Die juristische Presseschau vom 13. Juni 2019: Gesetz zu Influ­encer-Mar­ke­ting / Schluss­worte im Kata­lo­nien-Pro­zess / Hong­kongs Aus­lie­fe­rungs­ge­setz ver­schoben

13.06.2019

Das Justizministerium plant ein Gesetz für sogenannte Influencer. Außerdem in der Presseschau: Der Prozess um katalanische Separatisten neigt sich dem Ende zu und Demonstranten in Hongkong blockieren das umstrittene Auslieferungsgesetz.

Thema des Tages

Influencer-Gesetz: Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz plant eine gesetzliche Regelung für sogenannte Influencer, berichten lto.de (Annelie Kaufmann), FAZ (Hendrik Wieduwilt) und SZ (Benedikt Frank). Diese solle klären, welche Beiträge als Werbung zu kennzeichnen sind und welche nicht. Grundsätzlich muss nach § 5a Abs. 6 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung kenntlich gemacht werden, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. Die Rechtsprechung zu Influencern ist bisher jedoch uneinheitlich. So wurden manche schon wegen fehlender Werbekennzeichnung abgemahnt, obwohl sie für den konkreten Beitrag gar kein Geld bekommen hatten.

Valentin Dornis (SZ) begrüßt die Aussicht eines Gesetzes, das klare Regeln schaffen könne. Allerdings seien die Grenzen zwischen geschäftlicher und privater Funktion oft fließend, weshalb die gesetzliche Regelung eine Herausforderung sei. Auch Hendrik Wieduwilt (FAZ) begrüßt eine Regelung, die Influencer davor schützen würde, auch unbezahlte Beiträge kennzeichnen zu müssen. Angesichts von Artikel 5 Grundgesetz (GG) entspreche dies geradezu einem Verfassungsauftrag.

Rechtspolitik

"Geordnete-Rückkehr-Gesetz": Der Rechtsausschuss des Bundesrats hat empfohlen, das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu überweisen. Dies melden SZ (Bernd Kastner/Ronen Steinke) und Welt (Sabine Menkens). Hintergrund des Widerstandes gegen das Gesetz sei die darin vorgesehene Unterbringung von Abschiebehäftlingen in normalen Justizvollzugsanstalten, was nach Ansicht vieler Experten gegen Europarecht verstoße.

Vernichtung von Retouren: Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat angekündigt, noch im Juni ein Gesetz vorzuschlagen, das die Vernichtung neuwertiger zurückgeschickter Waren im Online-Handel verbieten soll. Dies meldet FAZ. Nach einer Untersuchung der Universität Bamberg landen vier Prozent aller Retouren im Müll.

Zwangsentschlüsselung: Mehr als hundert Organisationen und Einzelpersonen haben in einem offenen Brief an das Bundesinnenministerium davor gewarnt, Messenger-Dienste zur Offenlegung ihrer Kommunikation zu zwingen. Hintergrund ist das Vorhaben von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der Messenger-Dienste wie Whatsapp oder Telegram dazu verpflichten will, die Kommunikation ihrer Nutzer auf richterliche Anordnung in lesbarer Form an Behörden zu schicken. Der Einbau einer Sollbruchstelle würde notwendigerweise zu weniger IT-Sicherheit führen, so die Unterzeichner des Briefes, zu denen auch Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gehört. Es berichten netzpolitik.org (Maximilian Henning) und zeit.de.

Justiz

BVerwG – Kükentöten: Am heutigen Donnerstag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ob das massenhafte Töten männlicher Küken verboten werden darf. Die Geflügelwirtschaft hat für diese keine Verwendung, da sie weder ausreichend Fleisch ansetzen noch Eier legen. Pro Jahr werden daher rund 45 Millionen Küken erstickt und geschreddert. Der ehemalige NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) hatte dies verbieten lassen, was vor den Verwaltungsgerichten jedoch keinen Erfolg hatte. Grundsätzlich dürfen Tiere nach dem Tierschutzgesetz nicht "ohne vernünftigen Grund" getötet werden. Fraglich ist nun, ob die wirtschaftlichen Interessen der Geflügelwirtschaft einen solchen vernünftigen Grund darstellen, berichten taz (Christian Rath) und Zeit (Merlind Theile).

EuGH – Gmail: Rechtsprofesor Thomas Hoeren erläutert auf lto.de ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zur Frage, ob sogenannte Over-The-Top-Dienste (OTT) wie Gmail unter das deutsche Telekommunikationsgesetz fallen. Nach § 6 Telekommunikationsgesetz (TKG) sind gewerbliche Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze verpflichtet, sich bei der Bundesnetzagentur zu melden. Gmail hat sich indes bislang geweigert, den Meldepflichten nach dem TKG nachzukommen. Sollte das Gericht OTT-Dienste als Telekommunikationsdienste einstufen, würde die Bundesnetzagentur nach Ansicht Hoerens zu einer Megabehörde für das Internet, etwa für Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit.

