Die juristische Presseschau vom 10. Mai 2019: Ein­wan­de­rungs­ge­setz in der Kritik / Straf­pro­zess­re­formen geplant / Gerichte in Deut­sch­land nicht unab­hängig?

10.05.2019

Geplantes Einwanderungsgesetz soll Fachkräftemangel entgegenwirken. Außerdem in der Presseschau: Bundesregierung plant mehrere Strafprozessreformen und Verwaltungsgericht Wiesbaden legt dem EuGH Frage zur Unabhängigkeit deutscher Gerichte vor.

Thema des Tages

Einwanderungsgesetz: Bei der ersten Lesung im Bundestag verteidigten CDU, SPD und CSU das von ihnen geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz gegen die Kritik der Opposition, wie deutschlandfunk.de (Gundula Geuther), SZ (Constanze von Bullion, Henrike Roßbach), FAZ (Dietrich Creutzburg) und taz (Dinah Riese) berichten. Das nun vorgelegte Gesetz soll dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenwirken, indem es unter anderem Menschen aus Nicht-EU-Staaten ermöglicht auch ohne akademischen Abschluss zum Arbeiten und zur Job- oder Ausbildungsplatzsuche nach Deutschland zu kommen. Zudem sollen in einem gesonderten Gesetz für abgelehnte Asylbewerber, die schon lange mit Duldung in Deutschland leben, die Arbeits- und Ausbildungsregeln vereinfacht werden. Politiker von Grünen, Linken und FDP geht der Entwurf nicht weit genug.

Da jede der vorgesehenen Erleichterungen mit einer Einschränkung versehen sei, erwartet Jasper von Altenbockum (FAZ) vor allem eine Belastung der einstellenden Unternehmen mit zusätzlicher Bürokratie.

Rechtspolitik

Abschaffung Art. 15 GG: In einem Interview mit lto.de (Christian Rath) eruiert Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, die Bedeutung und die Auslegung von Art. 15  Grundgesetz. Zudem legt er die Gründe für die Bestrebungen seiner Partei zur Streichung des Art. 15 aus dem Grundgesetz dar. Ein solcher Antrag soll noch in diesem Jahr gestellt werden und wäre damit der dritte dieser Art, den die FDP seit 2001 im Bundestag stellt.

Strafverfahrensreform: Wie die FAZ (Helene Bubrowski) weiß, plant die Bundesregierung zahlreiche Reformen der Strafprozessordnung. Vorgesehen sind unter anderem mehr Möglichkeiten für die Justiz, missbräuchliche Befangenheits- und Beweisanträge abzulehnen. Damit soll eine Beschleunigung der Strafverfahren erreicht werden. Anwaltsverbände äußern sich besorgt.

Elektronisches Notarpostfach: Seit Februar haben die Notare das neue elektronische Postfach in Betrieb, welches sie mit allen Gerichten und Behörden verbindet. Laut FAZ (Hendrik Wieduwilt) sorgt sich nun die Grünen-Fraktion im Bundestag um die Sicherheit des Postfachs. Sie kritisiert, dass das System jederzeit lahmgelegt werden könne und keine Auditierung durchgeführt worden sei, wie das zuständige Bundesjustizministerium auf eine Anfrage zuvor einräumte.

Präsidiumswahl: In einem Beitrag auf verfassungsblog.de befassen sich Anna von Notz und Maximilian Steinbeis mit dem Verfahren zur Präsidiumswahl im Bundestag nach Art. 2 Abs. 2 Geschäftsordnung des Bundestags. Dabei zeigen sie die Lücken und Widersprüche des Verfahrens anhand des aktuellen Vorstoßes der AfD auf einen Platz im Präsidium auf.

Justiz

BGH zu Widerrufsrecht: Ein Mann hatte auf der "Messe Rosenheim" am Stand des Beklagten eine Küche gekauft und am selben Tag seine Willenserklärung widerrufen. Nun entschied der Bundesgerichtshof, dass einem Verbraucher, der auf dieser Messe etwas kauft, kein Widerrufsrecht zusteht. Das dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht kann laut dem Europäischen Gerichtshof auch auf Messen gelten, nicht aber auf solchen, bei dem der Verbraucher damit rechnen muss, zu kommerziellen Zwecken angesprochen zu werden. Dies sei laut BGH bei der "Messe Rosenheim" aber der Fall, so lto.de weiter.  

