Die juristische Presseschau vom 30. bis 31. Mai 2019: Auto­maten-Apo­theke unter­sagt / Ver­fas­sungs­schutz-Tro­janer in Redak­tionen? / AfD-Stif­tung schei­tert vor­erst

31.05.2019

OLG Karlsruhe bestätigt Verbot von Apothekenautomaten. Außerdem in der Presseschau: Geplante Ausweitung von Verfassungsschutzkompetenzen in der Kritik und das BVerfG weist Verfassungsbeschwerde der AfD-nahen Stiftung als unzulässig ab.

Thema des Tages

OLG Karlsruhe zum DocMorris-Apothekenautomat: Die niederländische Versandapotheke DocMorris darf ihren Apothekenautomaten in Hüffenhardt (Nordbaden) nicht betreiben, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe. Die Einrichtung sei wettbewerbswidrig, weil sie gegen das Arzneimittelgesetz verstößt, urteilte das Gericht auf Klage konkurrierender Apotheker und des Landesapothekerverbands. Über diesen Präzedenzfall berichten taz.de (Christian Rath), lto.de und spiegel.de. Beim Apothekenautomaten von DocMorris konnten Kunden im April 2017 erstmals per Video Kontakt mit einem Apotheker in den Niederlanden aufnehmen und im Anschluss verschreibungspflichtige Medikamente aus dem Automaten erhalten. Das Gericht folgte nun nicht dem Argument von DocMorris, es handle sich lediglich um einen erlaubten Versandhandel. Es bleibt abzuwarten, ob das Unternehmen eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhebt. Auch in der Politik stößt DocMorris' Initiative jedoch auf Widerstand: Im Referentenentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn für ein "Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken" ist auch ein Verbot von Apothekenautomaten vorgesehen. 

Rechtspolitik

Verfahrensrecht: Der Vorsitzende der diesjährigen OLG-Präsidentenkonferenz, Clemens Lückemann, spricht mit lto.de (Annelie Kaufmann) über die wichtigsten Beschlüsse, die im Bereich des Verfahrensrechts liegen. Sie betreffen den elektronischen Rechtsverkehr im Zivilverfahren, eine Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in der Zivilprozessordnung sowie die Reform des Strafverfahrens.

Verfassungsschutz, Trojaner, Redaktionsgeheimnis: Nun berichten auch die SZ (Ronen Steinke) und die taz (Christian Rath) über die Warnung der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) vor einer Gefährdung des Redaktionsgeheimnisses durch den Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zur "Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts".  Dieser sieht erstmals ein Recht des Verfassungsschutzes zur Online-Durchsuchung von Computern durch sogenannte Trojaner vor. ROG fordert dahingehend eine Schutzklausel für Journalisten. 

Ronen Steinke (SZ) argumentiert in einem gesonderten Kommentar, dass es ein "Grundvertrauen zwischen Journalisten und ihren Informanten" geben müsse. 

Abschiebungen: Ein Bündnis aus 22 zivilgesellschaftlichen Organisationen hat die Abgeordneten des Bundestags in einem offenen Brief aufgefordert, das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nicht zu verabschieden, so spiegel.de. Das Gesetz sieht Änderungen im Abschieberecht vor, etwa die Möglichkeit, Ausländer, deren Abschiebung kurz bevorsteht, in regulären Gefängnissen unterzubringen. Kommenden Montag wird es zu dem Gesetzentwurf eine öffentliche Anhörung im Innenausschuss des Bundestags geben.

Justiz

StA Stuttgart – Porsche: In der Affäre um überhöhte Betriebsratsgehälter bei Porsche ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen drei Porsche-Vorstandsmitglieder u.a. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und der Untreue. Es berichten spiegel.de (Martin Hesse/Simon Hage) und community.beck.de (Markus Stoffels)

LG Hamburg – Wedel-Zeugin: lto.de (Pia Lorenz/Markus Sehl) berichtet über den Rechtsstreit zwischen der "Zeit" und dem Anwalt der Schauspielerin Jany Tempel, die in der umstrittenen Verdachtsberichterstattung der "Zeit" über den Regisseur Dieter Wedel die Hauptbelastungszeugin der Redaktion war. Der Anwalt von Tempel klagt nun seine eigenen Anwaltskosten aus abgetretenem Recht der Schauspielerin ein und argumentiert, die "Zeit" hätte sich gegenüber seiner Mandantin verpflichtet, ihr entstehende Anwaltskosten auch im Rahmen eines Strafverfahrens zu übernehmen. Die "Zeit" argumentiert, eine solche Vereinbarung habe es lediglich für Gerichts- und Anwaltskosten in möglichen Zivilverfahren gegeben. Grund dafür, dass diese Frage zwischen den Beteiligten seinerzeit nicht eindeutig geklärt wurde, war wohl die irrige Annahme, dass die Wedel vorgeworfenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bereits verjährt sind.

