Die juristische Presseschau vom 25. Juli 2019: AfD Sachsen schei­tert in Karls­ruhe / Nicht­um­set­zung der EU-Nit­rat­richt­linie / Glie­der­taxen-Anwalt als "Playing God"

25.07.2019

Das BVerfG nahm Verfassungsbeschwerde der sächsischen AfD zur Listenfrage nicht an. Außerdem in der Presseschau: Deutschland droht erneute Klage in Sachen Nitratreduktion und der US-Anwalt Feinberg wird in einer Dokumentation porträtiert.

Thema des Tages

BVerfG zu AfD-Landeslisten: Wegen unzureichender Begründung und anderen Formfehlern nahm das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde des sächsischen Landesverbands der AfD nicht zur Entscheidung an, wie die FAZ (Marlene Grunert), lto.de und tagesschau.de (Gigi Deppe) berichten. Mit der Beschwerde wollte die AfD Sachsen gegen die Entscheidung des Landeswahlausschusses vorgehen, wonach zu der anstehenden Landtagswahl nur 18 von 61 Listenplätzen der AfD zugelassen sind. Nun steht noch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen aus, dessen erste Verhandlung in der Sache für diesen Donnerstag anberaumt ist.

In einem Interview in der taz (Jean-Philipp Baeck) erklärt der Grünen-Wahlrechtsexperte Wilko Zicht, warum seiner Ansicht nach die Entscheidung des sächsischen Landeswahlausschusses falsch ist und die AfD-Liste nicht hätte gekürzt werden dürfen.

Rechtspolitik

Grundwasserschutz: Wegen überhöhter Nitratwerte im Grundwasser droht Deutschland eine zweite Klage durch die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof, so das Hbl (Ruth Berschens), das im Detail auch die düngemittelrechtlichen und -politischen Probleme des Vorgangs darstellt. Bereits 2014 hatte die EU-Kommission Deutschland aufgefordert die EU-Nitratrichtlinie zu erfüllen und auch der EuGH gab 2018 der klagenden Kommission recht, dass Deutschland zu wenig gegen die Verunreinigung durch das umweltschädliche Nitrat unternehme. Nun wurde der Bundesregierung eine Frist von acht Wochen zur Ergreifung wirksamer gesetzlicher Maßnahmen gesetzt, anderenfalls drohten der Bundesrepublik hohe Strafzahlungen.

Justiz

BVerwG zu Entschädigungen bei DDR-Flucht: Flüchtlinge aus der DDR können für gesundheitliche Schäden durch ihren Grenzübertritt grundsätzlich verwaltungsrechtlich rehabilitiert werden, da die durch eine Mauer und bewaffnete Truppen abgeriegelte DDR-Grenze rechtsstaatswidrig war. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch, wie die SZ und lto.de berichten. Geklagt hatte ein heute 56-Jähriger, der bei seiner Flucht nach Berlin (West) 1988 durch die dramatischen Erfahrungen an der Grenze stark traumatisiert wurde.

BGH zu Gewinnabschöpfungklagen: In einem Gastbeitrag auf lto.de nimmt die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Elisabeth Krausbeck ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zum Anlass, sich eingehend mit der Problematik von Prozessfinanzierern bei Gewinnabschöpfungsklagen nach § 10 Absatz 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) von Verbraucherverbänden auseinanderzusetzen. In dem Ausgangsfall klagte ein Verbraucherverband gegen ein Mobilfunkunternehmen, das überhöhte Rücklastschriftpauschalen jeweils in Höhe von 10 Euro gegenüber einer großen Anzahl von Kunden herausgeben sollte.

BGH zu Anschlägen auf Moschee: Wegen versuchter Sprengstoffanschläge auf eine Moschee und ein Kongresszentrum in Dresden vor der zentralen Einheitsfeier 2016 wurde der "Pegida"-Anhänger Nino K. vom Landgericht Dresden zu einer Freiheitsstrafe von knapp zehn Jahren verurteilt. Nun hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen, womit das Urteil des Dresdner Gerichts nun rechtskräftig ist. Es berichten die taz und SZ.de.

OLG Köln zu "Team-Wallraff": Eine Journalistin hatte im Auftrag der Produktionsfirma des TV-Formats "Team Wallraff" in einer psychiatrischen Klinik heimlich Ton- und Videoaufnahmen angefertigt, so auch von dem Kläger, der selbst Patient in der Einrichtung ist. Nun entschied das Oberlandesgericht Köln, dass hier verdeckt erlangtes Ton- und Filmmaterial einen Unterlassungsanspruch begründen und bereits die Aufnahme solchen Materials das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen und Straftatbestände erfüllen kann, auch wenn es nicht gesendet wird. Der Journalistin und der Produktionsfirma wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, wie lto.de ferner meldet.

LSG Darmstadt zu Versicherungsschutz bei Mittagspause: Weil das Spazierengehen in der Mittagspause keine Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis ist, handelt es sich bei einem Unfall dabei auch nicht um einen Arbeitsunfall. Der Arbeitnehmer hat deshalb keine Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung. Dies geht aus dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts Darmstadt hervor, wie SZ.de berichtet. Gegen die Berufsgenossenschaft hatte ein 56-jähriger Arbeitnehmer geklagt, der bei einem mittäglichen Spaziergang über eine Steinplatte stolperte und sich verletzte.