Arbeitsgerichte in NRW: Der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen hat empfohlen, die Anzahl der dortigen Arbeitsgerichte von 30 auf 16 fast zu halbieren. Dies meldet lto.de. Dabei solle aber der Bestand an Personal und Kammern insgesamt unverändert bleiben. Die Zusammenfassung von Personal und Kammern an weniger Standorten und die Schließung von Mini-Gerichten würde die Effizienz steigern.

OLG Koblenz zu Dieselskandal: VW ist dem Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verpflichtet. Dies hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden, wie lto.de und FAZ berichten. VW habe staatliche Behörden, Wettbewerber und Endverbraucher in großer Zahl systematisch zur Profitmaximierung getäuscht und daher sittenwidrig gehandelt. In der Gefahr der Betriebsuntersagung und Fahrzeugstilllegung liege ein Schaden. VW kündigte Revision an, womit das Verfahren zum Bundesgerichtshof ginge.

OVG NRW zu Altkleidercontainern: Die Stadt Münster diskriminiert gewerbliche Altkleidersammler bei der Vergabe von Stellplätzen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entschieden, wie lto.de meldet. Die Stadt hatte den Antrag eines gewerblichen Sammlers auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis abgelehnt. Diese seien lediglich für ausgewählten karitativen Träger gedacht, die wiederum vom kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb (AWM) ausgesucht werden. Dies solle die Wartung und Entsorgung der Standorte "aus einer Hand" gewährleisten. Nach Ansicht des Gerichts sei jedoch gerade dies nicht der Fall, weil unterschiedliche Organisationen verantwortlich seien.

LG Düsseldorf zu Bühnenmusik: Das Düsseldorfer Schauspielhaus darf die vom Komponisten Parviz Mir-Ali für das Staatsschauspiel Dresden komponierte Musik für das Bühnenstück "Der Idiot" von Fjodor Dostojewski nicht verwenden. Dies hat das Landgericht Düsseldorf entschieden, wie lto.de meldet. Das Düsseldorfer Schauspielhaus hatte lediglich Zahlungen an die GEMA geleistet und darauf verwiesen, dass es sich bei der Musik bloß um "Hintergrundmusik" handele. Nach Ansicht des Gerichts verbinden sich jedoch bei der Inszenierung die Dramaturgie des gesprochenen Wortes und die Musik zu einer Einheit, womit es sich um eine bühnenmäßige Darstellung handele. Daran habe das Schauspielhaus jedoch nach § 1 lit. A des GEMA-Berechtigungsvertrags keine Nutzungsrechte erwerben können.

StA Braunschweig – VW: Gegen Bernd Osterloh, den Gesamtbetriebsratschef von VW, laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue. Dies hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig bekannt gegeben, wie lto.de meldet. Dabei gehe aber nicht um einen Vorteil für Osterloh, sondern um die möglicherweise unrechtmäßigen Gehälter anderer Betriebsratsmitglieder.

LG München I – Wiederaufnahmeverfahren Genditzki: Die SZ (Hans Holzhaider) berichtet in ihrer Seite-3-Reportage über den wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Manfred Genditzki, dessen Anwältin einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt hat. Nach Ansicht des Gerichts hatte der Mann eine 87-jährige Rentnerin in der Badewanne ermordet. Allerdings würden ein neues Sachverständigengutachten sowie die Aussage einer neuen Zeugin den Schluss nahelegen, dass es sich bei dem Tod der Frau tatsächlich um einen Haushaltsunfall gehandelt habe. Sie habe wohl beim Einweichen verschmutzter Wäsche einen Schwächeanfall erlitten und sei dabei in die Wanne geglitten, wo sie ertrunken sei. Der Verurteilte habe demgegenüber kein Motiv für die ihm zur Last gelegte Tat gehabt.

LG Detmold – Fall Lügde: Das Landgericht Detmold hat die Anklage gegen drei Verdächtige im Missbrauchsfall von Lügde zugelassen, berichtet FAZ (Reiner Burger). Die drei Verfahren sollen in einer gemeinsamen Hauptverhandlung zusammengeführt werden. Den beiden Hauptangeklagten wird vorgeworfen, sich über Jahre hinweg des schweren sexuellen Missbrauchs an Kindern strafbar gemacht zu haben. Ein dritter Angeklagter soll an Webcam-Übertragungen teilgenommen haben.

LAG Nürnberg zu männlichem Sportlehrer: Eine Privatschule darf eine Stellenausschreibung für den Schulsport für Mädchen auf weibliche Bewerber begrenzen. Das weibliche Geschlecht stelle hier eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung nach § 8 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dar, hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschieden. Ein abgelehnter männlicher Bewerber habe daher keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung, meldet community.beck.de (Christian Rolfs).

