Die juristische Presseschau vom 17. September 2019: Par­lam­ents­pause in Großbri­tan­nien / CDU-Vor­schläge zu einer Pla­nungs­rechts­re­form / EuG zu Bei­hil­fen­recht

17.09.2019

Oberster Gerichtshof verhandelt zur britischen Parlamentspause. Außerdem in der Presseschau: Die CDU wünscht Änderungen im Planungsrecht und das Gericht der Europäischen Union berät über Steuererleichterungen als Beihilfen.

Tagesthema

Großbritannien – Parlamentspause: Der Supreme Court in London verhandelt an diesem Dienstag über die Frage, ob die von Premierminister Boris Johnson dem britischen Parlament verordnete lange Zwangspause rechtswidrig ist. Nachdem die Highcourts von Schottland, Nordirland und England und Wales die Frage uneinheitlich entschieden hatten, wird sich nun das erst 2009 gegründete Obergericht der Frage annehmen. Fraglich erscheint zunächst, ob es überhaupt über den Sachverhalt befinden oder die Frage als eine politische, einer rechtlichen Entscheidung nicht zugängliche einstufen wird. Nimmt es die Frage zur Entscheidung an, wird das Gericht grundlegende Probleme im Verhältnis von Parlament und Regierung klären müssen, die dadurch erschwert werden, dass das Vereinigte Königreich keine geschriebene Verfassung hat und das Verfassungsrecht durch ein kompliziertes System von geschriebenen und ungeschriebenen Konventionen geregelt wird. Über das Verfahren berichten SZ (Stefan Kornelius), das Handelsblatt (Kerstin Leitl) und (in englischer Sprache) die Verfassungsrechtlerin Joelle Grogan auf verfassungsblog.de.

Die SZ (Cathrin Kahlweit) stellt den "Erskine May", ein Handbuch des englischen Parlamentsrechts, vor und zeigt daran die Besonderheiten der britischen Verfassungspraxis auf.

Rechtspolitik

Arbeitszeit: Bayern will die gesetzliche Regelung zur täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden auflockern. Der Schritt wird mit der fortschreitenden Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt begründet. Die SPD kritisierte dies als Aufweichung des Arbeitnehmerschutzes, wie spiegel.de berichtet.

Planungsrecht: CDU-Politiker schlagen unter anderem eine Einschränkung der Klagerechte von Umweltverbänden vor, um die Durchführung von Planungs- und Bauvorhaben zu beschleunigen. Das Verbandsklagerecht werde zur Blockade von Infrastrukturprojekten genutzt, heißt es zur Begründung. Weitere Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung, wie die Aufstockung von Personal und eine Reform der Aarhus-Konvention, seien geplant, so FAZ (Hendrik Wieduwilt).

Hendrik Wieduwilt (FAZ) bewertet die Ansätze der Union skeptisch und stellt in Frage, ob frühzeitige digitale Beteiligungsverfahren tatsächlich zu einer höheren Akzeptanz von Bauprojekten in der Bevölkerung führen werden.

Verdachtsberichterstattung: Anlässlich des Ermittlungsverfahrens gegen den ehemaligen Profifußballer Christoph Metzelder wegen des Anfangsverdachts der Verbreitung von Kinderpornographie beschäftigen sich Tsp (Jost Müller-Neuhoff) und FAZ-Einspruch (Georgios Gounalakis) mit den Persönlichkeitsrechten Prominenter. Sie stellen den Fall dar und bewerten, unter welchen Umständen eine Verdachtsberichterstattung gerechtfertigt ist.

Umgangs- und Unterhaltsrecht: Laut Welt (Sabine Menkens) mahnt die FDP-Fraktion den schon lange durch das Bundesjustizministerium angekündigten Gesetzentwurf zur Reform des Umgangs- und Unterhaltsrechts für getrennte Eltern an. Demnach sei der Reformbedarf hoch, insbesondere die Wohnkostenpauschale sei so niedrig angesetzt, dass ein würdiges Leben als Elternteil kaum noch möglich sei.

Patentrecht: Nachdem das Patentrecht durch eine Gesetzesreform 2011 und die Rechtsprechung der folgenden Jahre geschwächt wurde, liegt dem US-Kongress nun ein Gesetzentwurf vor, der die Rechte von Patentinhabern wieder stärken soll. Vor diesem Hintergrund warnt der Anwalt Christian Harmsen in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt davor, die Rechte von Patentinhabern, wie derzeit in Deutschland diskutiert, zu schwächen.

Justiz

StA Dresden – Funkzellenabfrage: Laut lto.de (Maximilian Amos) fiel einem Dresdner Anwalt durch Zufall auf, dass die Dresdner Staatsanwaltschaft wiederholt Verbindungsdaten seines Mobiltelefons abgefragt hatte. Die Behörde gab zunächst an, es habe sich bei der Abfrage um ein Versehen gehandelt und man habe die Auswertung gestoppt, sobald bekannt wurde, dass es sich bei der Nummer um die eines Strafverteidigers und damit eines Berufsgeheimnisträgers handelte. Aus einem nun bekannt gewordenen Aktenvermerk geht jedoch hervor, dass die Staatsanwaltschaft hiervon schon im Jahr 2016 Kenntnis erlangt hatte.

