Die juristische Presseschau vom 14. Mai 2019: Haft­be­fehl gegen Ass­ange / Stadler schei­tert mit Ver­fas­sungs­be­schwerde / Rechts­staats­ver­fahren gegen Rumä­nien?

14.05.2019

Schweden beantragt die Auslieferung von Julian Assange. Außerdem in der Presseschau: Rupert Stadler saß zu Recht in U-Haft und die EU-Kommission droht mit Rechtsstaatsverfahren gegen Rumänien.

Thema des Tages

Schweden – Julian Assange: Schweden beabsichtigt, einen Europäischen Haftbefehl für Wikileaks-Gründer Julian Assange wegen Vergewaltigungsvorwürfen zu erwirken. Dies melden SZ (Kai Strittmatter), lto.de, taz (Reinhard Wolff), spiegel.de (Michael Sontheimer) und Welt. Die Ermittlungen, die Vorwürfe aus dem Jahr 2010 betreffen, waren vor zwei Jahren wegen Erfolglosigkeit eingestellt worden, nachdem sich Assange dem Zugriff der Behörden durch Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London entzogen hatte. Mit der Festnahme Assanges in diesem April hat sich die Lage indes geändert. Auch die USA haben einen Auslieferungsantrag gegen Assange wegen dessen Wikileaks-Enthüllungen gestellt. Die britische Regierung muss nun entscheiden, welchem Antrag sie den Vorrang einräumt. Momentan sitzt Assange wegen des Verstoßes gegen Bewährungsauflagen in einem britischen Gefängnis. Der Vergewaltigungsvorwurf verjährt im August 2020, bis dahin müsste eine Anklage erhoben sein.

Gunnar Herrman äußert in der SZ, es müsse auch in Assanges Interesse sein, die Vorwürfe in Schweden endlich mit juristischen Mitteln aufzuklären. Patricia Hecht begrüßt die Entwicklung in der taz, da Vergewaltigungsvorwürfe gegen Prominente allzu oft "schnell vergessen" seien.

Rechtspolitik

Mietpreisbremse: Über die von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) vorgeschlagene Erweiterung der Mietpreisbremse berichten nun auch taz (Barbara Dribbusch) und die Welt (Stephan Maaß), die auch kritische Stimmen zu den Vorstellungen Barleys dokumentiert. Nach Plänen der Ministerin sollen überhöhte Mieten – also solche, die in angespannten Wohnungsmärkten mehr als zehn Prozent über dem geltenden Mietspiegel liegen – künftig ab Beginn des Mietverhältnisses zurückgezahlt werden. Derzeit gilt die Rückzahlungspflicht erst nach einer Rüge durch den Mieter.

Befugnisse des Verfassungsschutzes: Auf dem jährlichen Symposium des Bundesamts für Verfassungsschutz hat dessen Präsident Thomas Haldenwang vor politischem Extremismus gewarnt. Dabei sprach er sich auch für mehr Befugnisse zur Online-Überwachung aus, berichten taz (Konrad Litschko) und FAZ (Helene Bubrowski). Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundesinnenministerium bereits vorgelegt. Wie lto.de darlegt, würde dieser dem Verfassungsschutz den verdeckten Zugriff auf Computer, Smartphones und andere IT-Geräte erlauben, deren Daten dann ausgelesen werden könnten. Außerdem soll dem Nachrichtendienst in bestimmten Fällen die sogenannte Quellen-TKÜ sowie die Speicherung von Daten von Minderjährigen unter 14 Jahren gestattet werden. Der Entwurf wird jedoch vom Bundesjustizministerium als zu weitgehend und wegen fehlender Kontrollmöglichkeiten des Bundestags abgelehnt.

Patentgesetz: In einem Gastbeitrag für das Hbl spricht sich Rechtsanwalt Christian Harmsen gegen eine geplante Änderung des Patentgesetzes aus. Mit dieser solle auf Klagen von Patentverwertungsgesellschaften reagiert werden, die selbst keine konkurrierenden Produkte vertreiben, jedoch Patentverletzer in kostenaufwendige Vergleiche drängen würden. Allerdings hätten Unterlassungsansprüche bereits nach geltendem Recht Grenzen. So komme etwa ein zeitlicher Aufschub des Monopolrechts in Betracht, wenn im Einzelfall eine ungerechtfertigte Härte bestehe.

Justiz

OLG Köln zu Diesel-Skandal: Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln können Diesel-Kunden nicht nur den Kaufpreis ersetzt verlangen, sondern diesen auch verzinsen. Dies geht aus einem nun veröffentlichten Hinweisbeschluss hervor, wie lto.de (Maximilian Amos) meldet. Der sogenannte Deliktszins ergebe sich aus einer analogen Anwendung von § 849 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Norm sei zwar direkt nur für Fälle des Sachentzugs anwendbar, hier habe VW aber die Käufer durch Täuschung über die Abschaltvorrichtung zur Zahlung des Preises veranlasst und ihnen auf diese Weise die Summe "entzogen". Kritiker dieser Auffassung führten an, dass die Kunden immerhin ein funktionsfähiges Fahrzeug als Gegenleistung erhalten hätten, wenn dieses auch unerwünschte Eigenschaften aufweise.

