls angeklagten Studentinnen vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck ist das Urteil ergangen. Die beiden Frauen hatten aus dem Müllcontainer eines Supermarktes weggeworfene Lebensmittel genommen. Das Gericht wendete sich gegen die Auffassung, der Supermarkt habe das Eigentum an den Lebensmitteln aufgegeben, verurteilte die beiden Angeklagten wegen ihrer "lobenswerten Motive" jedoch nur zu jeweils acht Sozialstunden Es berichtet die SZ (Ulrike Heidenreich).

Seda Başay-Yıldız: Über die erneute Bedrohung der Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız berichten nun auch taz (Christoph Schmidt-Lunau) und zeit.de und gehen dabei auf den aktuellen Ermittlungsstand ein, der auch in diesem Fall auf eine Urheberschaft aus Polizeikreisen hindeutet.

Gisela Friedrichsen (Welt) kritisiert, dass die Ermittlungen der Polizei nicht vorankommen und dadurch der Verdacht geweckt werde, dass sich die Verantwortlichen wieder einmal von falschem Korpsgeist leiten ließen.

Überlastete Sozialgerichte: Laut lto.de sind die Sozialgerichte wegen der Vielzahl von Klagen durch Krankenkassen überlastet. Auslöser ist das neue Pflegepersonalstärkungsgesetz, das Sperrfristen für Erstattungsansprüche von Krankenkassen auf zuviel gezahlte Behandlungskosten vorsieht. Insbesondere die Sozialgerichte in Nordrhein-Westfalen forderten nun personale Unterstützung.

Recht in der Welt

China – Lehrbuchzensur: Ein anonymer Beitrag eines chinesischen Studenten befasst sich auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) mit der Zensur von Verfassungsrecht-Lehrbüchern in der Volksrepublik China. Der Maßnahme liege vermutlich ein anonymer Hinweis zugrunde, wonach die Lehrbücher westlich-liberale Werte propagierten.

Venezuela – Ausreiseverbot für Interimspräsident: Das Oberste Gericht von Venezuela hat eine Ausreisesperre gegen den selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó erlassen und seine Konten eingefroren. Die Entscheidung war allerdings nicht einstimmig, zwei Richter äußerten öffentlich ihren Unmut über die Entscheidung. Es berichten SZ (Boris Herrmann) und spiegel.de.

In einem Interview mit bild.de (Paul Ronzheimer/Giorgos Moutafis) äußert sich Guaidó zur derzeitigen Situation in Venezuela.

Sonstiges 

Netzpolitik.org: lto.de (Markus Sehl) untersucht, welche rechtlichen Konsequenzen den Bloggern der Plattform netzpolitik.org nach der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts zur AfD drohen. Eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat, Datenhehlerei oder Landesverrat werden in Betracht gezogen, jedoch als unwahrscheinlich eingestuft.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/asp

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31. Januar 2019: BAG legt EuGH Kopftuch-Frage vor / Brandenburger Paritätsgesetz / EGMR urteilt in Sachen "Sea-Watch 3" . In: Legal Tribune Online, 31.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33559/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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