Der Ermittlungsrichter am BGH hat einen Haftbefehl gegen den Halle-Attentäter erlassen. Außerdem in der Presseschau: Christine Lambrecht stellt rechtspolitisches Programm vor und die Linksfraktion scheitert mit Organstreitverfahren.
Thema des Tages
BGH zu Halle-Attentäter: Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hat nach Meldungen von tagesschau.de und spiegel.de Haftbefehl gegen den Mann erlassen, der am Mittwoch in Halle versucht hat, in eine Synagoge einzudringen, und anschließend zwei Personen erschossen hat. Der Generalbundesanwalt wirft dem Mann zweifachen Mord sowie versuchten Mord in neun Fällen und weitere Straftaten vor. Er soll aus antisemitischen und rassistischen Motiven gehandelt haben. Derweil ist eine Diskussion über die politischen Konsequenzen entfacht, die u.a. von der FAZ (Helene Bubrowski u.a.), der SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de beleuchtet wird.
In einem Gastbeitrag für die Welt fordert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Politikerin und ehemalige Justizministerin, eine Reform des deutschen Sicherheitsapparates. Eine Reduzierung auf wenige Schwerpunktbehörden müsse den Informationsaustausch untereinander verbessern.
zeit.de (Yassin Musharbash) schreibt über die Schwierigkeit Terrorismus zu definieren. Die taz (Klaus Hillenbrand) und zeit.de (Tina Groll) machen auf den Anstieg antisemitischer Straftaten aufmerksam.
Rechtspolitik
Lambrecht in Karlsruhe: Justizministerin Christine Lambrecht hat in Karlsruhe das Bundesverfassungsgericht, den Bundesgerichtshof und die Bundesanwaltschaft besucht sowie ihr rechtspolitisches Programm vorgestellt. Dazu zählen neben der Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und Änderungen der Strafprozessordnung auch ein Gesetz, durch das Verbraucher bei telefonischem Vertragsabschluss besser geschützt werden sollen. Hinsichtlich des geplanten Berliner Mietendeckels habe Lambrecht "verfassungsrechtliche Fragen" geäußert, heißt es bei lto.de (Christian Rath).
Cybergrooming: Der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer setzt sich in seiner Kolumne auf spiegel.de kritisch mit der geplanten Ausweitung der Strafbarkeit im Bereich des Cybergroomings auseinander. Der Gesetzentwurf zur "Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings" verschiebe die Strafbarkeit "noch weiter ins 'Vorfeld' der eigentlichen Rechtsgutsverletzung, dahin, wo weder ein Kind noch dessen Selbstbestimmung überhaupt existieren".
Mietendeckel Berlin: Im Immobilienteil der FAZ legen die Rechtsanwälte Wolfgang Spoerr und Jan Bonhage dar, warum sie den geplanten Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig halten. Das Eigentumsrecht schütze auch die "Ertragsfähigkeit, mithin die Eignung, Überschüsse zu erzielen". Der derzeitige Referentenentwurf verfehle diese Anforderungen, wenn er von den Eigentümern verlange, die Mieten bei der Neuvermietung auf ein stadtweites Mietspiegelniveau der Vergangenheit zurückzuführen. Zudem würde der bundesweite Mietspiegel "außer Kraft gesetzt", was den Ländern nicht erlaubt sei.
Justiz
BVerfG zu Bundeswehr-Einsatz in Syrien: Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag der Linksfraktion im Bundestag gegen den Bundeswehr-Einsatz in Syrien als unzulässig verworfen. Die Linksfraktion hatte argumentiert, dass der Einsatz gegen das Grundgesetz verstoße, weil die Anti-IS-Allianz kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit sei. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass eine solche Verletzung nicht gerügt worden sei. Die Beteiligungsrechte des Bundestages seien gewahrt worden. Die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und die FAZ (Johannes Leithäuser) berichten. Im ersten Teil eines Beitrags für juwiss.de fasst der Akademische Rat Björn Schiffbauer den Sachverhalt und das Verfahren zusammen.
