Die juristische Presseschau vom 2. August 2019: Erwei­terte DNA-Ana­lyse soll kommen / Rück­ho­lung von Isla­misten? / Fal­sche Tweets der Polizei

02.08.2019

Bald sollen aus Tatortproben auch Schlüsse auf die Hautfarbe des Täters möglich werden. Außerdem in der Presseschau: OVG Berlin-Brandenburg macht bei der Islamisten-Rückholung Druck, Twitter-Lügen der Polizei sollen vor Gericht kommen.

Thema des Tages

Erweiterte DNA-Analyse: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat einen Vorschlag zur erweiterten DNA-Analyse in die Ressortabstimmung der Bundesregierung gegeben. In § 81e Strafprozessordnung soll die Möglichkeit geschaffen werden, mutmaßliche Täterspuren auch auf die wahrscheinliche Augen-, Haut- und Haarfarbe sowie das Alter des Spurenlegers zu untersuchen. Ein Richtervorbehalt ist nicht vorgesehen. Damit setzt Lambrecht eine Vereinbarung des Koalitionsvertrags um. Die geplante Regelung findet sich im Referentenentwurf für die Modernisierung des Strafverfahrens. Es berichten SZ (Robert Roßmann), FAZ (Karin Truscheit), taz Christian Rath) und lto.de

Die taz (Christian Rath) beschreibt in einem separaten Text den ersten Anwendungsfall einer erweiterten DNA-Analyse in Deutschland. Auf Grundlage des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes wurden die Tatortspuren eines Serientäters im Allgäu untersucht. Dies führte aber zu keinem Ermittlungserfolg. In einem Interview mit der taz (Katharina Schipkowski) kritisiert eine Molekularbiologin, die erweiterte DNA-Analyse ermögliche es, "Minderheitenmerkmale zu finden" und könne zu "Racial Profiling" führen. 

In einem Kommentar begrüßt Jost Müller-Neuhof (Tsp) die neue Methode: "Wie ein Verdächtiger aussieht, ist zentral für eine erfolgreiche Fahndung. Früher wie heute." Joachim Käppner (SZ) äußert sein "Unbehagen": Wäre eine Ausweitung der DNA-Analyse auf äußere Merkmale "wirklich verhältnismäßig"? Christian Rath (taz) warnt vor übertriebenen Erwartungen. Mit der neuen Methode lasse sich der Kreis der Verdächtigen "nicht eingrenzen", denn es würden nur Wahrscheinlichkeiten ermittelt. Norbert Lossau (Welt) schlägt vor, dass bei heiklen Merkmalen wie Hautfarbe und Herkunft die Ergebnisse nur der Polizei, aber nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. 

Rechtspolitik

Klimaschutz im Grundgesetz: faz.net (Hendrik Wieduwilt) stellt fest, dass eine Grundgesetzänderung, mit der völkerrechtliche Klima-Verträge Verfassungsrang erhalten würden, praktische Wirkung hätten. Der nationale Gesetzgeber könnte dann (legal) keine Gesetze mehr beschließen, die den Verträgen wiedersprechen. 

Burka vor Gericht: In deutschen Gerichtsverhandlungen soll es künftig grundsätzlich untersagt sein, das Gesicht ganz oder teilweise zu verhüllen., meldet die SZ (Robert Roßmann). Das jeweilige Gericht könne jedoch Ausnahmen zulassen. Die geplante Regelung findet sich im Entwurf für die "Modernisierung des Strafverfahrens". 

Kettenbewährungen: Justizministerin Lambrecht prüft nach Informationen von focus.de (Göran Schattauer), ob Täter, die bei der Tat unter Bewährung standen, härter bestraft werden und ob so genannte Kettenbewährungen erschwert werden sollen. Sie setzt damit einen Auftrag der Justizministerkonferenz um.

Justiz

BGH zu Recht auf Vergessenwerden: Der Bundesgerichtshof hat eine Nichtzulassungsbeschwerde des Axel-Springer-Verlags zurückgewiesen. Damit wurde ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom Juni 2017 rechtskräftig, in dem einer der beiden verurteilten Sedlmayr-Mörder erfolgreich eine identifizierende Berichterstattung durch bild.de monierte. Es war sein erster Erfolg nach vielen vergleichbaren Klagen gegen unterschiedliche Medien. lto.de (Pia Lorenz) stellt das Kölner Urteil und die Prozessgeschichte dar. 

BFH zu Badezimmer/Arbeitszimmer: Ein Selbständiger kann den Umbau des Badezimmers in seiner Wohnung nicht als Betriebsausgabe geltend machen, auch wenn er in der Wohnung ein häusliches Arbeitszimmer unterhält. Das hat laut lto.de der Bundesfinanzhof entschieden. 

BSG zu Wahltarifen der AOK: Über das Urteil des Bundessozialgerichts vom Dienstag berichtet nun auch der Anwalt Lars Winkler auf lto.de Gesetzliche Krankenversicherungen wie die AOK dürfen nur im engen gesetzlich bestimmten Rahmen Wahltarife anbieten. Bereits beschlossene gesetzwidrige Verträge seien unwirksam. Das Urteil könne zur Kooperation von gesetzlichen Kassen mit privaten Versicherern führen. 

VerfGH Sachsen zu AfD-Wahlzulassung: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Hobusch begrüßt auf verfassungsblog.de die Entscheidung des sächsischen Verfassungsgerichtshofs von Ende Juli, mit der die AfD-Liste zur Landtagswahl weitergehender zugelassen wurde als vom Landeswahlausschuss. "Die Möglichkeit, die Entscheidung des Wahlausschusses bereits vor der Wahl einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen, ist ausnahmslos zu begrüßen." Er hält die Entscheidung in der Konsequenz jedoch für halbherzig, weil der rechtzeitige Rechtsschutz auf Ausnahmefälle beschränkt bleibe. 