BGH zu Staufener Missbrauchsfall: Im Fall des jahrelangen Missbrauchs eines Kindes in Staufen bei Freiburg muss das Landgericht Freiburg erneut prüfen, ob zwei verurteilte Männer auch in Sicherungsverwahrung kommen müssen. Das LG hatte hiervon in beiden Fällen abgesehen. Diese Entscheidungen hob der Bundesgerichtshof nun auf, da sie nicht rechtsfehlerfrei begründet worden seien. Die Schuldsprüche an sich sind rechtskräftig. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), tagesschau.de (Klaus Hempel) und lto.de.
 
BGH zu Spionage für Geheimdienst: Der Bundesgerichtshof hat eine Anklage des Generalbundesanwalts wegen Spionage für den jordanischen Geheimdienst zum Oberlandesgericht Jena zugelassen. Der Angeklagte soll wiederholt Informationen über Personen aus dem salafistischen Spektrum und das Umfeld einer Hildesheimer Moschee an einen Mitarbeiter des jordanischen Geheimdienstes übermittelt haben, so lto.de. Weil sich diese Tätigkeit nicht wie in § 99 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) vorausgesetzt gegen die Bundesrepublik Deutschland richte, hatte das OLG die Anklagezulassung zuvor abgelehnt, muss nun aber doch verhandeln.

BKartA zu Buchhandlungszusammenschluss: Wie lto.de meldet, hat das Bundeskartellamt die Fusion zwischen den beiden Buchhandelsketten Thalia und Mayersche Buchhandlung freigegeben. Weder aus Verbraucher- noch aus Verlagssicht bestünden wettbewerbsrechtliche Bedenken, so das BKartA. Die beiden Ketten betreiben zusammen 288 Buchhandlungen in Deutschland.

OLG München – IS-Anhängerin: Wie die SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de (Wiebke Ramm) berichten, hat im Prozess gegen eine frühere Anhängerin des Islamischen Staates (IS), eine andere ehemalige IS-Anhängerin umfangreich ausgesagt. Der Angeklagten wird vorgeworfen, Mitglied bei der Terrororganisation IS gewesen zu sein, sowie Mord durch Unterlassen an einem jesidischen Mädchen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Sie selbst schweigt zu den Vorwürfen.

VG Wiesbaden - Unabhängigkeit der Gerichte: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob es sich bei dem vorlegenden Gericht, also dem VG Wiesbaden selbst, um ein unabhängiges und unparteiisches Gericht handelt. Ausgangspunkt für die Frage ist die Formulierung "Gericht" in Art. 267 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), welcher die Befugnis zur Vorlage beim EuGH regelt. Dabei kommt es zur Beurteilung, ob es sich um ein Gericht in diesem Sinne handelt laut EuGH maßgeblich auf die Unabhängigkeit der Institution an. Mit der ausführlichen Beschlussbegründung, den Reaktionen der Richtervereinigungen und der Frage, ob der EuGH diese Gelegenheit nutzen wird, sich zur deutschen Justiz und ihrer Unabhängigkeit zu äußern, befasst sich lto.de (Markus Sehl).

VG Düsseldorf zu Hundeausführung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf bestätigte eine Anordnung der Stadt Krefeld, wonach eine Hundehalterin mit ihren drei Hunden nur noch einzeln Gassi gehen darf. Die drei jeweils 60 Kilogramm schweren Berner Sennenhunde seien im Rudel zu gefährlich, so die Anordnungsbegründung. Es berichtet lto.de.