EuG – Marke "Neymar": Das Gericht der Europäischen Union entscheidet am heutigen Dienstag über einen Löschantrag des Fußballers Neymar gegen einen Portugiesen, der diese Marke im Jahr 2012 beim Europäischen Markenamt (Euipo) hatte eintragen lassen. Zu diesem Zeitpunkt war der Fußballer Neymar in Europa noch relativ unbekannt. Der Mann habe sich überdies die Marke "Iker Casillas" gesichert – ebenfalls Name eines bekannten Fußballers – aber nie Produkte unter dieser Marke vertrieben. Dies nähre den Verdacht der Bösgläubigkeit, so SZ (Stephan Radomsky).

BVerfG – Elfes-Urteil: lto.de (Markus Sehl) erläutert in der LTO-Reihe zum 70. Jubiläum des Grundgesetzes die Bedeutung der Elfes-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1957. Der Beschwerdeführer Wilhelm Elfes hatte sich gegen einen Entzug seines Passes gewandt, da er sich hierdurch in seinem Recht auf Freizügigkeit verletzt sah. Das Gericht lehnte dieses ab, weil die Freizügigkeit nicht die Ausreisefreiheit umfasse. Gleichzeitig führte es aber aus, dass die Ausreisefreiheit zumindest durch die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützt sei. Auf diese Weise sei das Gericht in die Lage versetzt worden, nahezu jegliches hoheitliche Handeln zumindest an diesem Maßstab messen zu können. Zwar habe Elfes mit seiner Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg gehabt, der wahre Gewinner sei jedoch das Gericht gewesen.

Zugang zum Recht: SZ (Wolfgang Janisch) sucht nach Gründen für den Rückgang der Anzahl an Zivilklagen in Deutschland. So bildeten die vergleichsweise hohen Kosten bei kleineren Streitwerten eine Hürde. Auch entwickle sich ein Stadt-Land-Gefälle beim Rechtsschutz. Auf dieses weist auch die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins, Edith Kindermann, in einem separaten Interview in der SZ (Wolfgang Janisch) hin: Bei Allgemeinanwälten im ländlichen Raum zeichne sich ein ähnlicher Mangel wie bei den Hausärzten ab.

EuGH – Arbeitszeiterfassung: Am heutigen Dienstag urteilt der Europäische Gerichtshof zur Frage, inwieweit geleistete Arbeitszeit erfasst werden muss. Dies berichtet SZ (Larissa Holzki). Im zugrunde liegenden Fall geht es um einen Streit zwischen einer spanischen Gewerkschaft und der Deutschen Bank SAE. Nach Ansicht des Generalanwalts am EuGH sollen Arbeitszeiten stets zu erfassen sein.

VGH Bayern zu Mietspiegel: Die Stadt München muss die Daten öffentlich machen, auf denen der örtliche Mietspiegel beruht. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof München in zweiter Instanz entschieden, wie SZ (Sebastian Krass) berichtet. Geklagt hatte der Haus- und Grundbesitzerverein München, der der Stadt vorwirft, den Mietspiegel aus politischen Gründen nach unten zu verzerren. Die Stadt hatte die Herausgabe der Informationen aus datenschutzrechtlichen Gründen abgelehnt. In den Mietspiegel dürfen nur Wohnungen eingehen, die in den vergangenen vier Jahren neu vermietet wurden oder deren Miete verändert worden ist.

CAS – Caster Semenya: Südafrikas Leichtathletik-Föderation hat angekündigt, Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) zu Testosterongrenzwerten in der Frauen-Leichtathletik einzulegen. Dies meldet lto.de. Das Gericht hatte derartige Grenzwerte im Fall der Läuferin Caster Semenya gebilligt und dabei auf die Verhinderung von Wettbewerbsvorteilen verwiesen.

VG Hamburg zu NPD-Werbung: Das Verwaltungsgericht Hamburg hat den Norddeutschen Rundfunk verpflichtet, einen Werbespot der NPD auszustrahlen. Dies melden FAZ und taz. Nach Ansicht des Gerichts sei der Beitrag zwar in seiner Gesamtheit offen ausländerfeindlich, erfülle jedoch nicht den Tatbestand der Volksverhetzung. Als zur Wahl zugelassene Partei habe die NPD in einem solchen Fall einen Anspruch auf Ausstrahlung gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Zuvor waren Verwaltungsgerichte in Bayern und Hessen zum gleichen Ergebnis gekommen.