BVerwG zu ausländischen Führerscheinen: Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ausländische Führerscheine anerkannt werden müssen, auch wenn die deutsche Fahrerlaubnis vorher entzogen worden ist und die Voraussetzungen für eine Neuerteilung nach deutschem Recht nicht vorliegen. In dem Fall geht es um einen Spanier, dem seine deutsche Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt entzogen worden ist, dem jedoch von den spanischen Behörden ein spanischer Führerschein ausgestellt worden ist. Der Europäische Gerichtshof muss jetzt klären, ob die Führerscheinrichtlinie dessen Anerkennung fordert, wie lto.de (Tanja Podolski) schreibt.
EuGH zu Anrechnung von Vordienstzeiten: Es verstößt gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit, wenn Vordienstzeiten an anderen Universitäten, die "gleichwertig oder identisch" sind, bei der Bestimmung der Gehälter von Wissenschaftlern unberücksichtigt bleiben. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Frühere Tätigkeiten, die "schlicht nützlich" seien, müssten hingegen nicht angerechnet werden. In dem Ausgangsverfahren hatte eine deutsche Wissenschaftlerin geklagt, deren Tätigkeiten an deutschen Universitäten nicht vollständig bei der Bestimmung ihres Gehalts durch die Universität Wien berücksichtigt worden war. Die FAZ (Marcus Jung) berichtet.
OLG München zu Paypal-Gebühren: Unternehmen dürfen von ihren Kunden Gebühren für die Nutzung von Paypal und Sofortüberweisung verlangen. Das hat das Oberlandesgericht München entschieden, wie die FAZ (Marcus Jung) und lto.de melden. Gleichzeitig hat es die Revision zugelassen, sodass die Frage möglicherweise endgültig erst im kommenden Jahr durch den Bundesgerichtshof entschieden wird.
LG Köln zu Smartlaw: Das Landgericht Köln hat dem Verlag Wolters Kluwer untersagt, den Vertragsgenerator Smartlaw weiter zu betreiben, berichtet lto.de (Pia Lorenz). Das automatisierte Erzeugen von Vertragsdokumenten sei eine Rechtsdienstleistung, die Anwälten vorbehalten sei. Das Angebot sei auf konkrete Sachverhalte gerichtet und erreiche dabei einen hohen Grad an Individualisierung, der über das Format eines klassischen Formularhandbuchs hinausgehe. Wolters Kluwer hat Rechtsmittel angekündigt.
EuGH – Kartellrechtliches Vollzugsverbot: Die Kommission darf nicht zwei Geldbußen – wegen eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche Vollzugsverbot und zusätzlich wegen der Nichtanmeldung der Transaktion – verhängen. Zu diesem Ergebnis kommt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof im Verfahren Marine Harvest. Er bezieht sich dabei unter anderem auf die deutschen strafrechtlichen Konkurrenzregeln. Die Rechtsanwälte Marcel Nuys und Juliana Penz-Evren sowie die wissenschaftliche Mitarbeiterin Aylin Saraf fassen auf lto.de den Schlussantrag zusammen und stimmen dem Ergebnis zu.
LG Bochum – Werner Mauss: Vor dem Landgericht hat erneut der Prozess gegen den ehemaligen Geheimagenten Werner Mauss begonnen. Dem Mann wird vorgeworfen, in großem Umfang Steuern hinterzogen zu haben. Er selbst behauptet, dass das Geld nicht ihm gehöre, sondern ihm nur von ausländischen Staaten zur Finanzierung seiner Agententätigkeit zur Verfügung gestellt worden sei. In einem ersten Urteil hatte das Landgericht Mauss zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, unter anderem weil er sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe. Nachdem der Bundesgerichtshof dieses Urteil Anfang des Jahres aufgehoben hat, wird jetzt neu verhandelt. Die FAZ (Reiner Burger) und lto.de berichten.
EuGH zu Löschpflichten von Online-Plattformen: "Dort, wo der EuGH richtig liegt – nämlich, dass europäisches Recht nationalen Gerichten nicht verbietet, extraterritorial wirkende Lösch- und Filteraufträge anzuordnen – bleibt das Urteil unterkomplex; dort, wo es komplexer wurde, nämlich in den Bereichen der Semantik (sinngleich/identisch) und des technischen Zusammenspiels automatisierter und menschlicher Moderation bei Plattformen, urteilte der EuGH bemerkenswert unbelastet von Maß und Problembewusstsein." Zu diesem Ergebnis kommen die Rechtswissenschaftler Matthias C. Kettemann und Anna Sophia Tiedeke, die auf verfassungsblog.de die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu Löschpflichten von Online-Plattformen analysieren. Benötigt werde dringend eine kohärente Theorie der Jurisdiktion im Internet und ein entsprechendes Kollisionsrecht.
