Die juristische Presseschau vom 18. Juni 2019: Gene­ral­bun­des­an­walt über­nimmt Lübcke-Fall / BGH zu Ver­dachts­be­rich­t­er­stat­tung / BVerwG-Prä­si­dent im Inter­view

18.06.2019

Generalbundesanwalt übernimmt Fall Lübcke wegen Rechtsextremismusverdacht. Außerdem in der Presseschau: BGH spricht Rechtsverfolgungskosten bei falscher Verdachtsberichterstattung zu. Interview mit BVerwG-Präsident zum ACA-Vorsitz.

Thema des Tages

GBA Lübcke: Der Generalbundesanwalt übernimmt die Mordermittlungen im Fall des getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, Grund für die jetzige Übernahme der Ermittlungen zwei Wochen nach dem Tod Lübckes seien Hinweise, dass es sich mutmaßlich um einen Täter aus dem rechtsextremen Milieu handele. Dafür sprächen das "Vorleben" des Beschuldigten sowie dessen "öffentlich wiedergegebene Meinungen und Ansichten". Der Beschuldigte befindet sich in Untersuchungshaft. Es berichten lto.de, spiegel.de, SZ (Nico Fried/Susanne Höll/Ronen Steinke) und FAZ (Markus Wehner/Eckart Lohse/Ralf Euler).
 
Annette Ramelsberger (SZ) sieht den Fall vor dem Hintergrund anderer rechtsextremer Taten und stellt fest: "Deutschland hat es mit einer neuen, einer braunen RAF zu tun." Diese sei ein "metastasierendes Gewaltgebilde, das an vielen Stellen unvermittelt aufbrechen kann." Reinhard Müller (FAZ) bezeichnet gewaltbereite Gruppen mit Verbindungen zu staatlichen Stellen als Feinde der freiheitlichen Ordnung, der sie selbst alles zu verdanken haben und die früh und entschieden bekämpft werden müssen.

Die Hintergründe, wann die Bundesanwaltschaft Ermittlungen übernimmt, stellt tagesschau.de (Frank Bräutigam) vor. spiegel.de portraitiert außerdem den Generalbundesanwalt Peter Frank und beleuchtet dessen Tätigkeit seit seiner Amtseinführung 2015.  

Rechtspolitik

Unternehmenssanktionen: Wie das Hbl (Heike Anger) schreibt, plant das Bundesjustizministerium bei seinem Gesetzentwurf zum Verbandssanktionengesetz offenbar einen verstärkten Arbeitnehmerschutz. Demnach können Unternehmen, gegen die wegen Verstößen ein Bußgeld verhängt werden soll, nur dann mit einer Milderung der Strafe rechnen, wenn sie Mitarbeitern zuvor bei internen Ermittlungen ein Auskunftsverweigerungsrecht eingeräumt haben.

Justiz

BGH zu Verdachtsberichterstattung: Wenn Medien ihre journalistischen Sorgfaltspflichten verletzen, können sie auch zum Ersatz daraus resultierender Rechtsverfolgungskosten verpflichtet sein. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil aus dem April, welches nun veröffentlicht wurde. In dem Fall ging es um einen Erfurter Gastwirt, der in einer Fernsehdokumentation des WDR über Mafia-Umtriebe in Deutschland mit der italienischen Mafia in Verbindung gebracht wurde. Der Mann hatte Abmahnungen an Personen verschickt, die den Beitrag weiterverbreitet hatten. Dem Sender sei auch zuzurechnen, wenn Dritte, die unzulässige Verdachtsberichterstattung weiter verbreiteten, sodass die Sender zum Ersatz der Rechtsverfolgungskosten verpflichtet sind, so lto.de.

BVerwG Mindestruhzeit: Am Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über die Klage einer Einwohnerin aus Olching bei München. Diese wendet sich gegen eine von der Stadt beschlossene Satzung, die eine Reduzierung der Mindestruhezeit für Urnengräber auf nur zwei Jahre vorsieht. Danach ist eine Umbettung ins anonyme Massengrab möglich. Bei Erdgräbern sieht die Satzung dagegen zwölf Jahre vor, so SZ (Wolfgang Janisch).

VG Koblenz zu Hochschulklausuren: Eine Überschreitung der Bearbeitungszeit einer Hochschulklausur von 90 Sekunden stellt eine wesentliche Überschreitung der Bearbeitungszeit dar, sodass eine solche Arbeit als nicht ausreichend bewertet werden darf. Dies entschied das Verwaltungsgericht Koblenz, laut spiegel.de. Die kurze zusätzliche Zeit sei ausreichend gewesen, um sich einen für die Bewertung erheblichen Vorteil zu verschaffen.

GenStA Frankfurt Cum-Ex: lto.de und FAZ melden, dass Ermittler zum dritten Mal Räume von Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt durchsucht haben. Die Staatsanwaltschaft wirft zwei Anwälten der Kanzlei Beihilfe zur besonders schweren Steuerhinterziehung vor, da sie "mutmaßlich in Kenntnis der Gesamtstruktur mit der Beratung der Cum/Ex-Geschäfte betraut gewesen" seien.

BVerwG Kükentötung: Auf verfassungsblog.de beleuchten die Wissenschaftler Saskia Stucki und Christoph Winter die Hintergründe des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit des Tötens männlicher Eintagsküken und gehen dabei auf die Konzeption des Tierschutzgesetzes und die Argumentation des Gerichts ein.

