Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2019: Aus­schluss der NPD aus Par­tei­en­fi­nan­zie­rung / Rechts­staat­lich­keit in der EU / HIV-Erkrankter im Poli­zei­di­enst

19.07.2019

Antrag auf Ausschluss der NPD aus Parteienfinanzierung liegt vor. Außerdem in der Presseschau: HIV-Erkrankung begründet keine Unfähigkeit für den Polizeidienst und von der Leyen stellt Pläne zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit vor.

Thema des Tages

NPD Parteienfinanzierung: Wie die taz (Christian Rath) weiß, planen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung die Einreichung eines Antrags beim Bundesverfassungsgericht, um die NPD aus der Parteienfinanzierung auszuschließen. Sie stützen sich auf das Urteil des BVerfG vom Januar 2017, in dem die Verfassungsfeindlichkeit der NPD festgestellt wurde. Ein Ausschluss aus der Parteienfinanzierung für nicht verbotene, jedoch als verfassungsfeindlich eingestufte Parteien ist erst seit einer Grundgesetzänderung im Juli 2017 möglich. Gegen diese Änderung liegt dem BVerfG auch noch eine Organklage der NPD vor, die darin einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsrecht der Parteien sieht.

Rechtspolitik

Rechtsstaatlichkeit in EU: Im Interview mit der SZ (Daniel Brössler) äußert sich Ursula von der Leyen zum geplanten Umgang mit Zweifeln an der Rechtsstaatlichkeit von Unionsmitgliedsstaaten. Sie wirbt für eine Versachlichung der Debatte und spricht sich daher für ein Monitoring aller Mitgliedstaaten gleichermaßen aus und möchte die Kopplung der Auszahlung von EU-Finanzmitteln nur als allerletztes Mittel in Betracht ziehen. Die Kritik an dieser Haltung fasst die SZ (Daniel Brössler) separat dazu zusammen. Es berichtet außerdem die taz (Eric Bonse)

Jugendkriminalität: In seinem Blog auf spiegel.de setzt sich Thomas Fischer mit der medialen Berichterstattung über den Mordfall Susanna und zwei mutmaßliche Sexualstraftaten in Mülheim auseinander. Er kritisiert Forderungen nach einer Ausweitung der Strafbarkeit minderjähriger Täter und wirft die Frage auf, wie ein kriminologisch sinnvoller Umgang mit Jugenddelinquenz aussehen könnte.

Veraltete Bebauungspläne: Der Anwalt Thomas Schröer legt in einem Gastbeitrag für die FAZ dar, wie Wohnungsbauvorhaben oftmals an veralteten Bebauungsplänen scheitern und welche BauGB-Änderungen zu einer Flexibilisierung beitragen könnten. 

Kinder-Verfahrensrechte: Auf dem Grundundmenschenrechtsblog stellen die Studentinnen Mirjam Schneider und Lea Artemov einen Gesetzesentwurf vor, der die Gewährleistung der Verfahrensrechte von Kindern vor Gericht verbessern soll, indem insbesondere höhere Anforderungen an die Ausbildung von Familienrichtern gestellt werden.

Justiz

EGMR zu Persönlichkeitsrechten: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied auf eine Klage des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Guttenberg hin, dass dessen Persönlichkeitsrechte durch eine Abbildung seiner Häuser nicht verletzt werden. Aufgrund des öffentlichen Interesses an seiner Person müsse er die Veröffentlichung dulden, so lto.de.

BVerfG zu Staatsschulden: Mit gestrigem Beschluss nahm das Bundesverfassungsgericht zwei Klagen der argentinischen Regierung nicht zur Entscheidung an. Die argentinische Staatspleite kann danach kein völkerrechtliches Leistungsverweigerungsrecht gegenüber deutschen Privatanlegern begründen, die ihr Geld in argentinische Staatsanleihen investiert hatten, wie FAZ und lto.de melden.

BFH zu Reisekostenrecht: Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs verstößt das Reisekostenrecht nicht gegen die Verfassung. Einschränkungen der sogenannten Pendlerpauschale für Piloten und Polizisten sind damit gültig, wie lto.de und die Welt melden.

OVG NRW zu Ladenöffnungsgesetz: lto.de berichtet über ein Urteil das Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zum neuen Ladenöffnungsgesetz NRW. Die Grundsatzentscheidung zu verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen weicht von der betreffenden Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung ab und verlangt für Sonntagsöffnungen aus Anlass einer Veranstaltung ausdrücklich nicht, dass die Veranstaltung das öffentliche Bild des Sonntags prägt und die Ladenöffnung nur deren Annex darstellt.

OLG München - IS-Verbrechen: Im Prozess gegen eine mutmaßliche IS-Anhängerin vor dem Oberlandesgericht München wurde gestern die Mutter eines Mädchens vernommen, das die Angeklagte in Syrien getötet haben soll. Über den Tatvorwurf und die Schwierigkeiten der Zeugenvernehmung berichten ausführlich spiegel.de (Wiebke Ramm), die FAZ (Karin Truscheit) und die Welt (Gisela Friedrichsen)

OLG Frankfurt zu Heimverträgen: Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die außerordentliche Kündigung eines Heimvertrags durch schwere Pflichtverletzungen der gesetzlichen Betreuerin einer Bewohnerin gerechtfertigt sein kann. Die Mutter einer schwerbehinderten Frau sowie deren Lebensgefährte waren immer wieder gegen die Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung ausfällig geworden. Das Gericht urteilte nun, dass ihr Fehlverhalten der betreuten Tochter unter gewissen Umständen zurechenbar sei. Die Einzelheiten des Falls schildert lto.de.