BVerfG zu Rupert Stadler: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde des früheren Audi-Chefs Rubert Stadler gegen seinen Haftbefehl nicht zur Entscheidung angenommen. Dies berichten BadZ (Christian Rath) und FAZ. Das Oberlandesgericht München begründete die viermonatige Untersuchungshaft mit Verdunkelungsgefahr. Stadler hatte in einem abgehörten Telefongespräch die Beurlaubung von Audi-Mitarbeitern angeboten, die den Behörden mutmaßlich Informationen geliefert hatten. Hintergrund sind Ermittlungen gegen Stadler wegen Betrugs im Zusammenhang mit Manipulationen an der Abgassteuerung von Audi-Dieselfahrzeugen. Das Bundesverfassungsgericht sah den Haftbefehl nun als schlüssig begründet an und durch die "unabweisbaren Bedürfnisse einer wirkungsvollen Strafverfolgung" gerechtfertigt.

BVerfG zu "Stiefkindadoption": Auf verfassungsblog.de erläutert Doktorand Michael von Landenberg-Roberg die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur "Stiefkindadoption". Das Gericht hatte in dem Ausschluss dieser Adoption für nichteheliche Lebensgemeinschaften einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gesehen. Der Gesetzgeber dürfe zwar aus Sicht des Kindeswohls eine Adoption nur für längerfristige Paarbeziehungen erlauben. Ebenso habe das Gericht klargestellt, dass die Anknüpfung an die Ehe als Indikator für eine derartige Stabilität grundsätzlich legitim sei. Wo eine derartige Typisierung aber keine Ausnahmeregelungen oder einzelfallorientierte familiengerichtliche Entscheidungen vorsehe, werde sie nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts regelmäßig keine Aussicht auf Bestand mehr haben.

OVG NRW – Drohneneinsätze: Die Bundesregierung hat Revision eingelegt gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, das die Regierung zur Kontrolle der Völkerrechtsmäßigkeit von US-Drohneneinsätzen aus dem Stützpunkt in Ramstein verpflichtet hatte. In dem Verfahren hatten drei Jemeniten gegen die Bundesrepublik geklagt, die nach eigenen Angaben Angehörige in ihrer Heimat verloren hatten. Es berichtet lto.de.

BRAK – BGH-Anwaltschaft: Die Singularzulassung für Anwälte in Zivilsachen vor dem Bundesgerichtshof bleibt erhalten. Wie lto.de meldet, konnte sich auf der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer keiner der Reformvorschläge durchsetzen. Künftig solle allerdings nicht mehr das Bundesjustizministerium, sondern die BRAK für das Auswahlverfahren zuständig sein.

Recht in der Welt

EU – Rumänien: Die Europäische Kommission hat mit der Einleitung eines EU-Rechtsstaatsverfahrens gegen Rumänien gedroht, wie lto.de und FAZ (Michael Stabenow) berichten. Anlass sind die jüngsten Lockerungen des Korruptionsstrafrechts, die unter anderem verkürzte Verjährungsfristen und eine strafbefreiende Selbstanzeige vorsehen. Die Gesetzesänderungen sind noch nicht in Kraft getreten, da Staatspräsident Klaus Iohannis sie vor Unterzeichnung zur Überprüfung an das Verfassungsgericht geschickt hat.

Sonstiges

Europawahlrecht: Auf lto.de erklärt Wissenschaftlicher Mitarbeiter Alexander Hobusch die europarechtlichen Grundlagen und Besonderheiten der Europawahl. So sei die Gleichheit der Wahl kein europarechtlicher Wahlrechtsgrundsatz: Der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments sei nämlich wegen seiner degressiv proportionalen Sitzverteilung eine fehlende Stimmengleichheit immanent.

Datenschutzbericht: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat seinen Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2017 und 2018 an den Deutschen Bundestag übergeben. Wie Rechtsanwalt Axel Spies auf community.beck.de ausführt, habe er dabei der Datenschutzgrundverordnung ein positives Zeugnis ausgestellt. So hätten sich Staaten in Lateinamerika und Asien die DSGVO zum Vorbild genommen. netzpolitik.org (Lorenz Mrohs) weist darauf hin, dass Kelber in seinem Bericht auch eine "Sicherheitsgesetz-Pause" gefordert habe. Der Trend, die Kompetenzen der Polizei und Geheimdienste zur Verarbeitung personenbezogener Daten immer umfassender auszuweiten, sei vor dem Hintergrund einer sinkenden Kriminalitätsrate unverständlich.

Das Letzte zum Schluss

Konventionelle Datenermittlung: 1.300 Euro hatte eine 75-jährige Frau auf dem Weg zu einer Hochzeit dabei, die für die Braut bestimmt waren. Beim Umsteigen in Ulm jedoch ließ sie ihre Handtasche mit dem Geld auf dem Sitz zurück. Glücklicherweise fand der Zugbegleiter sie und brachte die Tasche zur Polizei – diese konnte die Frau kurz darauf anhand einer darin enthaltenen Hochzeitseinladung ausfindig machen. Es berichtet u.a. SZ.

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lto/mps

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. Mai 2019: Haftbefehl gegen Assange / Stadler scheitert mit Verfassungsbeschwerde / Rechtsstaatsverfahren gegen Rumänien? . In: Legal Tribune Online, 14.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35359/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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