EuG zu Apple-Rulings: Heute und am Mittwoch verhandelt das Gericht der Europäischen Union über die Rechtmäßigkeit von besonderen Steuerkonditionen, die Irland dem Apple-Konzern gewährt hat. Apple hatte erheblich geringere Steuern als andere Unternehmen gezahlt und einen Großteil seiner Gewinne in den USA versteuert. Die nun geforderte Rückzahlung von 13 Milliarden Euro wäre die höchste in der Geschichte der Europäischen Kommission. Über das Verfahren berichten in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt der Anwalt Andreas Bartosch und für lto.de der Anwalt Ulrich Soltész und die SZ.

BGH - Mord an Walter Lübcke: Der Bundesgerichtshof erließ am Freitag einen Beschluss zur Haftfortdauer des wegen Beihilfe zum Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke in Untersuchungshaft sitzenden Markus H. Aus dem Beschluss geht laut SZ (Lena Kampf) hervor, dass der BGH eine deutlich stärkere Involvierung von Markus H. für möglich hält und nicht mehr länger von der These vom Einzeltäter Stephan E. ausgeht.

LSG Niedersachsen-Bremen zu Krebsvorsorge: Eine Frau, die wiederholt gutartige Knoten in der Brust hatte und daher eine ausgeprägte Krebsangst entwickelte, wollte sich ihre Brüste vorsorglich entfernen und durch Silikonimplantate ersetzen lassen. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschied nun laut lto.de (Manuel Göken), dass die Krankenkasse für eine solche Behandlung nicht aufkommen muss. Eine psychische Erkrankung könne nicht durch körperliche Eingriffe kompensiert werden.

LG Gießen zu Franco-A.-Komplize: Das Landgericht Gießen hat das erste Urteil im Tatkomplex Franco A. gesprochen. Ein 27-Jähriger wurde wegen Verstoß gegen das Waffengesetz, das Sprengstoffgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Er hatte Waffen und Munition für Franco A. verwahrt, der vor einem Jahr mit einer Schusswaffe am Wiener Flughafen verhaftet und von dem später bekannt wurde, dass er sich über Monate als Syrer ausgab und in einer Flüchtlingsunterkunft lebte. Über das Urteil berichten FAZ, taz (Christina Schmidt) und zeit.de.

LG Nürnberg-Fürth zu Besichtigungsrechten von Vermietern: Das Landgericht Nürnberg-Fürth urteilte über die Reichweite des Besichtigungsrechts von Vermietern und kam zu dem Ergebnis, dass es aufgrund von Artikel 13 Grundgesetz besonders schonend auszulegen ist. Es soll dem Vermieter daher nur dann erlaubt sein, Dritte mit zu Besichtigungen zu bringen, wenn es sich um sachkundige Personen handelt, deren Fachwissen für die Besichtigung erforderlich ist. Das Urteil fasst lto.de (Manuel Göken) zusammen.

Sonstiges

Windkraftförderung: Die BZ (Christian Rath) befasst sich mit dem gestern erschienen Artikel des emeritierten Rechtsprofessors Dietrich Murswiek, in dem dieser die Verfassungsmäßigkeit der Förderung von Windenergie angezweifelt hatte. Der Artikel kritisiert die Argumentation Murswieks, der Vorteil von Windenergie für den Klimaschutz sei wegen des europäischen Emissionshandels "nahe null".

Globaler Klimastreik: Für den kommenden Freitag hat die Fridays-for-Future-Bewegung auch Erwachsene aufgerufen, sich dem wöchentlichen Protest anzuschließen. spiegel.de (Franka Quecke) erläutert, warum es sich arbeitsrechtlich gesehen nicht um einen Streik handelt. Henrike Roßbach (SZ) erläutert, warum es kein politisches Streikrecht in Deutschland gibt und verteidigt diese Grundentscheidung.

Wohnungsdurchsuchung: Anlässlich der Durchsuchung der Wohnung des Halters eines verunfallten SUVs erörtert die FAZ (Constantin van Lijnden), welche rechtlichen Möglichkeiten die Ermittler hatten, um nähere Informationen über den Unfallhergang zu erlangen.

"Femizid": Die britische Kriminologin Jane Monckton Smith spricht im Interview mit spiegel.de (Annette Langer) über die typischen Anzeichen von Tötungsdelikten zum Nachteil von Frauen innerhalb von Beziehungen, vergleicht die Präventionsprogramme einiger Länder und die Diskrepanz zwischen ihrer Forschung und der strafgerichtlichen Einschätzung der Täter.

Das Letzte zum Schluss

Inside Job: Die Gerichtsverwaltung in Texas engagierte ein Unternehmen für Cybersicherheit, um nach möglichen Schwachstellen im IT-System der Justiz zu suchen und zu prüfen, ob Unbefugte Zugriff auf die elektronischen Gerichtsakten erhalten können. Mit einer allzu zupackenden Strategie hatte die Verwaltung jedoch nicht gerechnet, weshalb es zu erheblichen Verwirrungen kam, als die Polizei zwei Mitarbeiter des Unternehmens verhaftete, die versuchten, leibhaftig in ein Amtsgericht in Dallas einzubrechen. lto.de (Manuel Göken) berichtet.

 

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lto/asp

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. September 2019: Parlamentspause in Großbritannien / CDU-Vorschläge zu einer Planungsrechtsreform / EuG zu Beihilfenrecht . In: Legal Tribune Online, 17.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37659/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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