OLG Karlsruhe zu Sportunfall: Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte ein Urteil des Landgerichts Freiburg, das einer Fahrradfahrerin umfassende Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen zwei Sportler zusprach, die ihre Slackline über einen Fahrradweg gespannt hatten. Es handelt sich dabei um ein etwa fünf Zentimeter breites Seil, das zum Jonglieren genutzt wird und das die Fahrradfahrerin übersah und sich daher schwer verletzte. Ein Mitverschulden der Verletzten schloss das Gericht aus. Es berichten der lawblog (Udo Vetter) und lto.de.

FG Köln – Kapitalertragssteuer: Laut Handelsblatt verhandelt heute das Finanzgericht Köln in einem Prozess, den ein US-amerikanischer Rentenfonds gegen das Bundeszentralamt für Steuern angestrengt hat. Der Fond fordert die Auszahlung von rund 27 Millionen Euro Kapitalertragssteuern. Die beklagte Behörde geht davon aus, dass es sich um Einnahmen aus illegalen Cum-Ex-Geschäften handelte. Ursprünglich hatten sich dem Verfahren noch mehrere andere Fonds angeschlossen, die meisten Erstattungsanträge wurden jedoch inzwischen zurückgezogen.

StA München – Verleumdung: Die bayerische Landtagspräsidentin hat Strafantrag gegen einen AfD-Abgeordneten gestellt, nachdem dieser eine Fotomontage postete, auf der sie mit Kindern Luftballons steigen ließ, auf denen das AfD-Logo abgebildet war. Neben einem Urheberrechtsverstoß könnte es sich hierbei um eine Verleumdung handeln. Es handelt sich hierbei um den ersten Strafantrag einer Landtagspräsidentin gegen einen Abgeordneten in Bayern, wie SZ (Wolfgang Wittl) und FAZ melden.

VG Hannover zu HIV-Erkrankung: Laut einem gestern am Verwaltungsgericht Hannover ergangenen Urteil ist eine HIV-Infektion kein ausreichender Grund, um eine Person als für den Polizeidienst untauglich zu erklären. Geklagt hatte ein Anwärter der Polizeiakademie Niedersachsen, der seit Jahren wegen einer HIV-Infektion antiviral behandelt wird. Laut Gutachten besteht weder eine Gesundheitsgefahr für Dritte, noch die Gefahr vorzeitiger Dienstunfähigkeit. Einen Schadensersatzanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz lehnte es jedoch ab. Über das Verfahren berichten unter anderem lto.de, die taz und die FAZ.

LG Detmold zu sexuellem Missbrauch: Wie zeit.de meldet, hat die Staatsanwaltschaft Revision gegen das am Mittwoch ergangene Urteil im Missbrauchsfall Lügde eingelegt. Das Landgericht Detmold hatte einen der Angeklagten zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten gefordert. Wie es zu dem milderen Urteil des Gerichts kam erläutert spiegel.de.

Nina Apin (taz) bewertet das Urteil aus kriminologischer Sicht und kritisiert es als zu milde.

Sonstiges

Sanktioniertes Schulschwänzen: Die Eltern von vier Schülern, die sich an der Protestbewegung "Fridays for Future" beteiligen, erhielten Bußgeldbescheide des Regierungspräsidiums Mannheim. Das Bußgeld über 88,50 Euro wurden wegen wiederholten Fehlens während der Unterrichtszeit festgesetzt. Die Behörde hob die Bescheide gestern mit der Begründung wieder auf, die Schule habe bislang noch nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen ergriffen. Es berichten unter anderem FAZ (Andreas Mihm/Niklas Zabóji) und taz (Jaris Lnzendörfer)

Ansgar Graw (Welt) kritisiert die Rücknahme des Bußgelds als verfehltes Signal an die Schüler, die sich nun wohl aufgrund eines missverstandenen "volonté générale" ermächtigt fühlen, Gesetze zu missachten.

Doping: Die Rechtsanwälte Ingo Bott und Maximilian Kohlhof erläutern in einem Gastbeitrag auf lto.de die Besonderheiten des Doping-Strafrechts, das etwa Ausnahmen vom Grundsatz der Straflosigkeit von Selbstschädigungen vorsieht. Sie geben einen ersten Einblick in die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets und weisen darauf hin, dass es gehäuft auch zu Ermittlungsmaßnahmen im Freizeitsport-Sektor kommt.

Influencer-Recht: Aus Anlass der beiden Urteile, die sich in jüngster Zeit mit der Frage auseinandersetzten, wann Influencer in sozialen Medien geschäftlich handeln untersucht der BWL-Professor Peter Kenning in einem Gastbeitrag für die FAZ-Einspruch, welche rechtlichen Unsicherheiten derzeit für Influencer bestehen und wie diesen Abhilfe bereitet werden könnte. 

Das Letzte zum Schluss

Ehrliche Kokaingeschäfte: In Frankfurt ging ein ungewöhnlicher Prozess gegen einen Auftragsmörder zu Ende. Der Richter resümierte, so etwas kenne man sonst nur aus Mafia-Filmen. Der Angeklagte wählte ungewöhnliche Verteidigungsstrategien als er etwa versicherte, ein 3,7 Kilogramm schweres Päckchen, das er unmittelbar nach der Tat bei der Post aufgegeben hatte, habe nicht die Tatwaffe enthalten, sondern sei Teil "ehrlicher Kokaingeschäfte" gewesen. Einen Überblick über den turbulenten Verfahrensgang gibt die FR (Stefan Behr)

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/asp

(Hinweis für Journalisten)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2019: Ausschluss der NPD aus Parteienfinanzierung / Rechtsstaatlichkeit in der EU / HIV-Erkrankter im Polizeidienst . In: Legal Tribune Online, 19.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36587/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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