EGMR Unbegleitete Flüchtlinge: Ebenfalls auf verfassungsblog.de beschäftigt sich die Professorin Dana Schmalz mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom letzten Donnerstag und attestiert dem Gericht ein richtiges und wichtiges Urteil gefällt zu haben, welches Maßstäbe für den Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden setzt. Jedoch hätte das Gericht zumindest die Verantwortung Nordmazedoniens näher prüfen sollen.

Recht in der Welt

Schweiz richterliche Unabhängigkeit: Die Schweiz wurde vom Antikorruptionsgremium des Europarats (Greco) dafür gerügt, dass Richter einen Anteil ihres Gehalts an politische Parteien zahlen, sogenannte Mandatsabgabe, und sich zur Wiederwahl stellen müssen. Zwar räumte die Schweizer Regierung Zweifel hinsichtlich der richterlichen Unabhängigkeit ein, jedoch sei eine Änderung zur Zeit politisch nicht mehrheitsfähig, so lto.de.

China Hongkong: Der Hongkonger Aktivist Joshua Wong ist am Montag vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Der 22-jährige ehemalige Studentenführer ist einer der führenden Köpfe der Demokratiebewegung und hatte wegen seiner Rolle in der "Regenschirm"-Bewegung 2014 eine zweimonatige Haftstrafe absitzen müssen. Wegen guter Führung wurde er nun jedoch einen Monat vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, wie spiegel.de meldet.

Juristische Ausbildung

Mündliche Prüfung Postzustellung: Im Bezirk des Oberlandesgerichtes Hamm soll es zu Verzögerungen bei der Postzustellung der Ladung zur mündlichen Prüfung gekommen sein. Schuld an Verzögerungen soll der Dienstleister sein. Betroffene Studenten sprechen von Benachteiligung hinsichtlich ihrer mündlichen Prüfung, während das Gericht von Einzelfällen sprach und mitteilen ließ, die Nachteile durch die verspätete Zustellung hielten sich in Grenzen, da die Zustellung sich nur um wenige Tage verzögere und die Prüflinge in der Regel mindestens einen Monat vorher online erfahren würden, wann ihr Prüfungstermin ist. Es berichtet lto.de.

Sonstiges

BVerwG-Präsident zu ACA-Präsidentschaft: lto.de (Tanja Podolski) interviewt den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Klaus Rennert anlässlich der Präsidentschaft des BVerwG bei der europäischen Vereinigung der obersten Verwaltungsgerichte ACA-Europe. Rennert spricht über die Arbeit des ACA, die sich vor allem in gemeinsamen Seminaren, einem Richteraustausch und einer gemeinsamen Datenbank äußert. Themen sind außerdem die europäische Idee und der Nutzen von Rechtsvergleichung.

Medienanwalt als Pressesprecher: Der Anwalt für Presserecht Ralf Höcker hat das Amt des Pressesprechers bei der konservativen Werte-Union übernommen, meldet lto.de. Seine Wahl sei als Mahnung an unseriöse Journalisten zu verstehen, da über die Werte-Union "zahlreiche Fake News" verbreitet worden seien, so Höcker.

OVG-Präsident zu Asylentscheidungen: Der Präsident des sächsischen Oberverwaltungsgerichts Erich Künzler kritisiert laut lto.de die mangelnde Umsetzung von Asylentscheidungen. Entscheidungen der Verwaltungsgerichte würden größtenteils nicht umgesetzt. Das frustriere viele Richter, die zunehmend das Gefühl hätten, für den Papierkorb zu arbeiten.


Plagiat Grundgesetz-Magazin: SZ (Benedikt Frank) interviewt den Herausgeber von "Das Grundgesetz als Magazin" zu dem Erfolg des Magazins und den Versuch Unbekannter ein billig produziertes Magazin mit dem gleichen Namen über das Internet zu verkaufen.


Sozialkreditsystem: Der Wissenschaftler Jens van't Klooster hinterfragt auf verfassungsblog.de in englischer Sprache die Vorstellung in westlichen Staaten, ein Sozialkreditsystem wie in China würde stets eine technische Dystopie bedeuten. Er kommt zu dem Ergebnis, die vorgetragenen Einwände gegen ein Sozialkreditsystem seien keine gegen ein Sozialkreditsystem an sich, sondern vielmehr Vorbehalte gegen die politischen Institutionen, in die ein solches System eingebettet werden müsste.

Zugangsfiktion bei Subunternehmern: lawblog.de (Udo Vetter) berichtet über eine aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts Münster, wonach bei Einschaltung eines Subunternehmers zur Postzustellung nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Transportweg deutlich länger ist, als drei Tage, sodass die Fiktion entfalle.

Das Letzte zum Schluss

Im niedersächsischen Braunschweig muss die Polizei klären, welche Person eines 46-jährigen Zwillingspaars verbotenerweise mit einem Mofa unterwegs war. Eine Zeugin hatte laut Polizei einen betrunkenen Mofafahrer gemeldet, der Essen von einem Imbiss holte. Fahndungs- und Ermittlungsmaßnahmen führten die Beamten bei dem Einsatz dann zu einer Wohnung nahe der Verkaufsstelle. Dort trafen sie auf zwei Männer, auf die die Beschreibung zutraf. Die Zwillinge aßen gerade ein Imbissgericht.  Ein Atemalkoholtest ergab bei beiden einen Wert von fast drei Promille, sie mussten jeweils eine Blutprobe abgeben. In einer ersten Befragung stritten beide die Tat ab, so spiegel.de.

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lto/rr

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. Juni 2019: Generalbundesanwalt übernimmt Lübcke-Fall / BGH zu Verdachtsberichterstattung / BVerwG-Präsident im Interview . In: Legal Tribune Online, 18.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35967/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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