Die juristische Presseschau vom 13. September 2019: Leis­tungs­schutz­recht euro­pa­rechts­widrig / Ups­kir­ting bald strafbar / Fahr­ver­bote in Köln

13.09.2019

Der EuGH hat das deutsche Leistungsschutzrecht für unanwendbar erklärt. Außerdem in der Presseschau: Justizministerin kündigt Straftatbestand für Upskirting an und das OVG NRW fordert Fahrverbote an bestimmten Straßen in Köln.

Thema des Tages

EuGH zu Leistungsschutzrecht: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass das deutsche Leistungsschutzrecht gegen Unionsrecht verstößt und daher nicht angewendet werden darf. Das Leistungsschutzrecht war 2013 beschlossen worden, allerdings ohne es vorher der Kommission vorzulegen. Damit habe Deutschland seine Notifizierungspflicht verletzt, die für "technische Vorschriften", die einen Dienst der Informationsgesellschaft betreffen, gelte, so der EuGH. Das Leistungsschutzrecht regelt vor allem, ob und in welchem Umfang Suchmaschinen wie Google Textausschnitte von Presseerzeugnissen darstellen dürfen. Dies wird inzwischen auch in der EU-Urheberrechtsrichtlinie bestimmt, die im April verabschiedet wurde und in Deutschland noch umgesetzt werden muss. Mit der Entscheidung des EuGH und ihren Folgen befassen sich die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Michael Hanfeld), das Hbl (Catrin Bialek) und netzpolitik.org (Alexander Fanta).

Reinhard Müller (FAZ) fordert eine zügige Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie. Dabei gehe es um "den Wert von Inhalten, um die Rechte an eigenen Leistungen – und um die Zukunft der freien Presse".

Rechtspolitik

Upskirting: Die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat angekündigt, bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den das sogenannte Upskirting, also das Fotografieren unter den Rock unter Strafe gestellt werden soll. Die taz (Christian Rath) stellt den bereits vorliegenden Gesetzentwurf der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen vor. Danach soll sich strafbar machen, wer "absichtlich eine Bildaufnahme des Intimbereichs einer anderen Person unbefugt herstellt, indem er unter deren Bekleidung fotografiert oder filmt".

zeit.de (Tina Groll) sprach mit der Kriminalkommissarin Esther Papp über das Phänomen des Upskirtings. Bisher könne das Verhalten nur als Beleidigung verfolgt werden, was die Staatsanwaltschaft aber oft nicht tue. Ein Bußgeld nach §118 Ordnungswidrigkeitengesetz sei für die Opfer oft nicht befriedigend.

E-Evidence-Verordnung: Auch aus Kreisen der deutschen Wirtschaft wird Kritik an der E-Evidence-Verordnung laut, die den Zugriff ausländischer Ermittler auf Beweismittel erleichtern soll. Befürchtet wird, dass sensible Daten weitergegeben werden und damit wirtschaftliche Interessen gefährdet werden, heißt es in einem Positionspapier der Verbände "Die Familienunternehmer" und "Junge Unternehmer", das dem Hbl (Heike Anger/Moritz Koch) vorliegt. Die Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) verspricht nachzubessern.

Mietendeckel in Berlin: Die Rechtswissenschaftler David Hummel, Oliver Rottmann und Christian Bender kritisieren in einem Gastbeitrag für die FAZ die Pläne des Berliner Senats für einen Mietendeckel. Neben einer Kritik an der unzureichenden Härtefallklausel und Zweifeln an der ausreichenden Ausstattung der Berliner Verwaltung sehen die Autoren auch Verstöße gegen Verfassungsrecht. Schon die Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin sei fraglich. Darüber hinaus sei die Geeignetheit des Mietendeckels in Frage zu stellen, da er Eigentümer davon abhalte Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Der Juniorprofessor Bertram Lomfeld legt auf verfassungsblog.de dar, warum er die Entscheidung über den Mietendeckel weniger als eine Frage der Verfassung denn als eine Frage "demokratischer Miet-Bestimmung" sieht. Die politische und ökonomische Funktion des Eigentums würden eher gegen, die kulturelle und ökologische Funktion eher für einen Mietendeckel sprechen. Der Ort grundsätzlicher Aushandlung des Verhältnisses von Eigentümer und Mieter seien nicht die Gerichte, sondern der demokratische politische Prozess.