BVerfG zu Schmähkritik: Der Doktorand Camillo Gaul nimmt auf juwiss.de den in der vorigen Woche veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Anlass, eine dogmatische Neukonzeption vorzuschlagen. Auf die Kategorie der Schmähkritik, bei der die Meinungsfreiheit generell zurückzutreten habe, solle verzichtet werden. Stattdessen solle stets eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten stattfinden. 

BVerfG - EZB-Anleihenankauf: Nun berichtet auch die FR (Ursula Knapp) über die mündliche Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum PSPP-Programm der Europäischen Zentralbank. Zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof verschärfe sich der Ton in "beängstigender" Weise. "Diejenigen, die das europäische Projekt sowieso platzen sehen wollen, konnten sich auf die Schenkel klopfen."

OVG Berlin-Brandenburg - Rückholung von Islamisten: Die SZ (Georg Mascolo) berichtet exklusiv über ein Schreiben des Berichterstatters des 10. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg an das Auswärtige Amt. Darin wird deutlich, dass wohl auch das OVG einen Rückholungsanspruch deutscher Staatsbürger annehmen wird. Das von der Bundesregierung eingelegte Rechtsmittel "dürfte aussichtslos sein", so der Richter. 

LG Detmold - sexueller Missbrauch in Lügde: Die taz (Simone Schmollack) berichtet vom Strafprozess um den langjährigen sexuellen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde. Dort wurden jetzt Videos der Taten vorgeführt, die sogar die Verteidiger als "abgründig" bezeichneten. 

VG Berlin - Twittern der Polizei: lto.de (Markus Sehl) berichtet über die Klage von zwei Aktivisten am Verwaltungsgericht Berlin, die die Feststellung begehren, ein Tweet der Berliner Polizei sei "rechtswidrig" gewesen. Die Polizei hatte sachlich falsch getwittert, ein Türknauf sei bei einer Räumung unter Strom gesetzt worden. Probleme gebe es allerdings mit der Klagebefugnis der Kläger. Als mögliche Referenz wird eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aus dem Juni 2019 vorgestellt, in der Rahmenbedingungen für Polizei-Tweets skizziert wurden. "Umso näher der Tweet seiner Wirkung nach einer analogen Eingriffsmaßnahme der Polizei kommt, umso strenger werden die Anforderungen."

Recht in der Welt

Niederlande - Burkaverbot: In den Niederlanden trat am gestrigen Donnerstag ein Gesetz in Kraft, dass das Tragen einer Burka in öffentlichen Gebäuden und im Nahverkehr untersagt. Bei einem Verstoß drohen Zugangsverbote und Bußgelder von mindestens 150 Euro, so spiegel.de. "Kommunen, Nahverkehrsbetriebe, Krankenhäuser und Polizei haben bereits angekündigt, dass die Durchsetzung des Gesetzes keine Priorität habe."

Die FAZ (Michaela Wiegel) berichtet über die Situation in Frankreich, wo bereits seit 10 Jahren ein ähnliches Burka-Verbot besteht. Fachleuten zufolge habe das Gesetz dazu beigetragen, dass sich die Vollverschleierung nicht weiter ausgebreitet habe

Juristische Ausbildung

FG Niedersachsen - Tax Law Clinic: Das Finanzgericht Niedersachsen hat eine Klage der Tax Law Clinic Hannover als unzulässig zurückgewiesen. Die Law Clinic wollte klären, ob sie steuerberatend tätig werden darf. Die Law Clinic will nun Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH einlegen. Es sei ihr nicht zuzumuten erst durch möglicherweise illegales Handeln ein Bußgeld provozieren zu müssen, um die Rechtmäßigkeit der geplanten Tätigkeit klären zu können. lto.de (Marcel Schneider) berichtet.

Sonstiges

Psychisch kranke Gewalttäter: Im Interview mit spiegel.de (Sarah Heidi Engel) spricht der forensische Psychiater Hans-Ludwig Kröber über schizophrene Täter, die Menschen vor U-Bahnen stoßen. Sie fühlten sich meist verfolgt und bedroht, zum Beispiel von Kameras auf Bahnhöfen. Es sei wichtig, psychische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Es dürfe nicht erst etwas passiert sein, bevor das soziale Umfeld oder die Behörden aktiv werden. 

Doping: Ex-BGH-Richter Thomas Fischer beschäftigt sich in seiner spiegel.de-Kolumne
mit der Bestrafung von Doping, die ihm nicht einleuchtet. "Fairness. Ihre Grenzen sind über weite Strecken durchaus fließend, lösen sich aber nie ganz auf und schlagen an bestimmten, nicht immer vorhersehbaren Stellen heftig zu." Abwegig findet Fischer vor allem die Bestrafung von Bodybuildern, die unerlaubte Substanzen konsumieren: "Der Bodybuilder unter synthetischen Testosteron-Derivaten betrügt auch niemanden, und meistens wird er auch nicht betrogen: Er kann halbwegs sicher sein, dass er ungefähr den Dreck verkauft kriegt, den er haben will. Der Rest ist jede Menge eigenverantwortliche Selbstschädigung und ein bisschen fahrlässige Körperverletzung."

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)  

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. August 2019: Erweiterte DNA-Analyse soll kommen / Rückholung von Islamisten? / Falsche Tweets der Polizei . In: Legal Tribune Online, 02.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36853/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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