Recht in der Welt

Spanien – Separatisten-Prozess: In Madrid sind die Anhörungen im Prozess gegen führende katalanische Separatisten mit dem Schlusswort der Angeklagten zu Ende gegangen. Dies berichten SZ (Thomas Urban), taz (Rainer Wandler) und FAZ (Hans-Christian Rößler). Sie weisen den Vorwurf der Staatsanwaltschaft von sich, nach dem sie mit dem Referendum über die Unabhängigkeit am 1. Oktober 2017 den Tatbestand der Rebellion erfüllt hätten. Es sei von katalanischer Seite nie zur Anwendung von Gewalt gekommen. Sollte das Gericht den Plädoyers der Generalstaatsanwaltschaft folgen, drohen den Angeklagten langjährige Haftstrafen. Die Urteile werden im Herbst erwartet.

Hongkong – Auslieferungsgesetz: In Hongkong ist die Debatte um das umstrittene Auslieferungsgesetz nach Massenprotesten verschoben worden. Vielen Abgeordneten gelang es nicht, durch die Menge der Demonstranten in das Gebäude des sogenannten Legislativrates vorzudringen, berichtet u.a. taz (Sven Hansen) und FAZ (Friederike Böge).

Für Peter Sturm (FAZ) ist das Misstrauen der Demonstranten gegen das Gesetz berechtigt. Zwar diene es vordergründig nur der Kriminalitätsbekämpfung, jedoch würden die Behörden der Volksrepublik China häufig politisch missliebigen Menschen allgemeinkriminelle Vergehen anhängen. Auch Sven Hansen (taz) nennt die Verschiebung einen Erfolg, warnt aber davor, dass die Regierung weiterhin versuchen könne, "mit aller Kraft das ungeliebte Gesetz durchpeitschen zu wollen". spiegel.de (Anna-Sophie Schneider) stellt Fragen und Antworten zu dem Gesetz zusammen.

USA – Flüchtlingshelfer vor Gericht: In den USA ist ein Verfahren gegen einen Flüchtlingshelfer in Tucson, Arizona, ohne Verurteilung zu Ende gegangen. Dies berichtet taz (Dorothea Hahn). Das Geschworenengericht konnte sich nicht auf ein Urteil einigen. Der 36-jährige Angeklagte ist Mitglied der Organisation "No More Deaths" und hatte etwa Wasser in die Wüste gebracht, um Menschen dort vor dem Tod beim Grenzübertritt zu bewahren. Er war des "Transports von zwei papierlosen Migranten" angeklagt, die er vor der Grenzpolizei versteckt haben soll.

Sonstiges

Hans-Georg Maaßen/AfD-Beratung: Der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, hat nach Meldung des Tsp (Jost Müller-Neuhof), möglicherweise doch mit Politikern der AfD erörtert, wie die Partei einer Beobachtung oder Prüffall-Einstufung durch den Verfassungsschutz entgehen könne. Maaßen hatte sich insgesamt fünf Mal mit Politikern der AfD getroffen, jedoch bestritten, sie beraten oder ihnen Empfehlungen gegeben zu haben. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hatte die Behörde nach einer Auskunftsklage dazu verpflichtet, Auskünfte über diese Treffen zu erteilen. Nach den darauf bekannt gewordenen Informationen habe Maaßen bei den Treffen mit AfD-Politikers durchaus deren Verbindungen zum Rechtsextremismus angesprochen.

Wahlwerbung und Öffentlichkeitsarbeit: Nach den Äußerungen der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, die eine "Meinungsmache" vor Wahlen beklagte, analysiert der Wissenschaftliche Mitarbeiter Jaschar R.A. Kohal auf juwiss.de die verfassungsrechtlichen Grundlagen einer etwaigen Regulierung. Während die Regierung im Vorfeld von Wahlen nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung tatsächlich dem "Gebot größter Zurückhaltung" verpflichtet sei, gebe es für Privatpersonen keine derartige Beschränkung. Nur wenn die Schwelle zur inhaltlichen Falschaussage überschritten werde, gebe es nach dem Presserecht Ansprüche auf Richtigstellung und Unterlassung.

IS vor Gericht: Auf voelkerrechtsblog.org befasst sich der Wissenschaftliche Mitarbeiter Simon Gauseweg mit den Erfolgsaussichten einer völkerstrafrechtlichen Aufarbeitung des "Islamischen Staates." Sowohl die Überstellung an den Internationalen Strafgerichtshof wie auch die Einrichtung eines weiteren Ad-hoc-Tribunals nach dem Vorbild der Tribunale für Rwanda und das ehemalige Jugoslawien seien möglich. Beides werde jedoch wohl am politischen Widerstand verschiedener Veto-Mächte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen scheitern. Somit sei die Aufarbeitung vor den jeweiligen nationalen Gerichten am geeignetsten.

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lto/mps

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. Juni 2019: Gesetz zu Influencer-Marketing / Schlussworte im Katalonien-Prozess / Hongkongs Auslieferungsgesetz verschoben . In: Legal Tribune Online, 13.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35885/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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