BVerfG zu Mietpreisbremse: Die Juristen und Linkspartei-Politiker Sebastian Schlüsselburg und Halina Wawzyniak verteidigen im FAZ-Einspruch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Mietpreisbremse gegen die von Rechtsanwältin Birgit Spießhofer an gleicher Stelle geäußerte Kritik. Die Erhaltungsgebiete nach § 172 Baugesetzbuch hätten vom Bundesverfassungsgericht nicht als mildere Mittel in Betracht gezogen werden müssen, da sie nicht dem Mieterschutz sondern städtebaulichen Zwecken dienen. Auch der Vorwurf, die Kammer habe die Planungssicherheit für langfristige Immobilieninvestitionen nicht ausreichend berücksichtigt, gehe fehl, da die Abwägung zwischen Eigentumsgarantie und Sozialbindung den Kern der Entscheidung bilde.
Recht in der Welt
EGMR zu Schmähungen von KZ-Überlebenden: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einem KZ-Überlebenden recht gegeben, der sich gegen Schmähungen in der rechtsgerichteten Zeitschrift Aula wehrte. Diese hatte die Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen unter anderem als "Massenmörder" und "Landplage" beschimpft. Die österreichischen Gerichte hatten die Klage eines Überlebenden abgewiesen, was nach der Entscheidung aus Straßburg seine Persönlichkeitsrechte verletzte. Über den Fall schreibt die SZ (Peter Münch).
Großbritannien – Brexit: In einem (englischsprachigen) Beitrag für verfassungsblog.de begründet Rechtsprofessor Piet Eeckhout seine Auffassung, nach der der Europäische Rat einen erneuten Antrag auf Aufschub des EU-Austritts nicht ablehnen darf. Dies folgt seiner Auffassung nach aus den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs im Urteil in der Sache Wightman.
Schiedsgerichte: Ab Montag berät die UN-Kommission für internationales Handelsrecht in Wien über die Zukunft von internationalen Schiedsgerichten. Auf der Tagesordnung steht neben der Reform der Schiedsgerichte auch der Vorschlag, einen internationalen Gerichtshof für Investitionsstreitigkeiten einzurichten. Die Diskussion über die Gerichte beschreibt die taz (Anja Krüger). In einem gesonderten Interview mit der taz (Anja Krüger) kritisiert Pia Eberhardt von der NGO Corporate Europe Observatory den Vorschlag nach der Einführung eines festen Investitionsgerichtshofs als "Festschreibung der Paralleljustiz für Konzerne".
Sonstiges
Alkoholkonsum und E-Scooter: Weil die Polizei beim diesjährigen Oktoberfest zahlreiche alkoholisierte E-Scooterfahrer angetroffen hat, interviewt spiegel.de (Emil Nefzger/Christian Frahm) den Fachanwalt für Verkehrsrecht Gerhard Hillebrand zu den rechtlichen Konsequenzen. Da E-Scooter als Kraftfahrzeuge gelten würden, begingen Fahrer ab 0,5 Promille eine Ordnungswidrigkeit. Ab 1,1 Promille bestehe die absolute Fahruntüchtigkeit, sodass sich Fahrer strafbar machen würden. Zudem drohe ein Führerscheinentzug.
Das Letzte zum Schluss
Riskantes Versteck: Gut eine halbe Milllion Euro hat ein Mann aus Soest verloren, weil er das Bargeld im Kessel seiner Heizung deponierte. Ein Freund, der sich um die Räumlichkeiten kümmerte, schmiss die Heizung an und das Ersparte ging durch den Schornstein. Nach einer Entscheidung des Landgerichts Arnsberg, über das bild.de (Markus Brekenkamp) berichtet, hat er auch keinen Anspruch auf Schadensersatz.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 11. Oktober 2019: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38119 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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