Justiz

OVG NRW zu Fahrverboten in Köln: Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt, nach dem der Luftreinhalteplan für die Stadt Köln rechtswidrig ist. Anders als das Verwaltungsgericht hält es jedoch ein Diesel-Fahrverbot für die gesamte Innenstadt nicht für geboten. Nur an vier Stellen müsse die Stadt Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge einrichten, um den Grenzwert für Stickstoffdioxid einzuhalten. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe, die auch in zahlreichen anderen Städten vergleichbare Verfahren führt. Es berichten die FAZ (Reiner Burger), die SZ (Benedikt Müller) und lto.de.

BVerwG – Hintergrundgespräche beim BND: Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Klage des Tagesspiegel-Journalisten Jost Müller-Neuhoff verhandelt, mit der dieser vom Bundesnachrichtendienst Auskunft über Anzahl, Gesprächspartner und Themen von vertraulichen Hintergrundgesprächen mit Journalisten verlangt. Wie taz.de (Christian Rath) schreibt, ist der Bundesnachrichtendienst der Forderung teilweise nachgekommen und hat angegeben, dass er im Jahr 2016 und bis zur Klageerhebung im Frühjahr 2017 vier solche Hintergrundrunden durchgeführt habe. Zuvor hatte der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht Ingo Kraft betont, dass die Auskunft nur nach einer Einzelfallabwägung verweigert werden könne. Hinsichtlich der Gesprächsthemen wird das Gericht am 18. September seine Entscheidung verkünden.

LG Frankfurt – Alexander Falk: In dem Strafprozess gegen den Verlagserben Alexander Falk hat das Opfer des Anschlags ausgesagt, das Falk laut Anklage in Auftrag gegeben haben soll. Der Rechtsanwalt, der damals für Clifford Chance arbeitete, vertrat die Insolvenzverwalter des britischen Unternehmens Energis, das 763 Millionen Euro von Falk forderte. Vor Gericht sprach er von mehreren Einschüchterungsversuchen im Vorfeld des Mordanschlags, so FAZ (Corinna Budras/Marcus Jung), spiegel.de (Julia Jüttner) und lto.de (Anja Hall).

BVerwG zu Facebook-Fanpages: Datenschutzbehörden dürfen den Betrieb von sogenannten Fanpages bei Facebook untersagen, auch ohne vorher gegen Facebook selbst vorzugehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof bereits entschieden, dass die Betreiber von Facebook-Seiten für die Datenverarbeitung durch Facebook mitverantwortlich sind. Geklagt hatte ein privater Bildungsträger gegen eine Verfügung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein. Der Fall liegt jetzt wieder beim Oberverwaltungsgericht, das noch prüfen muss, ob die Datenverarbeitung durch Facebook rechtswidrig ist, so die taz (Christian Rath).

VerfGH Thüringen – "Prüffall" AfD: Vor dem Thüringer Verfassungsgericht ist am Mittwoch über Anträge der AfD verhandelt worden, die sich gegen ihre Einstufung als Prüffall wenden. Die Partei wirft dem thüringischen Innenminister Georg Maier (SPD) und dem Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer vor, die Neutralitätspflicht verletzt zu haben. Umstritten ist neben der Frage, ob eine Prüfung unterhalb der Verdachtsschwelle öffentlich gemacht werden darf, auch die Zulässigkeit des Organstreitverfahrens, wie lto.de (Markus Sehl) berichtet. Unterdessen ist nach einer Meldung der FAZ (Justus Bender/Reinhard Bingener) auch in Niedersachsen die AfD zum Prüffall erklärt worden.

VG Gießen zu Stadthalle Wetzlar: Der Jura-Student Raven Kirchner wirft auf juwiss.de einen Blick zurück auf den Streit um die Überlassung der Stadthalle Wetzlar an die NPD. Das Verwaltungsgericht Gießen hatte zuletzt geurteilt, dass die Weigerung der Stadt, die Halle zu überlassen, rechtswidrig gewesen ist. 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht bereits eine einstweilige Anordnung erlassen, die jedoch nicht umgesetzt worden war. Dadurch habe die Stadt "das Rechtsstaatsprinzip verletzt und zugleich die Autorität des Bundesverfassungsgerichts beschädigt", so der Autor.

Recht in der Welt

USA – Asylrecht: Menschen, die bei ihrer Reise in die USA ein anderes Land durchquert haben, können sich in den USA vorerst nicht mehr auf das Asylrecht berufen. Das hat der US Supreme Court entschieden und damit die Entscheidung eines niedrigeren Gerichts aufgehoben, durch die die Anwendung der Vorschrift bis zur Hauptsacheentscheidung ausgesetzt worden war. Da es praktisch unmöglich ist, die USA zu erreichen ohne Mexiko zu durchqueren, sind nun fast alle Flüchtlinge aus Lateinamerika vom Asylrecht ausgeschlossen, schreibt die SZ (Hubert Wetzel) und die taz (Stefan Schaaf).