VG Bremen zu ehemaliger Bamf-Chefin: Laut einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen, darf die Staatsanwaltschaft bei der Ermittlung im Falle der angeblichen Missstände im Bremer Flüchtlingsamt bestimmte Aussagen über die ehemalige Amtsleiterin vorerst nicht wiederholen. Damit gab das Gericht einem Eilantrag der ehemaligen Bamf-Chefin statt. Laut dem Gericht greifen solche Ausführungen nicht nur in die Privatsphäre der Frau ein, sondern können als unzulässige Vorverurteilung gewertet werden, wie die SZ und die taz (Benno Schirrmeister) melden.

LG Erfurt - Klagen gegen VW: Wie aus einem Hinweisbeschluss hervorgeht, will das Landgericht Erfurt in einem Vorabentscheidungsverfahren wichtige Rechtsfragen im Streit zwischen Volkswagen-Kunden und dem Automobilkonzern vor dem Europäischen Gerichtshof klären lassen. So unter anderem die Frage, ob Fahrzeughalter für gefahrene Kilometer Nutzungsersatz zahlen müssen. In der FAZ (Marcus Jung) wird erläutert, welche Auswirkungen solche Grundsatzentscheidungen allgemein und auch für andere Automobilhersteller hätten und welche Schritte Volkswagen gegen die Vorlage unternimmt.

Marcus Jung (FAZ) kommentiert, dass eine solche Vorlage im "Masterplan" von VW nicht vorgesehen sein dürfte und eine Grundsatzentscheidung das Unternehmen empfindlich träfe.

Recht in der Welt

Montenegro – Urteil für Putschisten: Weil sie im Oktober 2016 einen Putschversuch gegen die montenegrische Regierung unternommen haben sollen, wurden 14 Angeklagte von einem Gericht in Podgorica für schuldig erklärt. Unter ihnen sind montenegrische Oppositionsführer, sowie serbische und russische Staatsbürger. Grund für den Putsch soll der nahende Beitritt Montenegros zur Nato gewesen sein. Das Strafmaß reicht von einem bis zu 15 Jahren Haft. Allerdings wurde bereits angekündigt, sich nach Ausschöpfung des einheimischen Rechtswegs vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gegen die Verurteilung zur Wehr zu setzen. Es berichten die taz (Erich Rathfelder) und die FAZ (Michael Martens).

Singapur – Strafe bei Fake-News: Mit großer Mehrheit hat das Parlament in Singapur ein Gesetz verabschiedet, dass die Verbreitung von Falschmeldungen unter Strafe stellt. Klassische Medien und Internet-Konzerne müssen nun Artikel entfernen, sobald sie von staatlicher Seite dazu aufgefordert worden sind, so deutschlandfunk.de weiter. Kritiker befürchten, dass so die Pressefreiheit weiter eingeschränkt wird.

USA – Bewaffnung von Lehrern: Wie deutschlandfunk.de berichtet, können ab sofort Lehrer im US-amerikanischen Bundesstaat Florida freiwillig Waffen in der Schule bei sich tragen. Das Gesetz wurde in Reaktion auf das Schulmassaker von Parkland erlassen. Damals waren 17 Menschen getötet worden.

Juristische Ausbildung

Staatsexamen am PC: Wie bereits in Sachsen-Anhalt möchten jetzt auch Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sogenannte E-Klausuren für das zweite Staatsexamen einführen. Dies wird allerdings noch etwas dauern, da erstmal eine länderübergreifende Expertengruppe eingesetzt wurde, die zunächst die Einführung eruieren soll, so lto.de.

Sonstiges

Papst erlässt Meldepflicht: Laut FAZ müssen ab dem 1. Juni Kleriker und Ordensleute Missbrauchs- und Vertuschungsfälle umgehend innerhalb der Kirche anzeigen. Dies teilte der Vatikan mit. Nicht vorgesehen hingegen ist eine Meldepflicht an staatliche Stellen.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ali

(Hinweis für Journalisten)  www.lto.de/index.php?id=459

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage. www.lto.de/presseschau

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. Mai 2019: Einwanderungsgesetz in der Kritik / Strafprozessreformen geplant / Gerichte in Deutschland nicht unabhängig? . In: Legal Tribune Online, 10.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35305/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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