OLG Nürnberg zu Fahrlässigkeit beim Pkw-Verkehr: Ein Autofahrer, der bei Tempo 200 das Infosystem seines Wagens bedient hat, handelte grob fahrlässig und muss nach einem Unfall die Zahlung von Reparaturkosten anteilig übernehmen, entschied das Oberlandesgericht Nürnberg nun und hob damit das vorinstanzliche Urteil auf. Es berichtet lto.de.

BGH zu Kfz-Betriebsgefahr: Wie lto.de meldet, hat der Bundesgerichtshof in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden, dass die Halterhaftung in § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz auch dann greifen kann, wenn sich der Schaden erst rund eineinhalb Tage nach einem Unfall realisiert. Auch dann hafte der Halter noch für die Betriebsgefahr seines Autos. Der BGH verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das OLG Celle.

BVerwG zu Reiseverbot: Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom Mittwoch bestätigt, dass einer humanitären Helferin, der in einem anderen Land die Gefahr der Entführung droht, die Ausreise dorthin verboten werden kann, so lto.de. Anderfalls könne sich die Bundesrepublik erpressbar machen. Der Geltungsbereich des Reisepasses der Frau durfte entsprechend eingeschränkt werden.

BVerfG zu AfD-naher Stiftung: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung nicht zur Entscheidung angenommen, wie lto.de und spiegel.de berichten. Die Stiftung hatte Verfassungsbeschwerde erhoben, weil sie anders als die anderen parteinahen Stiftungen (noch) keine Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt bekommen hatte. Das Gericht erklärte die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, da der Verwaltungsrechtsweg nicht erschöpft war. 

Recht in der Welt

Großbritannien – Brexit: Ein britischer Geschäftsmann hat beim Bezirksgericht Westminster gegen einen der Wortführer der Brexit-Kampagne, Boris Johnson, Klage wegen Amtsmissbrauchs erhoben. In der bereits für zulässig erklärten Privatklage wird Johnson vorgeworfen, vor dem Brexit-Referendum 2016 mit falschen Behauptungen um Stimmen geworben zu haben. Es berichten taz (Dominic Johnson), FAZ (Jochen Buchsteiner) und spiegel.de

USA – Abtreibung: Die FAZ (Marlene Grunert/Majid Sattar) berichtet über den Versuch des US-Bundesstaats Alabama, ein Grundsatzurteil zu Abtreibungen zu erzwingen, indem dort ein sehr restriktives Abtreibungsgesetz verabschiedet wurde. Neben einer Erklärung für verfassungsmäßig oder -widrig kann der Supreme Court eine Verhandlung jedoch auch mit Mehrheitsbeschluss ablehen und auf das vorinstanzliche Urteil verweisen. Letzteres könnte in diesem Fall eine Möglichkeit zur Wahrung des Rechtsfriedens sein.

EGMR – Aserbaidschan: Die Rechtsprofessorin Başak Çalı setzt sich auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) mit dem Urteil Mammadov v. Aserbaidschan des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auseinander. Hier hatte das Ministerkomitee des Europarats erstmals Artikel 46 Absatz 4 Europäische Menschenrechtskonvention angewandt und den EGMR mit der Frage befasst, ob Aserbaidschan durch die andauernde Inhaftierung Mammadovs seine Pflicht zur Umsetzung des EGMR-Urteils aus dem Jahre 2014 verletzte.

EuGH – Polen: Der Rechtswissenschaftler Luke Dimitrios Spieker widmet sich auf verfassungsblog.de dem Verfahren der Europäischen Kommission gegen Polen vor dem Europäischen Gerichtshof, in dem für den 24. Juni 2019 eine Entscheidung erwartet wird. Auch die Doktorandin Femke Gremmelprez und die Junior-Professoren Maciej Taborowski und Paweł Marcisz befassen sich aus diesem Anlass auf verfassungsblog.de (jeweils in englischer Sprache) mit der Rechtsstaatlichkeit in Polen.