In einem (englischsprachigen) Beitrag auf verfassungsblog.de kritisiert James Hathaway, US-amerikanischer Rechtsprofessor, die Entscheidung scharf. Der Supreme Court ermögliche die Abweisung und Abschiebung von Personen, deren Schutzbedürftigkeit vorher nicht geprüft worden sei. Auch sei eine Prüfung und Aufnahme in den Transitstaaten nicht gewährleistet. Auf dem Spiel stehe daher mit dem Prinzip des Non-Refoulement das grundlegendste Prinzip des internationalen Flüchtlingsrechts.

EGRM – Krim: Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet über die Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte über eine Klage der Ukraine gegen Russland wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen auf der Krim. Die Ukraine wirft Russland vor, Folter, Vergewaltigungen und Tötungen im Vorfeld der Krim-Annexion zu verantworten. Dass Russland Kontrolle über die pro-russischen Milizen ausgeübt hat, ist jedoch schwierig nachzuweisen, auch weil Russland eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge verweigert hat. Über die Rechtmäßigkeit der Krim-Annexion selbst wird der Gerichtshof nicht entscheiden.

China und Taiwan: Der Hochschuldozent Christian Richter befasst sich im Faz-Einspruch mit Äußerungen des chinesischen Staatschefs Xi Jinping, notfalls die Unabhängigkeit Taiwans auch mit Gewalt zu verhindern. Damit habe China gegen das Gewaltverbot nach der UN-Charter verstoßen, das schon die Androhung von Gewalt verbiete. Taiwan sei trotz fehlender Anerkennung durch die meisten Staaten als Staat anzusehen und auch ohne UN-Mitgliedschaft vom Gewaltverbot geschützt.

Türkei – Deniz Yücel: Ein türkisches Gericht hat laut Welt (Carolina Drüten) und zeit.de die Klage des Welt-Journalisten Deniz Yücel auf Schadensersatz für die einjährige Untersuchungshaft in Istanbul abgewiesen. Eine Begründung gab das Gericht nicht. Unterdessen ist Yücels Anwalt Veysel Ok wegen öffentlicher Beleidigung der Justiz zu fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Er hatte in einem Interview die Unabhängigkeit der Justiz angezweifelt.

Sonstiges

Verdachtsberichterstattung: Der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer widmet sich in seiner Kolumne auf spiegel.de anlässlich der Berichte der Bildzeitung und Sandra Maischberger über den Fall Metzelder der sogenannten Verdachtsberichterstattung. Der Satz "Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft" werde häufig als Synonym eines "vorläufigen Schuldspruchs" verwendet und verstanden. Abschließend geht Fischer auch auf den Straftatbestand des Verbreitens kinderpornografischer Schriften ein.

"CSYou": Der Wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Hobusch untersucht auf lto.de ob die CSU-Landesgruppe im Bundestag mit ihrer neuen Youtube-Reihe "CSYou" gegen das Verbot der Parteienfinanzierung verstößt. Fraktionen dürften zwar die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit informieren, aber nicht Fraktionsgelder benutzen, um Werbung für ihre Partei zu machen. Die erste Folge von "CSYou" habe gemischte Inhalte. Bei manchen Beiträgen fehle der parlamentarische Bezug.

Schuld nach Ferdinand von Schirach: Am heutigen Freitag startet im ZDF die dritte und letzte Staffel der Fernsehreihe "Schuld", die auf den Kurzgeschichten des Strafverteidigers und Schriftstellers Ferdinand von Schirach basiert. Die FAZ (Heike Hupertz) resümiert: "Diese Staffel zieht Bilanz, dass diese nicht nur melancholisch ausfällt, liegt an den sehenswerten Schauspielern." Die taz (Erica Zingher) geht der Frage nach, ob die Serie bloß Voyeurismus bediene, und fordert mehr Selbstreflexion beim Umgang mit Gewalterfahrungen von Frauen in der Kulturproduktion.

Das Letzte zum Schluss

Vom Beweismittel zur Innengestaltung: Laut lawblog.de (Udo Vetter) ist ein Beweismittel in einem Strafprozess offenbar zu einem dauerhaften Deko-Objekt eines Schwurgerichtssaales geworden. Es handele sich um eine blutverschmierte Tür, die während der mehrere Monate dauernden Hauptverhandlung nicht weggeräumt worden sei und auch in der Woche nach der Urteilsverkündung noch im Gerichtssaal stehe.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/dw

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. September 2019: Leistungsschutzrecht europarechtswidrig / Upskirting bald strafbar / Fahrverbote in Köln . In: Legal Tribune Online, 13.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37605/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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