LG Hannover – früherer SS-Mann: Wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener hat die Staatsanwaltschaft Hildesheim gegen einen früheren SS-Mann aus Niedersachsen Anklage bei dem Landgericht Hildesheim erhoben. Wie lto.de und spiegel.de schildern, soll der 96-Jährige den Holocaust in einem Interview mit der ARD über das Massaker der SS im nordfranzösischen Ascq heruntergespielt und französischen Zivilisten die Schuld an ihrem Tod gegeben haben. Direkt nach dem Krieg war der Mann wegen des Massakers in Abwesenheit von einem französischen Militärgericht zum Tod verurteilt worden.

Recht in der Welt

USA – Aussage von Ex-Sonderermittler: Zwei Jahre untersuchte Robert Mueller als US-Sonderermittler, ob das Wahlkampfteam des späteren US-Präsidenten Donald Trump geheime Absprachen mit russischen Regierungsvertretern getroffen hat. Nach seinem Abschlussbericht, der am Mittwoch Gegenstand von zwei Anhörungen vor Ausschüssen des Repräsentantenhauses war, stehe zwar fest, dass er keine hinreichenden Belege für eine solche Annahme fand, Mueller entlastete Trump aber auch nicht von allen Vorwürfen, vor allem nicht von dem der Justizbehinderung. Trump soll des Öfteren versucht haben, Einfluss auf die Untersuchungen zu nehmen. Allerdings könne ein amtierender Präsident nicht angeklagt werden, betonte Mueller. Es berichten die SZ (Alan Cassidy), lto.de und FAZ (Oliver Kühn).

Frankreich – künstliche Befruchtung: Die französische Regierung hat am Mittwoch über einen Gesetzentwurf beschlossen, der es allen Frauen unter 43 Jahren ermöglichen soll, auf Kosten der Krankenkasse die moderne Fortpflanzungsmedizin in Anspruch zu nehmen. Somit erhalten sowohl Alleinstehende als auch lesbische Paare ein Recht auf "medizinisch assistierte Fortpflanzung" (PMA), wie die FAZ (Michaela Wiegel) erläutert. Außerdem soll allen Frauen das Recht zustehen, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Der Gesetzentwurf wird Mitte September in der Nationalversammlung diskutiert.

Bulgarien – Unbegrenzte Parteispenden: Trotz des Vetos des Staatspräsidenten Rumen Radew hat das bulgarische Parlament ein Gesetz verabschiedet, wonach Parteispenden aus der Wirtschaft in unbegrenzter Höhe möglich sind. Wie die SZ weiter berichtet, beklagt die sich gegen die Novelle aussprechende Opposition, dass "Korruption [so] rechtmäßig gemacht" werde.

EU – Kampf gegen Geldwäsche: Aus einem am Mittwoch in Brüssel vorgelegten Teilbericht von Finanzmarkt-Kommissar Valdis Dombrovskis und Justizkommissarin Vera Jourova ergibt sich, dass die Geldwäscheprävention in der Europäischen Union "zu sehr fragmentiert, unzureichend und nicht effektiv" sei. Die strikten EU-Geldwäschebekämpfungsvorschriften würden in allen Staaten und Banken in sehr unterschiedlichem Maße angewandt und durchgesetzt. Deshalb fordern sie unter anderem eine stärkere EU-weite Aufsicht auf Ebene der Mitgliedstaaten, wie die SZ (Alexander Mühlauer/Jan Willmroth) weiter berichtet.

Russland – Haft für jungen Ukrainer: Weil er 2017 seine russische Freundin angestachelt haben soll, in einer Schule in Sotschi eine Bombe zu legen, wurde der damals 19-jährige Ukrainer Pawel Grib erst vom russischen Geheimdienst FSB entführt und anschließend von einem russischen Gericht zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Militärkammer des Obersten Gerichts der Russischen Föderation bestätigte dieses Urteil nun. Grib ist damit der jüngste der 123 in Russland aus politischen Gründen inhaftierten Ukrainer, meldet die taz (Bernhard Clasen).

Sonstiges

Wahlen in der Ukraine: Auf verfassungsblog.de erörtert der Rechtswissenschaftler am Max-Planck-Institut für Öffentliches Recht Matthias Hartwig, warum die Wahlen in der Ukraine aus verfassungsrechtlicher Perspektive bedenklich sind und wie das ukrainische Verfassungsgericht die Ziele und Absichten der Maidan-Revolution von 2014 ignoriert.

Neue Befugnisse für Europol: In einem ausführlichen Beitrag erörtert netzpolitik.org (Matthias Monroy) die neuen Verordnungen und Befugnisse, die es Europol in Zukunft ermöglichen, auf Millionen Ausschreibungen und Fahndungen sowie biometrische Daten wie Gesichtsbilder und Fingerabdrücke aller am Schengener Informationssystem (SIS II) teilnehmenden Länder zuzugreifen.

Playing God: In dem Dokumentarfilm "Spielen Sie Gott, Mr. Feinberg?", ausgestrahlt in der ARD, wird der amerikanische Rechtsanwalt Kenneth Feinberg porträtiert. Wie lto.de (Arne Koltermann) schreibt, handelt Feinberg unter anderem die Entschädigungen für die Opfer von Katastrophen aus und ist zugleich Sonderbeauftragter für Massenentschädigungen beispielweise im Zusammenhang mit dem 11. September 2001. Der nicht unumstrittene Feinberg muss dabei den "Wert eines Menschen" bemessen, der sich aus seiner Sicht einer Mischung aus Schadensrecht und mathematischen Formeln ergibt.

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lto/ali

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Juli 2019: AfD Sachsen scheitert in Karlsruhe / Nichtumsetzung der EU-Nitratrichtlinie / Gliedertaxen-Anwalt als "Playing God" . In: Legal Tribune Online, 25.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36681/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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