Rumänien – Rechtsstaat: Die Rechtsprofessoren Laurent Pech, Vlad Perju und Sébastien Platon befassen sich auf verfassungsblog.de mit dem Zustand des Rechtsstaats in Rumänien, dem jüngsten Brief von EU-Kommissar Frans Timmermanns an die rumänischen Behörden sowie der Möglichkeit eines Verfahrens nach Art. 325 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Bekämpfung von Korruption gegen Rumänien.

Schweiz – Caster Semenya: Nach ihrer Niederlage gegen den Leichtathletik-Weltverband IAAF vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS zieht die südafrikanische 800-Meter-Läuferin Caster Semenya nun vor das Schweizer Bundesgericht, so spiegel.de. Der CAS hatte die Athletin zu einer Hormontherapie verpflichtet, um weiterhin bei Frauen-Wettbewerben antreten zu dürfen. 

Niederlande – Hells Angels: Wie spiegel.de berichtet, hat ein niederländisches Zivilgericht den Rockerclub Hells Angels verboten, da er gegen die öffentliche Ordnung verstoße und eine Gefahr für die Gesellschaft darstelle. 

Myanmar – "Hassprediger": In Myanmar wurde Haftbefehl gegen den buddhistischen Mönch Wirathu erlassen, der seit Jahren gegen die muslimische Minderheit im Land hetzt, so spiegel.de. Dem als Kopf einer ultranationalistischen Bewegung geltenden Mönch wird "Aufruhr" vorgeworfen.

USA – Huawei: Der chinesische Netzwerkausrüster Huawei hat einen Antrag bei einem Bezirksgericht in Texas gestellt, um das gegen ihn erteilte Handelsverbot in den USA für verfassungswidrig erklären zu lassen, wie spiegel.de berichtet. Huawei argumentiert, dass die US-Regierung bislang keine Beweise dafür vorgelegt habe, dass der Konzern eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstelle.

Russland – Historiker: Wie die FAZ (Friedrich Schmidt) meldet, hat ein Gericht in der nordwestrussischen Teilrepublik Karelien den Historiker Sergej Koltyrin wegen sexuellen Missbrauchs einer minderjährigen Person zu neun Jahren Haft verurteilt. Es hatte über die Massenerschießungen unter Stalin geforscht und ist schon der zweite Historiker der Region, der mit diesem Vorwurf vor Gericht gebracht wird.

Sonstiges

Meinungsfreiheit und Youtube: Der Rechtsprofessor Tobias Gostomzyk erklärt im Interview mit lto.de (Annelie Kaufmann), warum Youtuber nicht neutral sein müssen, und ob sich Regeln aus dem Rundfunkrecht auf digitale Meinungsbildung übertragen lassen. spiegel.de (Klaus Raab) beantwortet die Frage, welche Regeln für die Meinungsfreiheit bereits gelten. Der Doktorand Julian Scholtes setzt sich auf verfassungsblog.de mit autoritärem Konservatismus auseinander.

Hisbollah und Strafrecht: Die SZ (Ronen Steinke) befasst sich mit der Frage, warum die mit Iran verbundene Hisbollah in Deutschland nicht als terroristische Vereinigung eingestuft wird und nennt Realpolitik als Grund. Deutschland wolle im Nahen Osten als Vermittler akzeptiert bleiben.

UN-Blauhelme: Der wissenschaftliche Referent Matthias Hartwig befasst sich auf lto.de anlässlich des Internationalen Tags der Blauhelme mit der Geschichte der Friedenstruppen der Vereinten Nationen. Er behandelt die Nichtumsetzung von Art. 43 der Charta der Vereinten Nationen, der verlangt, dass Verträge über das Stellen von Truppen zwischen den Vereinten Nationen und den Mitgliedstaaten geschlossen werden, und die Frage, wie die dadurch entstandene Lücke geschlossen werden kann.

EU-Spitzenkandidaten: Der Rechtsprofessor Mark Dawson behandelt auf verfassungsblog.de die Frage nach dem Umgang der Europäischen Union mit ihren Spitzenkandidaten nach der Europawahl.

Dreiklassenwahlrecht: lto.de (Martin Rath) widmet sich dem preußischen Dreiklassenwahlrecht und dem dagegen gerichteten Kampf des Berliner Anwalts und Berufspolitikers Karl Liebknecht.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lj

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. bis 31. Mai 2019: Automaten-Apotheke untersagt / Verfassungsschutz-Trojaner in Redaktionen? / AfD-Stiftung scheitert vorerst . In: Legal Tribune Online, 31.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35689/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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